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Das Kreideschlucken

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Es ist lange her, verdammt lange her, als ich dich das letzte Mal gesehen habe. Damals warst du noch wild und wenigstens manchmal »du selbst«. Doch das alles ist sehr, sehr lange her. Du hast dich verändert. Dein Schmuck und dein Auto deuten auf deinen Wohlstand hin. Dein Bauch ist füllig, deine Augen von tiefen Rändern umgeben. Du versuchst immer wieder, deinen Bauch zu verstecken, doch deine maßgeschneiderte Kleidung gibt dennoch einen Blick frei auf die Resultate deiner Kompensationsgelüste. Deine Unfreiheit, dein goldener Käfig erlauben dir wenige Spielräume. Du siehst traurig aus. Du sagst, dass du erfolgreich seist. Mir scheint, dass du den Erfolg eins zu eins mit deinem Geldbeutel gleichsetzt. Das Gespräch mit dir ist zähflüssig, da du dich unausgesprochen stetig verweigerst. Du verweigerst ein ehrliches Gespräch und deshalb verkommt die Kommunikation zu einem Small-talk. Deine Gestik, deine Mimik ist von einer Überheblichkeit geprägt, die das Gegenüber beeindrucken soll. Doch du überschätzt dich und du merkst nicht, dass du die anderen vergraulst. Wer hat schon Lust auf einen Angeber, auf einen selbstverliebten Menschen, der alle anderen übertreffen will? Nichts erinnert mehr an deine Feinfühligkeit von damals. Nichts erinnert an dein soziales Engagement vergangener Zeiten. Du hast Kreide geschluckt. Dein Denken ist stromlinienförmig und du willst auf keinen Fall anecken. Du suchst den Vorteil und meidest die angeblichen Fettnäpfchen. Nichts und niemand sollen deinen Wohlstand gefährden. Niemand soll dich in Frage stellen und deine Lebensausrichtung durchleuchten. Du bist über jede Kritik erhaben, denn du hast die Weisheit gepachtet. Das strahlst du aus und genau das ist so unangenehm so abstoßend. Es ist unendlich wichtig für dich geworden, dass du als geschäftstüchtig wahrgenommen wirst. Du sprichst unaufhörlich von deinem Erfolg und meinst damit selbstverständlich deinen Wohlstand. Was ist aus dir nur geworden? Ein Angeber. Ein Mensch, weit entfernt von der Fähigkeit zu kommunizieren. Mir wird schwindelig, wenn ich mich in dich hineindenke. Alles schwankt unter meinen Füssen, wenn ich dich denken soll. Du bist schon lange nicht mehr »du selbst«, du bist sehr einsam, sehr isoliert und sehr oberflächlich. Es ist ein Trauerspiel, dich so zu sehen. Du betonst immer wieder mit anderen Worten, dass du erfolgreich seist und wer alles zu deinem Freundeskreis gehöre. Das Ansehen der anderen ist dir unendlich wichtig und gleichzeitig nimmst du nicht wahr, dass du die anderen verschreckst. Deine Antennen sind dir abhanden gekommen. Deine Empathie hast du verkümmern lassen. Du kannst nicht mehr frei und selbstständig denken. Du kannst nicht mehr »du selbst« sein. Du willst gefallen, du bist abgestürzt in die tiefe Grube des Gefallen-Wollens. »Wer bist du? Wer warst du? Wer willst du sein?« Du hast Kreide geschluckt! Du bist angstbesetzt! Du bist fremdbestimmt. »Kehre um und rette dein Selbst! Spüre in dich hinein und finde den Weg zu deinen wahren Leidenschaften! Wenn du es schaffst, zu dir Kontakt aufzunehmen, so werden die anderen wieder ehrlich mit dir sprechen.«

Nichts ist für die Ewigkeit

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