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3.

Perry Rhodan

Dieses Ding musste ein Wahnsinniger konstruiert haben!

Fasziniert starrte Perry Rhodan auf das Etwas, das sich im kombinierten Außenbeobachtungs- und Taktikholo drehte: ein oktaederstumpfförmiges Gebilde mit acht kreisrunden Seiten, den oberen Enden von riesigen Zylindern, die radial auf das Zentrum ausgerichtet waren. Dort, in der Mitte der fünf Kilometer durchmessenden Konstruktion, gleißte ein sonnenhelles Licht. Alle Oberflächen waren mit Antennen, Türmen und Beulen übersät, die wie altertümliche Reaktorkuppeln aussahen, sowie von Gräben zerfurcht, deren Verlauf keinen Sinn zu ergeben schien.

Das Bild war künstlich aufbereitet. Es stammte aus den Daten der Hyperortung. In Wahrheit trennten sie zwei Lichtjahre von dem Objekt; mit normaloptischen Kameras wäre das Omnitische Herz aus ihrem Versteck heraus nicht sichtbar gewesen. Grüngelbe Schwaden interstellaren Gases lagen wie eine Barriere zwischen ihnen. Das ultraviolette Licht des Blauen Riesen, in dessen Ortungsschutz sich die CREST II verbarg, regte die Materiewolken zum Leuchten an.

Anspannung lag in der Luft – wie Statik, die sich jederzeit entladen konnte. Stimmen drangen durcheinander, heisere Rufe, aufgeregtes Murmeln, nervöses Lachen. Thora Rhodan da Zoltral erteilte Befehle. SENECA leitete sie pflichtschuldig an die zuständigen Stellen weiter.

»Die Masse ist höher, als sie bei dieser Größe sein sollte.« Sarah Maas saß vornübergebeugt vor ihrer Station und kommentierte die Ortungsergebnisse. Das Haar rutschte ihr in die Stirn. »Diese Form umschließt einen Körper von immenser Dichte. Eigentlich müsste sie unter der Gravitation kollabieren.«

»Es handelt sich um eine künstliche kleine Sonne.« Bingdu sah über die Schulter der Ortungsspezialistin und deutete auf ein Balkendiagramm. Bernsteinfarbene Kontrolllichter schimmerten durch sein gallertartiges Fleisch, brachten seine Hand zum Leuchten. »Sie dient als Energiequelle. Stehen Ihnen keine vergleichbaren Mittel zur Verfügung?«

Maas' Antwort ging im Geraune unter. Unablässig lieferten die Instrumente neue Erkenntnisse. Was SENECA in diesen Sekunden an Daten in seinen Speichern ablegte, würde die Wissenschaftler der Solaren Union für Jahrzehnte beschäftigen.

Rhodan schlug die Beine übereinander. Er saß neben Thora auf dem Platz des Expeditionsleiters und versuchte, die allgemeine Nervosität von sich abprallen zu lassen. Seine Gedanken waren in Aufruhr, jedoch aus anderen Gründen. Uns steht kein Spaziergang bevor.

Das Ziel der CREST II schien greifbar: das unmittelbare galaktische Zentrum, wo das Dunkelleben herrschte und die geheimnisvolle Wesenheit Tihit zu erwachen drohte.

Jad-Kantraja war das letzte Hindernis, das es auf dem Weg dorthin zu überwinden galt. Die Station lag als Sperre im Korridor zwischen zwei Schwarzen Löchern, deren Gravitationsfelder einander wechselseitig aufhoben. Es war ein fragiles Gleichgewicht, das auf dieser Route zum Milchstraßenkern jedoch die Navigation ohne Lotsen ermöglichte. Fast überall sonst machte das Chaos in dieser Region des Weltalls jegliche normale bemannte Raumfahrt unmöglich. Ihr Weg führte also da durch, komme, was wolle.

Die Blockade der Shafakk steht zwischen uns und Tihit. Geistesabwesend spielte Rhodan mit dem Schnappverschluss seines Bordstiefels, genoss das satte Klacken, mit dem er aus- und wieder einrastete. Dass Bingdu auf der Seite der Menschen stand, war nur ein schwacher Trost. Auch der Omnit verfügte derzeit lediglich über die Möglichkeiten der CREST II und seines Vitrons. Auf Merkosh wiederum war kein Verlass. Seit Beginn seiner Wandlung fiel der Oproner häufig in tranceartige Zustände zurück. Rhodan hatte ihn in die Medostation geschickt.

Das Zischen des sich öffnenden Haupteingangs riss Rhodan aus seinen Überlegungen. Er wandte sich um.

Die Schotthälften glitten auseinander und Gucky kam hereingewatschelt. Entgegen seiner üblichen Gewohnheit war er zu Fuß unterwegs, statt zu teleportieren. Rhodan verzichtete auf eine Bemerkung. Der Ilt konnte empfindlich sein, wenn es um seine Parakräfte ging, und das hyperenergetische Chaos in dieser Raumregion wirkte sich auch auf seine Fähigkeiten aus.

Er kam nicht allein. Hinter ihm betrat ein Mann mit olivbrauner Haut die Zentrale, dessen kahler Schädel wie poliert glänzte. Er hatte eine normalmenschliche Statur und wirkte nicht wie ein aufgeblähter Muskelprotz, doch Rhodan wusste, dass der Eindruck täuschte. Hinter der Fassade seiner vergleichsweise schlanken Gestalt verbargen sich Kräfte, die denen eines Comic-Superhelden aus Rhodans Jugend in nichts nachstanden.

»Wo haben Sie Ihren Okrill gelassen?«, rief Rhodan.

Omar Hawk stieg das Kommandopodest empor. »In der Grünanlagensektion. Danielle Pyme hat angeboten, sich um ihn zu kümmern. Ich bin mit ihr als Aufpasserin einverstanden.«

»Gut.« Rhodan war froh, dass Omar Hawk der Idee einer »Okrillpension« zugestimmt hatte. Das Tier war zu gefährlich, um es frei an Bord herumlaufen zu lassen. Die Alternative wäre gewesen, Watson in Tiefschlaf zu versetzen. Aber niemand wusste, wie das Tier auf die entsprechenden Medikamente reagieren würde – oder ob sie überhaupt wirkten. Solche Experimente sparte sich Rhodan lieber.

Mit wenigen Worten brachte Thora Gucky und Hawk auf den neuesten Stand. »Der Sperrriegel, den die Shafakk um das Omnitische Herz gelegt haben, ist unpassierbar. Als einzelnes Raumschiff sind wir chancenlos.« Während sie sprach, musterte sie den Oxtorner misstrauisch.

Rhodan sah es ihr an: Dass der »blinde Passagier« Hawk in der Zentrale herumspazierte, passte ihr nicht. Immerhin war er aus seiner Zeitpfütze unbefugt an Bord gelangt. Gucky jedoch schien ihm zu vertrauen, und Rhodan genügte das vorerst.

Ohne dass die Kommandantin einen Befehl erteilte, aktualisierte SENECA den Bildinhalt des Zentralholos. Die Darstellung der fremden Raumstation schrumpfte zusammen. Rundherum tauchten rote Markierungen auf, dicht an dicht. Jede repräsentierte eine Großkampfeinheit der Shafakk. SENECA versah sie mit einer Nummerierung. Zahlen im fünfstelligen Bereich schwirrten durch die Luft.

»Den Kerlen auf die Mütze zu hauen, scheidet also aus.« Guckys Enttäuschung war unüberhörbar. »Ohne eine eigene mächtige Flotte kommen wir da nicht durch. Hast du mich deshalb gerufen? So phantastisch sind meine Fähigkeiten leider nicht.«

Rhodan lachte. »Offen gestanden hatte ich auf einen unkonventionellen Einfall gehofft. Der hiesige Shafakk-Koor hat uns klargemacht, dass wir unerwünscht sind. Mit Verhandlungen gelangen wir also nicht weiter. Uns gehen die Optionen aus.« Er fixierte Hawk. »Jeder Vorschlag ist willkommen.«

Sie schwiegen. Das Gemurmel der Zentraleoffiziere rauschte wie die Brandung eines Meers über Rhodan hinweg. Er rieb sich die Schläfen, unterdrückte ein Gähnen. Die Geräuschkulisse ermüdete ihn.

Schließlich ergriff ausgerechnet Bingdu das Wort. Zögerlich verließ er seinen Platz hinter Sarah Maas und sah zu Rhodan und Thora empor. »Nun ... vielleicht ... gibt es einen Weg«, druckste er.

Perry Rhodan versuchte, eine Regung in dem fremdartigen Gesicht zu erkennen, doch bei den aktuellen Lichtverhältnissen sah er nur ein schwarzes Gehirn und ein Bündel Organe, vor allem aber ein Paar tiefschwarzer Augen, die scheinbar körperlos durch den Raum schwebten. Er kämpfte die Abneigung nieder und hielt dem Anblick stand. »Ich bin gespannt.«

Der Omnit streckte den Arm – erkennbar nur als sanfte Lichtbrechung vor dem bunten Chaos im Hologlobus. Mehrmals griff er hinein. Zunächst geschah nichts. Erst beim dritten Versuch erfassten SENECAS Sensoren die Bewegung des nahezu unsichtbaren Arms und setzten sie in Befehle für den Holoprojektor um.

»Ihnen ist fraglos aufgefallen«, sagte Bingdu, »dass die Shafakk ihre Schiffe so effizient einsetzen, dass sie trotz begrenzter Zahl einen gigantischen Bereich höchst effizient abriegeln. Dabei nutzen sie die unpassierbaren Raumgebiete als natürliche Barriere. Sie müssen also nur dort Präsenz zeigen, wo ein Durchbruch zum Omnitischen Herzen mithilfe von Lotsen möglich wäre.«

»Eine astrogatorische Meisterleistung.« Thora nickte.

Bingdu veränderte den Darstellungsmaßstab, bis das Holo eine rund hundert Lichtjahre durchmessende Raumsphäre umfasste. Ein zweiter, weniger dichter Wall aus Feindschiffen wurde erkennbar, der den ersten wie eine Kugelschale umgab. Am Rand dieses Sperrnetzes aus Raumschiffen glomm ein kleiner, roter Stern.

»Die Shafakk verwenden einen Trick.« Der Omnit schob die Sonne in die Bildmitte und vergrößerte sie und ihr Umfeld. Der Bereich war auffällig frei von Wabenraumern. »Um festzustellen, wo sie ihre Kräfte zusammenziehen müssen, analysieren ihre Strategen permanent die veränderlichen lokalen astrophysikalischen Begebenheiten. Als Referenzpunkt für diese Berechnungen dienen ihnen die absonderlichen Emissionen dieser roten Sonne. Dort könnte die Lösung unseres Problems schlummern – im Skargh-Kashkor-System, auf der Welt Gorrash-Kollk.«

Die Fernortung leistete ganze Arbeit. Ein Planet erschien im Holo und wurde größer. Vier Kontinente lagen inmitten eines Ozeans, der so flach und wasserarm war, dass er fast wie ein Netz breiter Flüsse wirkte. Die Vegetation schimmerte blau und konzentrierte sich in einem äquatorialen Gürtel. Die Pole waren nahezu eisfrei.

»Sollten uns diese Namen etwas sagen?« Thora Rhodan da Zoltrals Ungeduld war unüberhörbar.

Der Omnit verbeugte sich entschuldigend. Seine nächsten Worte schlugen ein wie eine Bombe. »Gorrash-Kollk heißt der Planet in der Sprache des Compariats. Die Bewohner nannten ihn einst Skargh. Es ist die Ursprungswelt der Shafakk.«

Perry Rhodan strich Gucky über den Kopf. »Wie geht es dir?«

Der Ilt ließ die Schultern sinken, machte eine abweisende Geste. Der Biberschwanz klopfte nervös auf den Boden. Seine gute Laune war verweht.

Rhodan versuchte sich auszumalen, was Bingdus Eröffnung für den Mausbiber bedeutete, doch seine Vorstellungskraft versagte. Die Shafakk waren die Stammväter der Ilts. Damit war Gorrash-Kollk nicht nur die Heimat ihrer Gegner – sondern indirekt auch die von Gucky. Rhodan wusste, wie sehr sich der Ilt für seine blutrünstigen »Vorfahren« schämte.

»Der Weg führt also ins Herz der gegnerischen Macht?« Omar Hawks Mine blieb ausdruckslos. Guckys Dilemma schien vollkommen an ihm vorbeizugehen. »Das klingt irgendwie kontraproduktiv.«

Bingdu stieß einen Laut aus, den Rhodan als müdes Lachen interpretierte. »Es ist ungefährlich. Die meisten Shafakk meiden diesen Planeten. Er unterliegt zwar keinem Tabu, doch um Gorrash-Kollk ranken sich viele Legenden.«

»Legenden?« Guckys Schnurrhaare zitterten. Er nahm den Blick nicht von der lebensechten Planetendarstellung.

Behäbig drehten sich Wüsten und Gebirgsketten unter ihnen weg. Die Welt wirkte seltsam leblos. Rhodan entdeckte Strukturen und Muster auf der Oberfläche, bei denen es sich um Überbleibsel von Städten handeln mochte. So sah kein Zentrum einer zivilisierten, raumfahrenden Kultur aus. Etwas stimmte da nicht.

»Jene Art Schauermärchen, die Ammen kleinen Kindern erzählen, um sie durch Furcht abzuhärten.« Der Omnit nahm die Hand aus dem Holo, und das Bild wechselte zum ursprünglichen Bildinhalt zurück. »Mehr weiß ich nicht. Die Shafakk halten die Geschichten vor Außenstehenden geheim. Und die Gaden interessieren sich nicht genug für diese Welt, um nachzuforschen. Unsere letzten Besuche liegen zu lange zurück.«

»Wie hilft uns das?«, fragte Rhodan. Erneut legte er Gucky beruhigend die Hand auf den Kopf und kraulte ihn. Diesmal wies der Ilt ihn nicht zurück.

»Die Shafakk auf Gorrash-Kollk sind ... anders«, antwortete Bingdu. »Etwas auf diesem Planeten zähmt sie, stellt sie sozusagen ruhig. Egal wie ungestüm sie sich überall sonst verhalten, dort fehlt ihnen jeder Aggressionstrieb. Wenn wir den Grund dafür finden und replizieren können ...«

»Replizieren?« Bei dem Wort kamen Rhodan Zweifel. Das klang nach langfristiger Forschung. Was, wenn ein Naturphänomen für diesen Zähmungseffekt verantwortlich war, die Strahlung des Sterns beispielsweise? Verfügte die CREST II überhaupt über die technischen Mittel, diese Ursache aufzuspüren oder gar nachzuahmen?

Rhodan kam nicht dazu, seine Bedenken zu äußern. Denn in diesem Moment löste SENECA Alarm aus. Ein durchdringendes Heulen brachte seine Trommelfelle zum Klingeln. Rhodan setzte sich auf.

Thora beendete den Warnton mit einer Fingergeste. »Bericht!«

»Ein Shafakkgeschwader löst sich aus dem Absperrgürtel.« Hastig betätigte Sarah Maas die Kontrollen ihres Positronikpults.

Zugleich aktualisierte SENECA das Taktikholo. Ein Verband von siebzig Shafakkschiffen hatte sich aus der Peripherie des inneren Sperrgürtels gelöst und Kurs auf die Warteposition der CREST II genommen – mit aktivierten Waffen, wie die von der Fernortung angemessenen Energieemissionen verrieten.

»Sie haben soeben eine Kurztransition absolviert und sind jetzt nur noch zehn Lichtminuten entfernt«, las Maas von ihrer Anzeige ab. »Sie müssen uns durch den Gasnebel hindurch geortet haben, obwohl ich nicht weiß, wie das möglich ist. Die angeregten Gasmassen und der Blaue Riese sollten als Ortungsschutz eigentlich ausreichen.«

»Nun, wir orten sie auch, oder?« Bingdu klang abwesend.

»Anscheinend wollen die uns wirklich loswerden. Verschwinden wir!« Thora nickte Mentro Kosum zu.

Der Emotionaut, der dem Wortwechsel von seinem Platz aus stumm gelauscht hatte, bestätigte. Er lehnte sich im Sessel zurück und ließ die SERT-Haube auf seinen Schädel gleiten. Der Blick aus seinen smaragdgrünen Augenimplantaten richtete sich ins Leere.

Die wissenschaftliche Neugier der Zentraleoffiziere schlug in Hektik um. Waffenleitstand, Schutzschirmkontrolle und Astronavigation meldeten Bereitschaft. Taktikhologramme und strategische Diagramme flammten über den Stationen auf, voller Warnsignale und gegnerischer Kennungen. Eine bedrückende Übermacht hielt auf die CREST II zu.

Die überwiegende Mehrzahl der Aktivitäten in der Zentrale waren indes nur Ausdruck der Standardroutinen. Denn die wahre Kontrolle über das Geschehen hatte Mentro Kosum fast allein. Mit fernem Donnern nahmen die Triebwerke der CREST II ihre Arbeit auf, der Kugelraumer beschleunigte. Das terranische Schiff löste sich aus der Korona des Blauen Riesen und stieß in die umgebenden Gas- und Materiewolken vor.

»Die ersten Shafakkeinheiten haben den Nebel erreicht«, rief Maas wenig später. »Sie befinden sich auf Abfangkurs. In einer Viertelstunde geraten wir in die Reichweite ihrer Waffen.«

»Vorschläge!«, forderte Rhodan knapp. Sie brauchten Ideen. Eine ungeplante Nottransition wäre unter den herrschenden astrophysikalischen Bedingungen natürlich einem Selbstmord gleichgekommen.

»Kennen wir die exakten Koordinaten von Gorrash-Kollk?«, fragte Hawk.

Bingdu bejahte. »Sie sind in einem Datensatz enthalten, den ich Ihrer Bordpositronik eingespeist habe.«

»Dann nutzen wir die Gelegenheit.« Der Oxtorner sah Rhodan fragend an. »Der Gegner wird nicht damit rechnen, dass wir, statt die Flucht zu ergreifen, zum Angriff übergehen.«

Rhodan überlegte nicht lange. »Einverstanden.« Hawks Plan war verwegen, doch Rhodan hatte keine Lust, sich von Versteck zu Versteck jagen zu lassen. Stattdessen bot sich ihnen die Chance, die Initiative zu ergreifen.

»Wir steuern die Heimatwelt der Shafakk an. Kosum, gehen Sie den Angreifern aus dem Weg, und beschleunigen Sie auf Sprunggeschwindigkeit«, befahl Thora Rhodan da Zoltral unverzüglich. Rhodan war der Expeditionsleiter, sie die Kommandantin. Es gab nichts zu diskutieren.

Kosum nahm weiter Fahrt auf. Die CREST II drang tiefer in den interstellaren Nebel ein und schob ionisierte Materie vor sich her. Die Triebwerke kämpften gegen den Widerstand der molekularen Schwaden an, als pflügten sie durch Melasse. Die Gase brachten den Libraschirm zum Leuchten.

Rufus Darnell meldete sich aus dem Maschinenraum. »Ich weiß ja nicht, was da draußen vor sich geht, aber ich rate von diesem Manöver ab. Auf den Schirmgeneratoren kommen erhebliche Belastungswerte an. Die Schäden vom vorigen Mal sind noch immer nicht behoben.«

»Wie lange halten die Aggregate durch?« Rhodan rechnete. Die Flugtempoanzeige kletterte soeben auf dreißig Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Kosum musste seinen Kurs für vier Minuten halten, um eine Transition zu ermöglichen.

»Fünf Minuten«, lautete Darnells Antwort.

»Das reicht. Halten Sie uns auf dem Laufenden.« Rhodan beendete die Verbindung. Er umfasste die Armlehnen seines Sessels. Das Sitzpolster zitterte.

Der Geschwindigkeitsmesser wechselte auf fünfundvierzig Prozent. Gleichzeitig erhöhte sich sprunghaft die Menge der Materie, die gegen die CREST II prasselte. Die Normaloptik gab das Irrlichtern des Schutzschirms als stroboskopartiges Flackern wieder.

Ein unmenschlicher Schrei gellte durch die Zentrale.

Köpfe ruckten herum. Betretene Blicke wurden gewechselt. Gucky hielt sich die Ohren zu. Der Schrei ging in gequältes Wimmern über.

»Kosum!« Rhodan identifizierte die verzerrte Stimme erst nach einer Schrecksekunde.

Nichts hielt ihn mehr auf dem Sitz. Er sprang vom Kommandopodest, eilte zur SERT-Haube und beugte sich über den Piloten.

Rhodan wusste um die enge Verbindung, die zwischen Emotionauten und »ihren« Raumschiffen bestand. Kosum hatte einmal berichtet, dass er jedes Flackern des Schutzschirms und jeden Treffer aus feindlichen Waffen spüre wie Berührungen am eigenen Leib. Die neurale Kopplung war so intensiv, dass es oft zu psychosomatischen Effekten kam.

Dennoch erschrak Rhodan, als er den Cyboraner sah. Dessen Haut wirkte, als hätte er sich mit kochendem Wasser verbrüht. Rhodan erkannte nicht mehr, wo der rote Bart anfing und die Wangen begannen. Pusteln und Quaddeln überzogen Kosums Unterarme und den Hals wie winzige Brandblasen. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die Augenimplantate schienen ihm aus dem Schädel zu treten.

»Manöver abbrechen!«, presste Rhodan aus zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ruft einen Medi...«

»Nein!« Kosums Hände verkrampften um die Sitzlehne. »Ich ... schaffe ... es.«

Rhodan zählte die Sekunden, hielt die Hand des Emotionauten und spürte dessen Zittern. Wie lange, bevor die Flut der Sinneseindrücke das Nervensystem überlastete? Wenn Kosum kollabierte, bevor die CREST II Sprunggeschwindigkeit erreichte, waren sie den Gegnern ausgeliefert. Rhodan presste die Lippen zusammen.

Gefühlt quälend langsam ließen sie das Gravitationsfeld des Blauen Riesen hinter sich und näherten sich dem Rand des Nebels. Mit jeder zurückgelegten Lichtsekunde nahm die Dichte der Gasmassen ab. Endlich wuchs die Entfernung zu den Verfolgern. Die Ortung zeigte sieben Wabenschiffe, die auf Kurs blieben, doch ihre Geschwindigkeit lag weit unter jener der CREST II.

Nach viereinhalb Minuten erreichten sie eine Lichtung im Moleküldunst. Die Schutzschirmbelastung sank auf einen vertretbaren Wert. Das Irrlichtern verblasste, und Kosums Krampf löste sich. Er zitterte nicht mehr, nur seine Haut blieb gerötet. Er machte sich im Sitz lang, und die Triebwerke reagierten. Das Tosen im Ringwulst pflanzte sich durch den Schiffsrumpf fort. Die Deckplatten unter Rhodans Sohlen vibrierten.

Erst als er Mentro Kosum losließ, merkte Perry Rhodan, dass seine Linke die ganze Zeit zur Faust geballt gewesen war. Die Fingernägel zeichneten sich als weiße Abdrücke in seinem Fleisch ab.

Endlich sprang die Flugtempoanzeige auf fünfzig Prozent Lichtgeschwindigkeit. Warnbeleuchtung tauchte die Zentrale in rote Helligkeit, und die Transition riss die CREST II aus dem Normalraum.

Perry Rhodan Neo 235: Das Mausbibergrab

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