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Hoeneß, Bukowski und Co.
ОглавлениеHallo Greta, werte Leserschaft,
mit einigem Abstand und nach ein bisschen Nachdenken muss ich noch ein paar Worte zu Uli Hoeneß loswerden. Ich habe nämlich festgestellt, dass dieser Mann viel interessanter ist, als ich anfangs dachte – und zwar in einer grundsätzlichen Hinsicht, jenseits aller handelsüblichen Empörung oder auch Verehrung.
Es gibt ja diverse Möglichkeiten, beim Blick auf die Menschheit ein duales Prinzip anzuwenden und sie in Männer und Frauen, Hunde- und Katzenfreunde, Arme und Reiche, Blöde und Kluge, Singles und Verbandelte, Fleischesser und Vegetarier, Gläubige und Ungläubige zu unterteilen. Aber letztendlich läuft es doch auf ein viel einfacheres Schema hinaus, das weltweit und seit ewigen Zeiten gültig ist: Es gibt solche, die spielen, und andere, die immer nur zugucken.
Der Hoeneß-Typ ist der klassische Spieler, nicht nur als Fußballer, Vereinsmanager oder Börsenspekulant, und er hat Brüder im Geiste, denen man das nicht ohne weiteres zutrauen würde. Bukowski zum Beispiel (nicht zu verwechseln mit Podolski), auf den ich später noch kommen werde. Der wahre Spieler hat viele Gesichter. Er ist weit mehr als ein schnöder Zocker, sondern jemand, der durch sein Tun etwas bewirkt und bewegt, der Macht ausübt auf unterschiedliche Weise, und sei es auch nur, indem es ihm gelingt, sich permanent auf einer imaginären Bühne zu bewegen. Der Spieler ist in des Wortes tieferer und nicht nur modischer Bedeutung kreativ, weil er etwas generiert, das mit der wertvollsten aller Währungen beglichen wird: Aufmerksamkeit. Er gewinnt sie dadurch, dass er nicht nur befähigt ist, etwas Interessantes zu vollbringen, sondern auch etwas einsetzt und riskiert – Energie, Kraft, Lebenszeit, womöglich seine Gesundheit, indem er säuft oder kokst oder sich dopt und seinem Geist und Körper mehr abverlangt als eigentlich gut ist. Richtige Spieler sind meist auch suchtgefährdet, aber tapfer genug bis zu Tollkühnheit, das auszuhalten.
Spieler machen Geschäfte, Musik, schreiben Bücher, regieren Staaten, boxen, singen, werden auf Münzen und Briefmarken verewigt oder saufen sich zu Tode oder werden ermordet, wenn sie ihr Spiel überreizt haben. Nero oder auch Caesar sind Spieler, ebenso wie Wallenstein oder Bismarck oder Putin, wie Spartacus oder Muhammad Ali oder Arnold Schwarzenegger, Beethoven oder Schiller oder Mick Jagger, Amy Winehouse und Angela Merkel. Man macht sich zumindest Gedanken über sie. Mögen muss man sie nicht, aber jemand, der als eigenständiger, freiheitsliebender, ja autonomer Mensch (nein, denke jetzt bitte nicht an die Kreuzberger) selbstverständlich lieber spielt als nur zuschaut, wird man ihr Tun zumindest mit einem gewissen Respekt zur Kenntnis nehmen und im Idealfall auch seine Freude daran haben, etwa, weil einem eine bestimmte Art zu singen oder zu schreiben oder Tore zu schießen schlicht und einfach gefällt.
Womit ich bei der anderen Hälfte der Menschheit wäre – jener, die für sich offenbar beschlossen hat, sich mit einer Rolle am Spielfeldrand abzufinden. Es gibt wenig Menschliches, das mir wirklich fremd wäre, auch wenn ich nicht gerade der größte Philanthrop bin. Aber ich muss gestehen, dass es mir stets ein großes Rätsel geblieben ist, wie ein erwachsener, mündiger Mensch ein Fan sein kann, egal von was und wem. Der Fan ist in meinen Augen eine defizitäre Existenz, da er sich selber im Gegensatz zum Subjekt seiner Verehrung zur Passivität verurteilt hat – ob aus Einsicht in die Limitierung seiner Möglichkeiten oder Trägheit, sei dahingestellt. Mich deprimiert der Anblick Fahnen schwingender, bierseliger, fettleibiger Hurra-Schreier jedenfalls zutiefst, wie ich anlässlich des Hoeneß-Falls wieder mal feststellen musste. Fans opfern das Wenige, was sie an Persönlichkeit besitzen, auf dem Altar der Anbetung und werden dadurch selber zu Opfern. Was unterscheidet sie von blindgläubigen Jüngern, die einem Guru nachrennen? Eigentlich (sic!) nichts.
Fan-Gemeinden sind letzten Endes nichts anderes als eine Art Sekte.
Das gilt auch für eine besondere Variante dieser Spezies, das Groupie, ursprünglich bekannt als – sagen wir es frei heraus - willige-billige Wanderhure im Tross mehr oder minder prominenter Rockbands. Doch längst existiert das Groupie auch als Phänomen im literarischen Milieu. Charles Bukowski, der vor zwanzig Jahren verblichene große, alte, zauselige Trinker und Hurenbock, dem die Frauen nachliefen und hunderte Kilometer nachreisten in der verzweifelten Hoffnung, vielleicht auch mal kurz von ihm vernascht zu werden, hat diesen traurigen Gestalten mit seinem "Liebesleben der Hyäne" ein Denkmal gesetzt – sarkastisch, sturzkomisch und irgendwie auch voller Menschlichkeit und, ja, wohl auch Mitleid.
Das Literatur-Groupie, meinem Eindruck nach heute zahlreicher denn je anzutreffen auf Buchmessen und Lesungen, hat solches Mitleid auch vollauf verdient. Es hat und kriegt schließlich sonst nichts. Selbst schreiben oder irgendetwas Nennenswertes zustande bringen kann es nicht. Das nagt an ihm. Aber es möchte doch wenigstens dabei sein, irgendwie dazugehören, zuhören, wenn es schon selber nichts zu sagen hat. Und so beschränkt sich denn sein eigenes kleines, von keinerlei Aufmerksamkeit bedachtes Dasein darauf, Erfüllung zu suchen, indem es seine Aufmerksamkeit vergeudet und verschleudert an andere, von denen nicht mal sicher ist, ob sie ihnen überhaupt gebührt.
Wie dem auch sei, ich mag sie nicht, die Fans und Groupies jeglichen Geschlechts. Da lobe ich mir die Spieler, auch wenn sie manchmal echte Drecksäcke sind.
In diesem Sinne
Ben (Akteur, aber harmlos)