Читать книгу Mo Morris und der Supervirus - Benedict Dana - Страница 3
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ОглавлениеAls die alte Mrs. Higgins ihr gutmütiges Gesicht durch die Tür des Arbeitszimmers steckte und sich verabschiedete, sah Dr. Morton Morris mit einem dankbaren Lächeln von seinem Schreibtisch auf und gab ihr die üblichen freundlichen Worte mit auf den Weg. Er war froh, dass sie endlich ging, obwohl er die treue Seele, die ihm schon vor vielen Jahren von der Universität vermittelt worden war, mittlerweile in sein Herz geschlossen hatte. Eine Frau, die die Marotten eines nicht gerade einfachen, leicht neurotischen Junggesellen so geduldig ertrug und dabei meistens liebenswürdig geblieben war, hatte sich allen Respekt der Welt verdient und musste grundsätzlich gut behandelt werden.
Er stand auf, schob die vergilbte Gardine vor einer der beiden länglichen Sprossenfenster zur Seite und beobachtete, wie sie auf die Veranda des alten, im viktorianischen Stil erbauten Hauses trat und die Treppe zur Straße hinunterging. Das, was ihm an Mrs. Higgins am meisten missfiel, waren ihre ständigen Ermahnungen, das Haus besser in Schuss zu halten. Er interpretierte ihren Ordnungssinn als den übertriebenen Sauberkeitsfimmel einer typischen Haushälterin und legte grundsätzlich andere Maßstäbe an. Der verwilderte Vorgarten und die von den Fenstern abblätternde Farbe zeugten von einem in praktischen Dingen eher nachlässigen Geist, der sich von Berufs wegen eben mit ganz anderen Fragen zu beschäftigen hatte. Und doch steckte hinter dieser scheinbaren Nachlässigkeit auch ein bewusst gewählter Stil, der dem schmalen, zweistöckigen Häuschen mit seinem roten Backstein und den weiß eingefassten, vorspringenden Fenstern einen außergewöhnlichen Charme und eine besondere Patina verlieh.
Nachdem die gute Higgins endgültig verschwunden war, öffnete er die Schublade seines antiken Schreibtisches und zog eine Zigarilloschachtel und ein Fläschchen Whisky hervor. Die resolute Haushälterin hatte ihm das Rauchen im Haus verboten, aber da die Semesterferien anbrachen, wollte er sich die Freiheit nehmen, den Arbeitsalltag einem sehr viel angenehmeren Lebensrhythmus zu unterziehen. Er steckte sich eines der Zigarillos an, paffte ein paar Mal genüsslich und ließ sich mit wohligem Seufzen in einen der beiden Sessel fallen. Sein junger Cockerspaniel „Dr. Watson“, der schläfrig auf dem anderen Sessel lag, schaute wegen des penetranten Tabakgeruchs mit entsetzten Augen auf und ließ ein klägliches Jaulen unter seinen langen Schlappohren hören.
Der Inhalt der vielen Bücherregale, die sich über ihm wölbten und auf denen sich die verschiedensten Bücher und Schriften chaotisch häuften, spiegelte die unterschiedlichsten Interessen wider und entsprach der interdisziplinären Arbeitsweise, die für einen Kriminologen typisch war. Die Bücher reizten ihn jedoch im Moment nicht allzu sehr und er gab sich lieber entspannt seinen Gedanken hin.
Ihm war entgangen, dass Mrs. Higgins noch einmal zurückgekehrt war, und als sie plötzlich an die Tür klopfte und das Zimmer betrat, verschluckte er sich vor lauter Schreck an dem Rauch und brach in ein fürchterliches Husten aus. Sie rümpfte die Nase, blickte ihn vorwurfsvoll an und rief:
„Ich bin noch einmal zurückgekommen, um Sie daran zu erinnern, dass Sie heute Vorlesung haben. Haben Sie das etwa wieder einmal vergessen? Fangen am helllichten Tag an zu rauchen und zu trinken und sitzen immer noch hier im Morgenmantel herum!“
„Wie? Heute? Ich dachte, die letzte Vorlesung wäre morgen!“
Er sprang mit einem Satz auf und rannte mit einer manischen Eile die schmale Holztreppe hinauf, um oben im Schlafzimmer seinen Kleiderschrank aufzureißen und sich anzuziehen. Bald darauf stürmte er mit offenem Jackett und Aktentasche die Treppe hinunter und rannte kopflos auf die Straße hinaus. Er durfte die letzte Vorlesung des Frühlingssemesters unter keinen Umständen verpassen, da er seinen Studenten ihre schriftlichen Hausarbeiten auszuhändigen hatte und sie sehnsüchtig auf die für sie so wichtigen „Credits“ warteten.
Vor dem Haus hielt er für einen Moment inne und schaute die von Bäumen und parkenden Autos gesäumte Straße hinauf. Nach den vielen Jahren, die er in New York gelebt hatte, genoss er es jeden Tag erneut, wie ruhig das kleine Städtchen Rutherford war, obwohl es nur rund 10 Meilen von Manhattan entfernt auf der Seite von New Jersey lag. Er entschied sich den Wagen zu nehmen, der die meiste Zeit in einer baufälligen Garage am Ende der bekiesten Einfahrt stehen blieb, da der Campus der kleinen Universität nicht weit entfernt war. Der uralte, verrostete VW Käfer war schon oft genug zum Gespött seiner Kollegen und Studenten geworden, aber als überzeugter Individualist nahm er diesen Spott gerne in Kauf.
Während der kurzen Fahrt wurde er nur noch von dem Gedanken beherrscht, auf dem Weg zu seinem Seminarraum bloß nicht Professor Brubaker, dem Leiter des Fachbereiches Kriminologie, in die Arme zu laufen, der sein unkonventionelles, etwas flatterhaftes Verhalten schon immer mit kritischen Augen gesehen hatte. Er begegnete dem gefürchteten Professor beim Erreichen seines Zieles glücklicherweise nicht und schaffte es, ungestört in das altehrwürdige, historische Hauptgebäude der Universität zu eilen. An dem Durchgang zu einem der modernen Nebengebäude kam ihm Dr. Mary Kelly entgegen, die hübsche Psychologie-Dozentin, die er gleichzeitig fürchtete und begehrte wie keine Andere. Er war ihr mit den Jahren ziemlich nahe gekommen, doch die Angst, sie könnte vielleicht eines Tages eine ernsthafte Bedrohung für sein eigenwilliges Junggesellendasein werden, hatte ihn vorsichtig gemacht. Ihre Gegenwart führte bei ihm meist zu irgendeiner Form von Kontrollverlust, weswegen es nicht verwunderlich war, dass er beim Öffnen der Durchgangstür unter der Last seiner prall gefüllten Aktentasche für einen Moment das Gleichgewicht verlor. Sie hielt ihn instinktiv am Unterarm fest und rief:
„Mo! Was ist nur los mit dir, schau dich nur an! Hast du mal wieder völlig den Kopf verloren?“
Sie musterte ihn von oben bis unten und brach in ein herzliches Lachen aus. Sie verwendete stets seinen Spitznamen, der sich aus der ersten Silbe seines Vor- wie Nachnamens ergab und auch mit seiner äußeren Erscheinung zusammenhing: Seine sehnige, nicht gerade große Gestalt, sein dichtes schwarzes Haar und sein – wenn man von einigen Marotten einmal absah – grundsätzlich sehr beherrschtes und zum Philosophieren neigendes Wesen schien etwas Weises und Chinesisches auszudrücken, das sich gut in dem kurzen, aber eigentlich bedeutungslosen Laut „Mo“ fassen ließ.
Mary schlug ihre langen, braunen, lockigen Haare hinter ihre Schultern zurück und machte mit einem nachsichtigen Grinsen ein Zeichen zu seinen Füßen hin. Mo sah an sich herab und bemerkte zum ersten Mal, dass er in der Eile einen schwarzen und einen weißen Socken angezogen hatte. Während er sich noch darüber schämte und wunderte, spürte er plötzlich ihre grazilen Finger an seinem Hals, als sie mit großer Einfühlsamkeit versuchten seinen verknickten Hemdskragen glatt zu ziehen und einen aufgesprungenen Knopf zu verschließen. Die kurze Berührung löste einen warmen Schauer in ihm aus, und am liebsten hätte er ihr jetzt einfach einen dicken Kuss in ihr hübsches, intelligentes Gesicht gedrückt.
„Ich bin in wahnsinniger Eile… habe die Tage völlig durcheinander gebracht und muss dringend noch einen Stapel Arbeiten loswerden…“, murmelte er stattdessen nur und wollte schon weiter eilen, glaubte aber, ihr für ihre freundliche Geste noch irgendeine Nettigkeit schuldig zu sein, indem er sie zum Kaffeetrinken zu sich nach Hause einlud. Schon als er weiterlief, hätte er diese Einladung am liebsten widerrufen, da die Begegnungen mit Mary regelmäßig eine Achterbahn der Gefühle in ihm auslösten.
Als er endlich den Seminarraum im ersten Stockwerk erreichte und vor die kleine Gruppe von nicht mehr als 15 Studenten trat, stieß ihn die streberhafte Erwartungsfreude in den nüchternen und aufgeräumten Gesichtern stark ab. Die schwüle Wärme und die gefühlte klaustrophobische Enge taten ihr Übriges, und während er sehnsüchtig aus dem Fenster über den kleinen Campus und ein paar Sonnen beschienene Grünflächen zu dem Parkplatz mit seinem Wagen hinüber sah, fragte er sich, wie er am schnellsten aus dieser lähmenden Brutstätte langweiliger und unerquicklicher Gedanken wieder herauskommen könnte. Die ganze trockene Wissenschaft konnte ihm an einem solch herrlichen Frühlingstag nur vollkommen sinnlos erscheinen.
„Ich schlage vor, dass jeder von ihnen 5 Minuten über das Thema und die Ergebnisse seiner Hausarbeit referiert“, erklärte er, während er durch die Reihen ging und die Arbeiten zurückgab, womit er genau das tat, was in dieser Lage das Klügste war: Er überließ den Studenten die Arbeit, denen das gar nicht richtig auffiel, da sie in ihrem Ehrgeiz nur allzu gern jede Gelegenheit wahrnahmen, sich selber reden zu hören. Er pflanzte sich auf den Lehnstuhl, der an der Stirnseite des Raumes stand, und erteilte der Studentin mit der besten Note als Erste das Wort.
„Susan, erzählen Sie Ihren Kommilitonen doch bitte, was Sie in ihrer Arbeit so brillant über das Psychogramm des Täters im Hartford-Fall herausgearbeitet haben!“
Bei dieser Aufforderung lehnte er sich gemütlich in dem Stuhl zurück und begann für die Anderen unmerklich vor sich hin zu dösen, indem er seine Augen zu zwei schmalen Schlitzen verschloss, aber gerade noch weit genug offen hielt. Riss er sie während der ersten 15 Minuten noch hin und wieder mit einer aufgesetzten, nur sehr schlecht gespielten Lebhaftigkeit weit auf, um irgendwelche Fragen zum Thema zu stellen, so wurden seine Einwürfe später immer seltener und beschränkten sich irgendwann fast ganz darauf, mit einer automatischen, schläfrigen Geste dem nächsten Studenten das Wort zu erteilen.
Die Zeit verstrich und er hatte sich Stück um Stück weiter auf dem Stuhl zurückgelehnt, bis es nach knapp 80 Minuten – der fünfzehnte Redner stand gerade kurz davor seine Ausführungen zu beenden – unweigerlich geschah: Er konnte die Augen nicht mehr offen halten und war tatsächlich eingenickt, wodurch er plötzlich unter lautem Poltern hinten über die Lehne vom Stuhl herunterkippte. Als wäre das Missgeschick und das Gelächter der Studenten nicht genug, öffnete sich genau in diesem Moment die Tür und Professor Brubaker, der Fachbereichsleiter, erschien. Hinter ihm tummelten sich grinsend einige „Frischlinge“, die sich für das nächste Semester einschreiben wollten und sich von dem Professor einige Räume der Universität zeigen ließen.
„Was machen Sie denn da nur, Dr. Morris? Stehen Sie sofort wieder auf!“, wies er ihn scharf zurecht und starrte ihn vorwurfsvoll an.
„Oh… nun ja… nichts Besonderes, Sir, es ist nur so eine Art Endsemesterscherz… ich wollte meinen Studenten einen Fall… äh, einen Fall von einem Stuhl demonstrieren…“
Brubakers grauhaarige und dickbäuchige, in einem tadellosen blauen Anzug mit penibel zugeknöpfter Weste steckende Gestalt schien sich aus Mos Perspektive zu einer immer bedrohlicheren Größe aufzublähen und bald den gesamten Türrahmen auszufüllen. Glücklicherweise zog er sich nun ohne weitere Worte mit finsterer Miene zurück, da er vor den neuen Studenten keine Szene machen wollte.
Mo rappelte sich auf und schaffte es, die peinliche Situation zu überspielen, indem er sofort begann die Scheine mit den heiß begehrten „Credits“ an seine Studenten auszuteilen.
„Sie wollten uns noch etwas von Ihrem letzten Fall erzählen“, meinte bald einer von ihnen und schnell schlossen sich immer mehr Stimmen der Forderung an.
„Oh nein, heute nicht mehr… wer sich wirklich dafür interessiert, ist eingeladen, am Freitagabend gegen 8 Uhr bei mir zu Hause vorbeizuschauen“, verschob er die Erfüllung seines Versprechens, zum Abschluss des Semesters über seine Arbeit als Berater des New Yorker Police Departments zu berichten, auf ein paar Tage später. Er hatte seine Studenten nicht zum ersten Mal zu sich eingeladen und für manche hatten die Abende bei dem unkonventionellen Dozenten bereits Kultstatus erlangt.
Nachdem sie noch mit den verschiedensten Fragen an ihn herangetreten waren und nach und nach den Raum verlassen hatten, wagte er es erst ein paar Minuten später, auf den Gang herauszugehen und zu prüfen, ob ihm vielleicht Professor Brubaker irgendwo auflauerte.
Die Luft war rein und zur Sicherheit wählte er die Hintertreppe, um sich durch einen Nebeneingang auf kürzestem Weg zu seinem Wagen davonzustehlen. Er hüpfte so erleichtert wie ein Schüler, den man in die Sommerferien entlassen hatte, über den Campus-Rasen, sprang kurz vor dem Parkplatz schwungvoll über eine Hecke und schlug bald mit lautem Krachen die Tür seines altersschwachen VW Käfers hinter sich zu. Er startete voller Ungeduld den Wagen, um das vor zwei Stunden jäh unterbrochene Räucherstündchen in seinem Arbeitszimmer alsbald fortzuführen.
Als er wenige Minuten später in seine Grundstückseinfahrt einbog, sah er ein großes SUV mit tief schwarz getönten Scheiben vor dem Haus stehen, was ihn mit dunklen Vorahnungen erfüllte. Das Kennzeichen des Districts of Columbia lenkte seine Ahnungen in eine ganz bestimmte Richtung und ließ ihn mit gemischten Gefühlen an die Hauptstadt Washington denken. Die beiden mit schwarzen Anzügen bekleideten Männer, die ihn mit aufgeknöpften Hemdskragen und weit heruntergezogenen Krawatten in zwei Korbsesseln auf der Veranda erwarteten, entdeckte er erst, als er die Treppe zur Haustür nach oben ging.
Für ihn entsprach es dem ungeschriebenen Verhaltenskodex eines guten Kriminalisten, nicht sofort zu viele Fragen zu stellen, sondern die Kommunikation mit einer Reihe aus eigenen Schlüssen gewonnenen Feststellungen zu beginnen. Die Beiden schienen ihm mit stillem Einverständnis genügend Zeit dazu zu lassen, indem sie nicht sofort etwas sagten und zunächst nur ein bedeutungsvolles Lächeln auflegten.
„Es wäre mir sehr recht, wenn Sie mit Ihrem Anliegen nicht gleich herausrücken würden, meine Herren, damit ich beweisen kann, dass meine Fähigkeit aus dem Gegebenen die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, noch nicht gänzlich eingeschlafen ist“, begrüßte er sie etwas kompliziert und vermied es dabei, auch nur das geringste Erstaunen über ihr unangekündigtes Erscheinen zu zeigen. Er schaute sie kaum richtig an und bat sie mit einer einladenden Geste wie zwei bereits lang erwartete Gäste ins Haus hinein.
„Wie Sie sicher wissen, besitzen Sie wegen dieser Fähigkeit in gewissen Kreisen einen besonderen Ruf, Dr. Morris, weshalb Ihnen der Schluss nicht schwer fallen dürfte, dass dies einen der Gründe unseres Besuches darstellt“, bemühte sich daraufhin der Ältere der Beiden etwas schwerfällig, eine halbwegs elegante Antwort zu geben. Er war dünn und groß und sah wegen seines glatten, ausdruckslosen Gesichts, seiner schmucklosen Brille und ausgeprägten Halbglatze ziemlich nüchtern und langweilig aus, wohingegen sein erheblich jüngerer Begleiter mit seinem schwarzen, lockigen Haar und wachen, sympathischen Augen umso lebendiger wirkte. Dieser Eindruck wurde in Mos Augen auch dadurch vertieft, dass er den beim Öffnen der Tür auf die Veranda springenden und freudig an ihm hochspringenden „Dr. Watson“ zur Begrüßung intensiv streichelte und gut zuredete.
„Nun, Mister…“
„…Baker“, „…und Mr. Miller“, gaben der Ältere und der Jüngere nacheinander Mos fragendem Ton Antwort, während er sie durch die kleine Diele zum wichtigsten Raum des Hauses führte. Er ließ wegen der künstlich klingenden Allerweltsnamen ein sarkastisches Lachen hören und stieß schwungvoll eine hohe, zweiflügelige Tür auf, die in den gemütlichen Salon samt angeschlossener Bibliothek führte.
„Genauso könnten Sie sich als Mr. Tall und Mr. Small vorstellen, meine Herren, und bei solchen Namen fällt es mir wirklich nicht schwer, sofort den ersten Schluss zu ziehen. Ihr Auftreten und Ihre Erscheinung entlarvt Sie deutlich als zwei Beamte des FBI, was mich natürlich sofort mit der Frage erfüllt, mit was für einem Anliegen ihr euch ausgerechnet an jemanden wie mich wenden wollt…“
Die Beiden nahmen mit einem verhaltenen Grinsen die ihnen zugewiesenen Plätze auf einem der beiden altmodischen Ledersofas ein, die vor einem ungewöhnlich langen, über und über mit Büchern, Papieren, Schreib- und Rauchutensilien bedeckten Couchtisch auf einem stark zerschlissenen Orientteppich in der Mitte des Raumes standen.
„Dr. Watson! Hierher zu mir und sitz!“, war Mo plötzlich gezwungen, den jungen und noch sehr verspielten Cockerspaniel zur Ordnung zu rufen, der sich vor lauter Aufregung über die beiden fremden Besucher in den Saum eines schweren, roten Samtvorhangs verbissen hatte. Die Vorhänge fielen vor drei anheimelnden, zu dem verwilderten Garten hinausweisenden Sprossenfenstern bis auf den Parkettfußboden herunter und verliehen dem Raum eine leicht vornehme Note.
Als „Baker“ endlich etwas sagen wollte, schnitt Mo ihm rigoros das Wort ab, indem er blitzschnell seine rechte Hand mit spitz ausgestrecktem Zeigefinger hochhob und mit einer seltsam beschwingten und eindringlichen Stimme rief:
„Nicht doch, Mr. Baker! Lassen Sie mir bitte den Spaß, selber herauszufinden, worum es geht! Halten Sie das bitte nicht für unhöflich und begreifen Sie es als die Marotte eines unverbesserlichen Detektivs!“
Er begab sich in den hinteren Teil des bis zur Decke mit Bücherregalen ausgefüllten Raumes, holte eine Flasche Whisky aus einem antiken Schränkchen hervor und schenkte drei Gläser ein.
„Ich werde versuchen mich nicht darüber zu beschweren, mit was für einer penetranten Genauigkeit Sie ausgerechnet den Beginn der Semesterferien für Ihren unangekündigten Besuch abgepasst haben“, beklagte er sich dabei mit einer gespielten, leicht blasiert klingenden Ironie. Nachdem er sich seinen beiden Besuchern gegenüber auf dem zweiten Sofa niedergelassen hatte, wandte er sich an den neben ihm sitzenden Hund:
„Tja, was also könnte der besondere Grund sein, warum mir das FBI extra zwei Leute herschickt? Hmm… was meinst du, Dr. Watson?“
Der junge Cockerspaniel hob ein wenig sein Ohr und als sein Herrchen irgendetwas hineinflüsterte, jaulte er kurz auf und schüttelte sich. Mo flüsterte ihm abermals etwas zu und das folgende Kläffen schien seinen Worten dieses Mal Recht zu geben.
„Dr. Watson ist der Meinung, es müsste sich schon mindestens um eine Katastrophe – genauer gesagt um eine drohende Katastrophe - handeln, was ja ein entscheidender Unterschied ist“, erklärte er daraufhin zu Baker gewandt. „Aus dem Ausdruck, der Ihnen ins Gesicht geschrieben steht, lässt sich dies leicht schließen.“
„Ihre Kombinationsgabe in Ehren, Dr. Morris, aber die Angelegenheit wiegt zu schwer, um mit Ihnen irgendein spaßiges Spielchen zu spielen. Ihr putziger Hund sollte vielleicht besser dem berühmten Sherlock Holmes als Berater dienen, obwohl das, was Sie aus seinem Gebell herausgedeutet haben, vielleicht sogar ganz zutreffend ist.“
„Sherlock Holmes?“, lachte Mo bei dem weltbekannten Namen wie elektrisiert auf. „Wissen Sie, es gibt einen großen Unterschied zwischen jemandem wie Sherlock Holmes und mir, Mr. Baker. Die literarische Figur Holmes hat mit Hilfe seines äußerst wachen und genialen Verstandes sowie seines extrem weit gestreuten Allgemeinwissens aus den geringsten Indizien die hellsichtigsten und scharfsinnigsten Schlüsse gezogen, was jedoch auf meine Person in dieser Weise weniger zutrifft. Ich selber setze verstärkt auf etwas, was in Ihren Kreisen sicher weniger Berücksichtigung findet. Ich spreche von der reinen Intuition, meine Herren, der direkten seelisch-mentalen Eingebung, die in ihrer höchsten Form eigentlich nur noch wenige konkrete Indizien oder Beweise nötig hat. Die Kriminologie hat sich leider seit jeher viel zu sehr als logisches Wissenschaftsfeld begriffen, um solch rein geistigen Phänomenen genügend Beachtung zu schenken, weshalb sie in der Psychologie traditionell besser vertreten sind. Da trifft es sich natürlich gut, dass ich von Hause aus zuallererst Psychologe bin!“
„Wir wissen über Sie Bescheid. Von dem Ruf, den Sie sich unter ihrem Spitznamen Inspector Mo durch die Lösung einiger größerer Fälle und Ihre gelegentliche Mitarbeit bei der New Yorker Metropolitan Police erworben haben, ist genug zu uns durchgedrungen, um bereits ein gewisses Bild von Ihnen vor Augen zu haben“, entgegnete Baker und zeigte dabei das erste Mal ein Lächeln, wenn es auch ein sehr vieldeutiges und etwas seltsames Lächeln war.
„Dann wissen Sie ja sicher, dass mein Spitzname nichts mit realen Dienstgraden zu tun hat, obwohl ich in jungen Jahren für kurze Zeit bei der Polizei war. Ich kam damals zu der Überzeugung, für die praktische Arbeit nur bedingt geeignet zu sein, weshalb ich es schließlich vorzog, an die Universität zurückzugehen und der Polizei nur noch als Berater zur Verfügung zu stehen.“
„Auch das ist uns selbstverständlich bekannt. Wie ich hörte, konnten Sie viele Fälle, bei denen Sie während der letzten Jahre mitarbeiteten, von zu Hause aus, nur vom Schreibtisch aus, lösen. Ich erwähne das aus einem bestimmten Grund. Es könnte nämlich sein, dass…“
„… reine Schreibtischarbeit in diesem Fall nicht ausreichend sein wird!“, unterbrach Mo den Anderen blitzschnell. „Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen derart ins Wort falle, aber das, was Sie sagen wollen, habe ich schon von Anfang an deutlich gespürt!“
Er erhob sich, da er in diesem Moment ein Päckchen Zigarillos auf dem weißen Marmorsims des imposanten Kamins entdeckte, der sich hinter dem Rücken seiner beiden Besucher neben dem schmalen, holzvertäfelten Durchgang zur Küche befand.
„Da hat Ihnen Ihre Intuition etwas sehr Richtiges eingeflüstert. Schreibtischarbeit dürfte in diesem Fall nicht genügen, worauf ich Sie eigentlich behutsam vorbereiten will. Ich stelle mir vor, dass ein Mann mit einem solch sensiblen und intelligenten Auffassungsvermögen wie dem Ihrigen vielleicht Furcht verspüren könnte, plötzlich wieder in der verrückten Welt da draußen auf Verbrecherjagd zu gehen.“
„Wie bitte, was!?“ Mo verschluckte sich an dem Rauch eines gerade in Brand gesteckten Zigarillos, hustete stark und ließ sich mit empörter Miene wieder auf das Sofa fallen. Obwohl er sich selber für einen so cleveren Psychologen hielt, bemerkte er im ersten Moment nicht, wie sehr seine Reaktion genau dem psychologischen Kalkül des FBI-Agenten entsprach.
„Falls Sie mich für einen reinen Theoretiker halten, täuschen Sie sich mal bitte nicht“, stieß er beleidigt aus und sprang gleich wieder auf, um mit raschen Schritten zu einem alten Sekretär hinüber zu gehen.
„Ich besitze sogar noch eine Dienstwaffe, auch wenn ich sie zugegebenermaßen niemals benutzt habe“, rief er mit einem kindlich klingenden Stolz, während er aus der obersten Schublade des Sekretärs eine Pistole hervorholte. Als er vor den Augen der Agenten zur Demonstration ihren Schlitten schwungvoll nach hinten zog, erntete er allerdings anstatt Anerkennung nur spöttisches Lachen. Er hatte nämlich ein wenig zu stark gezogen, wodurch die Pistole, die er nach der letzten Reinigung und Ölung nur locker wieder zusammengesteckt hatte, unter seinen Händen in all ihre Einzelteile zerfiel.
„Erlauben Sie, Dr. Morris?“, meldete sich nun das erste Mal „Miller“ zu Wort, der aufgrund seines jüngeren Alters und geringeren Dienstgrades bisher seinem Kollegen das Feld überlassen hatte. Er beugte sich über die Einzelteile der Waffe und baute sie mit einem solch atemberaubenden Tempo wieder zusammen, dass er schon wenige Sekunden später eine Patrone aus dem Magazin in den Lauf laden und sie mit triumphierender Miene schussbereit vor Mo auf den Tisch legen konnte.
„Ihre Waffen sind mehr geistiger Natur, das haben wir ja jetzt begriffen“, meinte er mit einem Ausdruck im Gesicht, in dem sich deutlich Sympathie für den etwas wunderlichen „Inspector Mo“ ablesen ließ.
„Gut, kommen wir lieber wieder auf das Feld zurück, auf dem ich besser bewandert bin“, knüpfte Mo mit dankbarer Miene an die Bemerkung an und hatte kurz darauf schon wieder das alte Selbstbewusstsein in der Stimme. „Bevor wir konkreter werden, möchte ich gerne darin fortfahren, mir durch meine eigenen Schlüsse über den Grund ihres Besuches klar zu werden.
Die drohende Katastrophe, die ich eben mit Hilfe Dr. Watsons vermutete, ruft bei Ihnen offenbar keinen Widerspruch hervor, und die Tatsache, dass ich selber im Außendienst aktiv werden soll, weist als weiteres Indiz auf einen besonderen Fall hin.
Wenn ich so in Ihre Gesichter sehe, liegt für mich etwas in der Luft, was den Staat, das Volk, das Land in seiner Gesamtheit betrifft, irgendetwas, was zwar keine direkte Bedrohung für unser Leben, wohl aber eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Gewöhnlicher Terrorismus ist es eher nicht und ich glaube nicht, dass beispielsweise jemand mit der Vergiftung unseres Trinkwassers droht. Aber irgendeine Verwandtschaft dazu gibt es doch, auch wenn ich noch nicht weiß, was es denn nun ist…“
Er paffte mit stark gerunzelter Stirn angestrengt an seinem Zigarillo herum und löste mit seinen intuitiven Vermutungen – im Gegensatz zu dem völlig lächerlichen Vorfall mit der Waffe – ein anerkennendes Staunen bei den beiden Agenten aus.
„Ich habe das Gefühl, es kann sich höchstens nur noch um wenige Minuten handeln, bis Sie es uns sagen werden. Man möchte Sie ja wegen ihrer erstaunlichen Hellsichtigkeit schon fast für ein Medium halten“, lobte ihn der jüngere Agent.
„Nicht übertreiben, Mr. Miller. Nach all meinen Erfahrungen liegt vieles einfach auf der Hand und ist manchmal auch den beteiligten Personen unmittelbar anzusehen. Leider haben viele bloß nie gelernt, exakt genug zu beobachten und die richtigen Fragen zu stellen. Alles ist da, man muss nur die verschiedenen Teile des Puzzles richtig zusammenlegen, um das ganze Bild zu sehen.
Mich würde interessieren, worin im Allgemeinen Ihre Aufgabe liegt. Sie wirken irgendwie recht klug und fähig auf mich, so als wären Sie in irgendeinem Feld besonders kompetent.“
„Ihr besonderes Interesse an Mr. Miller beweist, dass Sie auch damit einer Ihrer Intuitionen folgen“, nahm Baker die Antwort seines Kollegen vorweg. „Es ist nämlich so: Wenn Sie sich bereit erklären, uns zu helfen, wird Jayden Miller Ihr Partner sein und Sie in allen praktischen Belangen unterstützen. Er ist ein sehr gut ausgebildeter Kerl, der sowohl praktische als auch theoretische Fähigkeiten besitzt, wenn ihm auch mit seinen 28 Jahren die Erfahrung als Agent in manchem noch fehlt. Jayden hat nicht nur die übliche Ausbildung durchlaufen, sondern kann auch sehr fundierte Kenntnisse in der Informatik vorweisen. Außerdem sei noch erwähnt, dass sein Vater ein sehr hohes Tier in Washington ist.“
„Informatik, so so, das wird dann ja wohl der entscheidende Hinweis sein, wie? Sie stupsen mich ja direkt mit der Nase darauf zu! Der Fall, um den es geht, könnte also mit der Welt der Computer und des Internets zu tun haben, einer Welt, in der ich leider nur durchschnittlich bewandert bin.“
„Sie haben die Sache jetzt schon sehr eng eingekreist, Dr. Morris, und ich bin wirklich gespannt, wie Sie jetzt noch auf den letzten und entscheidenden Punkt kommen werden. Ihr Hund wird es Ihnen dieses Mal wohl nicht ins Ohr flüstern können oder wie?“
Baker wies mit einem spöttischem Grinsen auf Dr. Watson, der sich inzwischen schläfrig zusammengerollt hatte und als einzige Reaktion nur ein wenig sein linkes Auge öffnete und leicht ein Ohr anhob.
„Wie Sie unschwer erkennen können, handelt es sich bei Dr. Watson um ein noch sehr junges Tier, weshalb man ihn nicht mit übertrieben großen Erwartungen belasten darf.
Ich muss mich wie so oft allein auf meine Intuition verlassen. Es ist mein Glück, dass mir viele Dinge einfach zufliegen, aber wirklich zuverlässig ist diese Gabe nicht, denn manchmal verlässt sie mich. Heute habe ich zufällig einen guten Tag erwischt, weswegen ich Ihnen hiermit sagen kann, dass der Fall, wegen dem Sie mich aufgesucht haben, mit irgendeiner drohenden Störung im Internet zu tun haben muss. Die meisten Probleme in diesem Bereich werden durch Viren hervorgerufen und so könnte die Sache etwa mit irgendeiner unbekannten, dunklen Macht zu tun haben, welche uns alle, das Land, die Regierung mit einem außergewöhnlich zerstörerischen Virus bedroht.“
Die beiden FBI-Männer schauten ihn mit unverhohlener Anerkennung an, und nachdem Baker ein paar Mal langsam und leise in seine Hände geklatscht hatte, lobte er ihn:
„Bravo, Dr. Morris, wirklich nicht schlecht! Vor kaum fünfzehn Minuten standen wir noch als völlig Fremde mit unbekanntem Anliegen vor Ihrer Tür und nun sagen Sie uns direkt auf den Kopf zu, worum es in einem Fall geht, der – nebenbei gesagt – streng geheim ist. Im Großen und Ganzen haben Sie Recht, zumal auch wir die unbekannte, dunkle Macht, von der Sie reden, noch nicht näher identifizieren konnten. Möchten Sie Dr. Morris vielleicht die Einzelheiten erläutern, Jayden, nachdem Sie so lange zum Schweigen verurteilt worden sind?“
„Gerne, Sir. Der Fall hat bereits die verschiedenen Dringlichkeitsstufen durchlaufen und ist momentan dabei, zu einer der wichtigsten Angelegenheiten im Land zu werden. Die Intelligence Community hat inzwischen alle Geheimdienste in höchste Alarmbereitschaft versetzt und zu engster Zusammenarbeit aufgefordert. Die Stufe, die nun erreicht ist, sieht vor, verschiedene zivile Kräfte, die der Polizei oder verschiedenen Sonderermittlungsbehören nahe stehen, in den Fall mit einzubeziehen. Personen wie Sie, Dr. Morris, werden in unseren Kreisen unter die Kategorie zivile Ermittlungskräfte gefasst, und es kommt nur in sehr seltenen Notlagen vor, dass diese Personenklasse in geheimdienstliche Untersuchungen mit eingeschaltet wird.“
„Nun, Jayden, wenn ich Sie so nennen darf, es schmeichelt mir natürlich, wenn mich das FBI, das man ja auch als ein wichtiges Bindeglied zwischen Polizei- und Geheimdienstarbeit verstehen kann…“
Mo unterbrach sich an dieser Stelle, weil er die Haustür laut ins Schloss fallen hörte. Wenige Sekunden später betrat Mrs. Higgins den Salon, musterte die beiden Fremden überrascht und rief mit einer theatralischen Geste lauthals aus:
„Ach du liebe Güte, schon wieder Polizei! Das letzte Mal als ein paar von Ihrer Sorte da waren, ist Dr. Morris einige Tage später verschwunden und erst nach mehreren Wochen zurückgekehrt. Ich hoffe, das wiederholt sich nicht und Sie machen mich nicht schon wieder arbeitslos!“
Miller lachte wie immer nur, doch Baker sah den lautstarken Auftritt der ältlichen, stark ergrauten Haushälterin, deren stämmige und rundliche Figur in einem altmodischen, geblümten Kleid steckte, mit solch großem Erstaunen an, dass sich Mo zu der Erklärung gezwungen sah:
„Sie müssen entschuldigen, aber Mrs. Higgins ist sozusagen die gute Seele des Hauses und für mich inzwischen sehr viel mehr als nur eine Haushälterin…“
„Wie bitte? Was heißt hier mehr als nur eine Haushälterin? Ist das etwa kein ehrenwerter Beruf für die hohen Herren?“
Ruths wütender Ton führte für einen Moment zu einem betretenen Schweigen. Obwohl sie meistens freundlich war, ging in fremder Gesellschaft manchmal irgendetwas mit ihr durch und sie versuchte sich in übertriebener Weise Respekt zu verschaffen.
„Der Grund, warum Mrs. Higgins für mich mehr als nur die höchst ehrenwerte und unersetzliche Funktion einer Haushälterin erfüllt, liegt darin, dass sie in manchen meiner Fälle die Rolle einer hilfreichen Assistentin eingenommen hat. Mrs. Higgins Scharfsinnigkeit und ihr unverstellter, gesunder Menschenverstand, der nicht – wie bei mir – durch ein Übermaß an trockener Wissenschaft verbogen worden ist, hat mir schon oft sehr nützliche Hinweise eingebracht“, schaffte Mo es geschickt, zugleich die empfindliche Ruth zu beruhigen, wie auch den Besuchern eine Erklärung zu geben. Angesichts dieser Lobeshymne beruhigte sie sich sofort wieder und fragte wie ausgewechselt mit aller Freundlichkeit:
„Darf ich Ihnen vielleicht irgendetwas bringen? Wünschen Sie etwas?“
„Ja, bringen Sie uns Kaffee und Kuchen, falls von Ihrem fabelhaften Apfelkuchen noch etwas übrig geblieben ist. Übrigens sind diese Herren mehr als nur gewöhnliche Polizisten, denn sie sind vom FBI!“
Der naive Stolz, der in den letzten Worten durchklang, konnte Ruth nicht wirklich beeindrucken und sie zog mit skeptischer Miene in die Küche ab. Derweil ergriff Baker wieder das Wort:
„Ich möchte noch einmal betonen, dass die Angelegenheit, wegen der wir Sie aufgesucht haben, von oben bis unten mit dem Stempel Top Secret versehen worden ist. Ich muss Sie daher dringend bitten, nicht etwa Ihre Haushälterin – wie scharfsichtig die gute Frau auch immer sein mag – in das einzuweihen, was Sie nun von uns erfahren werden.
Wären Sie nun so freundlich, mit Ihren Erläuterungen fortzufahren, Jayden?“
„Natürlich, Sir. Wie Sie ganz richtig vermutet haben, Dr. Morris, hat unser Problem tatsächlich mit so etwas wie einem Computervirus zu tun. Normalerweise wäre dies noch kein besonderer Grund zur Aufregung, aber der jetzige Fall hat eine Dimension erreicht, die im schlimmsten Fall ein Chaos im ganzen Land, ja sogar auf der ganzen Welt herbeiführen kann. Wir haben es mit einer außerordentlichen Bedrohungslage zu tun, weil es gegen die Art von Virus, mit der der Staat erpresst wird, bisher kein wirksames Schutzschild gibt.“
„Hat es bereits erste Störungen gegeben? Hier in Rutherford konnte ich bisher nichts davon bemerken“, fiel Mo dem jungen Agenten ins Wort.
„Natürlich, sonst säßen wir kaum hier. Virus ist übrigens nur ein vorläufiger Arbeitsbegriff, da es sich streng genommen um eine ganz neue Art des Angriffs handelt. Details dazu erfahren Sie später. Die ersten Drohungen und Geldforderungen wurden nicht sehr ernst genommen und irgendeiner Gruppe junger Hacker zugeschrieben, die sich einen Scherz erlauben wollte. Nachdem jedoch ein bestimmtes Ultimatum verstrichen war, kam es vor wenigen Wochen zu einer Reihe von ernsten Computerstörungen in Washington, unter anderem auch in verschiedenen Regierungsbehörden, Ministerien und öffentlichen Verwaltungseinrichtungen, die nicht wie etwa das Pentagon über ein eigenes Intranet kommunizieren.
Da es sich um eine neue Form der Manipulation handelt, konnten bisher keine Schadcodes identifiziert werden, die diese Störungen ausgelöst haben. Die Experten kämpfen gegen ungreifbare Phantome und Schatten, die in der Lage sind, die Datenflüsse in solch umfassender und rätselhafter Weise zu lähmen, als wäre die Hand des Teufels höchstpersönlich im Spiel.
Die Funktionsfähigkeit aller infizierten Rechner wurde quasi über Nacht wiederhergestellt, nachdem eine bestimmte Geldsumme auf ein Offshore-Konto eingezahlt worden war. Die Regierung überweist inzwischen jede Woche sehr viel Geld, damit das Problem nicht um sich greift. Und daher sind nun alle guten Köpfe im Land gefragt, wie diese unhaltbare Situation möglichst schnell beendet werden kann. Sie dürfen sich geehrt fühlen dazu gezählt zu werden, Dr. Morris!“
Bevor Mo auf diese Enthüllungen reagieren konnte, öffnete sich die Tür und Ruth kam mit einem Servierwagen herein. Nachdem sie Kaffee und Kuchen serviert hatte und gerade wieder gehen wollte, hielt er sie für einen Moment zurück und ermahnte sie mit strenger Miene:
„Ach, Ruth… eines noch, Sie haben es ja vielleicht gehört: Was hier besprochen wird, ist streng geheim, also stehen Sie bitte nicht so dicht vor der Tür, dass man beim angestrengten Lauschen Ihren rasselnden Atem hören kann! Ihre chronische Bronchitis verrät Sie nicht zum ersten Mal, meine Liebe!“
Als daraufhin ihre Kinnlade herunterfiel, aber kein Laut des Protests aus ihrem Mund hervorkam, wussten alle, dass sie auf frischer Tat ertappt worden war, und sie verließ wortlos den Raum.
„Hm… unser großes und mächtiges Land wird also wegen eines klitzekleinen Computervirus oder etwas Ähnlichem erpresst… eine ziemlich peinliche Situation oder nicht? Ich nehme an, die Drohungen dieser bisher noch nicht identifizierten Macht gehen dahin, die Störungen über die gesamten USA auszuweiten, falls nicht jede Woche pünktlich bezahlt wird?“
„Sie nehmen mal wieder ganz richtig an, Dr. Morris!“, bestätigte Jayden lebhaft und ging dann dazu über, das düstere Bild einer drohenden Katastrophe zu zeichnen. „So atemberaubend schnell und umfassend der Siegeszug des Internets während der letzten Jahrzehnte war, so verheerend könnten nun die Folgen dieser rasanten Entwicklung sein. Ich will diesbezüglich nur einmal eine zentrale Frage in den Raum stellen: Was passiert, wenn plötzlich das gesamte Netz – national oder sogar international - zusammenbricht? Insbesondere die wirtschaftlichen Folgen könnten mindestens so schlimm wie bei der Coronavirus-Pandemie ausfallen.
Bei dem heutigen Stand der Entwicklungen kämen logistische Ketten zum Erliegen, wichtige Handelsströme würden versiegen und auch Teile des Flug- und Zugverkehrs könnten zusammenbrechen. Ganz zu schweigen von dem Ausfall aller Online-Finanztransaktionen, was in der Bankenwelt innerhalb kurzer Zeit zum Kollaps führen würde. Wenn sich diese Störung nach und nach durch das gesamte System frisst, könnten irgendwann auch die Backups wichtiger Datenbänke infiziert werden, wodurch nicht nur in der Finanzwelt ein großes, schwarzes Loch entstehen würde. Die Steuerungen von Satelliten und Kraftwerken könnten beeinträchtigt werden und im medizinischen und militärischen Bereich könnte es zu technischen Problemen kommen. Außerdem wäre…“
„Schon gut, ich kann mir den Rest schon selber denken. Wir hätten es schlicht und einfach mit einem Desaster zu tun, für das es in der Geschichte bisher nur wenige Beispiele gibt. Die Folgen würden sicher an die der Coronavirus-Pandemie heranreichen und unserer Wirtschaft einen weiteren herben Rückschlag verleihen. Sollte das Problem über längere Zeit bestehen bleiben, würde das nicht nur zu einer ausgewachsenen ökonomischen Krise führen, sondern könnte über kurz oder lang auch Menschenleben kosten.“
„Sie sagen es, Dr. Morris. Das sind alles gute Gründe, warum größte Geheimhaltung geboten ist. Sollten auch nur die geringsten Gerüchte über einen drohenden Totalausfall des Internets kursieren, könnte dies als erstes zu einer Panik an den Finanzmärkten führen. Die Aktienindizes würden zusammenbrechen und viele würden versuchen, ihre Bankguthaben abzuheben und in Form von Bargeld oder physischem Gold aufzubewahren. Das könnte zu einem schlimmen Bankencrash mit Dominoeffekt führen.
Aber damit nicht genug: Die Hardliner in Regierung, Militär und Pentagon interpretieren den jüngsten Cyberangriff als eine Form von Krieg, durch den es im Notfall legitim erscheint, konventionelle militärische Mittel zur Vergeltung anzuwenden. Viele verdächtigen die Russen und Chinesen, was sich zu einer gefährlichen internationalen Krise zuspitzen könnte…“
Die Sorge, die Jayden bei diesen Worten in sein sympathisches Gesicht geschrieben stand, war nicht gespielt und Mo konnte in ihr deutlich ablesen, wie ernst die Lage wirklich war. Er nahm einen letzten Zug von dem beinahe schon erloschenen Zigarillo, schickte mit spitzen Lippen ein paar große, wohlgeformte Rauchkringel über den Tisch und meinte mit nachdenklicher Miene:
„Die Eigenschaften, die Sie beschrieben haben, deuten tatsächlich daraufhin, dass es sich nicht um einen Virus im konventionellen Sinn handeln kann. Alles weist auf eine bislang unbekannte Manipulationsform hin.“
„So ist es. Was auch immer es ist, sobald auch nur das geringste Gerücht an die Öffentlichkeit gerät, werden sich sehr schnell die größten Verschwörungstheorien darum ranken“, schaltete sich Baker wieder ein. „Leider gibt es bisher so gut wie keine konkreten Spuren und die Richtung der Untersuchungen nimmt teilweise die skurrilsten Formen an. Zudem hat die Regierung eine hohe Belohnung für die Lösung des Falles ausgesetzt, so dass es zu einem regelrechten Wettbewerb zwischen allen beteiligten Ermittlungskräften kommt.“
„Eine Belohnung? Das höre ich natürlich gern! Könnten Sie mir freundlicherweise ein Beispiel für die skurrilen Formen der Untersuchungen nennen?“
„Das werde ich gleich tun. Es ist natürlich so, dass die Hauptarbeit den Geheimdiensten und dem FBI zufällt, weswegen die zivilen Ermittler die Behörden zunächst bei den weniger wichtigen Spuren zu entlasten haben.“
„Ich verstehe… Die Nebenfiguren werden auf das Abstellgleis geschoben, damit eure eigenen Leute die Chance auf die Belohnung haben. Die unwichtigste aller Spuren fällt mir bei meinem Glück dann wahrscheinlich selber zu.“
Mos zynisches Lachen konnte Baker nicht irritieren und er entgegnete, ohne seine ernste Miene zu verziehen:
„Interpretieren Sie es, wie Sie wollen. Allerdings liegen die Dinge in Ihrem Fall etwas anders. Sie waren zunächst für eine Spur vorgesehen, die man tatsächlich als unwichtig oder sogar absurd bezeichnen könnte, doch dann hat man sich nach der Prüfung Ihrer Akte anders entschieden.“
„Und um was für eine Spur handelte es sich da genau?“
„Es ging um eine verdächtige Sekte, die sich Mormonen und Indianer der Endzeit nennt und bereits vor Jahren die Aufmerksamkeit des FBI erregte. In ihrem Gedankengut vermischen sich indianische Traditionen und christlich-mormonische Ideen zu einer fundamentalistischen Lehre, für die es landesweit kein zweites Beispiel gibt. Wir haben es hier mit extrem technik- und zivilisationsfeindlichen Auffassungen zu tun, die in der Vergangenheit immer wieder zu radikalen Äußerungen und Aufrufen geführt haben. Das Hauptquartier der Sekte befindet sich in Utah auf ein paar Hektar Land in den Bergen, wo sich ihre Mitglieder ihre ganz eigene Welt geschaffen haben – eine Welt, die von Einsamkeit und einem nur geringfügigen Einsatz von moderner Technik geprägt ist. So weit ich weiß, wird die Siedlung von ihnen Mount Zion genannt.“
„Es hätte also ursprünglich meine Aufgabe sein sollen, diese Siedlung zu besuchen und dort Nachforschungen anzustellen? Und Sie denken ernsthaft, eine solche Sekte hätte die Macht, das Internet in umfassender Weise zu stören? Gibt es dafür auch nur die geringsten Hinweise? Ich möchte das ganz spontan aus dem Bauch heraus für großen Unsinn halten!“
„Es gibt keine Hinweise, aber genügend Gründe. Aber das ist ja jetzt nicht mehr wichtig. Lassen Sie mich lieber auf den Punkt kommen, der relevant für Sie ist!“
„Nein bitte, ich möchte gerne etwas über diese Gründe hören, es interessiert mich sehr!“, insistierte Mo so nachdrücklich, dass Baker etwas widerwillig zu erklären begann:
„Nun, die Mormonen und Indianer der Endzeit betrachten Fernsehen, Radio und Internet als Technologien des Bösen, deren Absicht es ist, den gesamten Äther mit den Auswüchsen der modernen Gesellschaft zu durchdringen und zu einer Einflusssphäre Satans zu machen. Der Geist der Menschen soll demnach ständig so sehr mit weltlichen Ideen beschäftigt werden, dass darüber die Verbindung zu der rein geistigen, formlosen Wirklichkeit, also zu Gott, in Vergessenheit gerät. Sie interpretieren die modernen Massenmedien als eine permanente Störung, die den Menschen rund um die Uhr mit irdisch-illusionären Bildern, Ideen und Werten bombardiert, bis er gänzlich degeneriert und unmerklich unter dem alles infiltrierenden Einfluss weltlich-satanischer Mächte steht.
Für sie ist das Internet nicht eine der bedeutendsten technischen Entwicklungen des beginnenden dritten Jahrtausends, sondern der Meilenstein für das Anbrechen eines dunklen Zeitalters, in dem schließlich das Tier – wie es in der biblischen Offenbarung des Johannes heißt – auf dem Thron der Welt sitzen wird und die gesamte Menschheit mit satanischen Idolen und falschen Werten beherrscht.
Das Internet wird als eine Schlüsseltechnologie satanischer Macht interpretiert, die in diesem dunklen Zeitalter – der Endzeit – nach und nach immer weiter um sich greift und alle Bereiche des alltäglichen Lebens bestimmt, wodurch es schließlich auch zu totaler Kontrolle und Überwachung kommt. In ihren Augen sind Konsum, Propaganda, Gewalt, Pornografie, verzerrte Werte, Idolatrie und so weiter die typischen Inhalte, die Fernsehen und Internet dominieren und den menschlichen Geist in einer dunklen Gottesferne festhalten.“
Baker unterbrach sich und kramte ein Papier aus seiner Aktentasche heraus. Seinem ganzen Wesen war deutlich anzumerken, dass er sich mit der Ideologie der „Mormonen und Indianer der Endzeit“ nicht nur oberflächlich auseinandergesetzt hatte. Bald fuhr er fort:
„Ich habe hier ein Pamphlet der Sekte aus dem vorletzten Jahr, in dem es unter anderem etwa heißt:
Der Beginn des dunklen Zeitalters, das uns in der Offenbarung des Johannes mit der Herrschaft des Tieres angekündigt wird, ist längst eingetroffen und ist nicht erst in ferner Zukunft zu erwarten. In der Offenbarung wird uns die 666 als die Zahl des Tieres genannt und wir wissen, dass diese Zahl in vielen modernen Zeichen und Symbolen eine große Rolle spielt.
Das WWW des World Wide Web ist eine direkte Entsprechung dieser Zahl, zumal das W in hebräischer Schreibweise – Waw – nicht nur dem Zahlenwert 6 entspricht, sondern ihm auch ähnlich sieht. Die drei W stehen für Inhalte, die zwar nicht alle durch und durch böse sind, in denen sich aber die satanischen Idole und falschen weltlichen Werte mit dem Guten und Gesunden so untrennbar vermischen, dass der Geist fast unmerklich beeinflusst wird.
Das WWW ist eine Spielart des Zeichens, das eines Tages zum Zeichen aller Menschen wird, die unter der Herrschaft des Tieres stehen und ohne dieses Zeichen nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen können. Die Offenbarung des Johannes sagt uns dazu:
Die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und die Sklaven, alle zwang es (das Tier), auf ihrer rechten Hand oder ihrer Stirn ein Kennzeichen anzubringen. Kaufen oder verkaufen konnte nur, wer das Kennzeichen trug: den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. Hier braucht man Kenntnis. Wer Verstand hat, berechne den Zahlenwert des Tieres. Denn es ist die Zahl eines Menschennamens, seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.
Ich denke, ich brauche nicht weiter zu lesen, Sie sehen ja jetzt deutlich, in welche Richtung dieses Denken geht, Dr. Morris.“
„Ja, in der Tat, es handelt sich offensichtlich um eine sehr fundamentalistische Lehre, interessant! Es wäre sicher spannend gewesen, nach Utah zu reisen, auch wenn es sich kaum um eine ernsthafte Spur handeln kann. Aber nun erzählen Sie mir endlich, welche Aufgabe man wirklich für mich vorgesehen hat!“
„Nur zu gerne. Sie können übrigens diesen Auftrag als ein Privileg betrachten, weil es gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass Sie durch ihn eine Chance auf die große Belohnung erhalten. Bei der routinemäßigen Prüfung Ihrer Akte wurde festgestellt, dass Sie seit geraumer Zeit mit Tim Diamond, dem bekannten Privatdetektiv aus New York, befreundet sind.“
„Freundschaft ist zuviel gesagt!“, stellte Mo sofort klar. Der Name „Tim Diamond“ rasselte wie ein Paukenschlag in seinen Ohren und rief ihm sofort das Bild des Mannes vor Augen, mit dem ihn seit vielen Jahren eine ungewöhnliche Bekanntschaft verband. Sie pendelte ständig zwischen ironischer Sympathie und offener Ablehnung hin und her, was vor allem damit zu erklären war, dass sein eigenes Wesen und das des lauten, groben, von seinem prallen Ego strotzenden Diamond kaum gegensätzlicher sein konnte.
„Zumindest kennen Sie ihn sehr gut und haben des Öfteren mit ihm zusammengearbeitet. Da auch er zu den zivilen Ermittlungskräften zählt, die derzeit zur Kooperation mit den staatlichen Diensten aufgerufen werden, wurde seine Detektei Diamond Investigations mit der Untersuchung der Internetmanipulationen beauftragt. Weil er über ein besonderes Renommee verfügt, wurde ihm dabei weitestgehend freie Hand gelassen. Interessanterweise mehren sich für uns die Hinweise darauf, dass er sich bereits vor diesem Kooperationsaufruf stark für die Internetmanipulationen interessierte. Vielleicht war einfach die hohe Belohnung der Grund, aber vielleicht verfügte er auch schon früh über besondere Spuren und Informationen, über die wir bis jetzt keine Kenntnis haben.
Wie dem auch sei, die Sache ist die: Diamond ist seit einiger Zeit verschwunden und seine Sekretärin Betty Cadena kann oder will uns nicht sagen, wo er ist. Hinter seinem Verschwinden könnte sich vielleicht eine wichtige Spur verbergen. Wir überlassen es Ihnen, Miss Cadena näher zu befragen, da sie Sie kennt und Vertrauen zu Ihnen hat. Allerdings wird Jayden Sie begleiten und Ihnen ständig über die Schulter sehen!“
Das Bild von Tim Diamond, das Mo eben noch vor Augen gehabt hatte, verwandelte sich in das von Betty Cadena; sie war nicht nur Diamonds Sekretärin, sondern auch seine Freundin, und weil sie außerordentlich hübsch war, hatten manche dem ungleichen Paar den Spitznamen „Die Schöne und das Biest“ verpasst. Seine Gedanken drifteten für einen Moment in Erinnerungen ab und wurden erst wieder in die Gegenwart gerufen, als Baker fortfuhr:
„Falls die Sache mit Diamond im Sande verlaufen sollte, werde ich Sie mit einem neuen Auftrag versorgen. In zwei Wochen wird es eine Versammlung aller zivilen Ermittler in einem großen Hotel in Washington geben, bei dem die allgemeine Erkenntnislage in verschiedenen Arbeitsgruppen besprochen wird. Wenn Sie uns bis dahin irgendwelche Neuigkeiten mitzuteilen haben, wäre das nicht schlecht!“
„Ich werde mich bemühen, Sir! Wann soll die Arbeit beginnen?“, zeigte Mo sich ohne großes Gerede einsatzbereit und demonstrierte durch seine entschiedene Stimme Tatkraft und Entschlossenheit.
„Am besten sofort. Nehmen Sie umgehend Kontakt mit Miss Cadena auf. Die Details können Sie mit Jayden besprechen.“
Der abschließende Klang in Bakers Worten ließ erkennen, dass er bald aufbrechen wollte, weshalb Mo sich beeilte vorzuschlagen:
„Ihr Kollege kann von mir aus gleich hier bleiben, damit wir alles Weitere besprechen können. So wie ich es verstanden habe, haben wir keine Zeit zu verlieren, also machen wir uns sofort an die neue Aufgabe!“
Als wollte er diesen spontanen Vorschlag mit einer passenden Geste besiegeln, nahm er die Pistole zur Hand, die immer noch vor ihm auf dem Couchtisch lag, und ließ sie am Abzug einmal um seinen rechten Zeigefinger kreisen. Allerdings hatte er dabei völlig vergessen, dass Jayden sie geladen hatte. Als sich plötzlich ein Schuss löste und mit einem ohrenbetäubenden Knall in die Decke einschlug, rissen alle die Augen weit auf und waren vor Schreck stumm. Der Putz, der von der Decke rieselte, landete genau auf Dr. Watson, weshalb er mit einem großen Satz vom Sofa sprang und sein Herrchen vorwurfsvoll ankläffte. Währenddessen öffnete sich die Tür und Ruth schaute entsetzt herein. Sie erfasste die Situation mit einem Blick und ließ bloß ihr typisches, scheinbar immerwährendes Kopfschütteln sehen, das Dr. Morris – alias „Inspector Mo“ - während der letzten Jahre schon durch viele kleinere und größere Missgeschicke begleitet hatte…