Читать книгу Wander-Geheimtipps Bregenzer Wald - Benedikt Grimmler - Страница 7
ОглавлениеSaftige Wiesen vor dem Meierhof bei Riefensberg
Willkommen im Bregenzerwald!
Vorderer, Mittlerer und Hinterer Wald
Grob setzt sich der Bregenzerwald aus mehreren klar erkennbaren Teilen zusammen: dem nördlichen Vorderen Wald, der noch durch weite Flächen und hohe Hügel geprägt ist, eine voralpenländische Mittelgebirgslandschaft. Im Süden, unterhalb des Durchbruchs der Ach bei Bersbuch, beginnt der Hintere Wald, bestimmt durch die aufragenden Gipfel des Hochgebirges, das hier bis deutlich über 2500 Meter hinaufreicht. Dazwischen liegt noch, als drittes, der Mittlere Wald, eine weite Ebene um Egg, Schwarzenberg und Andelsbuch.
Die Subersach, ein tief eingeschnittener Nebenfluss, war lange Trennlinie zwischen den zwei bzw. drei Teilen und ist noch heute als Dialektgrenze erkennbar. Waren es einstmals die charakteristischen Holzbrücken, so sind es heute monumentale Stahlbetonkonstruktionen, die die Region verbinden. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist gleichwohl geblieben. Wie erwähnt hatte man über Jahrhunderte hinweg aufgrund der Abgeschlossenheit zu Rheintal, Allgäu und Arlberggebiet, die nur über hochgelegene Saumwege erreichbar waren, wenig Verbindung zur Außenwelt. Es entstand eine eigene Identität, die auch zu geschichtlichen Sonderentwicklungen führte.
Hoch oben im Gebirge finden sich meist nur noch rote Markierungen.
Die Bregenzer Ach verbindet (fast) alle Gemeinden des Bregenzerwalds.
In unserem Buch stellen wir von den 22 Gemeinden 21 vor (Schröcken ist die Ausnahme – das wird nachgeholt, versprochen!), dazu auch einige Orte am Rand und im Rheintal, um ein möglichst umfassendes Bild des Bregenzerwalds zu geben und seine zahlreichen Facetten vorzustellen – und dies auf Wegen, die nicht immer den üblichen Routen folgen.
Bregenzerwaldgebirge und Nagelfluhkette
Ganz so einfach ist es mit der klaren Aufteilung aber dann doch wieder nicht, denn die historische und die moderne touristische Region Bregenzerwald sind nicht komplett identisch mit dem sogenannten Bregenzerwaldgebirge.
Der Vordere Wald gehört zur Nagelfluhkette, die über die Landesgrenze bis weit hinein nach Bayern reicht; der Mittlere und der Hintere Wald sind – geologisch und offiziell definiert von den Alpenvereinen – das eigentliche Bregenzerwaldgebirge, das sich jedoch südlich bis ins Große Walser- und westlich bis ins Rheintal ausdehnt. Um das Ganze noch etwas komplizierter zu machen, gehören die Gebirgszüge östlich von Au bereits zur Arlberggruppe, darunter Bregenzerwälder-Klassiker wie der Diedamskopf und der Widderstein sowie auch die höchste Erhebung der Region, die Braunarlspitze mit ihren 2649 Metern. Der berühmteste, markanteste und auch unheimlichste Berg der Talschaft, der buchstäblich seinen Schatten auf den Bregenzerwald wirft, ist jedoch die Kanisfluh (2044 m), eine enorme Bergwand.
Krumbach mit seiner typischen Wälderkirche
Allzu sehr verwirren lassen sollte man sich von dieser Einteilung für Experten jedoch nicht – wer durch den Wald reist, wird die Bergwelt auch einfach so genießen können und froh sein, dass er an einem Tag mal eher auf Hügeln, an einem anderen Tag auch mal steil auf eine Bergspitze wandern kann. Flach geht es allerdings nie zu, kein Wunder bei Höhenunterschieden von knapp über 400 Metern auf Bodenseeniveau bis hinauf auf 2650 Meter.
Leben im Bregenzerwald
Besiedelt wurde der Bregenzerwald erst nach dem Jahr 1000, vereinzelt aber mag der eine oder andere auch schon früher dort gelebt haben, denn bereits die Römer liebten die Region als Jagdgebiet, wie auch viele spätere Herrschaften. Es waren die lokalen Größen, die anfangs den Wald unter sich aufteilten: die Bregenzer Herzöge, das Kloster Mehrerau, schließlich die Habsburger. Die einzelnen Dörfer wurden nach und nach gegründet, aber man blieb quasi unter sich. Die Oberherrschaft der abgelegenen Region blieb lose, im Hinteren Wald bildete sich die sogenannte »Wälderrepublik« heraus, eine Art demokratisch halbautonome Versammlung der Einwohner, nachgewiesen seit 1522 und aufgelöst erst zu Zeiten der kurzen bayerischen Besatzung (s. Tour 18). Für das Grundverständnis der Wälder ist diese Selbstständigkeit noch immer – zu Recht – bedeutsam. Es waren übrigens gerade die Frauen, die in mehreren Aufständen jegliche Versuche der Unterwerfung durch Fremdmächte meist erfolgreich abwehrten. Heute ist man Fremden gegenüber natürlich sehr aufgeschlossen; auch wenn das Wälderbähnle nur noch sehr verkürzt verkehrt – aber durch ein hervorragendes Busnetz ersetzt wurde –, ist der Tourismus naturgemäß eine der wichtigsten Einnahmequellen.
Neugierig sind nicht nur diese Ponys in Stollen, …
… sondern auch diese ungewöhnlichen Kirchenbesucherinnen in Schönenbach.
Armut dagegen war früher stets ein Problem – eines, das erstaunliche kreative Lösungsmöglichkeiten hervorbrachte. Zu den eher tristen Folgen gehörten die »Schwabenkinder«, Bauern, die ihre Kinder mindestens für die Sommermonate in die wohlhabenderen Gebiete Oberschwabens senden mussten, um sie dort Geld verdienen zu lassen. Doch die Bregenzerwälder zogen auch aus, um ganz andere Fähigkeiten unter Beweis zu stellen: Sie waren nämlich überaus begabte Künstler. Ohne die »Auer Zunft« ist das Barockzeitalter nicht denkbar, Meisterwerke der Baukunst von St. Gallen bis zur Birnau sind Bregenzerwälder Künstlern wie Architekten, Malern und Bildhauern zu verdanken. Der Wald selbst ist ohnehin ein Genuss für Architekturliebhaber. Holz ist natürlich das Baumaterial Nr. 1, und so entstanden die wunderschönen charakteristischen Wälderhäuser der vergangenen Jahrhunderte, aber auch insbesondere ganz moderne Bauten – hier ist es gelungen, zeitgenössische Architektur hervorragend mit der Tradition und Rücksicht auf die Landschaft zu vereinen.
Unterhalb des Lorenapasses reicht der Blick von Maltach bereits bis zum Bodensee.
Zwei Punkte möchten wir noch herausheben. Die selbstbewussten Bregenzerwälderinnen haben wir schon erwähnt. Es ist wahrscheinlich geradezu charakteristisch, dass sie es sind, die noch immer ihre traditionelle Tracht, die Juppe, an Sonn- und Feiertagen mit Stolz tragen. Weit entfernt von Landzeitschriften- und Oktoberfestkitsch gehört auch für junge Mädchen die Ausstattung mit der eigenen Juppe einfach dazu. In Riefensberg kann man sich die Herstellung dieses Gewands vorzeigen und erklären lassen (s. Tour 8). Und dann ist da noch die Bewirtschaftung des Bregenzerwalds im Dreierrhythmus, seit Jahrhunderten die Arbeitszeiten, aber auch die Landschaft bis heute bestimmend. Im Winter wohnt die Familie mit ihrem oft nicht allzu großen Viehbestand natürlich auf dem Hof in einer der typischen Streusiedlungen um den Ortskern aus Kirche und Gemeindeamt. Im Frühjahr bis Juli aber geht es mit Sack, Pack und den Tieren auf die Vorsäß, um dort die Weiden zu nutzen, in eine Hütte auf gut 800–1200 Metern Höhe. Noch höher hinaus, auf die Alpe, zieht man dann im Hochsommer bis Mitte September, ehe es anschließend noch einmal für ein paar Wochen auf die Vorsäß geht, bis im Oktober dann das Leben im Dorf erneut beginnt. Der Bregenzerwald liefert noch heute über 50 Prozent der Vorarlberger Milch und Milchprodukte, darunter den ebenso legendären wie einfach nur unglaublich guten Bergkäse aus Heumilch.