Читать книгу Kapital oder Kurve? - Benjamin Hofmann - Страница 5

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Prolog

„Guten Abend, Herr Vogt. Wir haben eine E-Mail erhalten, in der ein Informant Sie der Steuerhinterziehung bezichtigt, der schweren Körperverletzung und der Fahrerflucht. Was sagen Sie dazu?“ Manchmal schreibt das Leben die besten Geschichten. Denn es ist ein Freitag, der 13., als ein dem Autor bekannter Journalist den Böblinger Unternehmer Claus Vogt am Telefon mit diesen anonymen Anwürfen konfrontiert. Genauer gesagt: Freitag, 13. Dezember 2019. Zwei Tage später wählt der mitgliederstärkste Sportverein Baden-Württembergs, der VfB Stuttgart, seinen neuen Präsidenten. Und Vogt hat seinen Hut in den Ring geworfen im Rennen um dieses Amt. Spätestens im Moment dieses Anrufs dürfte Vogt aufgegangen sein, dass es um weit mehr geht als ein Ehrenamt im deutschen Fußball. Wenn Menschen bereit sind, die Existenz anderer Menschen mit anonymen und vor allen Dingen falschen wie schweren Anschuldigungen zu gefährden, geht es um Macht, Einfluss, Geld. Die Heilige Dreifaltigkeit des Milliardenbusiness Profifußball.

Vogt bleibt ruhig an jenem Abend. Er weiß, dass ein Artikel mit den Reizwörtern Steuerhinterziehung, Körperverletzung und Fahrerflucht so kurz vor dem Mitgliedervotum seine Chancen auf das Amt des Präsidenten schmälern, vielleicht sogar zunichtemachen dürfte. Eine glückliche Fügung des Schicksals will es, dass Vogt wenige Wochen zuvor in anderer Sache ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis beantragt hat. Er überzeugt den Journalisten davon, sich am Samstag zu treffen und ihm Einsicht zu gewähren in jenes Dokument, das keine Eintragungen beinhaltet.

Stille am anderen Ende. Dann: Er müsse sich zunächst mit der Redaktion besprechen. Wenig später der Anruf: „Wir glauben Ihnen, ein Blick ins Führungszeugnis ist nicht nötig.“ Geschichte tot. Und Vogt? Hat einiges zu bedenken.

Warum ein solcher, orchestrierter Versuch des Kandidatenmords so kurz vor der Wahl? Nur ein Wirrkopf, der solche Vorwürfe anonym in die Welt setzt? Oder doch der schändliche Gipfel einer aus dem Stillen heraus gesteuerten Kampagne?

Mit dem Wissen von heute darf man davon ausgehen, dass Letzteres zutrifft. Denn schon im Wahlkampf hat sich Vogt mächtige Feinde geschaffen in diesem, seinem Klub. „Das Ziel ist es, den VfB wieder zu einer großen Familie zu machen. Man soll wieder mit Freude zum VfB gehen und gerne dazugehören. Dorthin ist es natürlich ein weiter Weg. Mir scheint, dass es einen großen Spalt zwischen Fans, Mitgliedern und dem Verein gab“, sagt Vogt Mitte November. Und das, was folgte, dürfte Vertreter des Großkapitals hellhörig machen: „Durch die Ausgliederung wurde diese Spaltung zwischen Verein und Kapitalgesellschaft vielleicht noch weiter vorangetrieben.“

Die Ausgliederung, die dem Stolz des schwäbischen Fußballs im Juni 2017 41,5 Millionen Euro der Daimler AG gegen 11,75 Prozent Anteile aus der VfB Stuttgart 1893 AG in die Kassen spülte, als Spaltpilz? In den Kreisen von Wirtschaftsbossen und Fußball-Vorständen kommen solche Behauptungen gar nicht gut an.

Dort gilt Vogt als Mann der Kurve, als Ultra, als Gefahr. Zu diesem Ruf gelangt er nicht zuletzt aufgrund seiner Mitwirkung im kommerzkritischen Verein „FC Playfair“. „Wir fordern, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie die immer weiter fortschreitende Kapitalisierung des Profifußballs in die richtigen Bahnen und einen vernünftigen Rahmen gelenkt wird. Wir fordern mindestens einen Fanvertreter im obersten Kontrollgremium eines jeden deutschen Profifußballclubs.“ Das sind Auszüge aus der Charta des Vereins. Lässt sich schwer vereinbaren mit den Werten eines Klubs, in dem der Sportvorstand kritische Fans gerne mal öffentlich als „ahnungslose Vollidioten“ abkanzelt.

Ist diese Haltung also der Grund, weshalb sich Vogt schon vor der Wahl zum Präsidenten anonymer Rufschädigungen erwehren muss? Hypothetisch. Fakt ist: Am 15. Dezember 2019 wird der Mann seine Rede vor den Mitgliedern halten mit dem erweiterten polizeilichen Führungszeugnis in der Jackettasche. Sicher ist sicher. Vogt befürchtet, dass irgendeines der rund 2000 anwesenden Mitglieder aufsteht und plötzlich jene anonyme E-Mail rezitiert mit all den Rufschädigungen. Da weiß er noch nicht, dass keine 13 Monate später schon sein eigener Vorstandsvorsitzender seinen Ruf mit einer öffentlichen Frontal-Attacke zu zerstören versucht. Es ist die offene Kriegserklärung, Kapital kontra Kurve im Fußball. Welcome to the House of Cannstatt!

Kapital oder Kurve?

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