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24.04.1900 Ruhe vor dem Sturm

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„Bon Jour Bruderherz, nach einem Kaffee wird es dir sicherlich wieder besser gehen“, begrüßt Marie ihren Bruder Jean am Morgen, nachdem sie den Fall der „Gotteskinder von Paris“ gelöst hatten. Normalerweise ist Marie zu dieser Zeit schon längst in „les Halles“ auf der Arbeit, aber heute war sie nicht in der Verfassung arbeiten zu gehen. Hoffentlich bekommt sie deswegen keinen Ärger. „Danke Marie, du bist ein Schatz, was würde ich nur ohne dich machen.“ „Ohne mich hättest du es wahrscheinlich nie zum Kommissar geschafft. Würde ich dir nicht immer schon das Frühstück am Morgen richten bevor ich auf die Arbeit gehe, würdest du sicherlich immer zu spät kommen. Ich hoffe du findest endlich mal deine Traumfrau. Ich bin vielleicht nicht immer für dich da, ich werde mit Sicherheit auch irgendwann heiraten. Was machst du dann?“

„Was soll das heißen? Meinst du etwa du und den Pastor? Hat er dich etwa um deine Hand gebeten? Ziehst du jetzt in kürze aus unserem Elternhaus aus? Mich hat er auf jeden Fall noch nicht um deine Hand angehalten.“ „Ach was, keine Angst, so schnell passiert das wohl nicht. Ich finde, Richard ist ein lieber Mann, und ich wäre auch gerne Madame Koch, aber ich weiß nicht, ob er mich je fragen wird. Wenn ich ihn bekoche, ist er immer so nett und liebevoll, ansonsten ist er eher distanziert.“ „Dein Pastor Koch ist doch Deutscher wie Albert, ich habe das Gefühl, die Deutschen sind Frauen gegenüber alle so verklemmt. Ich weiß nicht, ob das bei denen in Deutschland nicht angeboren ist. Mittlerweile glaube ich auch, dass ich deswegen bei Sophie keine Chance habe. Ich denke, ich muss mich so wie Albert verhalten, einfach ein bisschen verklemmter ihr gegenüber sein, dann verliebt sie sich schon in mich.“ „Du und verklemmt? Ich glaube kaum, dass du so sein kannst, wenn du eine Gelegenheit bekommst, drehst du dich doch nach jedem Rock um. Sophie ist auch nicht dumm, ich habe sie kennengelernt. Ihre Tugend wäre wohl passé, wenn sie auf so ein Schauspiel hereinfallen würde.“ „Tu nicht so, als ob ich sie nur verführen will, um sie dann gleich wieder fallen zu lassen. Ich habe ernste Absichten, und da muss ich eben in die Trickkiste greifen. Durch Albert habe ich immerhin noch die Möglichkeit, sie zu treffen. Ich hoffe er kann mir ein paar Tipps geben.“ „Das kann doch nicht wahr sein, der große Jean Roussou fragt einen anderen Mann bei Frauen um Rat. Dass ich das noch erleben darf!“ Leicht schmollend begibt sich Jean nach einem kurzen Frühstück auf die Arbeit.

Nachdem Albert, seinem neuen Vorgesetzten im Deutschen Haus auf der Weltausstellung, über den Vortag Bericht erstattet hatte, macht er sich auf den Weg zur Polizeistation. Dort trifft er Jean, der noch etwas müde von der letzten Nacht ist. Jean erzählt ihm gleich, was ihm sein französischer Vorgesetzter befohlen hatte, während Albert noch im Deutschen Haus war. „Albert du wirst es kaum glauben, aber man hat mir befohlen keinen Bericht zu schreiben. Besser kann der Tag doch nicht anfangen, oder?“ „Da hat man dir also auch befohlen den Fall zu vergessen? Ich muss sogar alle Aufzeichnungen entsorgen. Die wollen alles vertuschen, was die letzten Tage passiert ist.“ „Mir kann das egal sein - cèst la vie - hoffentlich bekommen wir schnell wieder einen tollen, aufregenden Fall. Meine Kollegen, die außerhalb der Ausstellung arbeiten, sind auch schon wieder im Einsatz, die haben einen Mord. Bis wir wieder einen Mord bekommen, wird es noch lange dauern. Wahrscheinlich haben wir es wohl eher wieder mit Pflanzen- oder Taschendieben zu tun.“

„Ich glaube von diesem Mord, den du meinst, habe ich heute Morgen in der Zeitung gelesen. Eigentlich wollte ich sehen, ob etwas über unseren Fall drinnen steht, aber Pustekuchen. Ich bin dann über diesen Zeitungsartikel gestolpert. Das Opfer soll geradezu bestialisch zugerichtet worden sein, als wäre diese Frau von einem Tier angefallen worden.“

„Das habe ich auch gehört, leider dürfen wir in diesem Fall nicht ermitteln. Wenigstens können wir es heute etwas ruhiger angehen lassen, wir haben gestern schließlich genügend Überstunden gemacht. Wie wäre es, wenn wir heute früher aufhören, dann kannst du deine Isabell besuchen. Ich werde dich natürlich begleiten, falls sich ihr Vater doch noch entschließt, dich wieder rauszuschmeißen, dann unterstütze ich dich.“ „Das ist aber nett von dir, mit einer gewissen jungen Dame hat das wohl nichts zu tun, weswegen du mich begleiten willst?“ „Aber nicht doch, ich will dir doch nur zur Seite stehen. Wenn dann natürlich Sophie aufkreuzt, werde ich sie ablenken, damit du alleine mit Isabell sein kannst.“ „Ach Jean, wie habe ich das nur verdient, dass du immer so selbstlos bist?“

„Jetzt tu nicht so! Wer hatte dir denn die Möglichkeit gegeben, alleine mit Isabell über die Ausstellung zu wandeln, als sie hier das erste Mal auftauchte? Wer hat dir denn da den Rücken freigehalten?“ „Hm, da hast du recht, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. In Ordnung, du kannst mitkommen, aber bitte benimm dich Sophie gegenüber.“

Die beiden nehmen sich also den Nachmittag frei und machen sich gleich auf den Weg zu Isabell in die Rue de Rivolli, vorher besorgen sie natürlich noch ein paar Blumen.

Sophie öffnet überrascht die Türe. „Hallo Albert, mit dir hatte ich erst heute Abend gerechnet.“ Als sie Jean erblickt begrüßt sie ihn ebenfalls, aber mit einem verachtenden Ton: „Oh guten Tag Herr Roussou, mit Ihnen habe ich überhaupt nicht gerechnet!“

Sie führt die beiden in den großen Salon. „Isabell ist momentan noch nicht salonfähig, sie muss sich erst noch zurechtmachen. Herr Schubert wollte sowieso nochmal mit dir sprechen, er ist in seinem Arbeitszimmer.“ Sophie führt Albert zu Herrn Schubert und lässt Jean alleine im Salon zurück, der es sich dort gemütlich macht. Unterdessen eilt Sophie zu Isabell, um ihr beim Ankleiden zu helfen.

„Schön Sie wiederzusehen Herr de Menier. Nach unserem gestrigen Gespräch, wollte ich mich nochmal in Ruhe mit Ihnen unterhalten. Ich möchte Sie auch ein bisschen besser kennenlernen. Das hätte ich eigentlich schon machen sollen, bevor ich Ihnen meinen Segen gegeben habe.“ „Ich hoffe doch, Sie haben es sich nicht anders überlegt?“ „Keine Angst, ich denke immer noch, dass Sie ein anständiger junger Mann sind, der nur das Beste für meine Tochter will. Wir hatten gestern allerdings nicht die Gelegenheit, über Sie zu sprechen. Herr de Menier, wie haben Sie vor, meiner Tochter einen gewissen Lebensstandard zu sichern?“

„Herr Schubert, ich denke, Ihnen war gestern schon klar, dass ich den Lebensstil ihrer Tochter, den sie momentan führt, nicht finanzieren kann. Ich bin ein einfacher Kommissar, der natürlich schon etwas gespart hat, aber das soll natürlich nicht für irgendwelchen Schnickschnack rausgeworfen werden. Auch wenn ich nochmal befördert werden sollte, wird es nicht reichen, sich den Lebensstil ihrer Tochter zu leisten. Ich denke, dass ich eine Frau oder sogar eine Familie ernähren kann. Wenn sie aber Bedenken haben, können Sie so einen Mann wie Hans Weber für ihre Tochter suchen.“ „Gott bewahre, so ein Mann wie Hans Weber kommt natürlich nicht in Frage, nicht für alles Geld der Welt. Ich bin auch nicht derjenige, der darauf besteht, dass sie einen reichen Mann heiraten soll. Ich bin eher darum besorgt, ob Isabell bereit ist, sich in ihrem Lebensstil für Sie einzuschränken?“

„Denken Sie, ihr sind die schönen Kleider und alles andere wichtiger wie ich? Da haben Sie ihre Tochter wohl schlecht erzogen.“ „Mein guter Herr de Menier, so etwas liegt nicht in der Macht der Eltern, das werden Sie auch noch irgendwann erfahren. Menschen können auch nicht anders, das liegt ihnen im Blut. Jetzt hat Isabell Gefühle für Sie, aber wie sieht es in ein paar Jahren aus, wenn sie sich daran zurückerinnert, wie gut sie es einmal hatte.“ „Wenn ich glauben würde, dass die Liebe von Isabell zu mir nicht stark genug ist, um alles zu überstehen, wäre ich heute wohl nicht hierhergekommen.“

„Mehr wollte ich von Ihnen auch nicht wissen. Ich wollte nur sichergehen, dass Ihnen bewusst ist, dass es auch in dieser Hinsicht Probleme geben kann. Sie brauchen keine Angst zu haben, Isabell wird so lange ich lebe auf nichts verzichten müssen. Damit müssen Sie allerdings klarkommen, nicht dass Sie dadurch gekränkt werden. Ein Mann hat ja das Bedürfnis für seine Familie alleine zu sorgen, aber wenn Sie mit Isabell zusammen sein wollen, werde ich immer da sein. Ist das ein Problem für Sie?“

„Sie setzen mich ganz schön unter Druck. Natürlich wird es ein Problem für mich sein, wenn Sie weiterhin ihre Tochter unterstützen, aber für Isabell werde ich mich mit diesem Problem arrangieren müssen.“

„Gut, damit haben wir das geklärt. Wie haben Sie ihr weiteres Vorgehen geplant?“ „Nun, Sie sagten bereits, die große Hürde liegt noch vor mir, ich muss die Feuerprobe bei ihrer wehrten Frau Gemahlin - Isabells Mutter - bestehen. Kommt ihre Frau in nächster Zeit nach Paris?“ „Da haben Sie Glück meine Frau Eleonore kommt bald, soweit sie sich wieder erholt hat. Sie erlitt einen Schwächeanfall, als man ihr von Isabells Entführung berichtete.“

„Nun, wenn ihre Frau nichts gegen eine Bindung einzuwenden hat, kann ich meine Mutter bitten mir den Ring meiner Großmutter zu schicken, damit ich Isabell einen offiziellen Antrag machen kann. Bitte behalten Sie dies alles für sich, ich möchte Isabell so gerne damit überraschen.“ „Natürlich erfährt niemand ein Wort von mir. Aber denken Sie nicht, ihre Frau Mutter sollte auch dabei sein, wenn sie Isabell den Antrag machen?“ „Das ist wahr, ich befürchte aber, dass sie nicht nach Paris kommen kann, sie wird ihren Krämerladen nicht ohne weiteres schließen können.“ „Ach für so etwas wird ihre werte Mutter alles stehen und liegen lassen. Glauben Sie mir, die steht schneller vor ihrer Tür, als Sie denken, schon allein, wenn Sie um den Ring ihrer Großmutter bitten. Ich möchte mich auch ein bisschen erkenntlich zeigen, für all das, was sie für uns getan haben. Wie wäre es, wenn ich ihre Mutter hier nach Paris einladen würde?“ „Das kann ich doch nicht annehmen, ich habe das alles doch nur für Isabell gemacht, da will ich keine Belohnung oder dergleichen, ihr Segen ist mir schon Belohnung genug.“

„Keine falsche Scham, uns wurde vom deutschen Konsulat eingetrichtert, dass wir über diesen Vorfall kein Sterbenswörtchen verlieren dürfen. Da Sie jetzt schon auf diesen Ruhm und diese Anerkennung verzichten müssen, lassen Sie mich Ihnen wenigstens meine Anerkennung zukommen. Ihre Mutter wird sich mit Sicherheit freuen, oder?“ „Ich weiß nicht, das kann ich doch nicht annehmen.“ „Na dann lassen Sie mich wenigstens die Zugfahrt für Sie organisieren.“ „Nun gut, ich darf nicht immer nur an mich denken. Meine Mutter hat es auch mal verdient, von zu Hause rauszukommen. Ich nehme ihr Angebot dankend an.“

Nachdem die beiden ein paar Einzelheiten geklärt haben, freut sich Albert, jetzt seine Isabell wieder zu sehen. Jedoch muss er sich gedulden, da sich seine Angebetete noch zurechtmacht, sie hat mit dem Besuch der beiden Herren nicht so früh gerechnet. Also begibt sich Albert in den Salon in dem Jean schon seit ihrer Ankunft wartet. Jean sitzt ganz verkrampft auf dem Sofa, die Knie zusammengepresst, die Arme fest am Körper, unnatürlicher geht es nicht mehr. Ab und zu schaut er, oder sollte man besser sagen, schielt er aus den Augenwinkeln in Richtung Sophie, wenn diese gelegentlich durch den Salon geht. Sophie lässt Jean wiederum links liegen und bekommt von seinen Annäherungsversuchen nichts mit. In einer Laienspielgruppe könnte man keine bessere Darbietung bekommen. Jean spielt den Schüchternen, der er beim besten Willen nicht ist und Sophie die Unnahbare, wobei sie wohl wirklich nichts von Jeans Flirtversuchen mitbekommt.

Albert geht zu Jean und flüstert ihm zu: „Was ist mit dir los, geht es dir nicht gut? Du sitzt so verkrampft da?“ „Nein alles bestens, ich habe jetzt Plan B eingeschlagen, um Sophie zu bezirzen. Ich bin jetzt der Schüchterne, der sich nicht traut, sie anzusprechen. Bei dir hat es schließlich auch mit Isabell geklappt!“ „Da muss ich dir leider sagen, dass das nur funktioniert, wenn du sie vorher nicht schon unnachgiebig gejagt hast. Das nimmt dir doch niemand ab, dass du schüchtern bist.“ „Tief im inneren bin ich schüchtern. Wenn ich Gefühle zulasse, kommt bei mir kein Wort mehr raus.“ „Also hast du bei Sophie Gefühle zugelassen?“ „Bist du verrückt? Ich habe doch gesagt, dass ich dann kein Wort mehr herausbekomme. Ich muss sie erst erobern, bevor ich Gefühle zulasse.“ „Ich befürchte, das wird so nicht funktionieren. Eine Frau wie Sophie kannst du mit so einer Charade nicht vor dem Ofen hervorlocken.“

Bevor die beiden über dieses Thema weiterphilosophieren können, öffnet sich die Türe und Isabell erscheint in frisch erblühter Pracht. Man merkt an ihrem Äußeren nichts mehr von den Strapazen der letzten Tage. Während sie den Raum betritt, wirft Jean nochmal einen verstohlenen Blick aus den Augenwinkeln auf Sophie, die das jetzt bemerkt hat und ihn sofort demonstrativ ignoriert.

„Hallo Albert und hallo Jean! Wie schön, ihr habt euch schon so früh Zeit nehmen können, um mich zu besuchen“, begrüßt Isabell die beiden Herren. Jetzt wo Albert seine Isabell wieder sieht, muss er daran denken, wie er im Keller des Theaters durch das Astloch sah und Isabell erblickte - nackt wie Gott sie schuf. Als ihm dieser Anblick wieder durch den Kopf geht, kann er ihr aus Scham fast nicht in die Augen sehen und bringt nur krächzende Laute raus, die wohl ein Hallo bedeuten sollten. „Albert was ist los, hast du dich gestern erkältet?“ bemüht sich Isabell um ihren Geliebten. Albert schafft es das Bild aus seinem Kopf zu verbannen und seiner Angebeteten wieder normal in die Augen zu schauen. Es ist nun mal passiert, er kann es nicht ungeschehen machen, es war ja nicht so, dass er wie ein Spanner vor einem Fenster gelauert hätte. Es ist aber sicherlich besser, es bleibt sein kleines Geheimnis. Dieser Anblick war das Schönste, was er je in seinem Leben gesehen hat, aber er darf nicht mehr daran denken, das geziemt sich nicht.

„Ach was, mir geht es gut. Ich hatte nur einen Frosch im Hals. Aber wie geht es dir? Was hat der Arzt gesagt, wie lange sollst du dich ausruhen?“ „Eigentlich geht es mir blendend, aber ich soll noch zwei Tage Bettruhe einhalten, und das in einer Stadt wie Paris! Ist das nicht grausam?“ „Ich denke, heute solltest du dich auf jeden Fall noch ausruhen, vielleicht hat der Arzt Erbarmen und lässt dich morgen mit mir die Stadt unsicher machen.“ „Das wäre toll, ich hatte dich so sehr vermisst! Aber heute sollte ich wirklich noch ein bisschen kürzertreten.“

Nachdem die beiden Kommissare sich vergewissert haben, dass es den beiden Damen gut geht, will Albert auch noch bei Marie vorbeischauen und sich für die Hilfe bedanken, ebenso auch bei Pastor Koch. Da sie Marie bei Jean zu Hause nicht antreffen, mutmaßen beide, dass sie diese bei Pastor Koch auf der Missionarsausstellung antreffen werden.

Als die beiden die Kollektive Missionarsausstellung rechts neben dem Trocadéro-Palast hinter den portugiesischen Kolonien erreichen, sehen sie, wie Marie im Arm von Pastor Koch eingehängt, über die Ausstellung spaziert. „Hallo Herr Pastor, ich hoffe wir stören sie beide nicht?“ ruft Jean. „Ach wo denken Sie denn hin? Ich wollte Marie gerade all die schönen Sachen zeigen, die es in den Kolonien gibt. Ich hoffe Sie finden es nicht unangebracht, dass ich ihr Fräulein Schwester herumführe?“ Eigentlich passt es Jean nicht wirklich, da er langsam Angst bekommt, dass Marie Gefallen an all dem findet und am Ende noch mit dem Pastor weg geht. Wer kümmert sich dann um das Elternhaus? Aber das kann Jean ja nicht sagen, und so bleibt nur eine Antwort übrig: „Natürlich nicht, ich freue mich, wenn meine Schwester mal aus dem Haus rauskommt. Wenn ihr wollt, könnt ihr gerne auch in die Oper gehen, dann muss ich das nicht machen.“ „Moment, Moment, so leicht kommst du mir nicht davon, du schuldest mir noch einen Opernbesuch.“ „Vielleicht könnt ihr das mit der Oper später klären“, unterbricht Albert die beiden. „Ich wollte mich noch bei euch beiden für die tolle Unterstützung bedanken. Ohne eure Hilfe, wäre Isabell irgendwo auf der Welt verschollen und ich hätte sie nie wiedergesehen.“ „Da brauchen Sie sich doch nicht zu bedanken. Man hilft doch, wo man kann. Wenn Sie beide Lust haben, würde ich Sie gerne dazu einladen, mit mir und Marie die Kolonien hier auf der Ausstellung zu erkunden, vielleicht kann ich Ihnen noch manche Neuheit erzählen.“ Albert winkt ab. „Ich würde mich euch gerne anschließen, aber ich muss mich noch um ein paar Angelegenheiten kümmern. Vielleicht will Jean euch begleiten.“

Albert muss sich auch von Jean losreisen, da er nur heute die Möglichkeit hat, seiner Mutter zu schreiben. Außerdem muss er sich um eine Unterkunft für sie kümmern. Wieso hat er eigentlich das Angebot abgeschlagen, dass Herr Schubert sich auch um eine Unterkunft kümmert, der übernimmt jetzt nur die Zugfahrt. Naja das kann er nicht mehr ändern, er muss heute auf die Suche gehen. Morgen, wenn Isabell womöglich wieder fit ist, will er lieber mit ihr zusammen sein. Natürlich nur, wenn ihm die Arbeit dazu Luft lässt.

Jean nimmt die Einladung des Pastors an, allerdings eher, um Anstandsdame zu spielen, nicht dass seine Schwester noch schneller verschwindet, als er denkt.

Albert macht sich zum nächsten Telegraphenamt auf, um seiner Mutter zu schreiben, obwohl er schon seit dem 13.04., also seit knapp 11 Tagen hier in Paris ist, hat er außer der Nachricht, er sei gut angekommen nichts mehr von sich hören lassen – das wird Ärger geben. Da er aber ein Telegramm schickt, hat er leider keine Möglichkeit sich großartig zu entschuldigen oder auch viel zu erklären, da jedes Wort eine Menge Geld kostet. Sein erster Entwurf sieht folgendermaßen aus:

Liebe Mutter,

verzeihe mir, dass ich mich erst so spät melde.

Mir geht es gut, komme doch bitte morgen

nach Paris und bringe den Ring von Großmutter

mit. Ich habe eine Überraschung.

Die Fahrkarte wird am Anhalterbahnhof hinterlegt.

Ich hoffe du kannst deinen Laden für mehrere

Tage schließen.

Liebe Grüße dein Albert

„So, das sind 52 Wörter zu 15 Centime pro Wort, das macht dann 7,80 Franc.“ Teilt der Postangestellte Albert am Telegraphenamt mit. „Was! So viel? Für die paar Worte? 7,80 Franc? Vielleicht sollte ich das ein bisschen anders schreiben.“ Auch wenn er seine Mutter liebt, muss er doch ein bisschen auf das Geld achten, er will schließlich einer Frau einen Antrag machen und das kann ganz schön teuer werden. Also überarbeitet er die erste Fassung:

Mutter,

komme mit Großmutters Ring nach

Paris – Fahrkarte morgen –

Anhalterbahnhof hinterlegt

Albert

„Ich denke doch, dass ich mich verständlich ausgedrückt habe, oder?“ will Albert von dem Postangestellten wissen. Dieser zuckt nur mit den Schultern. „Och ich habe schon unverständlichere Nachrichten verschickt, aber lassen Sie uns das ganze nochmal nachrechnen. Das sind 12 Worte zu 15 Centime, das macht 1,80 Franc.“ Na also, so konnte Albert die Kosten reduzieren, da kann er nur hoffen, dass seine Mutter auch alles versteht. Jetzt braucht er nur noch eine Unterkunft, die Fahrkarte lässt Herr Schubert wohl seinen Fahrer Klaus besorgen.

Das mit der Unterkunft erweist sich als schwerer wie gedacht, die meisten Hotels sind entweder ausgebucht oder unbezahlbar. Na zur Not, muss seine Mutter bei ihm übernachten.

Da an diesem Tag immer noch alle sehr erholungsbedürftig sind, haben sich weder Albert noch Jean oder auch Marie und Pastor Koch für den Abend verabredet.

So ist Albert nach kurzer Zeit in seiner Unterkunft, schaut sich nochmal das Gemälde an, welches der Künstler von ihm und Isabell auf dem Montmartre gemalt hatte. Er riecht nochmal an dem Brief, an dem das Parfüm von Isabell haftet, welchen er in einem Holzkistchen aufbewahrt, damit der Duft nicht so schnell vergeht, kuschelt sich in seine Bettdecke und träumt von Isabell.

Albert de Menier - Exposition Universelle Die Höllenpforte

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