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7.00 Uhr

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Für gewöhnlich fuhr ich etwas später diese Strecke. Außerdem war das heutige Fahrgefühl schon deswegen ein anderes, weil ich einer besseren Verbindung wegen den Regionalexpress gewählt hatte, während ich sonst die etwas langsamere S-Bahn zu nehmen pflegte und dafür am Frankfurter Hauptbahnhof nicht mehr umsteigen musste.

Trotzdem unterschied sich meine Umgebung nicht wesentlich von der an anderen Tagen: müde, großenteils geradezu missmutige Gesichter von verschlafenen Pendlern, die zu einer mehr oder weniger befriedigenden Arbeit in die Stadt fuhren. An anderen Tagen musste auch ich mich zu ihnen zählen, heute aber war ein besonderer Tag.

Mein musikbegeisterter Freund Sebastian hatte mich schon seit Monaten auf die seiner Ansicht nach überfällige und für mich gewiss unvergessliche Neuproduktion dieser Oper eingestimmt, sodass ich die heutige Aufführung mit der gebotenen Feierlichkeit und Aufnahmebereitschaft genießen wollte. Anstatt im direkten Anschluss an einen anstrengenden Tag im Geschäft wollte ich ausgeruht und entspannt im Publikum Platz nehmen – immerhin würde der Abend insgesamt fast fünf Stunden dauern. Im Austausch mit einem der unbeliebten Samstage hatte ich mir also den heutigen Donnerstag komplett freigenommen. Mit dem Näherrücken des ersehnten Abends allerdings hatte sich der Tagesplan Stück für Stück verdichtet.

Zunächst einmal gestaltete sich die Besorgung der Karten nicht ganz unkompliziert. Ich musste mich belehren lassen, dass Opern von Wagner sich trotz ihrer Länge und ihres Anspruchs beim Publikum offenbar doch solcher Beliebtheit erfreuen, dass deren Aufführungen stets bald nach Beginn des Vorverkaufs ausverkauft sind. Sebastian selbst besaß ein Premierenabonnement, hatte die erste Vorstellung daher schon am letzten Sonntag genießen können und durch seine anschließende Begeisterung meine Erwartungen nochmals hochgeschraubt. Dass ich nun nicht nur eine, sondern sogar vier Karten für den heutigen Abend in Empfang nehmen würde, hatte ich indirekt ebenfalls Sebastian zu verdanken: In Form seines Freundes Murat, der als Statist an vielen Aufführungen der Oper Frankfurt mitwirkte, hatte er Zugang zu den sogenannten Einreichkarten, die Mitwirkende für ihre Freunde und Verwandten beantragen konnten. Da diese allerdings bei praktisch ausverkauften Vorstellungen selten eine Aussicht auf Genehmigung hatten, zumal wenn der Antragsteller ausgerechnet in dieser Produktion gar nicht selbst mitwirkte, musste der Teufelskerl wahre Wunder vollbracht haben, um gleich vier der heiß begehrten Pappzettel zu ergattern. Tatsächlich hatte auch bis gestern ein Fragezeichen hinter der ganzen Sache gestanden, dann aber hatte ich doch den erhofften Bescheid bekommen. Nun war es aber so, dass Murat ausgerechnet heute in aller Frühe mit einer Truppe aus seiner Tanzschule irgendeine Fahrt zu einer Aufführung in Norddeutschland unternahm und die einzige Möglichkeit zu einer Übergabe somit am frühen Morgen bestand. Aber dieses Opfer war ich bereit zu bringen nach allem, was der Süße für mich getan hatte.

Jetzt darf jeder dreimal raten, für wen die vier Eintrittskarten bestimmt waren. Richtig! Jene Einladung zum Abendessen vor bereits zwei Monaten hatte Guidos und mein Leben entscheidend verändert, sodass zumindest ich mir mittlerweile schon gar nicht mehr richtig vorstellen konnte, wie dieses ohne Judith und Rebecca ausgesehen hatte.

Wir hatten uns noch mehrere Male zu viert getroffen. Darüber hinaus hatten Rebecca und ich zum Beispiel eine gemeinsame Radtour unternommen, Guido sich mit ihr ein hartes Training in seinem Studio geliefert, und auch mit Judith hatte es einige Treffen und Unternehmungen gegeben, die ich aus Zeitgründen hier gar nicht alle aufführen kann. Vor allem hatte ich es zu schätzen gelernt, auf meinem Heimweg einen kleinen Umweg zu machen, in der gemütlichen Wohnung der beiden vorbeizuschauen und ihre Gastfreundschaft zu genießen. Als Studentin verbrachte Judith im Gegensatz zu ihrer Freundin offenbar viel Zeit in den eigenen vier Wänden, und ihre Leidenschaft für Genüsse jeglicher Art machte jeden Besuch zu einem Fest der Sinne.

Judith hatte schon vor unserem ersten Treffen der klassischen Musik zumindest aufgeschlossen gegenübergestanden, auch schon Oper und Konzertsaal von innen gesehen. Sie wusste Beethoven von Brahms zu unterscheiden und die Alte Oper vom Opernhaus am Willy-Brandt-Platz. Somit hatte sie mich leidenschaftlich dabei unterstützt, den Besuch des Lohengrin als Kulturereignis zu viert anzukurbeln, auch wenn eine mehrstündige Wagner-Oper eine ziemliche Herausforderung für unsere beiden in dieser Hinsicht bislang eher unbeleckten Liebsten darstellen mochte.

So sah also die Planung für heute vor, dass Guido rechtzeitig genug bei Judith und Rebecca eintreffen würde (die Vorstellung war bereits für 18.00 Uhr angesetzt), um dann gemeinsam die U-Bahn zu nehmen. Als sich das mit dem frühen Abholen der Karten abgezeichnet hatte, war es naheliegend gewesen, mich für das anschließende Frühstück bei Judith einzuladen; und tatsächlich sollte sie an diesem Donnerstag auch erst mittags ein Seminar haben. Die Zeit bis zum späten Nachmittag in der Wohnung der beiden alleine zu verbringen, wäre schon damals sicher ohne weiteres möglich gewesen, doch unverhofft hatte sich ein weiterer Programmpunkt ergeben.

Es war nun schon ein Vierteljahr her, dass ich meine neue Arbeitsstelle in einem alteingesessenen Bekleidungshaus auf der Zeil angetreten hatte. Vor entsprechend langer Zeit hatte ich also meiner alten Immobilienfirma den Rücken gekehrt – und damit auch meiner früheren Chefin, die letzten Endes ja doch der Grund für meine Kündigung gewesen war (was ich ihr, rückblickend betrachtet, keinesfalls übelnehme!). Zum Schluss hatte ich befürchtet, dass ich sie schmerzlicher vermissen würde, als es dann tatsächlich der Fall war. Auch ohne Judith und Rebecca hielten mich die täglichen Herausforderungen und Ablenkungen doch so sehr auf Trab, dass ich schlichtweg keine Zeit hatte, mich in Sehnsucht nach unseren heimlichen Abenteuern zu verzehren. Freilich musste ich mich erst wieder daran gewöhnen, dass Arbeit tatsächlich Arbeit war. Jetzt gab es keine Außentouren mehr, in deren Rahmen ich meine Chefin in irgendwelchen leerstehenden Wohnungen vernaschte, keine schnellen Nummern in ihrem Büro oder mit Nadine im Kopierraum – aber so sollte es ja auch sein und so hatte ich es mir nach all den nervenaufreibenden Verwicklungen im letzten Jahr explizit vorgenommen.

Trotzdem machte mein Herz einen unvermittelten Sprung, als eines Abends Ende April noch in der S-Bahn mein Telefon klingelte und ich ihren Namen auf dem Display las. Ich hatte ganz vergessen, dass wir im Vorfeld jener Party im Hause Franziskas einst unsere mobilen Nummern getauscht hatten.

Ich meldete mich möglichst neutral, aber sie dürfte gewusst haben, dass ich wusste.

„Hallo, Herr Schrott!“

„Frau Chefin!“, rief ich verzückt aus, was natürlich Blödsinn war. So hatte ich sie niemals genannt, und überhaupt war es inzwischen überflüssig, sich zu siezen nach allem, was wir schon miteinander angestellt hatten. Aber irgendwie war das wohl uns beiden in Fleisch und Blut übergegangen, und ich will nicht ausschließen, dass sie ebenso wie ich auch einen gewissen Spaß an diesen paradoxen Förmlichkeiten hatte.

„Wie geht’s Ihnen in Ihrem neuen Job?“

„Bestens, danke!“

Für einen Moment befürchtete ich, sie könnte mich zurückholen oder womöglich auch nur für eine einmalige Transaktion mein Verkäufertalent in Anspruch nehmen wollen. Aber weit gefehlt. Auf meine Gegenfrage, wie es denn um sie selbst bestellt sei, antwortete sie ebenso überschwänglich.

„Sie werden ja sicher gehört haben, dass es mich tatsächlich nach London verschlagen hat. Zu unserem alten Provinzkaff ein Unterschied wie Tag und Nacht, selbst zu Frankfurt!“

Ich hatte nicht; auch wenn es sie vielleicht enttäuschte, dass ich mich nach meinem Weggang nicht weiter nach ihrer Karriere erkundigt hatte.

„Aber mit Rücksicht auf meine familiären Pflichten habe ich mir eine kleine Wohnung hier genommen. Ende nächster Woche bin ich wieder mal im Lande, und da dachte ich – Sie arbeiten doch jetzt auch in Frankfurt?“

Die Frage traf mich etwas unvermittelt. Ich bejahte mechanisch.

„Na, prima. Wollen Sie sich in der Mittagspause mal mit Ihrer alten Chefin treffen, wie wär’s?“

Leicht verblüfft stellte ich fest, dass ich urplötzlich einen Ständer hatte.

„Klar, warum nicht?“, stotterte ich, um Gleichgültigkeit bemüht.

Als es um die konkrete Planung ging, faselte ich etwas von meinem Wochenplan, den ich erst noch bekommen würde. Ich musste erst einmal nachdenken, was sie akzeptierte.

So viel also zu dem weiteren Programmpunkt für diesen Donnerstag. Die fast lückenlose Planung schien perfekt: Nachdem ich die Opernkarten in Empfang genommen hatte, würde ich mich bei Judith gemütlich an den Frühstückstisch setzen. Ich konnte mir natürlich ausrechnen, dass es nicht beim Frühstücken blieb, aber wir hatten ja reichlich Zeit. Anschließend konnte ich mich in aller Ruhe in die Innenstadt begeben. Um halb zwölf wurde ich dann bei meiner ehemaligen Chefin vorstellig, deren Wohnung sich in einem der älteren, aber immer noch exklusiven Hochhäuser an der Neuen Mainzer Straße befand. Gemeinsames Mittagessen, vielleicht noch ein Kaffee irgendwo unter freiem Himmel (das Wetter versprach sommerlich zu bleiben), dann ging es zurück nach Ginnheim zur Wohnung unseres Traumpaares. Ein bisschen verschnaufen, schließlich zur Krönung des Tages in die Oper. Wunderbar.

Ich lehnte mich behaglich in den Sitz zurück und nahm ein Buch zur Hand, das Sebastian mir als Vorbereitung auf diesen Abend schon vor Wochen geliehen und dringend zur Lektüre empfohlen hatte: einen Kommentar mitsamt Notenbeispielen zur Oper Lohengrin.

Rundum entspannt und in Vorfreude auf einen erfüllenden Tag mit krönendem Abschluss saß ich also lesend zwischen all den gähnenden, unlustigen Pendlern, während der Himmel draußen immer heller, blauer und strahlender wurde. Fast zu perfekt, das Ganze, aber ich fühlte mich trotz der frühen Stunde und meines leeren Magens von einem wärmenden Glücksgefühl durchströmt.

Ben - Unersättlich! (Erotik, gay, bi)

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