Читать книгу 4 Schnecken und eine Nudel - Benjamin Webster - Страница 2
Kapitel 1 – Familienzuwachs
ОглавлениеThomas Bergmann stand am Fenster der Bergmann Villa. Die Bäume auf seinem weitläufigen Grundstück hatten bereits alle Blätter verloren. Der Gärtner Hans mühte sich das Laub vom Boden zu entfernen und es in einen fahrbaren Container zu schaufeln. Alles wirkte so trist und kalt. Kein Wunder, war es doch schon Ende November und die ersten Vorboten des nahenden Winters, zeigten sich schon. Nachts gab es bereits Frost und wenn es dann regnete oder Nebel aufzog, wurde alles mit einer Schicht Raureif überzogen. Vor über einem Jahr stand er schon einmal hier an diesem Fenster. Nur überlegte er damals, wie es mit dem Betrieb und der Bergmann Villa weitergehen sollte. Heute hingegen, gab es zumindest keine finanziellen Probleme mehr. Dank seiner Erfindung des Bergmann-Schlosses, wurde er innerhalb kürzester Zeit sehr reich. Eigentlich ist das ein Grund um sich zu freuen. Doch Thomas wollte sein Reichtum nicht auf irgendeinem Konto horten, sondern machte sich Gedanken darüber, wie er dieses Geld sinnvoll anlegen könnte. Er hatte einige Ideen, die aber allesamt sehr kostspielig waren. Mitten in seinen Überlegungen läutete das Telefon. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Auf der anderen Seite der Leitung war der Chef der Friedhofsverwaltung, Herr Mangold. Er fragte: „Haben sie inzwischen eine Entscheidung getroffen, wie sie das Grab ihrer Eltern gestalten möchten?“ Mangold hatte vor einigen Tagen schon einmal angerufen und ihn gebeten, er solle sich das Grab seiner Eltern einmal ansehen, weil sich die darauf befindliche Erde gesenkt hatte. Der Grund dafür war, weil die Särge darunter eingebrochen waren. Thomas: „Ich habe mit der Steinmetzfirma gesprochen und bereits eine Grabplatte in Auftrag gegeben. Nur bis die fertig ist, dauert es noch ein paar Tage. Sie können ja in der Zwischenzeit die fehlende Erde auffüllen und diese verdichten. Den Rest macht dann der Steinmetz.“ Mangold: „Geht in Ordnung, Herr Bergmann. Dann fangen wir am Montag damit an das Grab zu rekultivieren und füllen die Erde wieder auf. Ab Mittwoch kann dann die Platte gesetzt werden. Bis Ende der Woche sende ich ihnen dann die Rechnung zu. Einen schönen Tag wünsche ich ihnen noch, Herr Bergmann.“ Thomas legte auf und sagte leise vor sich hin: „Typisch Beamter. Noch nichts getan, aber schon die Rechnung stellen. Hier kann man nicht einmal kostenlos sterben.“ Eine Stimme aus dem Hintergrund ergänzte daraufhin laut: „Umsonst ist der Tod, der kostet nur das Leben.“ Es war sein Kumpel und enger Mitarbeiter, Jo Heinze. Thomas drehte sich um und meinte lakonisch: „Wie Recht du hast. Und was ist nach dem Tod? Hast du schon einmal darüber nachgedacht?“ Jo setzte sich vor das offene Kaminfeuer und zündete sich eine Zigarette an. Nach reiflicher Überlegung, meinte er: „Was wird da sein? Nichts wird da sein. Oder glaubst du, wenn du den Löffel abgibst, kommt ein Engel und holt dich ab?“ Thomas setzte sich zu ihm und stellte zwei Gläser und eine Flasche Single Malt Whiskey auf den kleinen Tisch vor dem Kamin. Er schenkte beide Gläser ein und antwortete: „Und was ist mit dem ewigen Leben, wie es die Bibel sagt? Die meint ja, dass der Körper hier bleibt und die Seele in den Himmel zu Gott aufsteigt.“ Jo: „Ich weiß was die Bibel schreibt, kann aber leider nichts damit anfangen. Wie muss ich mir dass ewige Leben vorstellen? Ich sitze dann für immer auf einer Wolke und muss Hosianna singen, wie es der „Münchner im Himmel“ beschreibt? Und was ist, wenn ich dem da oben nicht gut genug bin, wie sieht dann die Hölle aus?“ Thomas nahm sein Glas, prostete ihm zu und trank einen Schluck. Dann antwortete er: „Keine Ahnung mein Lieber, aber wenn es dort so guten Single Malt gibt, wäre das schon ein kleiner Schritt für paradiesische Zustände.“ Jo: „Ein Paradies sieht für mich aber anders aus.“ Thomas: „Und wie müsste es, deiner Meinung nach aussehen?“ Jo wollte gerade anfangen aufzuzählen, wie er sich das Paradies vorstellte, da kam seine Freundin Julia dazu. Sie sagte spitz: „Das würde mich jetzt auch interessieren. Sag aber ja nichts falsches, mein Schatz.“ Jo musste schnell umdisponieren. Hatte er doch gerade noch Männerfantasien vom Paradies aufzählen wollen, so erklärte er nur kurz: „Da oben wirst du den ganzen Tag arbeiten müssen und das für ewig. Man kann doch nicht bis in alle Ewigkeit nichts tun. Da wird man doch bekloppt.“ Julia: „Du meinst also, wenn man in den Himmel kommt, gibt es keine Freude mehr? Kein Schnaps, keinen Sex und keine anderen Freuden die man sich auf Erden gegönnt hat?“ Jo wusste genau, wenn er jetzt etwas falsches sagen würde, hätte er mächtig Ärger an der Backe. Jo: „So in der Richtung etwa. Denn Sex, Schnaps und andere Vergnügungen sind doch nichts anderes als des Teufels Erfindungen, um uns in Versuchung zu bringen.“ Julia: „Dann bin ich also ein Teufel in deinen Augen?“ Jo: „Wieso dass denn?“ Julia setzte sich auf seinen Schoß und nahm das Glas vom Tisch und nippte genüsslich daran. Dann führte sie es an seine Lippen und meinte verführerisch: „Trink mein Liebster und genieße das göttliche Getränk.“ Jo trank und Julia drückte dabei ihren Busen an ihn und sprach weiter: „Und wenn du fertig bist, zeige ich dir wie Gott mich geschaffen hat.“ Jo schluckte und sagte ganz spontan: „Hinweg von mir, du teuflisches Weib.“ Thomas konnte nicht anders und fing laut an zu lachen. Julia: „So stellst du dir den Himmel vor, wie alle anderen Männer auch. Lauter nackte und immer willige Frauen sind den ganzen Tag um euch und bedienen und verwöhnen euch.“ Jo: „Das wäre ja die Hölle. Ein Himmel für mich gibt es nur mit dir zusammen. Ohne dich da oben, würde ich eingehen, ich brauche dich doch.“ Julia stand wieder auf und setzte sich neben ihn. Thomas: „Egal wie es da oben aussieht, wir werden es irgendwann erfahren, oder auch nicht. Genießen wir es, solange wir es noch können. Prost.“ Jo fragte Julia: „Und wie stellst du dir den Himmel vor, mein Engel?“ Julia: „Du weißt, dass ich Ärztin bin. Und wir Ärzte sind nicht besonders Gottesfürchtig. Wir sehen jeden Tag, wie Menschen sterben und glaube mir, mein Schatz, bisher habe ich noch nie gesehen, wie jemand in den Himmel aufgestiegen ist. Auch ein Engel ist mir noch nie begegnet. Genauso wenig wie Luzifer oder der Sensemann. Wenn du stirbst, ist das Leben zu Ende und dann geht alles organische seinen irdischen Weg und zerfällt. Asche zu Asche, Staub zu Staub.“ Thomas: „Ja, Jo, so ist sie nun einmal, meine Lieblingsschwester. Ein Atheist, durch und durch.“ Jo: „Aber für mich ist sie ein Engel.“ Das ging runter wie Öl und Julia warf ihm einen besonders lieben Blick zu und hauchte übertrieben: „Oh, Danke mein Geliebter.“ Thomas schüttelte nur mit dem Kopf und sagte: „Gütiger Himmel, muss Liebe schön sein. Wenn ich störe, sagt es nur.“ Nun kam auch Klara Schönfeld, Thomas Freundin dazu. Sie fragte neugierig: „Bei was störst du?“ Thomas: „Beim Leibesgeflüster der beiden.“ Julia: „Ich habe die beiden Herren gerade beim plaudern gestört. Ihr Thema war, das Paradies. Als ich dazu kam, wollte Jo gerade erklären, wie er sich das Paradies vorstellt.“ Klara: „Das kann ich dir genau sagen, wie es sich alle Männer vorstellen.“ Thomas: „Und, wie stellen wir uns das vor?“ Klara: „Mit nackten, willigen Frauen, die euch den ganzen Tag bedienen. Ihr Männer seid doch, was eure Fantasie betrifft alle gleich. Nur Sex und Arbeit im Kopf.“ Thomas: „Aber es soll Frauen geben, die denken scheinbar das Gleiche, oder wie kannst du mir sonst erklären, dass so viele Paare Kinder bekommen?“ Klara: „Das machen wir Frauen nur, damit die Menschheit nicht ausstirbt. Wir haben nun einmal ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl.“ Alle fingen nun an zu lachen. Julia: „Lass den Männern ihre Fantasien. Solange sie nur davon träumen, geht das in Ordnung.“ Jo: „Wie großmütig ihr Frauen doch seit. Was würden wir tun ohne euch?“ Julia sah ihn an und antwortete verschmitzt: „Euch jeden Tag am Ding herumspielen, bis ihr einen Tennisarm habt.“ Klara und Julia lachten, nur die beiden Männer nicht. Thomas meinte nur: „Ab morgen gibt es nur noch geschnittene Würstchen und keine Möhren und Gurken mehr.“ Nun lachten nur die beiden Männer, die Frauen hielten sich merklich zurück. Das Telefon klingelte und beendete so, die schon peinliche Konversation. Es war Maria, die Haushälterin und gute Seele des Hauses Bergmann. Maria: „Mein Wagen hat den Geist aufgegeben und ich kann Karl nicht erreichen. Kann mich jemand am Supermarkt abschleppen?“ Thomas: „Ich schicke dir Franz vorbei, der ist nämlich noch hier. Er kommt gleich.“ Thomas ging in sein Arbeitszimmer und fragte Franz, ob er bitte Maria am Supermarkt abholen könnte. Dieser ließ alles stehen und liegen und machte sich gleich auf den Weg zu ihr. Dr. Franz Konrad war ein sehr guter Freund der Familie und gleichzeitig juristischer Berater der Bergmann Werke. Franz, Jo Heinze, Dirk Ommer und Thomas bildeten gemeinsam die Geschäftsleitung, der Bergmann Werke. Dazu kamen noch Kevin Gassner, der Marketing Chef und Carsten Braun, der Leiter des Werkes in Schanghai. Sie alle bilden das Gehirn und die Seele der Firma Bergmann. Alle Entscheidungen trafen sie gemeinsam und jeder hatte sein Aufgabenbereich, für den er alleine verantwortlich war. Thomas ging in den blauen Salon zurück und setzte sich wieder auf seinen Sessel. Kaum das er saß, kam auch Charly und Nele dazu. Sie kamen aus der Stadt vom Einkaufsbummel zurück. Es fehlten eigentlich nur noch Kathi und Franzi, dann wäre die Familie vollständig. Der damalige Hausgast Kathi Haberer, war inzwischen in Julias alte Wohnung gezogen. Kathi arbeitet auch im Werk und ist die Leiterin vom Schreibpool, den vorher Thomas Freundin Klara innehatte. Klara hingegen wurde Assistentin der Geschäftsleitung. Und wieder läutete das Telefon. Dieses Mal stand Jo auf und hob ab. Es war Carsten Braun aus Schanghai, er wollte mit Thomas via Internet sprechen. Thomas und Jo begaben sich ins Arbeitszimmer und starteten gleich die Videokonferenz. Braun kam gleich zur Sache: „Hallo Chef. Wir haben hier ein großes Problem. Wir fahren jetzt schon seit drei Monaten Doppelschichten, aber immer noch ist die Nachfrage größer, als die Produktion. Es gibt eigentlich nur drei Möglichkeiten. Erstens, wir erweitern die Produktionshalle durch einen Anbau. Zweitens, wir stellen auf drei Schichten um, oder drittens wir vergeben hier in China, Lizenzen für das Bergmann-Schloss.“ Thomas: „Ist es wirklich so schlimm?“ Braun: „Ich würde nicht anrufen, wäre es nicht so drastisch. Ich bekomme täglich mehr Aufträge herein, als wir hier bewältigen können. Tendenz ist steigend. Was wollen sie tun? Sie müssen das entscheiden.“ Thomas sah Jo an und fragte ihn: „Wie lange halten das die Roboter durch, wenn wir auf 24 Stunden Betrieb umstellen?“ Jo grübelte einen Moment und erklärte: „Ist doch ganz einfach. Die Hälfte der Roboter ist fast neu, die dürften noch gut zwei Jahre aushalten. Der Rest könnte, wenn sie regelmäßig gewartet werden, noch einige Monate laufen. Ich schlage deshalb bei den alten Modellen, eine vorübergehende Verlängerung der Schichten auf 12 Stunden vor. Die Neuen können auf 24 Stunden umgestellt werden.“ Thomas: „Finden sie dafür auch genügend Mitarbeiter?“ Braun: „Das ist das kleinste Problem. Wir brauchen aber auch mehr Rohlinge von den Zulieferfirmen. Bringen sie mir mehr Rohlinge und um den Rest kümmere ich mich. Ich will aber noch nebenbei erwähnen, dass wir dann auch höhere Abschläge an Strom und Gas, sowie mehr Lohngelder bezahlen müssen. Entsprechend hoch sollten auch ihre Zahlungsanweisungen sein.“ Thomas: „Mailen sie mir doch ihre Berechnungen und die Buchhaltung erledigt das dann. Machen sie eine Auflistung der Mehrkosten und schicken sie die mir mit dem nächsten Monatsbericht dazu.“ Sie verabschiedeten sich und wünschten ihm noch ein schönes Wochenende. Thomas sah auf die Uhr. Es war soeben 18:00 Uhr geworden. Ab jetzt war er für niemanden mehr aus der Firma zu sprechen. Es war Wochenende. Er hatte Klara versprochen, Freitag von 18:00 Uhr bis Montag 8:00 Uhr nur noch Privatmann zu sein. Keine Telefonate, keine Mails und keine Besuche im Büro. Auch das Arbeitszimmer war Tabu. Nur für den äußersten Notfall, hatten der Wachdienst und die beiden Hausmeister, Jürgen Wuttke und Xaver Unruh die Privatnummer von ihm. Am Anfang hatte Thomas jedes Wochenende durchgearbeitet. Doch seit zwei Monaten trat Thomas wieder kürzer, schließlich gibt es neben der Arbeit auch ein Privatleben, auch Freizeit genannt. Jo resümierte: „Auf Dauer müssen wir etwas tun.“ Thomas: „Wir müssen expandieren, das ist mir schon klar. Aber wo fangen wir an? Hier in Potsdam haben wir erst ein zweites Werk eröffnet, in Schanghai ist der Platz begrenzt. Dort können wir höchstens noch zwei- bis dreihundert m² anbauen, dann ist Schicht im Schacht. Die Gesamtfläche im Hauptwerk haben wir auch ausgereizt, da geht auch nichts mehr. Im Werk II in Potsdam, läuft die Produktion auch schon auf Hochtouren. Dort können wir notfalls auf zwei Schichten umstellen. Also, was schlägst du vor?“ Jo überlegte und antwortete: „Wien fehlt uns. Zumindest für die Produktion unserer Platinen. Vielleicht sollten wir für den osteuropäischen Markt, wieder nach Österreich gehen. Aber das ist nur so eine Überlegung. Und da ist ja noch der Markt in Übersee. Von Potsdam aus, haben wir zu lange Produktionswege. Wenn wir näher an einem Überseehafen wären, würden wir viel Geld sparen, dass wir wieder woanders einsetzen könnten.“ Thomas: „Aber Wien ist zu weit von Potsdam weg, da entstehen auch wieder Kosten.“ Jo: „Ich meinte ja nicht Wien, wir könnten ja auch Salzburg ins Auge fassen. Das liegt näher an Potsdam und ist ja auch Österreich.“ Thomas: „Wäre eine Überlegung wert. Und wo könnten wir uns noch niederlassen?“ Jo: „Hamburg. Dort sind sie für jeden Arbeitsplatz dankbar und sie haben einen großen Überseehafen.“ Klara kam nun ins Büro und zeigte mit dem Finger auf die Uhr. Thomas verstand sofort was sie meinte und sagte zu Jo: „Wie war das vorhin mit dem Paradies?“ Klara: „Egal welche Fantasien ihr hattet, aber euer Paradies ist im Augenblick hier. Also, macht langsam Feierabend. Maria und Franz sind auch schon zurück. Sie hat gesagt, in zwanzig Minuten ist das Essen fertig, also beeilt euch bitte.“ Die beiden redeten noch eine Weile und setzten sich dann wieder in den blauen Salon. Die ganze Familie hatte sich rund um den Kamin gesetzt. Charly und Franzi führten ihre neuen Kleidungsstücke vor und nannten auch die Firmen, wo sie es gekauft hatten. Die Modenshow ging solange, bis jedes der Geschwister mindestens einmal ein Teil angezogen hatte. Jo und Thomas widmeten sich derweil dem geistigen, sprich dem Single Malt. Jo flüsterte leise zu Tommi: „Warum machen die Frauen immer so ein Brimborium wegen den Klamotten? Wenn ich mir ein Hemd oder eine Hose kaufe, dann probiere ich das Teil an und wenn es passt, kauf ich es. Es ist doch nur etwas zum anziehen, damit man entweder nicht nackt herumläuft, oder nicht friert. Mehr nicht.“ Thomas: „Das machen die Mädels doch nur für uns Männer. Die wollen doch nur für uns hübsch aussehen. Wenn es keine Männer gäbe, dann würden sie alle in schwarzen oder weißen Klamotten herumlaufen.“ Jo: „Mir ist doch egal was eine Frau an hat. Hauptsache ist doch, sie hat etwas im Kopf. Was nützt es, wenn sie aussieht wie Miss Universum und hat einen IQ einer Banane.“ Thomas musste so laut lachen, dass er das Interesse von Charly weckte. Sie fragte: „Was gibt es denn zu lachen, Bruderherz? Findest du unsere Klamotten so lächerlich, oder sehen wir darin nur lächerlich aus?“ Thomas wollte gerade antworten, da kam Gott sei Dank Maria herein und rief ganz laut: „Das Essen ist fertig. Wenn ich die Herrschaften also bitten dürfte?“ Wie man unschwer erkennen kann, sind die Bergmanns eine ganz normale Familie. Sie lieben und streiten sich, wie jede andere Familie auch. Es gibt aber auch Umstände, die eine Familie aus dem Gleichgewicht bringen kann. Alles begann am Samstagmorgen. Gegen 9:00 Uhr klingelte das Telefon der Bergmanns. Maria nahm ab und ein freundlicher Herr wollte Thomas sprechen. Der saß gerade mit Klara beim Frühstück, als Maria ihm den Hörer übergab. Thomas: „Bergmann.“ Anrufer: „Na, du Zahlenwunder gibt es dich noch? Nun rate einmal wer dran ist?“ Thomas wusste sofort wer am anderen Ende der Leitung war und antwortete: „Das gibt es doch nicht. Dr. Leonhard Lellinger höchstpersönlich. Wie lange haben wir nicht miteinander gesprochen? Drei oder gar vier Jahre? Wie geht es dir, was machst du so?“ Lellinger: „Mir geht es gut. Aber bevor du weiter fragst, ich bin morgen in Berlin. Können wir uns treffen?“ Thomas: „Klar können wir uns treffen. Wann und wo?“ Lellinger: „Das kann ich dir noch nicht genau sagen. Ich fliege morgen mit einen befreundeten Geschäftsmann in seinem Privatjet mit. Ich kann dir noch nicht sagen, wann ich in Berlin ankomme. Aber ich rufe dich an, wenn ich gelandet bin. Du wohnst bestimmt noch in diesem alten Kasten in Potsdam?“ Thomas: „Mach dich ruhig lustig über meine Villa. Du wärst ja froh du dürftest einmal in meinem Kohlekeller übernachten, damit du etwas zum angeben hast. Ich hoffe, du bleibst länger?“ Lellinger: „Ich habe am Montag noch ein abschließendes Gespräch mit dem Dekan der Universität. Ich fange nämlich ab 1.Dezember als Dozent dort an. Muss nur noch das mit der Wohnung regeln. Ich erkläre dir alles morgen.“ Thomas: „OK. Das heißt, du ziehst mit der ganzen Familie hierher?“ Lellinger: „So ist es, mein Bester. Aber ich muss jetzt aufhören, sonst verpasse ich meinen Zug noch. Also bis morgen. Ich freu mich.“ Thomas: „Bis morgen. Ich freu mich auch. Übrigens wohnt Jo auch hier, das wird lustig. Tschüss.“ Klara verfolgte das Gespräch und fragte: „Ein Freund von dir und Jo?“ Thomas: „Zuerst war es unser Dozent in Frankfurt und später wurden wir richtig gute Freunde. Leo hat uns die Betriebswirtschaftslehre näher gebracht. Es waren richtig gute Jahre. Ich möchte sie nicht missen.“ Klara: „Hat er Familie?“ Thomas: „Ja, er ist verheiratet und hat eine Tochter, die Laura. Sie dürfte inzwischen so um die 14- oder 15 Jahre alt sein. Seine Frau Viktoria hat als Lehrerin in einer Sonderschule für Behinderte gearbeitet. Sie ist auch ganz nett.“ Und Thomas erzählte Klara, wie sie sich kennengelernt hatten und wie sie Freunde wurden. Auch dass sie gemeinsam im Urlaub waren, berichtete er ihr. Als Jo zum Frühstück kam, erzählte er ihm gleich vom Telefonat mit Lelle. Lelle war der Spitzname von Lellinger. Klara fragte: „Und warum habt ihr euch so lange nicht mehr gesehen?“ Jo: „Er hat ein besseres Angebot von der Universität aus München bekommen. Dort wurde er sogar verbeamtet und ihm war Sicherheit schon immer wichtig. Er hat viele Angebote aus der freien Wirtschaft gehabt, aber alle ausgeschlagen. Das meiste was wir gelernt haben, hat er uns beigebracht. Er ist einer der Besten auf seinem Gebiet. Wie er weg ging, haben viele schon Thomas als seinen Nachfolger gehandelt, aber dein Freund hat es vorgezogen Investment Banker zu werden.“ Thomas: „Komm lass das jetzt, dass ist Schnee von gestern. Es gut so wie es ist, ich bereue nichts.“ Klara: „Davon hast du mir ja gar nichts erzählt.“ Thomas: „Da gibt es auch nicht viel zu erzählen. Ich hatte meinen Master und habe mich dann für den Job in der Wirtschaft entschieden. Wenn ich den Job auf der Uni angenommen hätte, hätte ich mit höchster Wahrscheinlichkeit nie die Liebe meines Lebens kennengelernt und das allein bestärkt mich, dass ich alles richtig gemacht habe.“ Jo: „Ja, ja, wo die Liebe hinfällt, da wächst kein Kraut mehr.“ Klara: „Du musst es ja wissen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du Julia den Hof gemacht hast. Wie ein verliebter Gockel bist du herum stolziert. Julia hinten, Julia vorne.“ Jo: „Ist ja schon gut. Ich habe doch nur Spaß gemacht. Thomas hat Recht, es gut so wie es ist. Ohne ihn hätte ich Julia auch nicht kennengelernt. Wann kommt Lelle morgen?“ Thomas: „Er ruft kurz vor der Landung an. Er fliegt mit einem Geschäftsmann im Privatjet mit. Er konnte noch nicht sagen wann er landet.“ Nach dem Frühstück waren Klara und Thomas einen Augenblick alleine in der Küche. Klara stand auf und setzte sich auf den Schoß von Thomas und sagte: „Danke, für das wunderschöne Kompliment, dass ich die Liebe deines Lebens bin. Es ist wohl dass schönste Kompliment, was eine Frau von ihrem Freund oder Partner bekommen kann. Mir geht es aber genauso wie dir. Du bist für mich die große Liebe, nach dir wird es nie wieder eine andere geben. Es ist schön das es dich gibt.“ Thomas konnte nichts mehr erwidern, weil ihre Lippen schon seine berührten und ein langer und inniger Kuss folgte. Und wie es so ist, wenn zwei sich sehr nahe sind, kommt meist ein dritter hinzu und klopft Sprüche. Es war Franzi die herein kam und ganz trocken meinte: „Verschluckt euch nicht. Vor dem Zäpfchen halt machen, Zahnspangen und Brücken nicht lutschen.“ Klara: „Da spricht der Neid der Besitzlosen.“ Franzi: „Nein, ich gönne euch doch euer Glück. Aber ein bisschen neidisch darf man doch noch sein, oder nicht?“ Beide standen nun auf und Thomas gab Franzi einen Schmatz auf die Wange und sagte: „Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt, Lieblingsschwester.“ Franzi: „Einen Teil davon würde mir schon genügen, denn andere möchten ja auch noch ein wenig Glück haben.“ Tommi und Klara mussten noch in Klaras Wohnung fahren, um so nach und nach ihre Wohnung aufzulösen. Thomas hatte sie schon vor Monaten gebeten, doch für ganz in die Bergmann Villa zu ziehen. Klara wollte aber noch etwas warten. Damit sie sah, dass er es ernst meinte, bot er Klara sogar einen Mietvertrag an, so dass sie bei einem eventuellen scheitern ihrer Beziehung, nicht ohne ein Dach über dem Kopf da stand. Er wollte noch schnell nach oben gehen um ihre Jacken zu holen, da kamen Nele und Charly in die Küche. Charly fragte Nele: „Nun sag schon, mach es nicht so spannend.“ Klara und Franzi wurden hellhörig und schauten Nele interessiert an. Thomas hatte unterdessen die Küche schon verlassen, da kam Jo dazu. Schlagartig wurde es ruhig in der Küche. Jo merkte das sofort, sah die Frauen an und fragte: „Habe ich eine ansteckende Krankheit, oder das falsche Hemd an? Warum starrt ihr mich so an?“ Charly: „Du störst.“ Jo: „Ich will mir doch nur etwas zu trinken holen, oder muss ich das in Zukunft schriftlich beantragen? Und warum störe ich, wenn man bescheiden fragen darf?“ Charly: „Wir wollen uns unterhalten, aber ohne Männer.“ Jo: „Entschuldigung, dass ich geboren bin, aber hellsehen kann ich noch nicht. Und über was wollen die Damen des Hauses sich austauschen, wenn man weiter fragen darf?“ Nele antwortete genervt: „Frauensachen, nichts für Männerohren. Alles intim.“ Jo hatte sich inzwischen Mineralwasser aus dem Kühlschrank genommen und holte ein Glas aus dem Küchenschrank. Dann meinte er: „So, so, Frauensachen. Und was muss ich mir darunter vorstellen?“ Franzi: „Jo, du nervst. Setz dich einfach in den blauen Salon und rauche eine Zigarette.“ Jo wollte noch etwas sagen, da kam Thomas zurück. Der sah gleich das etwas nicht stimmte und fragte: „Was ist los?“ Jo: „Frauengeschichten, du nervst.“ Charly: „Können wir Mädels nicht einmal uns in aller Ruhe und alleine über intime Dinge unterhalten, die nichts für Männerohren sind?“ Thomas sah Jo an und forderte ihn auf: „Komm, wir ziehen uns in den blauen Salon zurück. Wenn die Damen dann fertig sind, können sie uns ja Bescheid geben.“ Er zog Jo am Ärmel seines Hemdes und beide verließen die Küche. Jo schüttelte nur mit dem Kopf und sagte: „Weiber, kennst du eine, kennst du alle. Das geht jetzt bestimmt eine Stunde bis die Quasseltanten fertig sind. Wie heißt es doch, ein Mann ein Wort, eine Frau ein ganzes Wörterbuch.“ Thomas: „Dann haben wir genügend Zeit, um uns darüber zu unterhalten, wie wir die fehlende Kapazitäten in den Griff bekommen.“ Die beiden machten abwechselnd Vorschläge, um das Problem zu lösen. Viele Möglichkeiten wurden angesprochen und wieder verworfen. Was Thomas aber auf keinen Fall wollte, war noch mehr Lizenzen zu vergeben. Sein Hauptargument war: „Warum soll ich anderen Firmen meine Gewinne einstreichen lassen? Die machen auf meine Kosten horrende Gewinne und wenn sie genug verdient haben, dann umgehen sie mein Patent in irgendeiner Weise und produzieren hinter meinem Rücken das Bergmann – Schloss, auf eigene Rechnung. Wir haben ja gesehen, wie sie das in Schanghai gemacht haben.“ Jo gab ihm da Recht und meinte: „Dann bleibt dir nichts anderes übrig, als noch eine, wenn nicht sogar zwei weitere Produktionsstraßen zu bauen. Ich weiß, dass kostet im ersten Augenblick viel Geld, aber spätestens in einem halben Jahr nach Produktionsbeginn, hast du die Investitionen wieder drin.“ Sie diskutierten noch eine Weile, bis Jo sagte: „Komm lass uns schauen was die Mädels machen. Irgendwann müssen die doch fertig sein mit ihren Frauengeschichten. Würde ja gerne Mäuschen sein und wissen was die da quatschen.“ Thomas: „Da gibt es nur ein paar Dinge über die sie sich unterhalten. Männer, Schuhe, Klamotten, Liebeskummer und Diäten, mehr fällt mir im Moment auch nicht ein. Aber fragen wir sie doch. Die hatten jetzt über eine Stunde Zeit gehabt, beenden wir doch das Plauderstündchen.“ Als sie in die Küche kamen, saßen die Frauen der Bergmann Villa am großen Tisch. Jede hatte eine Tasse Kaffee vor sich. Manche ein Glas Sekt oder ein Likörchen. Die Mädels der Bergmanns, Jule, Nele, Charly und Franzi, sowie Maria die Haushälterin, Klara und Kathi. Bei sieben Frauen, stehen zwei Männer auf verlorenem Posten. Die beiden versuchten erst gar nicht etwas über ihr Gespräch in Erfahrung zu bringen. Sie setzten sich einfach unaufgefordert dazu und tranken einen Kaffee mit. Jo und Thomas mussten sich viele Sprüche anhören, die sich gegen das männliche Geschlecht richteten. Und die meisten davon, wie sollte es auch anders sein, wurden über das männliche Genital gemacht. Penis Witze über deren Länge, Umfang und Größe, Penis Geschichten wie aus 12 Zentimeter plötzlich 25 Zentimeter werden, keine Zote wurde ausgelassen, um Männer der Lächerlichkeit preiszugeben. Thomas und Jo machten gute Miene zum bösen Spiel. Aber das Blatt wendete sich erst, als Hans Wiener der Gärtner, Franz Konrad und Karl Hansen der Chauffeur noch dazu kamen. Jetzt bekamen die Herren der Schöpfung Oberwasser, weil auch die Witze gegen das weibliche Geschlecht härter und deftiger wurden. Da gab es dann auch bildliche Vergleiche über die Beschaffenheit der einzelnen Teile, des weiblichen Geschlechtsapparates. Das tat aber der ausgelassenen Stimmung keinen Abbruch. Ein Witz jagte den anderen und nun war es egal, wer über wen und dessen Teil herzog, Hauptsache es war lustig. Ich will hier nicht ins Detail gehen, schließlich ist das kein Witz Buch, sondern ein seriöser Roman. Nach zwei Stunden besannen sich die einzelnen Mitglieder des Hauses Bergmann, was sie noch am heutigen Tag machen wollten. Nach und nach löste sich die Gesellschaft auf und jeder ging dem nach, was er noch erledigen musste.
In Klaras Wohnung angekommen, zerlegte Thomas als erstes den Kleiderschrank. Sie hatte ihn zuvor ausgeräumt und ihre Wäsche in Kartons verpackt. Klara fragte dann plötzlich: „Willst du gar nicht wissen, über was wir gesprochen haben?“ Thomas: „Eigentlich nicht. Aber wenn du es mir unbedingt erzählen möchtest, nur zu, ich höre.“ Klara: „Nun mach bitte nicht so gleichgültig, ich weiß genau, dass es dich brennend interessiert.“ Thomas: „Mich interessiert im Augenblick etwas ganz anderes.“ Klara: „Und was ist das?“ Thomas: „Warum sich Lelle noch nicht gemeldet hat. So kenne ich ihn gar nicht.“ Klara: „Vielleicht ist ihm etwas dazwischen gekommen, oder er kommt erst am Abend nach Berlin. Hast du denn keine Handynummer von ihm?“ Thomas schüttelte mit dem Kopf und antwortete: „Nein, seine neue Nummer habe ich nicht. Er hat mich ja vom Bahnhof, von einer Telefonzelle aus angerufen. Na ja, er wird sich bestimmt noch melden. Aber was wolltest du mir gerade erzählen?“ Klara: „Also doch neugierig?“ Thomas setzte sich auf das Bett und zündete sich und Klara eine Zigarette an. Dann meinte er: „Nun erzähl schon und spanne mich nicht auf die Folter.“ Klara: „Du darfst es aber niemand weitersagen, was ich dir jetzt im Vertrauen erzähle. Schwöre es.“ Thomas nickte und hob symbolisch drei Finger. Dann fing Klara an: „Also, es geht um Nele. Nach dem Fiasko mit ihrer Ex Freundin Karin Münster und dem Schwangerschaftsabbruch, hatte sie die Nase von einer Beziehung voll. Sie fing an zu studieren und als sie zum ersten Mal in den Hörsaal kam, stand da plötzlich diese Dozentin vorne, stellte sich vor und Nele war wie vom Blitz getroffen. Sie war für diese „süße Maus“ sofort Feuer und Flamme. Nele wusste aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob sie hetero oder lesbisch ist. Einige Tage später hat sie sie dann abends in einem Café gesehen und ist dann ganz spontan hineingegangen und hat sich zu ihr an den Tisch gesetzt. Im Laufe der Unterhaltung hat sie dann festgestellt, dass sie auch lesbisch ist. Ja und so nahm die ganze Sache ihren Lauf. Inzwischen sind die beiden ein heimliches Paar. Es muss ja nicht jeder wissen, dass sie lesbisch sind, du weißt ja, wie sich sonst die Kommilitonen das Maul zerreißen, ganz zu schweigen vom Lehrkörper.“ Thomas: „Sie an, meine kleine Schwester hat wieder ein Häschen gefunden. Und hat sie auch gesagt, wie das weitergehen soll? Schließlich ist die Maus ihre Dozentin. Da könnten leicht Gerüchte aufkommen, dass sie von ihr protegiert wird.“ Klara: „Deshalb hat Nele auch den Dozenten gewechselt. Sie will auf keinen Fall, dass ihre Maus, Schwierigkeiten bekommt. Silke Schwörer heißt sie, ist 32 Jahre alt und wohnt in Spandau.“ Thomas: „Hoffentlich hat sie dieses Mal mehr Glück, wie beim letzten Mal. Ich wünsche es ihr.“ Klara: „Ich bin gespannt, wer von den Bergmann Frauen als erstes unter der Haube ist.“ Thomas: „Das kann ich dir auch nicht sagen, aber wer zuletzt einen Mann bekommt, dass weiß ich jetzt schon. Es wird wahrscheinlich Charly sein. Die vergisst vor lauter Arbeit und Emanzipation das Heiraten. Aber im Endeffekt ist es egal, ob man verheiratet ist oder nicht, die Hauptsache ist doch wohl, dass man glücklich ist, alles andere ist Nebensache. So, und nun lass uns weitermachen, sonst sind wir noch um 22:00 Uhr hier.“ Eine Stunde später hatten sie alle Klamotten in die dafür gerichteten Kartons verstaut. Thomas baute derweil das Bett und den Küchenschrank ab. Er stapelte alles fein säuberlich an eine Wand, damit er beim Wiederaufbau alle Teile zusammen hatte. Den Rest würde sowieso eine Umzugsfirma machen. Gegen 19:00 Uhr hatten sie die Kartons im Wagen verstaut und sie machten sich auf dem Heimweg. In der Villa angekommen, packten sie erst einmal die Kartons in den Flur, weil Klara nur das Wichtigste mit nach oben nehmen wollte. Die Sommerklamotten, würde sie ja im Augenblick nicht anziehen können, weil es dafür schon zu kalt war. Thomas ging in die Küche um sich die Hände zu waschen. Maria stand gerade am Kühlschrank und räumte etwas ein, als sie zu ihm sagte: „Schrecklich was da auf dem Schönefelder Flugplatz geschehen ist. Ein Einziger hat den Absturz überlebt, alle anderen sind Tod.“ Thomas wusste nichts von dem, was Maria erzählte und fragte nach: „Um was geht es denn, Maria? Wer oder was ist abgestürzt?“ Maria: „Na, heute Nachmittag ist ein Flugzeug auf Schönefeld abgestürzt. Die ganze Zeit bringen sie es schon in den Nachrichten. Wenn du dich beeilst, kannst du es noch in den 20:00 Uhr Nachrichten im Fernsehen anschauen.“ Thomas: „Wir haben doch alles abgebaut und verstaut, da konnten wir keine Nachrichten hören oder ansehen. Ich gehe in den blauen Salon und mache den Fernseher an. Wissen sie schon woher das Flugzeug kam?“ Maria: „Ich glaube, die kam aus Mailand. Oder wollte sie nach Mailand? Ach, ich habe da nicht richtig aufgepasst.“ Thomas: „Das werden wir gleich wissen.“ Maria fragte ihn zwar noch, ob er und Klara gleich etwas essen wollten, aber dass hörte er bereits nicht mehr. Er schaltete den Fernseher ein und gerade fingen die Nachrichten an. Der Sprecher sagte als erstes: „Tragischer Unfall auf dem Schönefelder Flugplatz. Heute Mittag um 13:00 Uhr landete ein Lear Jet aus Mailand. Als er auf der Landepiste mit dem Bugrad aufsetzte, brach dieses ab und die Maschine schleuderte quer über die Landebahn. Da der Jet noch über 400 Kilometer schnell war, überschlug er sich mehrfach und zerbrach in mehrere Teile. Die Maschine fing sofort Feuer und brannte, trotz sofortigem Einsatz der Flughafen Feuerwehr, vollkommen aus. An Bord des Jets befanden sich insgesamt 5 Personen. Nur ein Passagier überlebte mit schwersten Verletzungen. Der Mann wird zur Zeit in der Berliner Charité ärztlich versorgt.“ Und dabei zeigte der Sender Aufnahmen des brennenden Flugzeug Wracks. Es war kein schöner Anblick, zumal sich noch vier Passagiere im inneren der Maschine befanden. Der einzige Überlebende, wurde nach Angaben der Polizei, während des Unfalls, mitsamt seinem Sitz aus dem Flugzeug geschleudert. Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass er den Absturz überlebt hatte. Maria hatte ihre Hände vor ihr Gesicht gehoben und meinte nur: „Schrecklich, ganz schrecklich. Ich sage ja immer, wenn Gott gewollt hätte dass der Mensch fliegen kann, hätte er uns Flügel gegeben.“ Klara stand auch schon da und sah Thomas erschrocken an. Sie sagte leise zu ihm: „Woher kam die Maschine?“ Thomas: „Nicht aus München, sondern aus Mailand, Gott sei Dank.“ Maria fragte jetzt noch einmal: „Wollt ihr jetzt noch etwas essen, oder später? Es gibt heute Schweizer Wurstsalat mit Käse. Denn wenn ihr mich nicht mehr braucht, gehe ich jetzt ins Bootshaus.“ Thomas: „Geh nur Maria, wir richten unser essen selbst. Wir wünschen dir eine angenehme Nachtruhe.“ Maria: „Das wünsche ich euch auch, Gute Nacht.“ Klara und Thomas setzten sich in die Küche und richteten sich ihr Abendbrot. Wie es schien, waren sie die Einzigen die jetzt in der Villa waren, der Rest war ausgeflogen. Gegen 21:30 Uhr begaben sie sich auch nach oben auf ihre beiden Zimmer. Ein Zimmer hatten sie zu einem kleinen Wohnzimmer hergerichtet und das andere war ihr Schlafzimmer. So brauchten sie nicht unbedingt im Salon oder blauen Salon zu sitzen. Hier hatten sie auch einen Fernseher und einen kleinen Kühlschrank, indem sie immer gekühlte Getränke hatten. Nach dem duschen sanken beide müde ins Bett und schliefen auch gleich ein. Sie hatten eine anstrengende Woche hinter sich.
Am Sonntagmorgen um sieben Uhr, war die Welt noch in Ordnung. Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Es war eines von drei schnurlosen Telefone, die an einer Basisstation angeschlossen waren. Noch im Halbschlaf nahm Thomas das Gespräch an und meldete sich mit Bergmann. Eine Frauenstimme fragte: „Ist dort der Anschluss von Thomas Bergmann?“ Thomas: „Ja, höchstpersönlich. Wer stört um diese Uhrzeit?“ Die Frau: „Hier spricht Frau Dr. Laubinger, Oberärztin der Charité Berlin.“ Thomas wurde stutzig und war auf einen Schlag hellwach. Thomas: „Was ist los, Frau Doktor? Ist etwas mit meinen Schwestern?“ Dr. Laubinger: „Nein, so viel ich weiß nicht. Aber kennen sie einen Herrn Dr. Leonhard Lellinger?“ Thomas ahnte schon was sie gleich sagen würde, schoss ihm doch der Flugzeugabsturz durch den Kopf. Er antwortete: „Ja, das ist ein sehr guter Freund von mir. Was ist mit ihm?“ Thomas traute sich nicht das Wort Flugzeugabsturz in den Mund zu nehmen, weil die Angst zu groß war, seine Vermutung könnte stimmen. Die Ärztin hingegen nannte den Sachverhalt schonungslos beim Namen: „Ihr Freund saß in der Maschine, die gestern am Berliner Flugplatz Schönefeld verunglückt ist. Er hat als Einziger das Unglück, wenn auch schwer verletzt überlebt. Herr Lellinger hat mich gebeten sie anzurufen, weil sie momentan der Einzige sind, der ihm helfen kann. Wenn sie gleich vorbeikommen, könnten wir die Details besprechen.“ Sie nannte ihm noch das Stockwerk und die Zimmernummer, auf der Herr Lellinger untergebracht war. Klara war durch das erregte Telefonat wach geworden und fragte: „Ist es doch dein Freund, der in Schönefeld verunglückt ist?“ Thomas nickte und meinte: „Mein schlimmster Verdacht hat sich gerade bestätigt. Ich ziehe mich nur rasch um und fahre dann in die Charité.“ Klara: „Ich fahre, du bist zu aufgewühlt, nicht dass du unterwegs auch noch einen Unfall baust.“ Gesagt, getan. Nach zehn Minuten hatten sie eine Katzenwäsche, mit fliegenden Zahnbürsten hinter sich gebracht und waren unterwegs ins Krankenhaus. Die Charité genießt zwar einen ausgezeichneten Ruf, aber bei Thomas weckt sie immer Angst und Verzweiflung. Schon einmal bekam er von dort einen Anruf, deren Botschaft so ähnlich lautete wie gerade eben. Nur handelte es sich damals um seinen Vater, der dort im sterben lag. Aber damals brauchte er länger zur Charité, weil er aus Frankfurt anreisen musste. Klara lenkte den Wagen in die Tiefgarage und parkte ihn gerade da, wo ein Platz frei war. Beide fuhren ins erste Obergeschoss zur Intensivstation der Notaufnahme. Thomas hielt die erstbeste Schwester an und fragte sich zu Frau Dr. Laubinger durch. Er klopfte an die Tür ihres Büros und stellte sich vor: „Ich heiße Thomas Bergmann und suche Frau Dr. Laubinger.“ Die Frau im Büro stand auf streckte ihm und Klara die Hand entgegen und antwortete: „Angenehm, Laubinger. Ich habe sie kontaktiert, weil Herr Lellinger mich darum gebeten hat. Er hat mich von meiner Schweigepflicht ihnen gegenüber entbunden und mich gebeten, ihnen Auskunft über seinen Gesundheitszustand zu geben. Im Augenblick ist Herr Lellinger wieder ansprechbar, nachdem er heute Nacht zeitweise im Koma lag. Kommen sie bitte mit, ich bringe sie zu ihm. Es sieht nicht gut aus, hätte er keine so gute Gesamtkonstitution, wäre er mit Sicherheit schon verstorben. Wenn er es überlebt, hat er einen langen und schweren Weg vor sich. Besprechen sie mit ihm nur das Wichtigste, er muss nämlich gleich zur OP.“ Thomas und Klara hörten ihr aufmerksam zu. Vor dem Zimmer der Intensivstation mussten beide grüne Kittel und einen Mundschutz anziehen, bevor sie zu Lellinger durften. Leonhard Lellinger sah schrecklich aus. Er lag da wie ein Boxer, der 30 Runden lang regelrecht verprügelt wurde. Das Gesicht war geschwollen, und auf dem Kopf trug er einen Verband. Beide Hände waren bandagiert, genauso wie die Beine. Thomas war richtig erschrocken als er ihn sah. Er sprach ihn an: „Hallo Leo, schön das wir uns wieder einmal sehen. Was machst du denn für Sachen? Kann man dich nicht einmal alleine fliegen lassen?“ Leo: „Mach dich ruhig lustig über mich. Ich bekomme sowieso nur die Hälfte mit, weil ich bis obenhin mit Schmerzmitteln vollgepumpt bin. Die Ärztin hat gemeint, es sieht nicht gut aus. Wenn ich die OP überlebe, habe ich Chancen noch einmal davon zu kommen. Es ist sowieso ein Wunder, dass ich den Absturz überlebt habe. Wen hast du denn da mitgebracht?“ Dabei schaute er Klara an und die sagte: „Ich bin die Freundin von Thomas, Klara Schönfeld.“ Hand geben war nicht möglich, so nickte sie ihm einfach zu. Leo: „Hast du endlich eine Frau gefunden, die deine Zahlenspielereien gut findet? Hast ja schon immer einen guten Geschmack gehabt. Aber kommen wir nun zum Wesentlichen. Danke erst einmal, dass du gekommen bist. Du bist der Einzige, der mir helfen kann. Ich habe eine große Bitte an dich, nimm Laura in deine Obhut, bis ich wieder fit bin.“ Thomas: „Ich verstehe nicht ganz, warum soll ich mich um Laura kümmern? Was ist mit Viktoria, kann sie nicht auf Laura aufpassen?“ Leo: „Viktoria ist vor zwei Jahren, bei einem Badeunfall ums Leben gekommen.“ Thomas war schon wieder geschockt. Er sah ihn an und sagte: „Das tut mir Leid, ich hatte ja keine Ahnung. Und wie stellst du dir das vor?“ Leo: „In München kann sie nicht bleiben. Ich habe den Job hier angenommen und alle Brücken in München abgebrochen. Meine Wohnung gekündigt und Laura von der Schule abgemeldet. Sie geht ab dem ersten hier auf das Einstein Gymnasium. Sie weiß noch nichts von meinem Unfall, weil sie z. Zt. in Südfrankreich auf Klassenfahrt ist. Sie kommt erst heute Abend wieder zurück. Meine Nachbarin, Frau Bischler weiß Bescheid und hat alles schon vorbereitet. Ihre Nummer habe ich dir aufgeschrieben. Laura wird morgen früh mit der Bahn hier in Berlin ankommen. Ich dachte, du hast doch so einen riesen Kasten, da wird doch ein Zimmer für Laura frei sein.“ Thomas: „Natürlich kann sie bei uns wohnen. Aber da sind noch viele Dinge zu regeln. Was mache ich, wenn eine Entscheidung ansteht und du nicht in der Lage bist das zu regeln? Kann ja sein, dass du im Koma liegst, oder sonst was.“ Leo: „Dafür habe ich gesorgt. Du bekommst von mir eine Generalvollmacht, dass du so lange meine Belange vertrittst, bis ich wieder auf dem Posten bin. Du kannst alle schulischen Entscheidungen treffen, die du für richtig hältst. Du kennst Laura und ihr habt euch immer gut verstanden. Außerdem bekommst du eine Kontovollmacht und eine Patientenverfügung. Du siehst, es ist alles geregelt. Die nette Ärztin hat mir vorhin dabei geholfen und alles aufgeschrieben. Zwei Kollegen haben das bezeugt, so dass alles seine Richtigkeit hat. Nimm bitte noch mein Handy, da sind alle Adressen und Nummern drin, die du eventuell brauchst.“ Die Tür ging auf und Frau Dr. Laubinger, sagte streng: „Tut mir leid, aber wir müssen nun in den OP. Ich denke, sie haben bestimmt alles geregelt. Ich gebe ihnen nachher die Vollmachten, die Herr Lellinger mir heute Nacht diktiert hat.“ Leo: „Machst du es?“ Thomas: „Habe ich eine andere Wahl?“ Leo: „Wohl kaum. Aber ich werde mich dafür revanchieren, versprochen.“ Zwei Schwestern kamen herein und klemmten ihn von Maschinen ab und schoben ihn aus dem Zimmer. Beim verlassen des Zimmers, sagte Leo noch: „Danke, mein Freund. Keine Angst, wir sehen uns wieder, so oder so.“ Frau Dr. Laubinger forderte die beiden auf, mit in ihr Büro zu kommen. Dort überreichte sie Thomas mehrere Schreiben, die alle von drei Ärzten als Zeugen unterzeichnet waren. Thomas: „Was fehlt ihm denn eigentlich? Ich meine, sind seine Verletzungen sehr schlimm?“ Und Frau Dr. Laubinger meinte: „Ich bin schneller fertig, wenn ich ihnen die Knochen aufzähle, die nicht gebrochen sind. Er hat beide Arme, Hände und Hüften mehrfach gebrochen. Auch beide Beine, je Ober- und Unterschenkel. Mehrere Rippenfrakturen und innere Verletzungen. Drei Wirbel an der Lendenwirbelsäule sind auch gebrochen. Wenn er heute die OP überlebt, könnte er es schaffen. Aber bis zu seiner Genesung wird es ein langer und schwerer Weg sein.“ Thomas wollte so lange warten bis die OP beendet war, aber Frau Dr. Laubinger riet ihm davon ab, weil sie mindestens acht bis zehn Stunden dauern und er dann in ein künstliches Koma versetzt werden würde. Danach entschuldigte sie sich, weil sie zur OP musste. Klara sah, wie fassungslos Thomas war. Sie streichelte ihm über seine Haare und sprach dabei: „Tut mir leid, dass dein Freund so schwer verletzt ist. Es ist gut, dass du ihm in dieser schweren Zeit hilfst. Und wenn du Laura so gut kennst, wird sie auch mit der Situation klarkommen. Ich werde dich unterstützen so gut es geht.“ Thomas nahm sie in den Arm, drückte sie und bedankte sich bei ihr. Sie verließen die Charité wieder und fuhren zurück in die Villa. Als sie in die Küche kamen, fragte Maria: „Ist etwas passiert? Ihr habt heute so schnell das Haus verlassen, dass man meinte, ihr seit auf der Flucht.“ Klara erzählte allen, was sie gerade im Krankenhaus erfahren hatten. Dann fragte Thomas: „Hat jemand ein Problem damit, dass wir Laura solange aufnehmen?“ Keiner hatte einen Einwand. Alle waren der gleichen Meinung, dass man in einem solchen Fall selbstverständlich helfen musste. Dann rief Thomas die Nachbarin von Leo in München an und erkundigte sich, wann Laura am nächsten Tag in Berlin ankommen würde. Sie nannte ihm die Uhrzeit und auf welchem Gleis der ICE einfuhr. Er bat sie auch noch um ihre Kontonummer, weil er ihr umgehend ihre Auslagen überweisen wollte. Zuerst zierte sie sich, gab aber Thomas dann doch ihre Daten. Als er mit dem Telefonat fertig war, sagte er: „Also Laura kommt morgen früh um 10:43 Uhr auf Gleis 3 an. Sie hat Laura zwei Koffer zusammengestellt, was ihr wohl für die nächsten zwei- bis drei Wochen reichen dürfte. Der Rest würde ja von der Spedition gebracht werden. Nur eine Adresse bräuchte sie noch.“ Dann fragte er Franz: „Haben wir noch Platz im Schuppen, um die Sachen da unterzustellen?“ Franz: „Nachdem Kathi alles mitgenommen hat, als sie auszog, ist wieder reichlich Platz. Soviel wird es ja nicht sein. Nur wenn noch viele Möbel aus Klaras Wohnung dazukommen, wird es knapp mit dem Platz. Aber ich denke, wenn wir alles geschickt stapeln, reicht es.“ Maria: „Und wo bringen wir die Kleine unter? Oben bei den Mädels ist noch das Zimmer von Kathi frei. Soll ich das gleich herrichten?“ Thomas: „Wenn meine Schwestern nichts dagegen haben, soll es mir Recht sein.“ Den vier Schwestern war es egal, ob das Zimmer leer stand oder Laura einzog. Sie gingen gleich nach oben um Maria zu helfen. Jo fragte Thomas, als sie alleine waren: „Laura hat auch ihr Päckchen zu tragen. Zuerst starb ihre Mutter und nun der Unfall. Erinnert mich irgendwie an euch. Vor einem Jahr habt ihr eure Eltern verloren. Ich war noch nie in einer solchen Situation.“ Thomas: „Im Laufe der Zeit lässt der Schmerz nach. Aber eine Lücke wird immer da sein, egal wie man sich verstanden hat. Das ist nun einmal der Lauf der Zeit. Hoffentlich schafft es Leo, schon alleine wegen Laura.“ Am Montagmorgen fuhren Karl, Klara und Thomas zum Berliner Hauptbahnhof. Kurz vor der Einfahrt des ICEs standen sie auf Gleis 3. Am morgen hatte Thomas noch einmal in der Charité angerufen und sich nach Leos Befinden erkundigt. Die Schwester sagte ihm, dass es ihm den Umständen entsprechend ginge und er eine relativ ruhige Nacht hatte. Er würde aber weiter in einem künstlichen Koma gehalten, weil die Schmerzen die er sonst hätte, den Körper nur unnötig belasten würden. Ein Standartsatz aller Ärzte, die einen Patienten in einem künstlichen Tiefschlaf versetzten. Thomas war heilfroh, dass Leo die OP überlebt hatte. Der Zug fuhr ein und Thomas entdeckte Laura, trotz der vielen Menschen die ein- oder ausstiegen. Laura rannte auf Thomas zu und umarmte ihn weinend und fragte gleich: „Wie geht es meinem Vater?“
Zur gleichen Zeit, waren die Mitarbeiter der Potsdamer Suppenküche gerade dabei, die letzten Gemüseteile zu schnippeln. Hoher Besuch hatte sich angekündigt. Es war Max Klammer, der Justiziar der Stadt Potsdam. Er war derjenige, der vor zwei Jahren das Programm für straffällige jugendliche Straftäter ins Leben rief. Dabei mussten Jugendliche, anstelle hoher Geld- oder Haftstrafen, Sozialstunden ableisten. Der Erfolg dieses Programmes sprach für sich. Über die Hälfte der jungen Menschen, die eine solche Maßnahme besuchen mussten, wurden nicht mehr straffällig. Eine win-win- Situation für die Stadt Potsdam und den Jugendlichen. Die Stadt sparte Geld, weil sie nichts bezahlen musste und die Jugendlichen konnten endlich einmal zeigen, dass sie durchaus auch Verantwortung übernehmen konnten. Klammer kam pünktlich um 11:00 Uhr in die Suppenküche. Charly Bergmann leitete diese Küche seit etwas mehr als 10 Monaten und hatte alles fest im Griff. Sie wusste nicht warum Klammer heute in die Küche kam. Meist war es so, wenn er sich kurzfristig anmeldete und vorbei kam, wollte er etwas von ihr. Klammer: „Guten Morgen, Frau Bergmann, ich grüße sie.“ Charly war bekannt für ihre unkomplizierte und direkte Art. Sie antwortete: „Guten Morgen, Herr Klammer. Was möchten sie heute von mir? Irgendetwas wollen sie mir doch wieder aufs Auge drücken. Also, was ist es?“ Klammer: „Ich mag ihre direkte Art, ohne Umschweife gleich zur Sache kommen. Aber sie haben ja Recht, ich möchte tatsächlich etwas von ihnen.“ Charly stellte auf einen Tisch zwei Kaffeetassen hin und schenkte ein. Sie setzten sich und Klammer fuhr fort: „Da ja die beiden Klink Geschwister diese Woche ihre letzten Stunden absolvieren, brauchen sie Ersatz für die beiden. Und ich habe zwei Neue für sie gefunden. Eine junge Frau und ein junger Mann. Die junge Frau ist eine alte Bekannte von ihnen, sie hat schon einmal hier bei ihnen ihre Sozialstunden abgeleistet. Können sie sich denken wer sie ist?“ Charly brauchte nicht lange zu überlegen und sagte ganz spontan: „Lana Karpows?“ Klammer nickte. Charly: „Was hat sie dieses Mal angestellt und wieviel Stunden hat sie?“ Klammer: „Sie hat für ihren Freund Geld vom Geldautomaten abgehoben.“ Charly: „Aber das ist doch nicht strafbar.“ Klammer: „Wenn es das eigene Konto ist, nicht. Aber ihr sauberer Freund hatte ihr gefälschte Kreditkarten gegeben und sie hat, wie sie sagt, nichts davon gewusst. Wenn sie dies nur ein- oder zweimal getan hätte, wäre sie freigesprochen worden, aber sie hat insgesamt 15-mal Geld gezogen und jedes Mal den Höchstbetrag von 1000.- €. Richter Grasser hat ihr das nicht abgenommen und ihr sechs Monate zur Bewährung und 250 Sozialstunden aufgebrummt.“ Charly: „Autsch, dass ist ganz schön viel. Wenn sie wieder etwas verbockt, fährt sie unter Garantie ein. Warum kapiert Lana das nicht, das ihr sauberer Freund sie nur ausnützt?“ Klammer: „Ja, Frau Bergmann, das ist das Wunder der Liebe. Manche begreifen es nie und andere noch später.“ Charly: „Und wer ist der junge Mann?“ Klammer: „Das ist Markus Richter, 18 Jahre alt. Ihn hat man insgesamt viermal ohne Führerschein erwischt.“ Charly: „Hat er Unfälle gebaut?“ Klammer: „Nein, sondern man hat ihn in Radarfallen mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt. Und da er in der Kartei war, wusste man jedes Mal, dass er ohne Führerschein gefahren ist. Er hat auch sechs Monate auf Bewährung, sowie 240 Sozialstunden bekommen. Zudem hat er noch eine Führerscheinsperre von zwei Jahren.“ Charly schüttelte mit dem Kopf und konnte es nicht glauben, wie manche Jugendliche mit ihrer Zukunft umgehen. Sie fragte: „Und das ist alles? Sie kommen doch wegen so etwas nicht zu mir. Wo ist der Haken?“ Klammer: „Ja, da gibt es etwas, was ich ihnen sagen sollte. Markus Richter hat so eine Eigenart an sich, die manchen Mitmenschen nicht gefällt.“ Klammer windete sich und kam nicht zu Potte. Charly: „Und was ist das für eine Eigenart? Pinkelt er im sitzen oder häkelt er Topflappen?“ Klammer lachte und sagte: „Nein, er hat nur das Tourette-Syndrom.“ Charly: „Er hat was bitte? Es ist doch nicht ansteckend, oder?“ Klammer: „Natürlich nicht, sonst dürfte er doch gar nicht in einer Suppenküche arbeiten. Tourette-Syndrom ist eine neuropsychiatrische Erkrankung. Der Erkrankte bekommt sogenannte Tics, die er nicht oder ganz schwer steuern kann. Diese Tics können unkontrollierte Zuckungen oder verbale Laute sein. Und bei Markus Richter sind es verbale Laute.“ Charly wusste nun welche Krankheit dieser Junge hatte. Charly: „Und wie muss ich mir das vorstellen? Läuft er schreiend und wild um sich schlagend durch die Suppenküche, so wie ein Zombie? Sagen sie mir bitte, wie das gehen soll?“ Klammer: „Wie ich sehe, haben sie Vorurteile. Sie geben dem Jungen ja nicht einmal eine Chance.“ Charly: „Was erwarten sie denn von mir? Ich habe Publikumsverkehr. Was ist, wenn der Junge einen Anfall bekommt und ausrastet?“ Klammer: „Das geschieht nicht, Frau Bergmann. Seine Tics sind harmlos. Er äußert ab und zu ein paar Worte oder wiederholt, was man ihm gesagt hat, das ist alles.“ Charly: „Keinen starren Blick, mit Blut unterlaufenen Augen oder Speichelfluss beim verteilen des Essens?“ Klammer: „Sie sehen zu viele Horror Filme, Frau Bergmann. Er ist wirklich harmlos. Sie werden ihn mögen, wenn sie sich erst einmal an seine Tics gewöhnt haben.“ Charly: „Gut, probieren wir es. Aber ich habe ein Rückgaberecht. Klappt es nicht, weil es Ärger mit unserer Kundschaft gibt, sorgen sie für Ersatz. Abgemacht?“ Klammer: „Versprochen. Ich wusste doch, dass sie ein großes Herz haben. So, ich muss dann wieder, die Pflicht ruft. Ist es Recht, wenn ich Herrn Richter und Frau Karpows morgen vorbei schicke?“ Charly: „Tun sie das. Ich teile sie dann ab Ende dieser Woche ein. Hoffentlich gibt es keine Schwierigkeiten.“ Klammer: „Es wird schon schiefgehen. Bis dann, Frau Bergmann.“ Max Klammer gab ihr die Hand und verabschiedete sich. Charly ging zurück in die Küche und berichtete ihren beiden Mitarbeitern, was auf sie zukommt. Begeisterung sieht aber anders aus. Der Koch Michael Brenner und die Küchenhilfe Anna Lange waren skeptisch. Sie befürchteten, dass es zu Problemen kommen könnte, wenn Markus Richter die Kundschaft mit seinen Tics anmacht. Und zu Lana hatten sie nur einen Satz parat: Diese blöde Kuh, wann kapiert sie endlich, dass sie dieser Typ nur ausnützt. Charly sagte abschließend: „Beide kommen morgen früh, dann sehen wir weiter. Mit Lana dürfte es keine Schwierigkeiten geben, schließlich war sie schon einmal unser Gast. Alles andere wird sich geben. So, und nun lassen wir die Meute herein, zur Schlacht an der Suppenschüssel.“ Punkt 12:00 Uhr schloss sie die Eingangstür auf und ließ die hungrigen der Stadt herein. Viele kannte sie inzwischen schon mit Namen. Andere blieben anonym. Ihnen war es peinlich in eine Suppenküche gehen zu müssen.
Laura fragte Thomas als erstes: „Wie geht es meinem Vater, Onkel Thomas?“ Dabei wischte sie sich die Tränen von der Wange und schnäuzte sich ihre Nase. Thomas antwortete: „Laut Auskunft der Ärztin, hat er die 12- stündige OP gut überstanden. Er hatte eine ruhige Nacht und liegt nun im künstlichen Koma. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, versicherten sie mir.“ Laura: „Können wir gleich zu ihm, Onkel Thomas?“ Thomas: „Gleich Laura. Bitte mach mir den Gefallen und lass den „Onkel“ weg. Thomas alleine reicht auch. Übrigens, das ist Klara meine Freundin. Ihr werdet euch bestimmt verstehen. Den Rest der Familie stelle ich dir nach und nach vor, weil die meisten von ihnen noch auf der Arbeit sind. Wir fahren schnell in die Villa, dort kannst du dich umziehen und frisch machen. Bei der Gelegenheit zeige ich dir auch gleich dein Zimmer. Herzlich Willkommen in Berlin.“ Laura: „Was für ein Zimmer? Ich fahre morgen wieder zurück nach München. Dort ist mein Leben, meine Schule und vor allem meine Freunde.“ Thomas und Klara wurde sofort klar, dass der erste Ärger schon in der Luft lag. Aber er ließ sich am Bahnsteig auf keine weitere Diskussion ein und sagte: „Lass uns zum Wagen gehen, hier ist es doch ziemlich zugig, nicht dass du dich noch erkältest.“ Als sie den Hauptbahnhof verließen, kam Karl mit dem Wagen vorgefahren. Er sagte zu Laura: „Hallo, ich bin Karl. Ich werde dich in der nächsten Zeit überall hinbringen, bis du dich etwas besser hier in Berlin und Potsdam auskennst. Du kannst mich ruhig duzen, das tun alle hier.“ Er nahm ihr den Rollkoffer ab und verstaute ihn in den Kofferraum. Laura: „Das ist lieb von ihnen, aber für den einen Tag den ich hier bin, wird das nicht nötig sein. Ich nehme mir nachher ein Taxi, die kennen sich hier ja auch aus.“ Karl schaute zuerst Laura und dann Thomas an. Der legte aber den Finger auf seine Lippen, als wollte er sagen, „Lass sie ruhig reden“. Die Fahrt verlief sehr ruhig. Laura sagte nichts und machte auch keine Anstalten noch weitere Fragen zu beantworten. Sie hatte den L.m.a.A. Modus eingeschaltet, ein typisches Zeichen der Pubertät. Thomas war es egal, kannte er doch dieses gebaren von seinen Schwestern her. Er wusste aber auch, dass Laura von selbst wieder anfangen würde zu sprechen, spätestens wenn alle das Gleiche mit ihr taten. Klara verstand sofort welche Strategie Thomas verfolgte und spielte gleich mit. Während der Fahrt unterhielten sie sich über Dinge vom Betrieb und ließen Laura bei der Unterhaltung außen vor. Man sah wie Laura von Minute zu Minute wütender wurde. Karl fuhr zügig zur Villa und hielt direkt vor dem Eingang. Er öffnete den Kofferraum und stellte Laura ihren Rollkoffer vor ihre Füße, sagte aber kein Wort. Er stieg wieder ein und fuhr den Wagen an den Nebeneingang, wo er sonst auch immer parkt. Thomas gab die Zahlenkombination der Eingangstür ein und öffnete diese. Klara und er traten ein und riefen: „Du kannst deinen Koffer im Flur stehen lassen und später hochbringen. Die andere Tasche auch.“ Laura stand immer noch vor der Tür und kochte innerlich. Sie kniff ihre Augen zusammen, zog den Koffer hinter sich her und trug schließlich beide Teile in den langen Flur. Neugierig lief sie den Flur entlang, bis sie zur Küche kam. Dort trat sie ein und traf auf Maria, die gerade am kochen war. Maria: „Hallo hübsches Fräulein, du bist bestimmt Laura. Ich bin Maria, und sorge für das leibliche und seelische Wohl des Bergmann Clans. Wenn du etwas brauchst, sage es mir.“ Sie streckte ihr die Hand hin und Laura drückte sie. Laura: „Wo sind die beiden? Lassen mich einfach mit meinen Koffern vor der Tür stehen.“ Maria: „Du meinst sicherlich Thomas und Klara?“ Laura nickte. Maria: „Das ist normalerweise nicht ihre Art. Also ich kenne sie nur als nett, zuvorkommend und hilfsbereit. Hast du Krach gehabt mit den beiden?“ Laura: „Nicht das ich wüsste, habe ja nicht einmal mit ihnen geredet.“ Und jetzt hörte man deutlich den bayrischen Dialekt den Laura aufgelegt hatte und sie fing an zu schimpfen: „Ich hab den beiden schon gesagt, dass ich morgen wieder zurück nach München fahre. Was soll ich hier? Mein Vater bekommt ja sowieso nicht mit, ob ich da bin oder nicht. Ich habe in München mein zu Hause, meine Freunde und gehe dort zur Schule. Ich kann wohl selbst auf mich aufpassen und brauche keinen Babysitter. Schließlich werde ich in fünf Monaten schon 16 Jahre alt.“ Maria: „Was, du bist schon 15 Jahre alt? Respekt, das hätte ich jetzt nicht für möglich gehalten. Na ja, wenn du so selbstständig bist, dann kannst du ja deine Koffer auch selbst nach oben tragen, ich habe es nämlich mit dem Kreuz und bin auch nicht mehr die Jüngste. Ach ja, dann brauche ich so lange du noch hier bist, nicht die Wäsche waschen und sie bügeln, nicht für dich kochen und dein Geschirr wäscht du ja auch selbst ab. Das ist gut, da ist endlich jemand der so jung schon selbstständig ist. Da brauchst du ja auch keinen der dir für die Schule Entschuldigungen schreibt. Dann verdienst du dir dein Taschengeld bestimmt auch selbst? Da kann ich nur den Hut ziehen. Du gefällst mir, Kindchen. Also komm mit, ich zeige dir dein Zimmer solange du noch hier bist, oder möchtest du lieber in ein Hotel gehen? Karl fährt dich bestimmt in die Stadt. Aber das wird nicht billig, weil wir gerade viele Veranstaltungen hier in Potsdam haben. Du musst dann schon mit drei- bis vierhundert Euro pro Nacht rechnen. Aber das ist für dich doch bestimmt kein Problem, du bist ja schon 15 Jahre alt. Na, hast du es dir überlegt?“ Laura: „Ich glaube, eine Nacht werde ich es hier wohl aushalten. Sie sind ja auch noch da, oder gilt das Angebot nicht mehr?“ Maria: „Wenn ich etwas verspreche, dann halte ich es auch. Nun komm und lass dich überraschen.“ Klara und Thomas hatten das Gespräch aus sicherer Distanz mit angehört. Klara: „1:0 für Maria. Sie wäre sicher eine gute Psychologin geworden.“ Thomas: „Was heißt hier wäre, sie ist eine gute Psychologin. Für störrische Jungs und Mädchen reicht ihr Wissen allemal. Wer meine vier Schwestern und mich gebändigt kriegt, bekommt auch Laura in den Griff.“ Sie beschlossen nach dem Mittagessen mit Laura in die Charité zu fahren. Danach wollten sie mit ihr sprechen, um damit für klare Verhältnisse zu sorgen. Das dies nicht einfach werden würde, war beiden klar, aber es musste sein, zum Wohle von Laura.
Franzi arbeitete schon seit einigen Monaten in den Bergmann Werken. Zuerst war sie im Versand als Helferin beschäftigt und seit drei Monaten war sie Azubi. Sie machte eine Lehre als Buchhalterin. Sie hatte bisher mit niemand von der Firma Probleme gehabt, obwohl sie die Schwester des Chefs war. Alle behandelten sie wie eine von ihnen. Sie wurde immer wieder einmal von anderen Mitarbeitern zu einem Date aufgefordert, aber Franzi lehnte stets freundlich ab und schob die Schule oder sonstige Dinge vor. Franzi kam mit allen gut aus, aber mit einem Mitarbeiter kam sie besonders gut zurecht. Bevor sie die Ausbildung anfing, musste sie einige Wochen in der IT Abteilung aushelfen. Dabei durfte sie den ganzen Tag lang, auf einer illegalen Spielkonsole der Konkurrenz spielen. Dabei lernte sie den Chefprogrammierer Dirk Ommer kennen, der ja auch beratend in der Geschäftsleitung sitzt. Dirk hatte aber ein Handicap, weil er im Rollstuhl saß. Franzi störte das nicht, fand es aber nicht richtig von Dirk, dass er nichts dagegen unternahm, wieder aus dem Rollstuhl zu kommen. Er hatte als Kind Kinderlähmung gehabt und dabei sind seine Füße in Mitleidenschaft gezogen worden. Er hatte zwar schon einige Ärzte aufgesucht, aber alle betrachteten ihn als eine Art Versuchskaninchen. Sie brachen ihm die Beine und setzten Platten und Schrauben ein. Aber nichts half. Das Einzige was er danach jedes Mal hatte, waren unsägliche Schmerzen über Wochen und Monate. Und darauf hatte er absolut keinen Bock mehr, wie er immer betonte. Aber Franzi wollte nicht aufgeben, ihn nach Heidelberg in eine Spezialklinik zu bringen. Sie arbeitete jeden Tag daraufhin, dass Dirk irgendwann einwilligen würde. Den ersten Schritt dazu sollten seine Röntgenaufnahmen sein. Anhand dieser, konnten die Ärzte in Heidelberg schon einmal einschätzen, ob sie ihm helfen konnten oder nicht. Julia, ihre Schwester hatte ihr den Rat gegeben. Da sie ja Orthopädin ist, kann auch sie nur Diagnosen, durch Röntgenaufnahmen oder CT Bilder untermauern. Franzi machte wie jeden morgen wieder ihren üblichen Rundgang in die einzelnen Abteilungen des Werkes. Sie sammelte dort Lieferscheine, Auftragsbestätigungen und andere Dinge ein, die für die Buchhaltung relevant waren. Auch verteilte sie dabei gleich die hausinterne Post des Werkes. So kam sie auch jeden Tag zu Dirk Ommer. Auch an diesem Morgen war das so. Franzi kam zu ihm und sah gleich, dass es ihm nicht gut ging. Er hatte wieder schmerzen, über die er nie sprach. Dirk wollte einfach nicht, dass ihn andere Mitarbeiter bemitleiden. Franzi sah gerade noch wie er eine Tablette einnahm. Sie wartete einen Augenblick und ging dann in seinen „Glaskasten“, wie er sein Büro nannte. Franzi: „Guten Morgen Dirk, hast du Post für mich?“ Dirk rollte hinüber an den Schreibtisch und holte mehrere Schriftstücke aus einer Ablage und gab sie ihr. Franzi: „Und wie geht es deinem Rollstuhl? Alles geölt und der Luftdruck richtig?“ Dirk: „Warum fragst du nach meinem AOK Schopper? Was soll mit ihm sein? Ist alles in Ordnung.“ Franzi: „Ich frage doch nur, weil du so richtig scheiße aussiehst. Und da das nicht an dir liegen kann, muss es wohl am Rollstuhl liegen. Hab ich Recht?“ Dirk sah sie böse an und erwiderte: „Geh mir nicht auf die Nüsse. Hast du nichts zu tun? Geh in dein Büro und gehe anderen Leuten auf die Nerven. Abflug.“ Franzi: „Jawohl Sir, werde mich sofort in mein Büro begeben. Kann das Elend das mich hier anblafft sowieso nicht mehr länger sehen, sonst bekomme ich noch meine mittäglichen Depressionen. Wenn du deine Röntgenbilder dabei hast, gib mir einfach Bescheid. Auf Wiedersehen und noch einen schmerzhaften Tag wünsche ich dir.“ Sie war kaum aus der Tür, da flog auch schon ein Aschenbecher hinter ihr her. Franzi kannte dieses Geräusch, wenn der Aschenbecher an der Metallenen F 90 Tür einschlug. Ab und zu brachte sie ihm einen neuen Aschenbecher mit, weil der Alte schon richtig verbeult war. Für sie stand jedes Mal fest, irgendwann hatte er die Aufnahmen dabei. Nach der Mittagspause kam Franzi wieder zurück in ihr Büro. Ihre Abteilungsleiterin hatte ihr mehrere Umschläge bereitgelegt, die sie an die einzelnen Abteilungen verteilen sollte. Darunter war auch ein Auftrag an Dirk Ommer. Zuerst wollte sie nicht zu ihm gehen, weil sie befürchtete, dass er immer noch sauer auf sie war. Nach reiflicher Überlegung beschloss sie doch zu ihm zu gehen. Sie sah wie er am PC saß und arbeitete. Sie klopfte höflich an und wartete, bis er „Herein“, sagte. Franzi öffnete schnell die Tür und lief hastig zu ihm und legte den Auftrag auf seinen Tisch, drehte sich wortlos um und wollte gleich wieder gehen. Doch Dirk rief laut: „Soooo nicht, Frau Bergmann. Sie müssen mir schon sagen was es mit dem Schreiben auf sich hat. Ist es ein Auftrag, eine Erweiterung, oder ein Mängel? Also, was ist?“ Franzi: „Es ist ein Auftrag, für die Bremer AG.“ Dirk: „Drehen sie sich gefälligst um, wenn ich mit ihnen spreche, oder stört sie mein Leiden?“ Franzi drehte sich um und antwortete: „Ich kann dich einfach nicht mehr leiden sehen. Du bist so ein toller Typ und tust nichts für deine Gesundheit. Bitte entschuldige, wenn ich dir auf die Nüsse gehe, aber ich habe eingesehen, dass es dein Leben ist und nur du bestimmst wie es aussieht. Ich werde dich nie wieder auf die Röntgenbilder ansprechen, versprochen.“ Dirk rollte auf sie zu und meinte: „Das hoffe ich auch.“ Kurz vor ihren Beinen blieb er stehen. Er zog etwas hinter seinem Rücken heraus und schlug es ihr auf ihren Bauch. Es war ein großer Umschlag und Dirk meinte laut: „Hier hast du deine beschissenen Aufnahmen. Und wenn du je wieder mit dem Thema anfängst, werde ich Thomas vor die Wahl stellen, entweder er wirft dich raus, oder ich kündige. Das ist mein voller Ernst.“ Franzi erkannte, dass es Dirk wirklich so meinte. Sie nahm ihm den Umschlag aus der Hand und antwortete: „Dann wirst du wohl kündigen müssen, denn ich habe einen Vertrag, da kann mich Thomas nicht einfach entlassen.“ Dirk: „Lass es nicht darauf ankommen, du penetrante Nervensäge. Mit dir möchte ich auch nicht verheiratet sein. Dein zukünftiger Mann tut mir jetzt schon leid. Der muss entweder total hässlich, oder total verblödet sein, sonst würde er dich bestimmt nicht heiraten.“ Franzi: „Und du heiratest am besten eine Apothekerin, die kann dir dann jeden Tag Schmerzmittel spritzen, damit du schmerzfrei bist. Oder noch besser, sie soll dir einen Zugang für einen Tropf legen, da brauchst du nur einmal pro Woche die Flasche wechseln.“ Dirk: „Du bist doch ein richtig kleines Miststück. Macht dir das eigentlich Spaß, sich auf Kosten anderer zu amüsieren?“ Franzi sagte eine Minute nichts mehr, sah ihn nur an. Dann antwortete sie ganz leise: „Es tut mir aufrichtig Leid, aber ich wollte nie deine Gefühle verletzen. Bitte verzeihe mir. Aber ich war doch nur so hartnäckig und nervig zu dir, weil ich dir helfen wollte. Ich mag dich einfach und kann dich nicht leiden sehen. Wenn du möchtest, werfe ich die Aufnahmen weg und du hörst nie wieder ein Wort darüber von mir.“ Dirk sah, wie sie wässrige Augen bekam. Er streckte seine Hand aus und nahm ihre Hand. Er streichelte sie und meinte: „Es tut mir auch leid, entschuldige wenn ich dich beleidigt habe. Ich mag dich doch auch, aber meine gesundheitliche Situation ist nicht die Beste. Da kann es schon einmal vorkommen, dass ich genervt bin. Das kommt von meinen schmerzen und den Tabletten. Du hast ja jetzt was du wolltest, schicke die Aufnahmen weg, sonst wäre ja unser Streit umsonst gewesen. Alles wieder gut?“ Ein Lächeln legte sich in Franzis Gesicht. Sie beugte sich herunter und küsste eine Wange von ihm. Dann sagte sie: „Alles wieder gut. Falls die Uni Klinik in Heidelberg eine OP ablehnt, werde ich nie wieder darüber ein Wort verlieren, versprochen.“ Sie nahm den Umschlag in beide Hände vor ihre Brust und ging zurück in ihr Büro. Dirk wusste nun, dass ihm Franzi wirklich nur helfen wollte. Für einen Moment hatte er seine Schmerzen vergessen, aber nach einigen Minuten waren sie wieder da. Dieser unaufhörliche stechende Schmerz würde nie aufhören, solange er sich nicht für eine neuerliche OP entschied. Dirk hatte Angst, dass es wieder ein Griff ins Klo werden würde. Und er hatte auch Angst, dass sie ihm, beide Beine amputieren würden, um endlich schmerzfrei zu werden.
Maria zeigte Laura ihr Zimmer. Sie drehte gleich die Heizung auf und öffnete den großen Kleiderschrank. Sie zeigte mit der Bemerkung hinein: „Fürs erste wird er wohl genügend Platz haben. Der Kathi, die vorher hier gewohnt hat, reichte er auch. Ich zeige dir noch die Toilette und das Bad. Wir haben hier oben zwei Bäder, das hintere ist nur mit Dusche und das vordere hat auch eine Wanne.“ Laura: „Da ist ja nicht einmal ein Internetanschluss, wie chatte ich jetzt mit meinen Freuden?“ Maria: „Soviel ich weiß, haben wir hier W-Lan. Da kannst du im ganzen Haus ins Internet gehen. Jo soll dir den Zugang heute Abend einrichten. Mach ja kein Blödsinn mit illegalen Downloads, da wird nämlich Thomas richtig sauer. Steckdosen sind genug da. Schau hinter dem Bett sind drei Dosen, an der Tür sind zwei und da drüben auch noch einmal zwei. Hast du überhaupt einen PC?“ Laura: „Ich habe mein Handy und einen Laptop.“ Maria: „Zieh dich um, in zwanzig Minuten gibt es essen. Wo die Küche ist weißt du ja. Ach ja, noch eins muss ich dir sagen. Die anderen Zimmer von den Bergmann Schwestern sind Tabu für dich. Das Gleiche gilt für die Zimmer von Thomas und Klara eine Etage tiefer. Auch das Arbeitszimmer ist Tabu. Ansonsten kannst du dich überall frei bewegen. Der Fernseher empfängt 125 Programme die du ansehen kannst. Für Sexfilme brauchst du einen vierstelligen Code, um den Kanal freizuschalten. Gibst du ihn vier Mal falsch ein, sind alle Programme für eine Stunde auf diesem Gerät gesperrt. So, das war es auch schon. Ach ja, keine Männer auf der Bude und rauchen ist für dich auch verboten, genauso wie Alkohol.“ Laura: „Es fehlen nur noch die Gitter und das ich nachts eingeschlossen werde. Aber die eine Nacht werde ich überleben. Zu Hause darf ich rauchen und bis 22:00 Uhr wegbleiben. Und wenn ein Freund bei mir übernachten möchte, hat Vater nie etwas gesagt.“ Maria: „Was dir dein Vater erlaubt oder nicht erlaubt, ist mir ehrlich gesagt egal. In der Bergmann Villa gelten nun einmal diese Regeln für dich. Bitte halte dich daran, dann kommen alle mit dir aus.“ Maria verließ das Zimmer. Sie hatte kein gutes Gefühl, eine innere Stimme sagte zu ihr: Das riecht nach Ärger, nach mächtig viel Ärger. In der Küche saßen bereits Klara und Thomas am Tisch. Klara fragte: „Und, wie macht sie sich?“ Maria: „Das wird ein hartes Stück Arbeit für uns alle. Aber mit Gottes Hilfe schaffen wir das auch. Ich habe ihr die Regeln erklärt und wenn sie sich nicht daran hält, must du eben ein Machtwort sprechen.“ Sie deutete dabei auf Thomas, der nur meinte: „Warum immer ich? Wir haben so viele Frauen im Haus, könnt ihr das nicht untereinander regeln?“ Klara: „Du willst dich nur vor deiner Verantwortung drücken. Möchtest wohl lieber der liebe Onkel sein? Aber das kannst du dir bei Laura abschminken. Wie ich sie einschätze, würde sie dir eher einen Dolch in die Brust stecken, als kleinbeizugeben. Warte morgen ab, was die für eine Show abzieht, wenn sie nicht nach München darf. Viel Spaß wünsche ich dir jetzt schon.“ Thomas: „Jetzt dachte ich du würdest mich dabei unterstützen, aber nein, du fällst mir in den Rücken und lässt mich mit der kleinen Göre alleine.“ Dabei musste er lachen, hatte er es doch nicht ernst gemeint. Maria: „Wir werden alle an einem Strang ziehen müssen. Und vor allen Dingen müssen wir aufpassen, dass sie nicht weg läuft. Den Weg zum Bahnhof findet sie ganz bestimmt.“ Thomas: „Und wie verhindere ich das? Ich kann sie doch nicht fest binden oder gar einsperren.“ Klara: „Dann musst du eben einen anderen Weg finden. Gewinne ihr Vertrauen, zeige ihr dass ihr Vater sie hier braucht.“ Maria: „Wenn ihr mich fragt, hat sie zu ihrem Vater nicht gerade den besten Draht. Wenn das stimmt, das sie zu Hause rauchen darf, bis 22:00 Uhr wegbleiben und Jungs bei ihr übernachten dürfen, dann stimmt da was nicht.“ Thomas: „Das hat sie gesagt?“ Klara: „Was nicht zwangsläufig stimmen muss. Es kann doch sein, dass sie nur versucht, ihre Grenzen auszuloten. Aber du kennst ihren Vater besser. Würde er das zulassen?“ Thomas: „Ich weiß es nicht. Ich hatte ja die letzten Jahre keinen Kontakt mehr mit ihm. Ich habe ja nicht einmal gewusst, dass Viktoria gestorben ist. Er hat nur angedeutet, dass Laura seitdem schwieriger wurde.“ Maria: „Macht euch jetzt nicht verrückt, vielleicht kommt ja alles ganz anders.“ Die drei deckten den Tisch und hofften, dass Laura auch zum Essen kam. Und sie kam. Sie hatte sich umgezogen. Frische Jeans, einen Kaschmir Pulli und Sportschuhe. Auf dem Arm trug sie eine Jacke und eine kleine Handtasche. Geschmack hatte sie, ohne Zweifel. Sie fragte nach einer Garderobe und Klara zeigte sie ihr. Klara: „Du hast einen guten Geschmack, was Klamotten betrifft. Vielleicht können wir am Samstag die Berliner Einkaufsmeile unsicher machen, ich könnte deine Beratung gut gebrauchen.“ Thomas: „Ach, jetzt bin plötzlich nicht mehr gut genug. Ich werde es mir merken. Du kommst ja noch einmal, ich soll dich beim Schuhkauf begleiten.“ Laura: „Und Onkel Thomas, hat wirklich geglaubt du hast dir die Schuhe gekauft, die er ausgesucht hat?“ Klara nickte. Laura: „Typisch Mann. Aber ich glaube, Onkel Thomas hätte Beratung nötiger.“ Thomas fühlte sich angegriffen und fragte: „Was ist an meinen Klamotten auszusetzen? Sie sind bequem und leger.“ Laura: „Altbacken und konservativ. Eine neue Frisur täte dir auch ganz gut.“ Klara musste unweigerlich grinsen, hatte sie ihm doch vor Monaten schon dasselbe gesagt, nur nicht so direkt. Schließlich wollte sie ihn nicht kränken. Es gab zur Feier des Tages Schweinebraten mit Klößen und Buttergemüse. Laura schien es zu schmecken, nahm sie sich doch einen Nachschlag. Nach dem Essen fuhren Thomas und Laura in die Charité. Behutsam bereitete Thomas Laura darauf vor, was sie im Krankenhaus erwartete. Er berichtete ihr, was die Ärztin im erzählt hatte. Dabei schilderte er alles nicht so drastisch und ließ den Teil mit der eventuellen Querschnittslähmung aus. Er parkte den Wagen in der Tiefgarage. Mit dem Lift fuhren sie in das erste Obergeschoss. In der Intensivstation angekommen, zogen sie ihre grünen Kittel und die Masken an. Dann kam die Stunde der Wahrheit. Leo lag in einem speziellen Bett und überall waren Kabel oder Schläuche an ihm angebracht. Die Beine, Arme und der Kopf waren bandagiert. Am Oberkörper und am unteren Bauchraum sah man weitere Pflaster, unter denen jeweils ein Schlauch mit einer Drainage heraus hingen. Unten am Bett hingen mehrere Flaschen, welche verschiedene Körperflüssigkeiten auffingen. Kurz und gut, es war ein erschreckendes Bild und das nicht nur für eine 15 jährige. Laura liefen Tränen herunter. Sie sagte nur einmal: „Mein Gott, Vater, was machen die mit dir.“ Danach schwieg sie und weinte nur noch. Thomas fand es besser, sie von diesem Anblick zu befreien, weil er merkte, dass Laura mit der Situation überfordert war. Langsam zog er sie aus dem Krankenzimmer und nahm sie dann in den Arm. Jetzt brachen alle Dämme und Laura bekam einen Weinkrampf. Frau Dr. Laubinger kam dazu und Thomas erklärte ihr, dass dies Leos Tochter sei. Sie gab ihr die Hand und bat sie mit in das Ärztezimmer zu kommen. Dort überprüfte sie erst einmal ihren Puls und den Blutdruck und gab ihr eine Spritze. Nach einigen Minuten war Laura wieder ansprechbar und gefasst. Frau Dr. Laubinger klärte nun Laura nach und nach über die Art der Verletzungen ihres Vaters auf. Sie betonte aber mehrfach, dass er so weit stabil ist und sie ihn bald wieder aus dem Koma holen würden. Laura hörte sich alles genau an und fragte interessiert nach, wenn sie etwas nicht verstand. Die Ärztin war sehr einfühlsam und geduldig mit ihr. Nach einer Stunde war das Gespräch beendet. Sie empfahl Thomas, dass er Laura erst wieder in zwei oder drei Tagen mitbringen solle, damit sie genug Zeit hätte, sich mit der Situation auseinander zu setzen. Auf der Heimfahrt, fragte er sie: „Willst du morgen immer noch nach Hause fahren?“ Laura antwortete: „Das kann ich ihm nicht antun. Wird er je wieder gesund?“ Thomas: „Die Ärzte der Charité, sind mit die besten von Deutschland, sie werden alles dafür tun, dass dein Vater wieder ganz gesund wird. Nur müssen wir und er Geduld haben. Solche Verletzungen brauchen nun einmal Zeit, um zu heilen. Dein Vater hat großes Glück gehabt, das er den Absturz überlebt hat. Die anderen hatten dies nicht, sie haben nicht überlebt.“ Laura: „Und wie geht es jetzt weiter? Ich meine, er kann doch seinen neuen Job hier gar nicht antreten. Dann kann er doch gleich in München bleiben und alles bleibt beim Alten.“ Thomas: „Das geht leider nicht, Laura. Erstens, ist der alte Job deines Vaters bereits vergeben. Zweitens, ist eure Wohnung bereits wieder vermietet. Drittens, hat dein Vater einen Arbeitsvertrag mit der Uni unterschrieben und der ist Rechtsbindend. Egal warum er den Job nicht antreten kann, es ist sein Job. Sein Chef muss dann eine Vertretung einstellen, bis er wieder arbeiten kann. Dann hat er dich von der Schule abgemeldet und hier auf dem Gymnasium angemeldet. Wie du siehst, führt kein Weg mehr zurück, so traurig das für dich auch im Moment ist. Ich kann nachfühlen wie dir gerade zumute ist. Mir ging es in meiner Jugend genauso. Mein Vater hat mich Ende der vierten Klasse ins Internat gesteckt. Auf einen Schlag hatte ich keine Freunde mehr und war alleine in der Fremde. Ich habe wochenlang nachts geweint, aber so nach und nach fand ich neue Freunde und der Schmerz der Trennung ließ nach. Übrigens, ist Jo auch hier. Er arbeitete ja auch in Frankfurt und ist seit zehn Monaten bei mir im Werk beschäftigt.“ Laura schnäuzte immer wieder und hörte ihm zu. Als er vor der Villa hielt, fragte er sie: „Und wie findest du diesen alten Kasten?“ Er zeigte dabei auf die Villa. Laura: „Und was davon gehört zu dir?“ Thomas: „Alles, der ganze Komplex, bis hinunter an den See. Auch der Park gehört dazu. Nur den Flügel habe ich vermietet, weil ich die Kosten senken musste. Vor einem Jahr waren wir fast pleite. Du siehst, andere Menschen haben auch ihre Sorgen. So, und nun trinken wir etwas und setzen uns vor die Glotze und schauen ein Video, oder wir reden ein bisschen. Was möchtest du denn jetzt am liebsten machen?“ Laura: „Zuerst meine Klamotten einräumen. Danach können wir immer noch einen Film anschauen.“ Thomas: „Gut, wie du es möchtest. Heute Abend stelle ich dir noch den Rest der Familie vor.“
Nele saß im Café UHU, in Berlin Steglitz. Dort war sie mit ihrer neuen Freundin Silke Schwörer verabredet. Sie trafen sich bewusst so weit weg von der Uni, damit niemand sie zusammen sah. Vorsicht war besser als Nachsicht. Beide wollten nicht riskieren, dass jemand von ihrem Verhältnis erfährt. Das Café war ein heimlicher Treffpunkt für lesbische Paare. Kein Wunder, denn die Wirtin lebte auch mit einer Frau in einer eheähnlichen Partnerschaft zusammen. Man kannte sich und niemand nahm Anstoß daran, wenn sich zwei Frauen einmal küssten. Erwähnen sollte ich noch, dass die Wirtin schon vor 20 Jahren das Café eröffnet hatte, also zu einer Zeit, da man noch nicht so tolerant war, wie heute. Nele kam heute etwas früher und las noch einen Artikel aus „Financial Times“. Nach 15 Minuten kam ihre süße Maus Silke endlich. Sie gab Nele einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Nele spürte instinktiv, dass etwas nicht stimmte und fragte: „Süße, ist etwas?“ Silke: „Ich zeige es dir gleich, lass mich erst bestellen.“ Die Bedienung kam und sie bestellte eine Latte und etwas Gebäck. Silke zog ihr Handy heraus und suchte die entsprechende Nachricht, die sie Nele zeigen wollte. Als sie die SMS hatte, übergab sie ihr das Handy. Die las dann was in der Nachricht stand: „Hallo du Leck Schwester. Ich weiß genau mit wem du es treibst. Eine Dozentin lässt sich von einer Studentin vögeln, wie geil ist das denn. Wir sprechen uns noch. Wäre doch peinlich, wenn die ganze Uni plötzlich ein Video auf ihrem Server hätte, in der du und die Bergmann in trauter Zweisamkeit zusehen sind. Ich weiß wo dein Haus wohnt. Ich melde mich wieder. Unterschrift, Lessi.“ Nele war geschockt. Silke: „Das ist noch nicht alles, der Typ hat noch eine Video geschickt.“ Sie öffnete die MMS und zeigte es Nele. Erschrocken sah sie auf dem Video, wie die beiden sich gegenseitig die Kleider auszogen und es dann sehr intim wurde. Nele wusste sofort, wann und wo das Video aufgenommen wurde. Sie sagte: „Das war bei dir zu Hause auf deinem Geburtstag. Aber ich bin doch extra früher gegangen, damit kein Verdacht entsteht. Entweder hat der Typ mich verfolgt, oder er ist ein Spanner und hat dich die ganze Zeit beobachtet. Der muss auf dem Baum vor deinem Haus gesessen haben, sonst hätte er die Aufnahmen nicht machen können. Was machen wir jetzt? Sollten wir nicht zur Polizei gehen?“ Silke: „Den Typen anzeigen? Er hat ja eigentlich noch nichts gemacht, außer dass er unsere Privatsphäre verletzt und uns ohne Erlaubnis gefilmt hat. Erpresst hat er uns ja noch nicht, sondern lediglich eine Drohung ausgesprochen. Das ist zu wenig Liebes, da unternimmt die Polizei mit Sicherheit nichts. Erst wenn eine Straftat vorliegt, kann sie etwas unternehmen.“ Nele: „Und dann ist es bestimmt zu spät. Was machen wir, wenn das heraus kommt? Mir ist das egal, wenn ich mich als Lesbe outen muss, aber es geht mir in erster Linie um dich.“ Silke: „Das outen wäre nicht einmal so schlimm, aber ich käme doch gleich in den Verdacht, ich hätte dir Fragen oder Ergebnisse für Prüfungen gesagt. Wir müssen jetzt abwarten, was der Typ konkret von mir will, vorher können wir nichts unternehmen.“ Nele: „Und wenn es kein Mann ist, sondern eine Frau?“ Silke: „Du meinst eine heimliche Verehrerin oder eine Verflossene?“ Nele: „Fragt sich nur von wem? Eine Ex von dir oder von mir?“ Sie tranken ihre Latte und bestellten erneut. Neles Handy piepste, es war eine SMS. Sie öffnete sie und las: „Seit ihr am beraten? Wer bin ich, was will ich? Viel Spaß beim rätseln, Gruß Lessi.“ Silke las die SMS mit und meinte: „Ich denke „Es“ beobachtet uns. Siehst du jemanden, der verdächtig ist?“ Aber sie konnten noch so aufmerksam das Lokal mustern, sie fanden niemanden der sich verdächtig benahm. Sie beschlossen zusammen das Café zu verlassen und zu Silke nach Hause zu gehen, um dort weiter zu beratschlagen. Eines war für sie auf jeden Fall sicher, hier wurde eine Erpressung vorbereitet. Einen Stalker schlossen sie aber aus, denn der hätte sich bestimmt schon früher gemeldet, als die zwei noch nicht zusammen waren. Wer konnte das nur sein? Es war wahrscheinlich jemand aus ihrem Umfeld. Eventuell ein Mitkommilitone/in. Der Abend war gelaufen, aus war die Zeit der unbeschwerten Liebe. Was die beiden Verliebten aber noch nicht ahnten, sie würden in den nächsten Wochen noch sehr viel von ihrem „Es“ zu hören und zu sehen bekommen. Doch dazu später mehr. Franzi kam abends nach Hause und ihr erster Weg führte sie zu Jule. Sie klopfte an ihre Zimmertür und trat ein. Franzi zu Jule: „Ich hab sie, endlich.“ Jule: „Was hast du endlich? Deine Tage?“ Franzi: „Ha, ha, du warst auch schon lustiger.“ Jule: „Sorry, aber hellsehen kann ich noch nicht. Also, was willst du mir mitteilen, was für dich scheinbar außerordentlich wichtig zu sein scheint?“ Franzi: „Ich habe endlich die Röntgenbilder von Dirk bekommen. Jetzt bis du am Zug.“ Julia war erstaunt darüber, dass Dirk nach über einem dreiviertel Jahr, sich hat breitschlagen lassen, ihr die Bilder zu geben. Julia: „Wie hast du denn das fertig bekommen? Gib sie mir einmal, mal sehen wie sehr seine Knochen in Mitleidenschaft gezogen wurden.“ Franzi übergab ihr die Aufnahmen und Julia entnahm alle aus dem Kuvert. Sie hob eine Aufnahme nach der anderen gegen die Nachtischlampe, um sie besser ansehen zu können. Ab und zu kniff sie die Augen zusammen oder ihre Miene verfinsterte sich. Als sie die letzte Aufnahme angesehen hatte meinte Julia: „Franzi, ich fürchte da wird nicht viel zu machen sein. Ich möchte meinen Kollegen aus Heidelberg nicht vorgreifen, aber viel Hoffnung habe ich nicht, dass er je wieder alleine richtig laufen kann. Tut mir leid, Franzi das ich keine besseren Nachrichten für dich habe. Allerdings müsste man die Aufnahmen bei richtigem Licht betrachten.“ Franzi: „Besteht wenigstens eine Chance, dass er keine schmerzen mehr hat? Denn so kann es doch nicht weitergehen. Dirk quält sich Tag für Tag mit den schmerzen herum und nimmt jede Menge Schmerztabletten.“ Julia: „Da gibt es sicherlich Möglichkeiten, um seine schmerzen zu lindern. Und wenn gar nichts mehr geht, dann sollte er über eine Amputation nachdenken.“ Franzi sprang vom Bett auf und schrie: „Bist du irre? Du kannst ihm doch nicht einfach die Beine abschneiden. Ihr seid doch krank ihr Ärzte. Wenn es etwas komplizierter wird, dann seid ihr gleich mit dem Messer und der Säge da. Beine abschneiden kommt gar nicht in Frage.“ Julia: „Das ist doch nur die letzte Option die er hat. Ich bin sicher, die Kollegen in Heidelberg finden eine andere Möglichkeit um Dirk zu helfen. Warte doch einfach erst einmal ab, wie und was sie entscheiden.“ Franzi packte die Bilder wieder in das Kuvert und gab ihn Julia, dann sagte sie: „Überzeuge deine Kollegen in Heidelberg, gib dein Bestes.“ Jule: „Ich habe keinen Einfluss auf deren Entscheidung. Wenn Professor Dr. Kleinert der Auffassung ist, er und sein Team können ihm helfen, dann muss Dirk sowieso nach Heidelberg kommen und sich einmal richtig untersuchen lassen. Erst dann fällt er seine Entscheidung. Wenn er Dirk nach Heidelberg bestellt, ist das ein gutes Zeichen. Ich schicke die Aufnahmen gleich morgen früh weg. Und dann heißt es warten, bis er Zeit hat alles zu analysieren. Das wird ein paar Tage dauern. Der Professor wird auf jeden Fall antworten.“ Franzi bedankte sich bei ihr und wollte schon zur Tür hinaus, da fragte sie: „Hast du schon mit unserem Wickelkind gesprochen?“ Julia: „Du meinst Laura?“ Franzi: „Ja. Maria hat mir vorhin nur kurz gesagt, dass die Kleine, große Probleme damit hat, hier in Potsdam zu bleiben.“ Jule: „Das würde dir genauso gehen. Von einer Stunde auf die andere, ist alles weg was dir treu und lieb ist. Keine Freunde mehr, keine Schulkameraden, kein Freund, kein zu Hause und obendrein liegt der Vater auch noch im sterben. Schlimmer kann es doch für eine 15 jährige gar nicht kommen, oder was meinst du?“ Franzi musste gleich daran denken, wie ihre Eltern von einer Stunde zur anderen nicht mehr da waren. Franzi: „Ich weiß, uns ging es ja auch nicht viel besser. Ich muss jeden Tag an Vater und Mutter denken. Manchmal weine ich auch noch nachts.“ Julia: „Das ist gut, dass du weinst. Jeder Mensch trauert anders. Ich zum Beispiel ziehe mich zurück und schaue mir die alten Fotos oder Filme an, die ich noch habe. Danach geht es mir zwar nicht besser, aber ich habe das Gefühl, sie sind noch hier. Sie sind dann wieder ganz lebendig in meiner Erinnerung. Ich habe Angst vor dem vergessen, also Angst davor, ich könnte nicht mehr an sie denken.“ Franzi: „Wenn du das nächste Mal wieder die Filme und Fotos anschaust, sag mir Bescheid, wir schauen sie uns dann gemeinsam an.“ Julia nickte und antwortete: „So machen wir es. Ist Laura schon in Kathis Zimmer eingezogen?“ Franzi: „Soviel ich weiß, hat ihr Maria das Zimmer gezeigt. Thomas will sie uns nachher beim Abendessen vorstellen. Bin gespannt wie sie ist.“ Julia: „Wie soll sie schon sein? Denke an dich, wie du im gleichen Alter warst, dann weißt du wie sie ist.“ Franzi: „Oh Gott, dass kann ja heiter werden, wenn sie genauso ist wie wir es in ihrem Alter waren. Armer Thomas, in seiner Haut möchte ich auch nicht stecken.“ Julia: „Und deshalb sollten wir ihm und Laura helfen wo wir können. Nehmen wir sie wie eine Schwester auf und zeigen ihr, dass sie hier herzlich Willkommen ist.“ Franzi: „Lass uns nach unten gehen, nicht das wir ihre Vorstellung verpassen. Ob sie eingebildet ist?“ Julia: „Wieso sollte sie dass sein?“ Franzi: „Na, schließlich kommt sie aus Bayern, und die sind alle etwas anders gewickelt. „ Mir san mir“, sagen die doch immer.“ Julia: „Behaupten die Berliner, das nicht auch von sich? „ Ganz Berlin ist eine Wolke, nur ich war zu sehen“, ist auch nichts anderes, wie „Mir san mir“. Schön, dass es Klischees gibt, man kann sich so wunderbar bedienen. Gehen wir in die Küche und prüfen es nach, ob sie stimmen.“ Sie gingen noch bei Charly und Nele vorbei, aber die beiden waren nicht auf ihren Zimmern, sondern waren bereits mit Klara in der Küche und halfen Maria beim Tisch decken für das Abendessen. Dr. Franz Konrad war auch schon hier und half eifrig mit. Franz machte Maria schon seit einem Jahr den Hof. Maria ließ ihn aber immer an der langen Leine, ohne ihn aber vor den Kopf zu stoßen. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie seinem werben nachgeben sollte oder nicht. Zu lange war sie schon alleine, besser gesagt, sie hatte in jungen Jahren nur einen festen Freund gehabt und der hat sie wegen einer anderen verlassen. Seitdem war sie mit der Familie Bergmann verheiratet. Sie half Frau Bergmann die fünf Kinder groß zuziehen, schmiss den Haushalt und dies schon fast 30 Jahre lang. Sie kam nach ihrer Lehre als Hauswirtschafterin mit 19 Jahren in die Familie und ist die gute Seele des Hauses. Maria hat nicht nur Windeln gewechselt und die Hausaufgaben der Kinder überwacht, nein sie hat auch Trost gespendet, wenn einmal eine Verletzung auftrat. Auch seelische Unterstützung hat sie geleistet, vor allem bei den Mädchen, wenn sie wieder einmal verliebt waren und wurden von ihren Freunden enttäuscht oder verlassen. Sie wusste meisst immer einen Rat. In Wirklichkeit war sie die heimliche Chefin des Bergmann Clans. Wenn jemand die Familie kannte, dann Maria. Aber zurück zu Franz. Er ist mit in der Geschäftsleitung der Bergmann Werke und kümmert sich um alle juristischen Belange der Firma. Kein Vertrag oder Urkunde verlässt das Werk, ohne dass er sie gelesen und genehmigt hat. Franz ist auch schon eine Institution in der Firma und auch ein sehr guter Freund des Hauses. Es gibt keine Feierlichkeit, an der er nicht eingeladen ist. Für Thomas ist er nicht nur Rechtsanwalt, sondern auch ein väterlicher Freund geworden. Er hat Thomas in so manch einer vertrackten Lage aus der Patsche geholfen. Meisst waren es private Angelegenheiten in denen er Thomas beratend zur Seite stand. Aber auch den anderen Familienmitgliedern, hat er schon juristisch geholfen. Wer Kinder hat, weiß wovon ich Rede, wenn ich sage, dass es manchmal besser ist einen Sack Flöhe zu hüten, als auf fünf Kinder aufzupassen. Aber inzwischen sind die Kinder erwachsen geworden und haben ihr Leben im Griff. Zumindest was das berufliche betrifft. In Sachen Liebe, sieht das schon anders aus. Egal wie alt man ist und wie viele Beziehungen man hatte, vor Enttäuschungen ist keiner gefeit. Nun kam auch Karl Hansen, der Chauffeur dazu. Er ist der älteste Mitarbeiter der Bergmanns. Mit seinen 60 Jahren ist er vom Alter her der Älteste. Er ist schon seit fast 40 Jahren in der Firma. Er lebt etwas zurückgezogen in einem Anbau der Villa. Seit seine Frau vor einigen Jahren gestorben ist, hat er praktisch Vollpension bei den Bergmanns. Man kann ihn wecken wann man will, Karl ist immer einsatzbereit. Er fährt jeden in der Familie oder von der Geschäftsleitung, sicher und umsichtig ans Ziel. In all den Jahren, in denen er die Bergmanns fährt, hat er noch nie einen Unfall gehabt. Die Familie war somit vollzählig, wie allabendlich beim essen. Außer Julia, die oftmals im Krankenhaus Süd in Neukölln, Nachtschicht hat. Der Einzige, der noch nicht da war, war Jo. Er war noch in der Charité und hielt sozusagen Wache am Krankenbett von Leo. Er würde auch gleich kommen, so hatte er es zumindest zu Julia, seinem Schatz am Telefon gesagt. Draußen war es inzwischen empfindlich kalt geworden. Für heute Nacht hatten die Meteorologen Frost vorausgesagt. Thomas saß mit Laura im blauen Salon. Sie hatten eine DVD miteinander angesehen. Ein Gespräch mit Laura war nicht möglich gewesen, weil sie alle Versuche dazu abblockte. Wie der Film fertig war, stand er auf und sagte zu ihr: „Ich schaue einmal, wie lange es noch bis zum Abendbrot dauert. Du kannst ja weiter fernsehen, wenn du möchtest.“ Laura nickte nur und zappte die einzelnen Programme am TV durch. Als Thomas in die Küche kam, fragte Maria: „Und, ist sie etwas umgänglicher geworden?“ Thomas schüttelte mit dem Kopf und meinte: „Nicht wirklich. Sie weicht jedem Gespräch aus und spricht nichts.“ Maria: „Das legt sich Tommi, wenn sie erst einmal einige Tage hier ist.“ Thomas: „Dein Wort in Gottes Gehörgang. Ich glaube erst daran, wenn es tatsächlich eintrifft. Wann können wir essen?“ Maria: „Wir warten nur noch auf Jo, aber der kommt gleich.“ Zehn Minuten später kam Jo. Er entschuldigte sich für sein Zuspätkommen, hatte er doch einen Stau, der ihn solange aufhielt. Dann erkundigte er sich nach Laura. Er hatte sie ja noch nicht gesehen, seit sie hier in Potsdam war. Thomas: „Dann geh in den blauen Salon und begrüße sie. Bing sie gleich mit zum essen, aber wundere dich nicht, wenn sie etwas störrisch ist. Viel Vergnügen.“ Jo war sich sicher, dass es ein leichtes war sie zum sprechen zu bringen. Er ging in den Salon und fing gleich an: „Hallo du Schnecke, schön das ich dich auch noch zu Gesicht bekomme.“ Laura sah ihn an und meinte nur: „Hallo Onkel Jo. Nenn mich nicht Schnecke, ich heiße Laura, auch für dich.“ Jo: „Entschuldigung Fräulein Lellinger, ich wusste ja nicht, dass du miese Laune hast. Und, wie geht es dir? Du bist ein richtig hübsches junges Fräulein geworden. Dir laufen bestimmt scharenweise die Jungs nach.“ Laura: „Das geht dich gar nichts an. Und hör auf dich einzuschleimen.“ Jo: „OK, dann lass ich das und rede mit dir wie du es verdienst. Aufstehen und zum essen kommen.“ Laura: „Ich habe keinen Hunger.“ Jo: „Ist mir scheißegal, die Familie will dich kennen lernen und wenn du brav Pfötchen gegeben hast, kannst du ja wieder zurückgehen und weiter schmollen und den Trotzkopf spielen. Du hast dich echt verändert, aber nicht zu deinem Vorteil. Ich glaube, du hattest in München die falschen Freunde, die keinen Anstand und kein Benehmen hatten. Na ja, das ändert sich ja in nächster Zeit.“ Laura: „Ich suche mir meine Freunde selbst aus, aber nicht hier in Potsdam. Morgen fahre ich wieder nach Hause, da könnt ihr euch auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln. Im Übrigen ist mir die Familie Bergmann egal. Und nun möchte ich weiter fernsehen, also lass mich jetzt in Ruhe. Schleich dich.“ Jo drehte sich um und verließ den blauen Salon. Zurück in der Küche, meinte er: „Das Fräulein zieht es vor hungrig ins Bett zu gehen. Sie fährt ja morgen sowieso wieder zurück nach München.“ Danach erzählte er den Rest der Unterhaltung. Maria schaute nur Jo und Thomas an und sagte: „Na, dass wollen wir doch einmal sehen, wer hier wen beleidigt. So nicht mein junges Fräulein.“ Maria ging schnellen Schrittes in den blauen Salon. Sie nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Laura wollte gerade laut schimpfen, da sagte Maria recht laut und bestimmend: „Du bewegst jetzt deinen Hintern in die Küche, sagst schön allen Hallo, wie es dir deine Eltern beigebracht haben und isst etwas. Wenn nicht, gehst du auf dein Zimmer und lässt dich bis morgen früh zum Frühstück hier nicht mehr blicken. Und ich persönlich werde aufpassen, dass du in deinem Zimmer bleibst, verlasse dich darauf. Solange dein Vater so krank ist, hat Thomas das Sagen und glaube mir, wenn du den Aufstand probst, hast du jetzt schon verloren. Der fackelt nicht lange, steckt dich in betreutes Wohnen hier in Potsdam. Da kannst du dann machen was du willst und bleibst bis dein Vater wieder gesund ist. Und glaube mir, mit dem Jugendamt ist nicht zu spaßen. Also, welchen Weg möchtest du gehen?“ Laura kochte innerlich, aber die Aussicht in ein Heim abgeschoben zu werden hielt sie davon ab zu explodieren. Sie sprang auf und meinte zu Maria: „Das ist Erpressung und sind Methoden wie im finstersten Mittelalter. Ich hasse euch jetzt schon.“ Sie sprang auf und wollte zur Tür hinausrennen. Maria hielt sie am Arm fest und zog sie an sich und antwortete: „Wir alle verstehen deinen Schmerz und fühlen mir dir. Wir wissen wie sich das anfühlt, aber es ist nun einmal so, wie es ist. Sei doch froh, dass dein Vater noch lebt, es hätte auch anders kommen können. Wir wollen doch nur dein Bestes, du sollst dich doch bei uns wohlfühlen. Und dass ihr nach Berlin zieht, weißt du ja schon länger, dafür können wir nichts. Also mache das Beste daraus, denn ändern lässt sich nichts daran. Und nun sei ein braves Mädchen und zeige denen in der Küche, dass du keine Idiotin bist.“ Sie nahm Laura in den Arm und drückte sie fest an sich. Nach einer Weile, meinte Laura: „Es tut mir leid, aber ich bin doch so allein. Keine Freunde, niemand den ich kenne und dazu noch eine neue Schule.“ Maria: „Dann wird es Zeit, dass du neue Freunde kennenlernst. In der Küche sitzen Menschen, die gerne deine Freunde wären, du musst es nur zulassen und wollen. Glaube mir, die Bergmanns haben noch keinen gefressen. Bist du bereit?“ Laura war bereit. Gemeinsam gingen sie in die Küche, wo die anderen auf sie warteten. Maria stellte alle Mitglieder der Familie vor und machte auch immer einen lockeren Spruch zu jedem. Dann stellte sich Laura vor und sagte zum Schluss: „Es tut mir leid, wie ich mich benommen habe, Entschuldigung. Aber von mir aus können wir jetzt essen, ich habe nämlich Kohldampf.“ Alle lachten und es wurde trotz aller widrigen Umstände, noch ein geselliger Abend. Jeder erzählte abwechselnd, was er in seiner Jugend ausgefressen und welche Strafe er dafür bekommen hatte. Um 22:30 Uhr verabschiedeten sie sich von Laura, weil sie ins Bett wollte. Der erste Tag mit ihrem neuen „Kind“ war zu Ende. Er verlief zum Schluss erfreulicher, als manche dachten.
Am nächsten Morgen fuhr Thomas als erstes mit Laura zum Einstein Gymnasium. Dort wollte er nachfragen, ob Laura nicht schon vor dem 1.12. zum Unterricht kommen könnte. Er erklärte dem Direktor Herrn Wiesinger, was vorgefallen war und dieser hatte vollstes Verständnis dafür, dass Laura jetzt schon nach Potsdam kam. Wiesinger hatte nichts dagegen und Laura durfte bereits ab Mittwoch zum Unterricht erscheinen. Ersatzbücher hatte er hier, weil das Unterrichtsmaterial anders war wie in München. Der Stoff war zwar gleich, nur die Aufgaben und die Bücher waren anders. Als sie dies erledigt hatten, fuhr er mit ihr in die Charité. Laura wollte es so, da sie keine Lust dazu hatte, alleine in der Villa zu sitzen. Es war ja außer Maria niemand im Haus. Die anderen waren alle auf der Arbeit. Thomas hatte aber die Idee, das Franzi sie in der Mittagspause abholen und Laura das Werk zeigen könnte. Laura war auch damit einverstanden, Hauptsache nicht alleine war ihr Motto. Thomas konnte sich dann wieder seinen Aufgaben im Werk widmen. Jo und Franz hatten genug damit zu tun, neue attraktive Standorte für ein neues Werk zu suchen. Die Problematik war immer noch die Gleiche geblieben. Sie hatten mehr Auftragseingänge, wie sie produzieren konnten. Erfreulich für jeden Unternehmer, aber weniger erfreulich für die Kundschaft, wenn sie auf ihre Bestellung, drei oder mehr Monate warten mussten. Falls sie noch in diesem Jahr einen geeigneten Standort finden würden, würde es trotz allen Bemühungen, noch ein halbes Jahr dauern bis man die Bestellungen abgearbeitet hätte. Sie taten alles, um diese Engpässe so klein wie möglich zu halten. Selbst im Hauptwerk in Potsdam, waren die Mitarbeiter und der Betriebsrat bereit, Überstunden zu leisten. Jo schickte die Genehmigung weg, dass sie in Schanghai drei Schichten fahren konnten. Das war für den Moment eine große Entlastung. Auch gab Jo die gewünschten Gelder frei, die für mehr Energie und neue Mitarbeiter gebraucht wurden. Sie hatten in allen Werken genügend zu tun. Charly kam erst gegen 9:00 Uhr in ihre Suppenküche. Sie hatte bei einem Lieferanten für Fleisch, noch etwas länger warten müssen. Charly kam in die Küche und stellte den Eimer mit dem Fleisch ab. Der Koch Michael Brenner und die Küchenhilfe Anna Lange waren schon am arbeiten. Brenner sagte zur ihr: „Da ist Besuch für dich. Ein Markus Richter und seine Mutter warten schon auf dich.“ Charly stutzte. Sie rechnete nicht damit, dass Markus Richter seine Mutter mitbringen würde. Dies war schon ungewöhnlich, aber Charly war es eigentlich egal. Sie zog ihre Jacke aus, legte die Schürze an und ging in den Gastraum der Suppenküche. Dabei nahm sie den Einsatzplan für Markus mit. Normalerweise braucht man ihn nicht, aber sie wollte ganz sichergehen, dass es zu keinen Missverständnissen kam. Man sollte wohl davon ausgehen, wenn es hieß, Montag und Mittwoch musst du deine Stunden ableisten, dass der- oder diejenige sich das auch merken kann. Aber manche hatten die Tage verwechselt oder geglaubt, es wären andere Zeiten ausgemacht gewesen. Charly kam zum Tisch und stellte sich vor. Beide gaben ihr die Hand. Sie setzten sich wieder und sie fragte: „Sie sind seine Mutter sagten sie, warum sind sie mitgekommen? Haben sie Angst ihr Sohn macht etwas unerlaubtes?“ Frau Richter: „Nein, Frau Bergmann, bestimmt nicht. Ich weiß nicht, ob Herr Klammer mit ihnen über die Eigenheiten von meinem Sohn gesprochen hat.“ Charly nickte und meinte: „Ihr Sohn hat das Tourette Syndrom, wie er mir erzählt hat. Sehen sie ein Problem darin, dass er hier in der Suppenküche seine Sozialstunden ableistet?“ Frau Richter: „Nein, ganz im Gegenteil, ich begrüße es sogar, dass sie ihm eine Chance geben. Was glauben sie, wie viele Leute ihm zuerst eine Zusage machten und als sie mit ihm arbeiteten, ihn wieder entließen. Dabei kann er doch gar nichts für seine Tics.“ Charly: „Und wie muss ich mir diese Tics vorstellen?“ Frau Richter: „Er hat zwei verschiedene Tics, nicht war Markus?“ Markus: „Das stimmt, einmal wiederhole ich das, was ich zuletzt gehört habe und zum anderen, sage ich bestimmte Wörter laut vor mich hin. Das geschieht meistens nur, wenn ich emotional erregt bin. Wenn mich jemand ärgert oder mich bedrängt, aber auch wenn ich mich freue. Ansonsten bin ich ganz normal. Es gibt viele, denen gefällt das eben nicht und ziehen mich damit auf, dann sage ich die Wörter am laufenden Band, ich kann da nichts dafür. Ich mache das ja nicht bewusst.“ Charly: „Sind das schlimme Wörter, die du dann von dir gibst?“ Markus: „Eigentlich nicht. Das häufigste Wort das ich sage, ist Herpes.“ Charly: „Du meinst, die hässlichen Dinger an den Lippen?“ Markus nickte und zuckte mit der Schulter. Charly: „Ich denke, das wird kein Problem sein. Hier ist der Plan für diese Woche. Ich schlage vor, dass du zweimal die Woche, von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr kommst. Das sind 12 Stunden in der Woche und ginge knapp ein halbes Jahr. Da du keine Arbeit hast, dürfte es keine Probleme geben.“ Frau Richter: „Danke, Frau Bergmann. Die Arbeit hier ist wesentlich besser, als die Straßen von Hundekot oder sonstigen Müll zu reinigen.“ Sie verabredeten, dass Markus, dienstags und donnerstags kommen sollte. Keine zehn Minuten später kam Lana Karpows. Sie war schon einmal in der Suppenküche. Damals war sie wegen Ladendiebstahl verurteilt worden. Eigentlich war sie eine ganz Liebe, aber durch ihren Freund Boris kam sie immer in Schwierigkeiten. Er stiftete Lana immer wieder an, etwas zu stehlen, oder wie zuletzt, von gehackten Konten mittels Kreditkarten, Geld abzuheben. Der feine Boris zockte sie ab und blieb im Hintergrund und Lana bekam die Strafe dafür. Nicht nur das, sie musste auch für den verursachten Schaden aufkommen. Charly sagte zu ihr: „Hallo, war wieder einmal dein Glaube schuld?“ Lana: „Nein, dieses Mal meine Blödheit.“ Dazu muss man wissen, das Lana damals geglaubt hatte, sie würde nicht erwischt werden. Charly: „Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Vielleicht nützt es ja. Wenn du dir noch einmal etwas zu Schulden kommen lässt, geht es ab in den Knast, aber das weißt du ja bestimmt selbst. Mich geht es zwar nichts an, aber warum machst du immer solch eine Scheiße?“ Lana: „Ich weiß es doch auch nicht. Wahrscheinlich ist es die Liebe. Ich habe halt eine russische Seele und ein weiches russisches Herz.“ Charly: „Und einen blöden russischen Verstand. Mädchen, schalte endlich dein Hirn ein. Und weißt du, wo das Hirn sitzt? Etwas einen Meter über deinem Arsch in dem runden Ding auf deinem Hals. Und hör auf mit deiner Muschi zu denken.“ Lana schaute geknickt auf den Boden und fragte: „Bist du mir jetzt böse?“ Charly: „Es ist dein Leben, das du gerade versenkst. Wach endlich auf, Lana. Kein Mann der Welt ist es wert, dass du für ihn in den Knast gehst. So, genug geplaudert. Du weißt ja wie der Laden hier läuft. Du leistest ab morgen deine Sozialstunden ab. Montag, Mittwoch und Freitag, von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr. Also dann bis morgen und sei bitte pünktlich.“ Lana stand auf, nahm den Einsatzplan an sich, den ihr Charly entgegen streckte und verabschiedete sich. Heute waren sie nur zu dritt, so dass sie sich sputen mussten. Es war ja ein eingespieltes Team, so dass jeder wusste was zu tun war. Und wie immer um Punkt 12:00 Uhr schloss sie die Tür zum Gastraum auf. Jetzt kamen alle die Hunger hatten. Der Gastraum hatte ungefähr 100 Sitzplätze und noch einige Stehtheken, so dass etwa 120 Personen essen konnten. Waren alle Plätze belegt, wurde nichts mehr ausgeschenkt, bis wieder Tische frei waren. Leute die jeden Tag kamen, wussten genau wann es zeitlich am günstigsten war, einen Platz zu bekommen. Es war meist genug zu essen da, um 250 – 270 Personen zu versorgen. Selten war noch etwas übrig und wenn, nahmen es Anna und Michael mit nach Hause und verteilten es in ihrer Nachbarschaft. Kurz vor 14:00 Uhr öffnete sich die Tür und eine schwankende junge Frau kam herein. Charly merkte gleich, dass ihr etwas fehlte und legte die Suppenkelle zur Seite. Sie lief auf sie zu und fragte: „Kann ich ihnen helfen, fehlt ihnen etwas?“ Die junge Frau sank in sich zusammen und fiel Charly dabei in die Arme. Erst jetzt sah sie, dass die Frau einen blutverschmierten Pullover an hatte. In ihrer Nase steckten zwei abgerissene Stücke von einem Papiertaschentuch, die offensichtlich verhindern sollten, dass Blut aus der Nase lief. Charly legte die Frau auf den Boden und sprach weiter: „Was ist mit ihnen, hat sie jemand geschlagen oder sind sie gefallen? Hatten sie einen Unfall?“ Die junge Frau antwortete verwirrt: „Ich habe Angst, er schlägt mich. Keine Polizei. Helfen sie mir.“ Sie hatte einen slawischen Akzent. Anna kam nun auch dazu und half Charly, die Frau in den Sozialraum zu bringen. Dort legten sie sie auf die Liege, die im Zimmer stand. Michel zog sein Handy und rief die Rettung an und kümmerte sich weiter um die Frau, weil er der Einzige war, der eine Grundausbildung in Erster Hilfe hatte. Man brauchte kein Arzt zu sein um zusehen, dass die Frau ein lädiertes Nasenbein hatte. Offensichtlich wurde sie von jemand verprügelt. Michel folgerte dies auch aus den Hämatomen an den Ober- und Unterarmen. Er legte ihr einen nassen, kalten Lappen auf die Stirn und die Nase. Mehr konnte er für sie im Augenblick nicht tun. Charly und Anna gingen nun wieder zur Tagesordnung über und verteilten weiterhin das Essen. Es dauerte nicht lange, da kam der Notarzt. Michel brachte ihn in den Sozialraum und wenig später brachten die Sanitäter die Frau auf einer Trage, in den Rettungswagen. Alles verlief ruhig und unspektakulär. Kaum das sie fort waren, betraten zwei Männer den Gastraum der Suppenküche. Charly sah sie gleich und ihr erster Gedanke war, dass die beiden nicht bedürftig waren. Sie sahen eher aus, als könnten sie vor Kraft kaum noch laufen. Ihr erster Eindruck sollte sie nicht täuschen. Beide blickten suchend durch den Gastraum, nahmen sich je einen Teller und standen in der kleinen Schlange an. Der eine von ihnen sah immerzu auf die Uhr, während der andere auf seinem Handy eine SMS schrieb. Als sie vor Charly standen meinte diese: „Tut mir leid meine Herren, aber die Suppenküche ist nur für Bedürftige. Sie sehen nicht aus, als wenn sie bedürftig wären. Aber auf der anderen Straßenseite, etwa 50 Meter von hier, ist eine Gaststätte mit gutbürgerlicher Küche.“ Der ältere der beiden antwortete: „Und du bestimmst, wer bedürftig ist?“ Charly sah in an und meinte: „Ja, dass tue ich.“ Der Typ: „Und woher willst du wissen das wir beide nicht bedürftig sind? Nur weil wir gut gebaut sind und auf unsere Gesundheit achten, heißt das noch lange nicht, dass wir reich sind.“ Charly: „Alleine der Schmuck den sie tragen ist einige Tausend wert. Und ihre Schuhe kosten bestimmt locker 500.- Euro. Also, wenn ich sie nun bitten dürfte diese Institution zu verlassen.“ Der Typ trat nun ganz nahe an Charly heran und sagte zu ihr: „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“ Charly: „Ich bin die Chefin der Suppenküche und habe hier das Hausrecht. Und nun bewegen sie ihren Hintern aus der Tür, sonst mache ich eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch, gegen sie beide. Also Abflug, oder ich rufe die Polizei.“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche und drückte die 110 ein. Dann zeigte sie ihm das Display, das er die Nummer erkennen konnte. Charly: „Sobald ich auf wählen drücke, haben sie eine Anzeige an der Backe. Ich habe genug Zeugen hier im Raum die bestätigen werden, dass sie meiner Aufforderung nicht nachgekommen sind. Und zudem werden sie gerade von unserer Videoüberwachung gefilmt. Also, bitte recht freundlich.“ Dabei zeigte sie an die gegenüberliegende Wand, an der die Kamera hing. Der Typ blickte sich um und sah die Kamera. Unbeeindruckt davon, meinte er: „Wir gehen. Aber man sieht sich im Leben immer zweimal, du Fotze. Irgendwann treffen wir uns wieder und dann werde ich dir zeigen, wie sich eine Frau zu benehmen hat.“ Charly: „Ich kann es gar nicht erwarten. Vielleicht wäre es besser sie würden einen Benimmkurs mitmachen, damit sie einmal lernen würden, wie man sich gegenüber einer Frau benimmt. Aber lernen scheint nicht ihre Stärke zu sein. 10.000 Volt in den Armen, aber oben brennt nur eine 10 Watt Birne. Arbeiten sie daran, sonst bekommen sie bestimmt irgendwann Ärger deswegen. Bildungsschwach auf die Welt kommen, ist keine Schande, aber Bildungsschwach sterben, schon.“ Kaum hatte sie es gesagt, drückte sie den grünen Knopf auf ihrem Handy. Sie stellte laut zum Mithören, da ertönte auch schon eine Stimme aus dem Lautsprecher des Handys: „Polizei Notrufzentrale, was kann ich für sie tun?“ Charly blickte ihn an und sah dann zur Tür. Endlich machten die beiden Anstalten die Suppenküche zu verlassen. Als sie draußen waren, legte Charly wieder auf und entschuldigte sich bei dem Beamten. Sie ahnte, dass die beiden diese Demütigung nicht ohne Weiteres hinnehmen würden. Aber Angst hatte sie keine, denn vor Männer hatte sie noch nie gekuscht. Ganz im Gegenteil.