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Pompeij

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Sie liegt im Bett, auf den großen, tiefroten Samtgardinen. Er hatte sie erst vor Kurzem in dem alten Haus gefunden, das seit dem Erdbeben verlassen war. Im Saum hängt noch immer der Schotter, und der staubige Duft kitzelt in der Nase wie an dem Tag, als sie die Gardinen von ihrem angestammten Platz mit nach Hause genommen hatten.

Er steht am Kopfende des Bettes. Sie liegt im Samt eingebettet wie in einer Hängematte, während er den Stoff vorsichtig zu sich heraufzieht, näher und näher.

„Da war ein Hund“, sagt sie.

Er lässt den Stoff sinken und betrachtet ihr umgedrehtes Gesicht unter sich. Nase trifft auf Kinn. Vor wenigen Tagen hatte er ihr strohblondes Haar geschnitten, überall gleich kurz, wie ein Heiligenschein steht es ihr um den hübschen Kopf. Ihr bodenlanges Nachthemd ist aus schwarzem Satin, mit roten Brombeerenknöpfen vom Hals bis zum Saum. Ihre Füße stecken in spitz zulaufenden, flachen Goldpantoffeln.

Sie atmet seinen Duft ein, der einen Hauch von Trockenheit, von verbranntem Papier in sich trägt. Sie saugt ihn auf, atmet ihn tief ein, während er ihr in die weit geöffneten Augen blickt. Sein Atem wird schwer. Sie trägt sein Geheimnis in sich. Sie versteckt es zwischen Samt und heißer Haut. Seine Finger gleiten durch ihr kurzes, warmes Haar, über ihre Ohren. Er umfasst ihr umgekehrtes Gesicht mit runden Händen, dieses weiße, fast durchsichtige Gesicht.

“Da war ein Hund. Der hat alles gesehen, als es passierte”, murmelt sie mit geschlossenen Augen.

„Der konnte bestimmt seinen Blick nicht von ihr abwenden“, erwidert er, und zieht sich das Hemd über den Kopf, während sich sein Körper spannt. „Aber in Wirklichkeit“, sagt er, während er aus den Schuhen schlüpft, die unter dem Bett verschwinden, „war der Hund nur wenige Stunden, bevor sie zur Hülle ihrer selbst wurde, dort. Eine Gussform in der Asche Pompeijs.“

„Aber das konnte sie ja nicht wissen. Oder der Hund. Der Hund sah nur, wie sie sich aus dem Seidenstoff schälte und ihr langes Haar ins Badewasser tauchte.“

Langsam beugt er sich über ihr heilig leuchtendes Haar. Sie sehen nichts als Dunkelheit, als ihre Lippen auf Stirne treffen. Die Nasen sind ihnen im Weg, und trotzdem beginnt eine süße Musik. Ihre Zunge ist klein und warm. Hinterlässt feuchte, römische Zahlen auf seiner Stirn.

Ein Dröhnen durchzuckt seinen Körper, sodass er beinahe über sie herabfällt, aber er stützt sich mit der Stirn auf ihrer Schulter ab und lässt seine Hände unter ihrem Nachthemd blind auf Entdeckungsreise gehen. Dann findet er Balance, steht über sie gelehnt, schwer atmend, die lange Reihe roter Knöpfe vor sich im Takt ihres süßen Atems auf und ab tanzen sehend.

„Der Hund hat keine Ahnung…“, haucht sie gegen seinen Adamsapfel, der sich direkt über ihrem offenen Mund befindet. Sie küsst ihn.

Er reißt sich das Unterhemd herunter und wirft es ans Fußende des samtbedeckten Bettes. Öffnet die Hose, zieht sie halb herunter.

Er richtet sich auf und spannt den Hintern an, sodass sein Schwanz steif vor ihm in der Luft schwebt, direkt über ihrem Gesicht. Es zieht im Schwanz und kribbelt in den Beinen, und zwischen den Schulterblättern. Ein Tropfen fällt auf ihre Wange.

Sie öffnet die Augen und lächelt. Direkt über ihr hängt der Schlüssel zu ihrer Gussform. Sie muss nur zugreifen.

„Sie ist gierig an diesem Morgen. Sie will den ganzen Himmel für sich. Sie spürt, wie tief er über dem offenen Innenhof hängt“, flüstert sie. „Sie spürt einen Tropfen auf der Haut. Und dann bemerkt sie plötzlich, wie dunkel es ist, und das mitten am Tag.“

Er schaukelt ein wenig vor und zurück, balanciert auf den Fußballen, ohne den Blick von seiner Männlichkeit abzuwenden, dem rosigen Schwanz, der aus seinem Nest aus dunklen, krausen Haaren hervorlugt, direkt über ihrem nachtblassen Gesicht.

Sie reckt die Hände in die Luft, greift nach ihm, und er geht um das Bett herum und lässt sich neben ihr auf die alten Samtgardinen fallen. Er ist schwer, er drückt sich an ihr seidenes, warmes Nachthemd, während er nach dem obersten roten Knopf greift.

Sie wendet ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu. Genießt den Anblick der dunklen Locken, die sein markantes Gesicht umrahmen. Legt eine weiche Hand auf seine Bartstoppeln:

„Da wartet jemand auf sie. Drinnen, im Bett. Jemand, der den Himmel nicht sieht.“

„Aber er kennt sie“, wirft er ein und reißt den nächsten Knopf auf. Er beugt sich über sie, küsst den Hohlraum überm Schlüsselbein und reibt sich an ihr, an dem schwarzen Satin, sodass er glitzernden Schneckenschleim hinterlässt.

„Ich glaube nicht, dass er eine Ahnung von irgendetwas hat. Ich glaube, er schläft.“, flüstert sie und reibt ihm mit der flachen Hand fest über den feuchten Oberschenkel. Sie kennt jeden Winkel seiner Oberschenkel, jeden Leberfleck, jede Hautfalte, und sie liebt sie. Sie will sie beherrschen, als sei es das letzte Mal, dass jemand diese Oberschenkel liebt.

Ihre Hand gleitet über seinen Oberarm, über seine Hüfte, seinen Bauch, sie massiert die harten, heißen Muskeln, die sie so gut kennt. Die Hand setzt ihren Weg fort, gleitet in die Lende, springt zwischen die krausen Locken, kreist um den Schwanz. Sie lässt die lebendige Haut vor und zurück gleiten, über das harte Innere darunter, sodass er zu stöhnen beginnt und sein warmer Atem ihr Ohr erfüllt, während sie die nächsten Knöpfe öffnet.

Dann greift er nach dem langen, glatten Stoff. Sie erhebt sich ganz leicht, setzt sich auf und zieht sich selbst das schwarze Kleid über den Kopf, sitzt da wie ein erschrockenes Kind, die Knie nach links und rechts ausgestreckt, die Pantoffeln nur noch an den Zehen baumelnd.

Er drückt sie an sich. Beißt ihr zärtlich in die Pobacken, lutscht an ihrer weichen Haut, zieht sie an sich, während sie sich ganz weich macht, wie eine altertümliche Stoffpuppe. Sie gibt vollends auf, als er sie umdreht, sie auf den Bauch legt, ihre Wirbelsäule küsst, von oben bis unten, dann hebt er sie auf und wirft sie sich über die Schulter. Sie lacht perlend vor Vergnügen, unbeweglich hängt sie über seiner Schulter wie totes Fleisch, und versucht doch, ihm neckend in die Pobacken zu kneifen, seinen Rücken zu küssen. Dabei verliert sie die Pantoffeln. Der Berg trägt sie mit sich. Sie will diese Schwere beherrschen, die sich nun auf der Bettkante niederlässt und sie ablädt. Sie spürt die Kraft im Körper, spürt das Bedürfnis, sich zu strecken: Die Fäuste weit über den Kopf gestreckt, die Beine steif abstehend, über seinen. Er umfasst ihre Oberschenkel und spreizt sie weit, er genießt den Anblick, schaut ihr ins entspannte Gesicht, dann gleitet sein Blick herab zu den weißen Daunenhaaren und dem rosa Schlitz zwischen ihren Beinen, der sich ihm feucht entgegen schiebt, schwer in der Dunkelheit, unbeschwert duftend.

Vor zwei Tagen waren sie das letzte Mal so zusammen. Zwei Tage sind eine halbe Ewigkeit, wenn man einander verstecken muss. Ein Finger will schon hinein ins feuchte Innere, und er gibt nach, lässt ihn hinaufschnellen, während er sich mit der anderen Hand selbst berührt. Er spießt sie auf, tiefer und tiefer dringt er vor, bis sie mit einem glückseligen Seufzer nachgibt. Er steigt über sie, platziert sie unter sich, und sie umfasst ihn willig mit Händen und Füßen. Sie will den Berg zum Beben bringen.

„Sie hört Schreie von der Straße“, flüstert sie. „Die Dunkelheit macht ihr Angst, und sie wirft sich über ihn. Sie schreit auf, über den Vulkan und das, was passieren wird, und darüber vergessen sie, dass sie sich nicht im selben Haus befinden sollten. Nicht jetzt, nicht zu dieser Tageszeit. Sie vergessen die Eltern, die ihn hart bestrafen würden, wenn sie wüssten, dass er hier ist. Sie vergessen sich selbst.“

Er spürt ihre warmen Schenkel um seine Hüfte, er will sie betteln hören, er ergreift ihre weichen Pobacken, spürt sie vibrieren, bis ihr ganzer Körper bebt, reibt sein pulsierendes Glied an ihrem Bauch, aber es wird zu viel, also umfasst er es an der Wurzel und dirigiert es hinein, ein Stück nur, sodass sie nach Luft schnappt. Er dringt ein wenig weiter vor, ein wenig tiefer. Sie flüstert: „Ja!“, und will ihn noch tiefer in sich spüren. „Komm!“, stöhnt sie, und er dringt ein, bis zur Mitte, bis in ihr Zentrum, bis zur Quelle ihres Atems, hinein in ihr flehendes „Komm! Tiefer, noch tiefer, ja!“, und er stößt zu, dringt tief ein, als wolle er in ihr seine Wurzeln schlagen und festwachsen, mit ihr eins werden, zusammengehören, während sie sich im Rauschen ihrer Körper festklammert, ihre Lungen bis zum Anschlag vollgesogen mit Leben, und sich an ihn presst, ihn nie wieder loslassen will, sich nie wieder bewegen.

Er spürt jetzt, dass er auf diese Weise nicht lange weitermachen kann, ohne zu explodieren, und so hält er sich an das, was ihm richtig erscheint, was ihm Antworten geben kann. Er hält den Atem an, die Luft gelangt weder hinein noch hinaus, so nah sind sie sich, bis es ihnen schwarz vor Augen wird und es in den Ohren zu rauschen beginnt, und sie mit weit offenem Mund nach Luft hechelt. Er versucht, noch eine Weile standhaft zu bleiben, während hinter den Augenlidern ein Sternenmeer funkelt, und er bohrt sein Gesicht in den Samt, den Mund weit offen, Staub überall, Luft und Staub, und krümmt sich unter dem Schrei, der seinen Lungen entweicht und den Berg für einen Augenblick zu besänftigen vermag, sodass es ihm gelingt, sich selbst wiederzufinden, und er sieht ihre aufgerissenen Augen und den ungläubig gespitzten Mund, der sogleich mit einem Ächzen aufbricht und zu einem Lächeln verschwimmt und sich in weicher Verbissenheit um seine Schulter legt. Sie verrät sein Geheimnis, ohne es zu wissen: Er ist der Beste. Der Einzige.

„Die Schreie dringen zu ihnen herein. Die Angst. Die rennenden Füße, die Rufe, die gackernden Hühner. Der Hund, der von den Flüchtenden zur Seite getreten wird und aufheult…“, wispert sie.

„Sie beschließen, im Bett zu bleiben. Sich in die Ewigkeit zu lieben!“, erwidert er.

Eine Staubschicht hat sich auf ihre noch immer zitternden Körper gelegt.

Schwer atmend lockert sich die glühend heiße, eiserne Umarmung für einen Moment, und er schüttelt sie, sodass ihr selig leuchtender Schopf nach hinten fällt; sie blinzelt und sieht seinen brennenden Blick wie durch einen Nebel aus gedämpftem Licht. Sie will ihn verschlingen, den Berg. Er spürt ihre Antwort mit jedem Zittern, jedem Beben, als sie sagt, dass sie für immer bei ihm sein will. In ihm explodiert ein Stern, vom Herzen kommend und bis zur Gipfelspitze, aus dem sich das Feuer ergießt. Der Berg bricht aus.

Sie prallen aufeinander. Das Bett versinkt in einem glühenden Meer aus Küssen.

Küssen ist Macht

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