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Wie alles begann:

Das erste Lebensjahr

Damit Sie, liebe Leserin und lieber Leser, Christinas Geschichte verstehen können, ist es erforderlich, dass ich an dieser Stelle eine Kurzfassung ihrer Geburt und ihrer frühen Kindheit einschiebe, da bereits diese berührend eindrücklich und insgesamt ziemlich rätselhaft verliefen.

Schon als das Mädchen erst sieben Jahre alt war, trug ich mich erstmals mit dem Gedanken, ein Buch über sie zu verfassen, verwarf diesen dann aber wieder. Es ist nicht gerade üblich, dass man über ein siebenjähriges Kind ein Buch schreibt, und doch hatte Christina bereits in ihren ersten Lebensjahren ein derart intensives Dasein geführt, dass es mühelos ein spannendes Buch ergeben hätte – mit vielen weisen Äußerungen, wie man sie für gewöhnlich von Kindern nicht kennt. Doch nun ist eindeutig der richtige Zeitpunkt dafür gekommen, und Christina und ich realisieren dieses Buchprojekt jetzt sogar gemeinsam. Ihre wundersame Kindheit wird im vorliegenden Band allerdings nur einen kleinen Teil einnehmen, denn es gibt mittlerweile viel Spannenderes und Außergewöhnlicheres zu berichten.

Bis zum Januar 2015 war ich ziemlich ahnungslos gewesen, was Christinas besonderes Energieniveau, ihre dementsprechenden Wahrnehmungsfähigkeiten und ihr Wissen anbelangt. Ihre ungewöhnliche Klarheit sowie ihr friedliches Wesen sind zwar bereits früh, schon als Kleinkind, aufgefallen. Doch war mir beispielsweise nicht bewusst, dass Christina rund um die Uhr mit etlichen höherdimensionalen Sphären und Wesen verbunden ist, unter anderem auch mit ihrer verstorbenen Zwillingsschwester Elena. Für sie selbst aber war und ist die Präsenz paralleler geistiger Welten und göttlicher Ebenen sowie die Kommunikation mit ihnen völlig normal und natürlich.

Dies werden Sie im vorliegenden Buch auf eindrückliche Art und Weise erfahren. Seit die beiden Zwillinge Elena und Christina sich im Jahre 2001 in unsere Familie inkarnierten, begann für mich ein stetiger Lernprozess auf vielen unterschiedlichen Ebenen, der in den Jahren 2015 und 2016 zu einem vorläufigen Höhepunkt ansetzte. Aber gestatten Sie mir, dass ich die Geschichte von Anfang an erzähle:

Das Leben der Christina von Dreien hätte dramatischer kaum beginnen können. Schon früh stellte sich meine Zwillingsschwangerschaft im Herbst 2000 als eine Risikoschwangerschaft heraus, und es ging mir dabei nicht sonderlich gut, da eine heftige Schwangerschaftsübelkeit ein unwillkommener Begleiter war und bis in den fünften Monat anhielt. Trotzdem freute ich mich bei dieser ersten Schwangerschaft ungemein auf die Zwillinge und damit auch auf eine völlig neue Rolle als Mutter. Erst Jahre später würde ich erfahren, dass sich solch hochschwingende Kinder oft schwierige Startbedingungen aussuchen, um in ihrem irdischen Leben Fuß zu fassen. Da bildeten meine Zwillinge anscheinend keine Ausnahme.

Damals war ich knapp 29 Jahre alt und seit einigen Jahren nebst dem Beruf als Medizinische Praxisassistentin auch Kaderathletin in der Leichtathletik, zudem erledigte ich die Büroarbeiten in unserem 1997 gegründeten eigenen KMU-Betrieb. Während dieser Schwangerschaft zwangen mich die äußeren Umstände nunmehr zu viel Ruhe, welche ich meist liegend verbrachte, da ich mich so am wohlsten fühlte. Daher trieb ich ab der zweiten Schwangerschaftswoche keinerlei Sport mehr – eine riesige körperliche und mentale Umstellung vom täglichen Lauftraining auf ein Null-Sport-Niveau. Doch es war, wie fast alles im Leben, bloß eine Frage der Einstellung zur aktuellen Situation. Außerdem arbeitete ich nur noch zu 50% in der Arztpraxis und reduzierte auch mein Pensum im eigenen Betrieb.

Es war eine äußerst seltsame Schwangerschaft, alles andere als rosarot. Nebst der massiven Übelkeit schien es ein stetiger Kampf zu sein, die Kinder nicht zu verlieren. Bereits in den ersten Schwangerschaftsmonaten waren daher einige Klinikaufenthalte nötig. Von Anfang an wurde deutlich, dass ich sehr stark auf mein eigenes ausgeprägtes Körpergefühl würde hören müssen, um diesen Kindern überhaupt die Chance auf ein Leben zu ermöglichen.

Der Entscheid, zu Gunsten einer Babypause mit dem Leistungssport vorerst aufzuhören, hatte sich für mich damals richtig angefühlt, wenngleich er in meinem sportlichen Umfeld größtenteils nicht verstanden worden war. Das kümmerte mich jedoch wenig, denn ich bekam immer mehr das Gefühl, es könnten noch andere, weitaus wichtigere und schwierigere Aufgaben auf mich warten. Ich war der Auffassung, dass eine Schwangerschaft bedeutender sei als meine damaligen Erfolge im Sport. Ich war gerade zum zweiten Mal Schweizer Meisterin über die Marathondistanz geworden, und so standen mir in sportlicher Hinsicht im Grunde alle Türen offen. Doch der Unfall im November 1999 hatte alles verändert. In meinem Inneren schien dieser hauptsächlich auf den Beruf und den Leistungssport ausgerichtete Lebensfahrplan ohnehin nicht ganz stimmig zu sein. Auch ein späterer Wiedereinstieg in den Sport war zu diesem Zeitpunkt kein Thema. Ich wollte die Zukunft vorerst einfach auf mich zukommen lassen.

Am Ende der 25. Schwangerschaftswoche erwachte ich eines Morgens mit starken Wehen. In der regionalen Klinik wurde mir die Höchstdosis an Wehenhemmern verabreicht, und man verlegte mich umgehend notfallmäßig auf die Intensivstation des größeren Kantonsspitals. Dort machten mir die Ärzte klar, dass die Zwillinge als extreme Frühchen zur Welt kommen würden, wenn es nicht gelänge, meinen Zustand sofort zu stabilisieren. Die Lage war äußerst kritisch, und nach 36 Stunden machte mein Körper die Strapazen mit Höchstdosen von Cortison, Wehenhemmern und Antibiotika schlichtweg nicht mehr mit. Dann ging alles rasend schnell: Die beiden Zwillingsmädchen wurden per Not-Kaiserschnitt mitten in der Nacht zur Welt gebracht – am Anfang der 26. Schwangerschaftswoche, fast dreieinhalb Monate zu früh!

Damit begann meine bis dahin schicksalhafteste Zeit, die mich jäh aus meinem gewohnten Leben riss und mich mit Tatsachen konfrontierte, die mir nahezu keinen eigenen Handlungsspielraum mehr ließen. In meinen bisherigen Rollen als Ehefrau, als Praxisassistentin, als Geschäftsfrau und als Leistungssportlerin war ich es gewohnt, eigenständig zu entscheiden, zu handeln und zu gestalten. Doch nun lag das Schicksal sowohl über mich selbst als auch über die Zwillinge nicht mehr in meinen Händen. Es schien, als hätte da jemand ganz andere Pläne.

Später erfuhr ich, dass kurz nachdem man mich in den Operationssaal gebracht hatte, ein älterer Arzt nachdenklich zu meinem Mann gemeint hatte: «Manchmal gibt es ja Wunder.» Damit war hinsichtlich der Überlebenschance der Zwillinge alles gesagt.

Es war die Osternacht vom 15. April 2001. Dass die Zwillinge sich ausgerechnet die Auferstehungsnacht für ihre Geburt ausgesucht hatten, mochte wohl kein Zufall sein. Allerdings sollte es noch rund dreizehn Jahre dauern, bis ich die tiefere Bedeutung dieses Aspektes erfahren würde.

Auch über die Bedeutung der beiden Namen für meine Töchter hatte ich mir im Vorfeld keine expliziten Gedanken gemacht. Die Namen Elena und Christina waren einfach unsere klaren Favoriten und standen bereits vor den sich nun überschlagenden Ereignissen fest. Irgendwie schienen sie uns stimmig zu sein. Auch hier sollte sich erst Jahre später herausstellen, dass die Namen kaum treffender hätten gewählt werden können. Elena bedeutet «die Lichtvolle», und Christina bedeutet «Anhängerin/Nachfolgerin Christi».

Als erstes erblickte Elena in jener Osternacht um 00:25 Uhr das Licht der grellen OP-Beleuchtung. Christina folgte ihrer Schwester um 00:27 Uhr nach. Die winzigen Kinder bekam ich allerdings nicht sofort zu Gesicht. Ich sah nur verschwommen ein Heer von Ärzten und wunderte mich, warum mitten in der Nacht eine solch große Anzahl von Medizinern versuchten, mich und die neugeborenen Zwillinge zu versorgen. Inmitten dieser ganzen Dramatik aber breitete sich in mir auf wundersame Weise ein zutiefst beruhigendes Gefühl aus, dass sich die Zwillinge in guter Obhut befanden, und so versank ich vertrauensvoll wieder ins Dunkle.

Für die damaligen Verhältnisse standen die Mädchen knapp an der medizinischen Hürde, um überhaupt eine Chance zu bekommen, auf der Intensivstation aufgenommen zu werden. Dabei war nicht das erschreckend tiefe Körpergewicht entscheidend, sondern das weibliche Geschlecht und die vollendete 25. Schwangerschaftswoche. Doch zeigten beide Frühchen ausreichend Lebenszeichen, um an die überlebenswichtigen Geräte angeschlossen zu werden. Christina wies mit einem Apgar-Score von 1’5/5’5/10’6 geringfügig schlechtere Werte auf als Elena. Beide wurden umgehend vom Kantonsspital St. Gallen auf die Intensivstation der nahe gelegenen Kinderklinik verlegt, wo man auf Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1000g spezialisiert war. In der Stadt St. Gallen fiel in jener Nacht heftig Schnee – ungewöhnlich für Mitte April.

Es wurde Ostersonntagnachmittag, bis ich im Rollstuhl die Zwillinge erstmals besuchen konnte. Der erste Eindruck auf der Kinder-Intensivstation war sogar für mich ausgesprochen intensiv, obwohl ich zuvor selber in Krankenhäusern gearbeitet hatte. Rund ein Dutzend Isoletten waren zu sehen, allesamt an mehrere Überwachungsmonitore angeschlossen, welche intermittierend Alarm schlugen, und dazwischen rotierende Schwestern und Ärzte. Der Lärmpegel schien mir ungewöhnlich hoch, doch man gewöhnte sich schnell daran.

Die Isoletten von Elena und Christina standen direkt nebeneinander. In ihrem 40°C warmen Inkubator waren die beiden Winzlinge noch vollständig von einer schützenden Plastikfolie zugedeckt, um nicht auszukühlen. Somit waren sie für mich auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen, sondern erst nach dem Entfernen der Folie. Meine beiden Kinder zum allerersten Mal zu sehen, war für mich zugleich schockierend und wunderbar berührend. Jede Mutter weiß, wie klein und leicht Neugeborene sind. Doch diese beiden waren noch rund fünf bis sechs mal leichter als Durchschnittsgeborene! Ihre Augen waren noch nicht geöffnet, aber jede Hautfalte war bereits vorhanden. Ein Füßchen war nicht länger als 1cm, ebenso ein Händchen.

Doch für Emotionen war in diesem Moment keine Zeit, denn ich wurde sogleich mit Zahlen bombardiert: Elena wog 600g, war in gestrecktem Zustand 31cm lang und hatte einen Kopfumfang von 23cm. Christina wog gerade mal 570g, war 28cm lang mit einem Kopfumfang von 22cm. Beide waren sie bloß eine Handvoll Kind, wenn sie ihre Beinchen und Ärmchen angezogen hatten, vergleichbar etwa mit der Größe einer Barbiepuppe.

Bei derart kleinen Babys konnten weder am Kopf noch an Armen oder Beinen Infusionen gelegt werden, da schlichtweg keine peripheren Blutgefäße sichtbar waren. In den ersten Tagen bestand zudem die große Gefahr einer spontanen Blutung, insbesondere einer Hirnblutung, was sich fatal auf die Kinder ausgewirkt und weitere lebensverlängernde Maßnahmen in Frage gestellt hätte. Trinken war ebenfalls nicht möglich, und so diente in der Regel eine Magensonde als einziger Zugang zum noch massiv unterentwickelten Körpersystem der Winzlinge. Christina bekundete starke Verdauungsprobleme, so dass ihr weder Nahrung noch Medikamente über den Magen-Darm-Trakt verabreicht werden konnten. Daher wurde ihr bereits am Tag nach ihrer Geburt ein kaum sichtbarer Herzkatheter gesetzt, welcher Infusionslösungen direkt zu den großen Blutgefäßen am Herzen führte – eine bewundernswerte Leistung der heutigen Spitzenmedizin. Für diese äußerst risikoreiche Intervention wurde eigens ein externer Spezialist beigezogen.

Das extrem niedrige Geburtsgewicht von 570g bzw. 600g war ein klares Indiz dafür, dass den beiden Frühchen ein monatelanger Aufenthalt auf der spezialisierten Kinder-Intensivstation bevorstand. Ob sie ihren Weg in ein selbständiges Menschenleben überhaupt überstehen würden und falls ja, mit welchen Folgeschäden, dies alles war noch nicht absehbar. Sicher war, dass sie erst einmal einige außergewöhnlich schwierige Monate vor sich hatten, in denen sie beide dem Tod näher stehen würden als dem Leben.

Auch mich holte in der Woche nach der Geburt eine akute Blutvergiftung mit hohem Fieber ein, was eine erneute Hospitalisation erforderte. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz gewöhnte ich mich irgendwie an die tagtäglichen Turbulenzen auf der Intensivstation, mit zwei Babys, die unzählige Untersuchungen überstehen mussten, und mit ständigen Besprechungen und Entscheidungen mit den Ärzten. Der Zustand der Zwillinge wechselte oft von Stunde zu Stunde, von einigermaßen stabil bis zu höchst kritisch. Es war mir klar, dass es einzig und allein an meiner eigenen mentalen Einstellung zu dieser Situation liegen würde, ob ich an dieser herausfordernden Aufgabe bereits nach wenigen Tagen scheitern würde oder ob ich lernen konnte, mit ihr zu leben und die Umstände jeden Tag einfach so zu akzeptieren, wie sie sich gerade präsentierten. Denn ändern konnte ich persönlich beim besten Willen nichts daran. Das Rezept bestand für mich darin, die stabilen Momente zu genießen und die dramatischen ruhig durchzustehen.

Sowohl als Marathonläuferin als auch als Medizinische Praxisassistentin hatte ich bereits gelernt, mit Extremsituationen umzugehen, was für mich in dieser völlig neuen Lebenssituation nun höchst hilfreich war. Ich wurde mit Ängsten und Ungewissheiten konfrontiert und musste lernen, diese über eine lange Zeit hinweg auszuhalten. Damit relativierte sich so einiges aus meinem bisherigen Leben. Aus dem bloßen Verstand heraus gibt es in solchen Situationen keine tragfähige Bewältigungsstrategie. So lernte ich, zu vertrauen und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen, was in mir erfreulicherweise ein positives Gefühl auslöste. Wie diese Situation letzten Endes ausgehen würde, lag nicht in meiner Hand.

Wir entschieden, dass ich bis auf weiteres eine kleine Wohnung beziehen würde, die uns vom Kinderspital vermittelt wurde und nur 150 Meter Luftlinie von der Intensivstation entfernt lag. So konnte ich mich zu jeder Tages- und Nachtzeit bei den Mädchen aufhalten. Da die Kinder vorerst über eine Magensonde ernährt wurden, wurde meine Muttermilch täglich zuerst auf Keime untersucht und dann eingefroren für später. Die Mengen, die die Zwillinge aufzunehmen vermochten, beliefen sich anfangs auf lediglich wenige Milliliter pro Tag.

Das medizinische Personal machte mich gleich zu Beginn darauf aufmerksam, dass solch extreme Frühchen imstande sind, die feinsten Energien wahrzunehmen, dass also jede negative Energie von mir – wie Angst, Stress, Überforderung, Erschöpfung, Resignation usw. – sich umgehend auf die Kinder übertragen würde. Daher rieten sie mir, ohne schlechtes Gewissen die Klinik zu meiden, falls es mir an einem Tag mal schlecht gehen sollte. Umgekehrt nahmen die Kinder aber auch alle positiven Emotionen und Energien durchaus wahr und erkannten die Stimme und die Schritte der Mama deutlich. Solche positiven Stimuli seien, so erklärten mir die Schwestern, für die neuronale Entwicklung der Frühchen höchst bedeutend.

Dies war eine klare Botschaft, die ich mir noch heute immer wieder zu Herzen nehme. Es lag und liegt mir fern, irgendwelche negativen Energien auf meine Kinder oder generell auf Menschen und andere Lebewesen zu projizieren. Auf mein inneres Gleichgewicht und auf eine positive, vertrauensvolle Grundhaltung zu achten, war somit einer der wenigen aktiven Beiträge, die ich damals für meine Kinder leisten konnte. Alles andere stand außerhalb meiner Macht.

Mein Leben hatte sich schlagartig verändert. Ich war weg von zu Hause, weg von meinem gesamten vertrauten Umfeld, weg von der Arztpraxis, weg vom eigenen Geschäft, weg von meinem Englischkurs und von allem anderen, das ich zuvor für wichtig gehalten hatte. Alle diese Dinge relativierten sich infolge der neuen Umstände komplett und hatten zu jener Zeit überhaupt keinen Stellenwert und keine Priorität für mich. Mein Leben spielte sich während Monaten nur auf der Intensivstation ab, und es zeigte sich sehr deutlich, wie rasch man sich veränderten Umständen anzupassen fähig ist und wie vieles im Leben völlig neu organisiert werden kann, auch wenn man es zuvor kaum für möglich gehalten hätte.

Mein unbändiger Glaube daran, dass die Zwillinge ihren Kampf ums Überleben letztlich gewinnen würden, hielt mich aufrecht, wenngleich ich das eine oder andere Mal mit ansehen musste, wie anderen Kindern nebenan die Lebenskraft ausging. Auch Elena und Christina kämpften, abgesehen von ihrer generellen Unterentwicklung, immer wieder mit diversen Komplikationen, deren Behandlung ihrerseits weitere Risiken nach sich zog. So vergingen die ersten Wochen äußerst turbulent.

Diverse Infekte sowie Kreislauf- und Verdauungsprobleme plagten vor allem Christina, die dadurch nicht an Gewicht gewann und den anfänglich erlaubten Gewichtsverlust von 10% längst dramatisch überboten hatte. In den ersten Wochen sank ihr Körpergewicht von 570g auf 475g. Ich traute mich gar nicht mehr, diese Zahl überhaupt jemandem zu nennen.

Unter anderem waren auch einige Bluttransfusionen erforderlich. Der hohe Geräuschpegel auf der Intensivstation, dazu die anfänglich viertelstündlichen Blutentnahmen ab der Ferse, das Absaugen der Lungen usw. – dies alles ließ den Winzlingen sehr wenig Ruhe und verschlang zusätzlich wertvolle Lebensenergie. Christinas Hauptprobleme waren ihre unreifen Lungen und ihr unreifer Magen-Darm-Trakt. Sie war länger als Elena intubiert und benötigte auch danach noch monatelang Atemunterstützung. Um überhaupt eine normale Sauerstoffsättigung im Blut zu erreichen, konsumierte sie oft hoch konzentrierten Sauerstoff im toxischen Bereich von 70%, was zu Netzhautschädigungen in den Augen führte. Doch eine Sauerstoffunterversorgung hätte sich noch fataler auf ihren Körper ausgewirkt. Somit schienen spätere Sehstörungen bereits vorprogrammiert.

Zum Tagesablauf gehörte außerdem das sogenannte «Känguruhen»: Sofern es der momentane Gesundheitszustand zuließ, wurde jeweils eines der Mädchen für eine oder zwei Stunden an meine nackte Brust gelegt, um den Geruch der Mama wahrzunehmen und direkten Hautkontakt zu spüren. Dies war meist eine ziemlich aufwendige Prozedur. Da lag also die Mama, gelegentlich auch der Papa, im Liegestuhl auf der Intensivstation, und Elena oder Christina lagen in Bauchlage auf der Brust, warm zugedeckt und mit sämtlichen Überwachungsgeräten einschließlich dem damit verbunden Kabelsalat. Meistens wurden sie während des Känguruhens ganz friedlich, und ihre Herzfrequenz beruhigte sich. Auch für mich war dies natürlich jedes Mal ein sehr wohltuender und intensiver Moment. Abgesehen davon fanden direkte körperliche Berührungen meist nur über meine Hand statt, die ich durch die kleine Öffnung der Isolette strecken konnte. Allein mit einer Hand vermochte ich eines der Kinder ganz zu bedecken, was ich oftmals während Stunden tat.


Mai 2001: Elenas Ärmchen mit drei Wochen.

Nach sieben Wochen waren beide Mädchen einigermaßen stabil. Nun stand ein beständiges Ringen um jedes Gramm Körpergewicht im Vordergrund, denn dies war entscheidend für die weitere körperliche Entwicklung und für das Überleben. Elena profitierte von einer deutlich besseren Ausgangslage. Sie wies eine gut funktionierende Lungentätigkeit auf und wog nach sieben Wochen bereits rund 1500g. Christina hingegen hatte mit merklich mehr Komplikationen zu kämpfen und wog zum gleichen Zeitpunkt erst 1000g, was einen massiven Unterschied zwischen den beiden darstellte.

Elena hatte also die eindeutig besseren Überlebenschancen, wobei auch sie nach wie vor auf der Intensivstation lag und sich somit näher beim Tod befand als beim Leben.

Wie schmal der Grat zwischen Leben und Tod ist, wurde deutlich, als Elena einen Erreger einfing, der eine Hirnhautentzündung und in der Folge davon eine Hirnentzündung (Meningoenzephalitis) auslöste. Diese schwerwiegende Komplikation nach so vielen Wochen war auch für die behandelnden Ärzte überraschend. Weitere Mediziner wurden beigezogen, um die Lage von Elena zu beurteilen. In diesen Tagen träumte ich von der Todesanzeige meiner Tochter Elena und wusste im tiefsten Inneren bereits, dass wir sie verlieren würden.

Meine bis dahin ungebrochene Hoffnung, dass sich Elena auch von dieser neuerlichen Komplikation erholen würde, wich nun einer unglaublich traurigen Realität. Die Vorstellung, das eigene Kind in den Tod begleiten zu müssen – oder zu dürfen –, ist wohl die größte Schreckensvorstellung einer jeden Mutter, auch für mich. Doch zugleich war mir bewusst, dass dieser Schritt für Elena eine Erlösung sein würde. Irgendwie war es ihr Schicksal oder gar ihre Bestimmung, nur kurz in ihrem kleinen Menschenkörper zu weilen. Das spürte ich schon damals deutlich, wenngleich ich erst viele Jahre später erfahren würde, warum. Die ganze Situation fühlte sich trotz der Traurigkeit irgendwie richtig an, und ich akzeptierte in meinem Herzen, dass Elena nun ihren eigenen Weg gehen würde.

Zugleich machten uns die Ärzte vorsichtig darauf aufmerksam, dass Zwillinge sich für gewöhnlich sehr nahe stehen und dass der Tod von Elena mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Christina zu weiteren problematischen Rückschlägen führen werde. Dies wiederum war für mich eine kaum mehr zu ertragende Schreckensvorstellung. Doch sollten wir alle noch staunen, denn es kam wundersamerweise ganz anders.

Die letzten acht Stunden vor Elenas Tod waren unvorstellbar friedlich. Inmitten meiner Traurigkeit verspürte ich eine tiefe innere Ruhe und ein seltsames Einverstandensein, so dass ich mich selbst wunderte, woher diese Kraft kam. Konnte es sein, dass das Sterben gar etwas Schönes an sich hatte? Es herrschte ein unerklärlicher, für mich noch nie empfundener Friede, eine Schwingung, die ich mit Worten nicht beschreiben kann – so, als wäre der ganze Raum von einer sehr lichtvollen Energie erfüllt, die keinerlei negative Emotionen zuließ. In diesen letzten Stunden legte sich auf Elenas Gesicht ein äußerst friedlicher Ausdruck. Ja, sie schien regelrecht zu lächeln, während sie in unseren Armen lag. Das war keine Einbildung, denn auch das medizinische Personal bestätigte uns, dass sie denselben Eindruck hatten. Unter diesem Lächeln wurde Elenas Herzschlag zunehmend langsamer, bis schließlich am frühen Morgen des 13. Juni 2001 nur noch die Nulllinie auf dem Monitor zu sehen war.

Mit Elenas Ableben erfolgte entgegen den Prognosen der Ärzte erstaunlicherweise keine Verschlechterung des Zustandes von Christina, sondern im Gegenteil eine deutliche Verbesserung, und sie gewann merklich an Kraft. Es schien, als ob Christina durch Elenas Tod gewissermaßen nochmals neu geboren wurde. Genauso empfand es auch das Pflegepersonal. Für mich hatte, trotz der Trauer, somit alles einen verborgenen Sinn, dessen Bedeutung und Auswirkung wir erst viel später erfahren sollten. Denn derselben unbeschreiblichen, tiefen Friedensschwingung würde ich auf beeindruckende Art und Weise wieder begegnen, 15 Jahre später.

Auf uns kamen nebst den inneren Herausforderungen nun auch die üblichen Formalitäten bei einem Todesfall zu, darunter seltsam anmutende Sonderregelungen bei einem so kleinen Kind mit sterblichen Überresten von gerade einmal 1500g. Zunächst wurden wir seitens der Ärzte darauf aufmerksam gemacht, dass wir eine Wahl hatten, was mit den sterblichen Überresten von Elenas Körper geschehen soll. Dass es in einer solchen Situation überhaupt eine Wahlmöglichkeit gibt, war uns nicht bewusst, doch gab es tatsächlich vier Varianten: Die erste Möglichkeit war, den Körper von Elena zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen; die zweite, ihn einfach zu «entsorgen»; die dritte, ihn zu kremieren und in einer Urne beizusetzen, und die vierte, Elena in einem üblichen Grab beizusetzen. Wir waren uns sofort im Klaren: Etwas anderes als ein Begräbnis kam für uns damals nicht in Frage.

Wir suchten uns einen kleinen weißen Sarg aus. Da es für Elenas «Größe» noch keine Konfektionen gab, suchte ich in der Spielwarenabteilung eines Kaufhauses nach einem weißen Kleid und fand schließlich ein schlichtes weißes Barbie-Puppenkleid. Eine wirklich surreale Situation!

Die Todesanzeige in der Zeitung verfasste ich exakt so, wie ich sie einige Tage zuvor geträumt hatte, unter Verwendung derselben Worte: «Wir geben ein kleines, großes Wunder in Gottes Hände. Wir sind dankbar für die Freude, die sie uns bereitet hat. Elena wird uns als Christinas Schutzengel stets in Erinnerung bleiben.»

Diese Worte hätten, wie ich erst 13 Jahre später erfahren würde, kaum treffender gewählt werden können, denn sie sollten sich auf höchst eindrucksvolle Art und Weise bewahrheiten. Auch Elenas Grabstein besteht aus weißem Marmor mit einem eingravierten Engel.

Die Tage danach waren zerreißend. Die anfängliche Freude darüber, dass Christina noch da und bei wachsenden Kräften war, wich nun allmählich einer tiefen Trauer über den Verlust von Elena. Das Leben ging einfach weiter. Wie zuvor kam ich täglich auf die Intensivstation, und fast demonstrativ stand die leere Isolette von Elena noch tagelang neben dem Inkubator von Christina. Es war eine knallharte Tour der Verarbeitung. Aber für mich zahlte sie sich aus, und ich fand Schritt um Schritt wieder den Weg zum Licht. Bald überwog für mich wieder die Freude und die Dankbarkeit darüber, dass Christina noch bei uns war.

Ich hatte mir zuvor schon, angesichts der sterbenden Kinder auf der Intensivstation, Gedanken über das Abschiednehmen gemacht. Ich hatte mir vorgestellt, wie es sich wohl anfühlen würde, ein Kind auf diese Weise zu verlieren – nach einer unglaublich bewegenden, langen Krankengeschichte, die das gesamte innere und äußere Leben der betroffenen Familie verändert. In Anbetracht der Umstände war ich nun unendlich dankbar dafür, dass Christina noch lebte. Doch ihr Kampf ums Überleben war noch lange nicht ausgestanden.

Später erzählte mir mein Ehemann, er habe in der Zeit nach Elenas Tod auf der Intensivstation eine sonderbare kurze Begegnung mit einem ihm nicht bekannten, älteren Arzt gehabt. Dieser Arzt habe bezüglich Christina nur diese gleichsam prophetischen Worte zu ihm gesagt: «Bei diesem Kind wird man sich einiges nicht erklären können.» Damals machten wir uns keine großen Gedanken über diese rätselhafte Aussage und suchten nicht nach einer tieferen Bedeutung. Wir wussten nicht, dass sie längst nicht die einzige wunderliche Bemerkung von Fremden in Bezug auf Christina bleiben würde.

Christina verbrachte anschließend weitere strapaziöse Wochen auf der Intensivstation, bis wir sie nach gut vier Monaten mit erst knapp 2500g Körpergewicht endlich nach Hause nehmen durften und ich die kleine Wohnung in St. Gallen wieder aufgeben konnte. Dies war zweifelsohne der glücklichste Moment in meinem bisherigen Leben.

Christina war ein äußerst friedliches und herziges Baby, aber noch immer sehr, sehr klein. Nach wie vor wurde sie über eine Magensonde ernährt und befand sich weiterhin in engmaschigen Kontrollen hinsichtlich ihrer sensorischen und motorischen Entwicklung. Was mich betrifft, so war ich schon früh der Überzeugung, dass dieses Mädchen keine Augen- oder Gehörschäden davontragen würde, da sie ein äußerst waches Wesen zu sein schien. Wie sich ihre Fein- und Grobmotorik entwickeln würden, war allerdings schwer abzusehen, ebenso auch ihre kognitive Entwicklung. Dieses Kind wollte schon von Geburt an nie in irgendein Raster passen, denn allzu viel war bei Christina einfach besonders. Medizinische Vergleiche mit anderen Kindern zu ziehen, war also zwecklos, denn auch für die Ärzte stellte sie oft ein großes Rätsel dar.

Wie sehr außerhalb jeglicher medizinischer Norm das Mädchen lag, zeigten mir vor allem gleichaltrige Kinder, insbesondere die beiden etwa zur gleichen Zeit geborenen Babys zweier meiner Brüder. Der Unterschied war extrem und ab und an auch ein wenig frustrierend. Doch Christina hatte offensichtlich ihren eigenen Lebensfahrplan, den ich einfach zu akzeptieren hatte.

Trinken konnte das Mädchen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch man war zuversichtlich, dass sich spätestens nach ein paar Monaten das Trinkverhalten normalisieren würde. Über eine Nasensonde wurde sie tröpfchenweise mit Muttermilch versorgt, Tag und Nacht und mit unglaublich kleinen Portionen von nur wenigen Millilitern. Diese Versorgung blieb zu Hause meine Hauptaufgabe, die mich in höchstem Maße forderte und zugleich auch mit höchstem Glück erfüllte, wenn ich sah, dass ich dadurch aktiv zu Christinas Überleben beitragen konnte. Warum das Mädchen allerdings auch nach weiteren Monaten noch nicht von der Sonde loskam, war unerklärlich. Die Ärzte und wir Eltern hofften, dass es eines Tages einfach «klick» machen und dass Christina so den Schluckreflex endlich aktivieren würde. Doch es sollten noch etliche Jahre vergehen, bis Christina tatsächlich in unserer Realität ankommen würde. Glücklicherweise war ich damals im Unwissen über die Anstrengungen der bevorstehenden Jahre.

Nach sechs Monaten stellte sich die Frage, welche hoch entwickelte Frühchenmilch Christina nach der Muttermilch bekommen sollte. Doch auf sämtliche Spezialnahrung reagierte sie mit massiver Neurodermitis. Es gab Tage, da bekam das Mädchen einfach nur Tee sondiert. In der Klinik riet man mir damals noch von Spender-Muttermilch ab, genauer gesagt übernahm die Klinik keine Verantwortung dafür. Denn das Verabreichen von Muttermilch war zu vergleichen mit einer Bluttransfusion, barg also gewisse Risiken. Doch ich hatte keine Wahl. Eine vertraute Bekannte von mir, die mit einem Frühgeborenen ebenfalls einige Wochen auf der Intensivstation verbracht hatte, hatte noch einiges an eingefrorener Muttermilch übrig, und damit überbrückten wir einige weitere Wochen. Dies war damals überlebenswichtig für Christina.

Am Neujahrstag 2002 war Christina etwas mehr als acht Monate alt und wog knapp 4000g. Aber statt Fortschritt folgten auch im neuen Jahr neue Probleme.

Im Alter von einem Jahr war Christina ein strahlendes, lebendiges Mädchen von 4800g, das sich allerdings gerne die Sonde aus der Nase zog, weil der Schlauch in der Nase zunehmend störend war. Zwar war ich imstande, diese selber wieder über die Nase in den Magen einzuführen, doch es wurde zunehmend mühsamer, drei- bis viermal am Tag die lebenswichtige Sonde neu zu setzen. Dieser Zustand war auf die Dauer nicht tragbar. Daher schlugen uns die Ärzte in der Kinderklinik eine sogenannte «PEG-Sonde» vor, das heißt einen künstlichen Katheter-Zugang über die Bauchdecke direkt in den Magen, der nicht mehr durch die Nase und die Speiseröhre verlaufen würde. Über dieses Schlauchsystem konnte zwar leichter Flüssignahrung zugeführt werden, doch machten uns die Ärzte auch auf die Risiken aufmerksam. Es bestand die Gefahr, dass Christina möglicherweise niemals würde normal essen und trinken können und lebenslang auf dieses künstliche System angewiesen sein würde.

Die Entscheidung für einen solchen Schritt fiel uns nicht leicht. Ich verspürte das starke Bedürfnis, zuvor noch einen weiteren Rat einzuholen, denn ich war mir nicht sicher, ob dieser Eingriff tatsächlich richtig sei. «Zufälligerweise» kam in diesen Tagen gerade eine liebe Freundin zu Besuch und gab uns die Adresse einer Astrologin, die uns möglicherweise weiterhelfen könnte. Bei solchen Empfehlungen war ich stets skeptisch gewesen. Schon seit der Geburt der Zwillinge hatte ich von allen möglichen Seiten eine Unmenge an lieb gemeinten Ratschlägen und an Adressen irgendwelcher Lebensberater und Therapeuten bekommen. Mittlerweile war ich ausreichend sensibilisiert, was die Therapeutenwahl anbelangte. Doch dieses Mal fasste ich den Entschluss, die empfohlene Astrologin aufzusuchen.

Für mich würde es der allererste Besuch bei einer Astrologin sein. Ich hatte vor, mich mit lediglich zwei Fragen an sie zu wenden: erstens, ob diese PEG-Sonde für Christina wirklich die richtige Lösung war, und zweitens, welche Art der Nahrung ich Christina sondieren sollte, wenn keine Spendermilch mehr zur Verfügung stünde. Denn jegliche Sondennahrung wurde bis zu diesem Zeitpunkt von Christinas Organismus nicht angenommen.

Im Vorfeld teilte ich der Dame Christinas Geburtsdaten mit, so dass sie bereits die astrologischen Berechnungen anstellen und Christinas Kosmogramm erstellen konnte. Einige Tage später fuhr ich dann in einer Mischung aus Skepsis und Zuversicht zu jener Astrologin am Zürichsee. Schon nach dem ersten Blickkontakt war ich positiv beeindruckt, und mein Vertrauen war geweckt. Die Astrologin schaute sich das einjährige, mit 4,8kg noch immer massiv untergewichtige Kind an und meinte dann nach kurzem Innehalten mit einem erfreuten Lächeln und mit einer sonderbar ruhigen Stimme: «Dieses Kind wird die Welt verändern.»

Aus welchem Grund diese fremde Frau eine solche Aussage machte und was genau sie damit meinte, verstand ich damals nicht. Ich maß diesen Worten auch kein besonderes Gewicht bei, und doch waren sie eindrücklich genug, dass sie mir im Hinterkopf blieben. Ich hielt die Aussage für eher symbolisch. Vielleicht würde sich Christina irgendwann einmal sozial einsetzen, etwa in der Entwicklungshilfe oder ähnlichem. Die ferne Zukunft meiner Tochter interessierte mich in jenem Moment ohnehin denkbar wenig, denn wir hatten genug aktuelle Probleme.

Insgesamt war der Besuch bei jener Astrologin im Jahre 2002 für uns alle entscheidend. Sie bestätigte einen ausgesprochenen Lebenswillen des Kindes und erwähnte, in welch gewaltiger Planetenkonstellation es geboren worden war. Sie befürwortete die fragliche Operation, und bezüglich Ernährung verwies sie mich auf die Natur. Vieles von dem, was die Astrologin außerdem noch sagte, verstand ich damals nicht. Aber meine beiden zentralen Fragen waren beantwortet: Erstens sollte Christina nun also die PEG-Sonde in ihre Bauchdecke operiert bekommen. Das Entfernen der bisherigen Nasensonde stellte für uns alle eine große Erleichterung dar. Außerdem konnten dadurch auch die ständige Reizung in der Speiseröhre sowie die Irritationen des Ringmuskels beim Mageneingang vermieden werden. Und zweitens entschied ich mich, was die Sondennahrung betraf, wie von der Astrologin empfohlen, für Naturprodukte, was die Ernährungsberater allerdings als sehr ungewöhnlich erachteten. Christina vertrug weder Schafs- noch Ziegenmilch, daher sondierten wir Tees, Fruchtsäfte, pürierte dünne Kartoffel/Gemüse-Cocktails, angereichert mit Eiern und hochwertigen Ölen. Später kamen Apfelmus und pürierte Haferschleimsuppe dazu, manchmal auch eine süße Creme, damit die Kalorienzahl ein wenig aufgewertet werden konnte. Allein die Nahrungszubereitung und das Sondieren waren tagtäglich mit einem enormen Zeitaufwand verbunden. Doch es lohnte sich, und dem Mädchen ging es in kleinen Schritten zusehends besser.

Und doch gab es auch mit dieser sorgsamen Auswahl an Nahrungsmitteln in den folgenden Jahren immer wieder Schwierigkeiten. Christina litt wohl nicht mehr an Neurodermitis, doch da normalerweise die Verdauung des Menschen im Mund beginnt – mit dem ganzen Speichelfluss und dessen Enzymen –, fehlte dieser Teil bei Christinas Nahrungsaufnahme über die Magensonde. Dies wiederum hatte eine sehr schlechte Verdauung zur Folge, was oft mit Krämpfen, Verstopfung und Erbrechen einherging. Aber im Großen und Ganzen konnte sie mit der natürlichen Ernährung gut gedeihen – ganz zum Erstaunen der begleitenden Ernährungsberater, für die eine solche Ernährungsweise neu und unkonventionell war.

Bei all diesen mannigfachen körperlichen Problemen sah man das Kind allerdings niemals weinerlich, quengelnd oder gar trotzend. Und allein dies grenzte ebenfalls an ein Wunder.

Christina, Band 1: Zwillinge als Licht geboren

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