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Der Anfang

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Aller Anfang ist schwer und es ist auch noch kein Meister vom Himmel gefallen, doch der Einstieg ins Business hätte für den Alten nicht suboptimaler sein können. Natürlich hat er zur damaligen Zeit noch keine allzu große Ahnung von der Dualität der Dinge. Will heißen, wo viel Licht ist, da gibt es auch viel Schatten. In seinem Fall bedeutet es, dass er zwar den Himmel einigermaßen gut definieren kann, aber bis dato keinen blassen Schimmer über die Existenz der Hölle hat. Nun gut, nach dem Vorfall mit dem Beschleuniger Knopf bei dem ein ganzes Universum zu Bruch gegangen ist, weiß er jetzt Bescheid über die Abgründe der Tiefetage und die Machenschaften eines Doktor L!

Lernen durch Schmerz ist nachhaltig. Die Erinnerung auch und so ist es nicht verwunderlich, dass man dem Alten das Desaster noch für sehr lange Zeit unter die Nase reibt.

''Ruf dir doch den Aufzug'', wird er gefoppt, als wieder einmal stoßweise Aktenstapel in die oberen Etagen gebracht werden mussten. Bis zum Abwinken treibt man allerlei Schabernack mit ihm, den er aber mit stoischer Gelassenheit ignoriert. Letztendlich, nach zirka vier Millionen Jahren, kehrt wieder Ruhe ein und es wächst langsam Gras über die Angelegenheit. Im Himmel geht man derweil wie gewohnt seinen Geschäften nach und irgendwann befindet der Betriebsvorstand, es ist an der Zeit für eine neue Schaffensperiode!

''Das Universum ist reif für einen neuen Urknall'', heißt die aktuelle Direktive aus der Chefetage, ''gesucht wird eine Führungskraft für eine unbefristete, krisensichere und sozialversicherungspflichtige Stellung!''

Sofort rotiert der ganze Himmel quer durch alle Abteilungen. Die Aufregung kennt keine Grenzen. Jeder möchte gerne ganz vorne mit dabei sein, wenn es losgeht. Bewerbungen werden komplettiert und Empfehlungsschreiben eingereicht.

Es wird über eine neue Prozedur nachgedacht, bei dem jeder einzelne Kandidat oder Kandidatin eine gerechte Chance auf die neu zu besetzende Position bekommt.

Für einen kurzen Moment zieht man Karaoke Gesang in die engere Wahl. Damit wären jedoch wieder einmal nur die textsicheren starken Stimmen im Vorteil, also ließ man es dieses Mal auf sich beruhen. Auch das allseits beliebte Wettpinkeln, bei dem es um Zielgenauigkeit und Trefferquote geht, hätte die feminine Abteilung gnadenlos ins Hintertreffen geraten lassen. Aus diesem Grund nimmt man auch von dieser Idee Abstand. Dafür hat sich die Aufsicht ein völlig neues Auswahlverfahren ausgedacht. Um die Chancengleichheit für Mann und Frau zu garantieren, soll die Frage wer nun der oder die Verantwortliche für das neue Universum wird, durch einen spielerischen Intelligenztest geklärt werden. De facto einigt sich die Aufsicht mit dem Betriebsrat auf einen außergewöhnlichen und in dieser Form noch nie dagewesenen Wettstreit.

Das Buchstabensuppe-Turnier!

Die Bedingungen sind denkbar einfach. Gespielt wird es als Einzelwettbewerb, also Person gegen Person und selbstverständlich im K.O. Verfahren. Es gibt nur einen Gewinner, der sich für die nächste Runde qualifiziert. Die Spielregeln des Turniers lauten wie folgt:

Erstens: Bilde ein möglichst kompliziertes Wort aus nur einem Löffel Buchstabensuppe!

Zweitens: Das Wort muss komplett sein und Sinn machen!

Drittens: Es darf kein Nachschlag genommen werden!

Das Datum für den Event wird festgelegt. Alle gemeldeten Teilnehmer haben genau zwei Wochen Zeit sich darauf vorzubereiten. Unter dieser Prämisse wittern einige Kandidaten sofort eine Konspiration, jedoch handelt es bei ihnen eh um die bekannten Paranoiden, die hinter alles und jedem ein abgekartetes Spiel vermuten. Die Praktiker studieren ihre Duden, die eher spielerisch veranlagten vertiefen sich in Kreuzworträtsel. Jeder bereitet sich auf seine eigene Art und Weise vor und je näher der Tag des jüngsten Gerichts rückt, desto aufgeregter wird die Stimmung.

Dann endlich ist es so weit!

Der Einfachheit halber richtet man das Turnier in der Kantine aus. Dort finden erstens alle Teilnehmer genügend Platz und zweitens ist in der Küche ein ausreichend großer Kessel nebst Kochplatte und Ceranfeld vorhanden. Vor den Augen einer unbestechlichen Jury werden genau 12 Maxi Haushaltstüten Buchstabensuppe in den Kessel gefüllt und zum Kochen gebracht.

''Wollt ihr sie lieber ganz weich oder doch lieber 'al dente' haben'', fragt Frau Erika Blum, Köchin und gutes Herz der Kantine.

''Angenehmer ist 'al dente'. Sonst zermanschen die zu sehr beim Legen'', erklärt die Jury.

''So sei es'', strahlt Erika und konzentriert sich weiter auf die Zubereitung.

Fünf Minuten später nimmt sie den Kessel vom Ceranfeld und schiebt ihn hinein in den Saal. Die Teilnehmer bilden eine lange Schlange und defilieren an Frau Blum vorbei. Dabei bekommt jeder von ihnen, kontrolliert durch die Argusaugen der Jury, eine ordentliche Kelle Buchstabensuppe in die Teller geschaufelt. Danach geht es zurück an die Tische wo man wieder gesittet Platz nimmt.

''Auf unser Kommando'', schallt es von der Jury.

''Und los!''

An 100 Tischen klappern nun fröhlich die Löffel in der Suppe und die eine oder andere Person verschluckt auch schon einmal im Eifer des Gefechtes versehentlich einen wichtigen Buchstaben.

Doch selbst solch ein Missgeschick wird mit großem sportlichen Geist hingenommen. Nach einigen Minuten ist von verschiedenen Tischen aus unterschiedlichen Ecken der Kantine die Rufe,

''Ich bin fertig'', zu hören. Mitglieder der Jury flitzen eifrig umher und untersuchen fachmännisch die Ergebnisse. Noch nicht einmal 20 Minuten später sind die ersten 50 Gewinner ermittelt und aussortiert. Die Freude bei ihnen ist unbeschreiblich, wohingegen die Verlierer einen leicht depressiven Eindruck hinterlassen. Das ist nur allzu verständlich, wenn man im schlimmsten Fall wieder 15 Milliarden Jahre auf die nächste Ausscheidung warten muss. Der Tag vergeht wie im Flug und zwischendurch müssen immer wieder die Wogen geglättet werden, wenn Kandidaten mit einem Urteilsspruch nicht einverstanden sind.

''Doch! KIKIKAWAWA ist wohl ein Wort!''

''Nein ist es nicht! Was soll das denn bedeuten?!''

''KINDERKARNEVAL!''

''Dann musst du das beim nächsten Mal auch bitteschön so hinlegen!''

Richtig haarig wird es aber, wenn sich die Kandidaten des Diebstahls beschuldigen.

''Der hat mir mein Ä geklaut! Jetzt stimmt das Wort nicht mehr!''

''Was wolltest du denn schreiben?''

''Schäwardnadse!''

''Meinst du den vormaligen russischen Außenminister und Präsidenten von Georgien Eduard Schewardnadse?! Der wird aber mit E geschrieben'', stellt ein Juror treffend fest.

''Nein! Ich meine den berüchtigten Zuhälter aus Köln!''

''Der heißt Schäfers Naas. Tut mir leid. Hast verloren. Du bist raus!''

Bei manchen Leuten ist es niemals ganz klar, ob sie über einen wirklich feinsinnigen Humor verfügen oder einfach nur blöde sind.

Als sich der Tag schließlich dem Abend zuneigt und der kleine Hunger bei den Kandidaten langsam größer wird, beschließt man das Turnier zu beenden. Am nächsten Morgen will man es frisch ausgeruht wieder neu aufzunehmen. Immerhin sind schon fast die Hälfte der Matches ausgetragen worden. Niemand soll deshalb ohne große Not hungrig zu Bett gehen. Der Alte hat sich sehr gut geschlagen und seine insgesamt fünf Matches mit Bravour gemeistert. Das Schmökern in alten Kreuzworträtsel Heften hat sich definitiv für ihn schon bezahlt gemacht. Abends schaut er noch ein Fußballspiel im Fernsehen und begibt sich danach zur wohlverdienten Nachtruhe. Der nächste Tag kann kommen.

Und der kommt gewaltig!

Frau Blum steht schon am frühen Vormittag wieder mit dem dampfenden Riesentopf Buchstabensuppe in der Kantine und wartet auf die ersten Abnehmer. Sie hat wieder 12 Maxi Haushaltspackungen wie am Vortag eingerührt und gekonnt 'al dente' zubereitet. Die Kandidaten stehen vor ihr wie auf einer Perlenkette eingefädelt und warten auf die Ausgabe. Nachdem die Jury vollzählig im Raum versammelt ist, geben sie das Startzeichen und schon kommt wieder Bewegung in die Sache. Frau Blum schaufelt die Teller voll und die Teilnehmer setzen sich wieder an ihre Tische.

''Und Los!''

Jetzt wird noch zäher und verbissener gekämpft als tags zuvor. Die Wörter werden länger und komplizierter. Da die Rechtschreibung in den letzten X Millionen Jahren erheblich evolvierte, ist deshalb permanent fachmännischer Beistand an den Tischen gefordert.

''Schifffahrt mit drei F?''

''Ja.''

''Und Rheinschifffahrt?''

''Auch!''

Die Anzahl unmoralischer Angebote nimmt mit zunehmender Dauer des Turniers erheblich zu.

''Wer tauscht ein 'M' gegen zwei 'F' mit mir?''

''Keiner tauscht hier! Wehe! Ist nicht erlaubt und zieht sofortigen Rausschmiss nach sich'', interveniert die Jury sofort.

Der Alte bleibt weiterhin emotional gelassen und dominiert gerade sein Gegenüber mit einem klassisch gelegten 'Quietscheentchen'. So zieht sich das durch den ganzen Vormittag und er gewinnt ein ums andere Mal. Dann endlich ist Mittagspause und die Teilnehmer haben genau eine Stunde Zeit etwas zu essen und sich wieder zu konsolidieren.

''Kommst du mit ins Pyro Labor, Helge? Was saufen'', fragt Doktor Hans Walter Freudenschuss.

''Fuck off Hansi'', raunzt der Alte und stochert in seinem Henkelmann herum. Es ist hochgradig unfair, wenn man mit blöden Sprüchen aus dem Konzept gebracht werden soll.

Wie dem auch sei, drei Stunden später sind nur noch eine kleine handvoll Kandidaten übrig. Die Endphase des Spiels beginnt. Kameras sind auf die verbliebenen Tische gerichtet und die Luft knistert voller Spannung. Die Zuschauer daheim sind Zeuge wie der Alte seinen Kontrahenten gekonnt abfertigt.

''Scheiße Helge, das ist doch Verarsche! Was bedeutet denn Pelagialhavarie?''

''Das ist, wenn man mit einem U-Boot gegen ein Riff schippert Hansi!''

Und damit steht der Alte als erster Finalist im Buchstabensuppe Turnier fest!

Jetzt sind nur noch zwei Tische übrig an denen gespielt wird. An einem von ihnen hat eine Kandidatin die Konkurrenz hinter sich gelassen und zieht unter großem Jubel ebenfalls ins Finale.

Und am letzten verbliebenen Tisch sitzt mutterseelenallein Doktor L und zeigt der Welt ein unverschämtes Grinsen.

''Wieso muss der Satansbraten nicht spielen wie jeder andere auch'', möchte der Alte wissen.

''Der ist durchgewunken worden. Eine Direktive von ganz oben. Und mit ins neue Universum darf er auch ohne sich zu qualifizieren'', antwortet die Jury.

''Warum das denn?!''

''Er hat die Wild Card gezogen!''

Dahinter steckt ein tiefer Sinn. Man braucht selbst solche Leute wie Doktor L um ein funktionierendes Universum nicht nur aufzubauen, sondern auch in Gang zu halten. Typen von seinem Schlag sind sozusagen das gemischte Publikum. Er garantiert die Ausgewogenheit und Balance eines Systems. Er ist das Salz in der Suppe. Ohne ihn wäre wirklich kein Geschmack.

''Der baut doch nur Scheiße'', mögen einige einwenden.

Ja, das ist tatsächlich fein beobachtet. Nichtsdestotrotz wird sein Scheiß dringend zur Aufrechterhaltung eines lebendigen Systems benötigt.

Ansonsten wäre ja einfach alles immer nur richtig super dufte gut.

Und soviel Güte hält doch kein Mensch aus!

Mittlerweile ist ein Tisch für den finalen Endkampf hergerichtet worden. Man hat ihn mit Lampen ausgeleuchtet und sogar mit einer frischen Tischdecke bezogen. Für die live Übertragung im Fernsehen sind mehrere Dutzend Fernsehkameras in unterschiedlichen Winkeln um ihn herum aufgebaut. Niemand soll auch nur das kleinste Detail verpassen. Frau Blum steht mit frischer Suppe bereit und genießt die volle Aufmerksamkeit des Fernsehens.

Langsam wird das Licht in der Kantine herunter gedimmt. Die Atmosphäre gewinnt mehr und mehr an Dramatik. Man könnte jetzt sogar eine Stecknadel fallen hören.

Ein Spotlight springt an und richtet sich auf den Kantineneingang. In dem kreisrunden Fleck schält sich jetzt der Umriss des Alten heraus. Langsam, gemessenen Schrittes und mit stolz erhobenem Haupt marschiert er zum Austragungstisch.

''Wie ein Preisboxer zum Ring'', rutscht es einem Reporter heraus.

Im selben Augenblick ertönt olympische Musik und ein weiteres Spotlight reißt den gegenüberliegenden Eingang aus der Dunkelheit. Dort steht eine Frau mit Sportjacke bekleidet und einer Kapuze über dem Kopf. Auch sie marschiert jetzt in Richtung Epizentrum der Spannung. Leider kann man ihr Gesicht nicht erkennen, weil es von der Kapuze verdeckt wird und im Schatten liegt.

''Die Amazone sieht verdammt entschlossen aus'', begeistert sich der Reporter nochmals.

''Ja, was für ein Finale. The Beauty and the Beast'', pflichtet ihm sein Kollege bei.

Die zwei Kontrahenten stehen sich jetzt gegenüber und halten Frau Blum ihre Teller hin.

Die werden auch sogleich von ihr zu gleichen Teilen mit Suppe befüllt.

''Bitte nehmt jetzt Platz und wartet auf unser Kommando'', werden sie von der Jury aufgefordert.

Unsere Finalisten setzen sich und stellen ihre Teller vorsichtig auf den Tisch.

Dann ertönt das Kommando: ''Und los!''

In diesem Moment streift die Frau ihre Kapuze zurück und gibt den Blick auf einen Wasserfall goldgelber, engelhafter Haare frei.

''Hallo Helge'', schmunzelt die Schöne.

Beim Alten kommt es augenblicklich zur emotionalen Kernschmelze. Er kann buchstäblich fühlen wie seine Laktatwerte ins Bodenlose rutschen. Der Anblick hat ihn wirklich kalt erwischt.

''Hallo Wolke.''

Dem Alten gegenüber sitzt seine ältere Schwester!

Schon als Kind hat er keine Chance gegen sie gehabt. Später in seiner Jugend auch nicht und wahrscheinlich jetzt erst recht nicht. Eigentlich ist ihr Erreichen des Finales auch kaum verwunderlich. Mädchen sind sowieso viel wortreicher und sprachgewandter als Jungs. Bei Wolke kommt noch ein sagenhafter IQ von weit über 100.000 hinzu. Das ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben, nur eine grobe Schätzung. Einen Test, um den exakten Wert festzustellen, gibt es sogar im Himmel noch nicht. Das weiß der Alte nur allzu genau und muss nun dagegen antreten. Er braucht seine ganze Willenskraft, um eine Panikattacke beiseite zu schieben. Trotzdem bildet sich ein kleiner Schweißfilm auf seiner Stirn.

''Konzentriere dich Helge, konzentriere dich'', leiert er im Geiste wie ein Mantra herunter.

Und tatsächlich klärt sich sein Blick wieder für die eigentliche Aufgabe. Durch sein Zögern hat sich Wolke inzwischen einen kleinen Vorteil verschafft. Bei ihr liegen schon die ersten Buchstaben fein säuberlich auf dem Tisch. Geschickt fischt der Alte nun ebenfalls in seiner Suppe herum. Aus irgendeinem geheimnisvollen Grund sind dort jetzt mehr Buchstaben drin als in den Runden zuvor.

Das ist ein echter Glücksfall, denn nun kann der Alte sein Vorhaben, ein besonders langes und schwieriges Wort zu legen, in die Tat umsetzen. Was er in diesem Augenblick nicht richtig realisiert, ist die Tatsache, dass aus Gründen der Gerechtigkeit in Wolkes Teller exakt die gleiche Anzahl Lettern schwimmen.

''Meine Schwester hat mich lange genug unterdrückt. Hat mir als Kind sogar Speiseeis und Fischstäbchen eingeteilt. Mir reicht es. Wollen doch mal sehen wer hier am längeren Hebel sitzt. Ich knall der jetzt so ein Wort vor den Latz, dass ihr Hören und Sehen vergeht'', denkt der Alte entschlossen.

Er breitet alle seine Lettern auf der Tischdecke aus und bringt so ein gerüttelt Maß an Ordnung in das Chaos. Der Alte überlegt kurz und scharf. Dann hat er den zündenden Einfall.

''Das wird den Rahmen sprengen'', murmelt er zuversichtlich und prüft die Buchstaben auf Vollständigkeit. Dann legt er los.

Auf der anderen Seite des Tisches geht Wolke mit der abgeklärten Ruhe einer älteren Schwester zu Werke. Auch sie hat ihr Wort gewählt und legt entspannt einen Buchstaben an den anderen. Ein letztes Mal wird die Rechtschreibung überprüft.

''Ich bin fertig'', ruft Wolke entzückt.

Nur den Bruchteil einer Picosekunde später komplettiert auch der Alte seine Arbeit.

''Ich ebenfalls!''

Die Fernsehkameras zoomen auf das vom Alten gelegte Wort.

LYSERGSÄUREDIETHYLAMID

''Jetzt bist du platt Wolke, was? Und das Wort hat obendrein 22 Buchstaben'', tönt der Alte stolz.

''Das hast du fein gemacht Helge. Respekt. Ehre, wem Ehre gebührt'', erwidert Wolke.

''Damit bin ich ja wohl durch, nicht wahr?''

''Gemach Gevatter, gemach'', ruft Wolke.

''Jetzt behaupte bitte nicht, dass das kein Begriff ist. Es handelt sich hierbei um LSD'', erklärt Helge.

''Ich weiß, war ja schließlich auch mal jung'', antwortet seine Schwester schmunzelnd, ''aber willst du nicht wissen, was ich gelegt habe?''

Am liebsten hätte der Alte ''nein, lieber nicht'' gerufen, aber es sind zu viele Zeugen in der Kantine anwesend. Das hätte zu Peinlichkeiten geführt. Stattdessen würgt er sich ein freundliches

''ja gerne, zeig doch mal her bitte'', heraus.

Kameras schwenken herüber und zoomen sich ein. Das Licht erscheint jetzt sogar noch etwas heller als vorher. Alles hält den Atem an und Wolke präsentiert ihr Wort.

DESOXYRIBONUKLEINSÄURE

In der Kantine brandet unbeschreiblicher Jubel auf. Was für ein Knaller Finale! Jedes der Worte hat genau die gleiche Anzahl Buchstaben. Nämlich 22, um es auf den Punkt zu bringen. Und jedes der Worte hat den gleichen Schwierigkeitsgrad. Jetzt ist die Jury gefragt. Nach kurzer Untersuchung der Sachlage ist die Entscheidung getroffen.

''Foto finish!''

Und so geschieht es, dass man im Himmel zum allerersten Mal eine Endscheidung per Fotoanalyse durchführen lässt. Das Ergebnis ist sonnenklar und für niemanden überraschend.

''Wir freuen uns von ganzem Herzen bekannt geben zu dürfen, dass aufgrund eines klitzekleinen Zeitvorsprungs der Sieg an Wolke geht'', verkündet die Jury.

Und zum wiederholten Mal wird eine Frau zur Göttin eines gesamten Universums gekürt.

Applaus brandet durch den gesamten Himmel und die Fanfaren Kapelle der himmlischen Chöre schmettern in ihre Instrumente. Doktor L sitzt immer noch am Nebentisch und klatscht ebenfalls mit gemessenen Bewegungen in die Hände.

''Meine Anerkennung liebe Wolke. Hochachtung. Dann bist du es dieses Mal, die als meine Gegenspielerin antreten muss'', grüßt L geheimnisvoll lächelnd.

''Wir wollen einmal eins von vorneherein feststellen mein lieber Doktor L. Du bist ''MEIN'' Gegenspieler und nicht umgekehrt. Außerdem bin ich nicht deine liebe Wolke. Merk dir das!''

''Gut gut, ist mir in der Freude einfach so herausgerutscht'', beschwichtigt er sofort.

Nun, die Begeisterung ist allgemein, nur beim Alten will keine richtige Freude aufkommen. Das Schicksal nimmt jedoch urplötzlich einen anderen Verlauf. Wolke bittet ihren Bruder in einen Nebenraum für ein Gespräch unter vier Augen. Dort unterbreitet sie ihm einen Vorschlag von ungeheurer Tragweite.

''Ich weiß, du hast geübt Helge.''

''Stimmt.''

''Und ich glaube ganz fest, dass du das neue Universum auch ganz passabel regeln würdest.''

''Stimmt auch.''

''Deshalb, liebes Bruderherz, trete ich hiermit zurück.''

''Wie bitte?!''

''Natürlich nicht offiziell. Das muss unter uns bleiben. Wir haben dann die besten Chancen Doktor L dieses Mal richtig kaltzustellen. Er wird sich ganz auf mich konzentrieren und dich dabei völlig außer Acht lassen.''

''Hört sich gut an.''

''Aber das Ganze passiert nur unter einer Bedingung!''

''Und die wäre?''

''Ich will auf einem kleinen blauen Planeten wohnen.''

''Okay, geht klar.''

''Und der soll so richtig langweilig am Rand einer noch langweiligeren Galaxie liegen.''

''Gut. Bitteschön. Geht auch klar.''

''Und dort will ich an einem kleinen langweiligen Fluss leben.''

''Ist gebongt. Sonst noch etwas?''

''Ja, und zwar mein Herzenswunsch.''

''Ist schon erfüllt.''

''Ich will eine Wäscherei in Kleve!''

Selbstverständlich hat sich der Alte sofort darauf eingelassen und in den nächsten zig Milliarden Jahren genau so daran gearbeitet. Seine Schwester reist fortan durch das Universum um irgendwo wieder einmal nett zu entspannen. Zwischendurch zeigt sie sich leicht bekleidet dem entstehenden Leben und behauptet, die Schöpferin des Universums zu sein. Daher kommen übrigens die ganzen halbnackten Abbildungen von Fruchtbarkeits-, Sieges-, Jagd-, Kampf-, Mond- oder Sonnengöttinnen. Wolke hat die Eingeborenen ganz schön kirre gemacht.

''Hast du die Titten von der Alten gesehen?! Boah!''

Das alles dient jedoch einem guten Zweck. Doktor L wird abgelenkt. Er fokussiert tatsächlich sein Augenmerk nur noch auf Wolke und fragt sich natürlich woher eigentlich die ganze Schöpfung kommt. Wolke macht nichts außer Urlaub auf fremden Planeten und liegt dort auch nur ausnahmslos am Strand. Hat ab und zu einen neuen Badefummel dabei, ist aber ansonsten überhaupt nicht mit der Genesis beschäftigt. Währenddessen bastelt der Alte am Universum. Ständig bemüht keine Aufmerksamkeit zu erregen, schleichen sich aber hier und da kleine Flüchtigkeitsfehler in das System ein. Meistens sind sie unscheinbar und nicht der Rede wert, manchmal jedoch recht nervig.

Ab dä Fisch

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