Читать книгу Ab dä Fisch - Bernd Dombek - Страница 6
Lebewesen und Planeten
ОглавлениеBeim Alten verursacht die Erwähnung dieses Planeten augenblicklich eine schwere Reizung der Magenschleimhaut. Er hat auch schon versucht, die Situation in dieser Ecke des Universums auf alle erdenkliche Arten zu klären. Zum Beispiel das Zentralgestirn als Supernova explodieren zu lassen. Damit hätte es sich für Galon und alles was auf ihm lebt erledigt. Leider ist die Sonne aber noch viel zu jung für solch einen Prozess und es wäre sofort aufgefallen.
''OK, das geht schon mal nicht'', kommentiert der Alte seine Idee.
Als nächste Option er den Sturz des gesamten Sonnensystems in ein schwarzes Loch in Betracht. Leider liegt das System aber am Rand der Galaxis und aus bekannten physikalisch astronomischen Gründen findet man schwarze Löcher eher in ihrem Zentrum. Es gibt also nichts Brauchbares in der näheren Umgebung, in das man Galon hätte stürzen lassen können.
''OK, das geht auch nicht.''
Der Einschlag eins großen Asteroiden würde ebenfalls zum gewünschten Ergebnis führen.
Jetzt verhält es sich aber leider so: Der Planet ist echt flott unterwegs!
In knapp 360 Tagen flitzt er mit einer wahnwitzigen Geschwindigkeit um seine Sonne. Zusätzlich ist die Umlaufbahn leicht elliptisch und daher weiteren Schwankungen der Zentrifugalkraft unterworfen.
Will heißen: Mal ist er etwas schneller, ein anderes Mal bremst er wieder ab!
Dieses Verhalten ist gelinde gesagt überhaupt nicht zuträglich, um vernünftig zielen und obendrein auch noch treffen zu können. Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass so ein Meteorit im Vergleich zu einem Planeten doch eher klein ist. Auch wenn einige Brocken die stolze Größe von mehreren Kilometern erreichen, sind sie auf kosmischer Ebene dennoch winzig. Der Alte experimentiert daraufhin mit dem 'viel hilft viel' Prinzip und lenkt ganze Meteoriten Schwärme in das Sonnensystem. Tatsächlich wird der Planet nun hin und wieder von einem Meteoriten getroffen.
Das reicht aber bei weitem nicht für eine völlige Zerstörung aus. Die meisten komischen Trümmer verglühen sowieso in der Atmosphäre oder prallen von ihr ab und verabschieden sich auf nimmer Wiedersehen.
''OK, so funktioniert es überhaupt nicht'', grummelt der Alte, ''Wolke, willst du mal versuchen?''
''Nein!''
''Wieso nicht?!''
''Ich packe grade meinen Koffer. Es geht in den Urlaub!''
''Ja klar, hau jetzt einfach ganz entspannt ab und lass mich hier mit dem ganzen Mist alleine!''
''Mein lieber Helge. Anstatt deine Zeit mit Zielübungen zu vergeuden, solltest du dich besser mal um meine Wäscherei in Kleve kümmern!''
''Ruhig Blut Wolke, bin dabei. Ist in Arbeit!''
Warum dem Alten bei Galon ständig die Galle überläuft, liegt in dessen evolutionärem Verlauf begründet. Nicht das mit dem Planeten etwas nicht in Ordnung wäre, nein, den hat der Alte wirklich gut hinbekommen. Die kalten Regionen sind auf ihm genau dort, wo eh niemand wohnt und die warmen Gegenden liegen auf Wolkes Anregung hin fast alle, abgesehen von ein paar Wüsten, in den Tropen. Ein Mond, hübsch anzuschauen und in ausreichender Größe zur Stabilisierung der Planetenachse, kreist ebenfalls gemächlich um Galon. In einem Anfall von großzügigem Wahn hat der Alte auch noch eine Neigung der Planetenachse zu dessen Ekliptik eingebaut.
''Damit es dort verschiedene Jahreszeiten gibt. Dann merken die Chaoten wenigstens, wenn es Sommer wird und sie ihren Urlaub nehmen können'', erklärt der Alte sein Vorgehen.
''Hast du schön hinbekommen Helge! Ich glaube, das schaue ich mir auch mal an.''
''Bekommst du eigentlich kein schlechtes Gewissen mich hier ständig alleine zu lassen?!''
''Nein. Und übrigens kann Urlaub nur der genießen, wer reinen Herzens ist'', bemerkt seine Schwester.
''Ach papperlapapp Wolke, das ist doch Kokolores!''
Helge ist ständig leicht angesäuert von der Tatsache, dass seine Schwester mit ihren Kolleginnen vom Sternschnuppen-Klub jeden freien Moment nutzt, um 'mal eben' mit Eternity-Airways irgendwo hinzufliegen. Der Alte fühlt sich dadurch massiv übervorteilt, Wolke findet es hingegen große Klasse!
Abgesehen von diesen unbedeutenden Meinungsunterschieden über Sinn und Zweck von Freizeitgestaltung, ist man sich dennoch über Galons gelungenes Design zweifelsfrei einig.
Was da jedoch auf seiner Oberfläche so kreucht und fleucht ist jenseits jeglichen Wohlgefallens.
Es ist auch nicht das 'was' sich dort bewegt, sondern eher das 'wie'.
Dabei hat der Alte es so gut geplant.
''Sportlich und dynamisch sollen sie sein. Belastbar, widerstandsfähig, ausdauernd, zäh und trotzdem elastisch, bescheiden, demütig, aufrecht und ehrlich, gottesfürchtig und im Einklang mit der Natur sollen sie leben'', murmelt der Alte, während er das alles auf seine Agenda schreibt.
''Nun hau doch bitte nicht so übertrieben auf die Sahne, Helge. Das werden ja richtige Gutmenschen. Das bekommen die niemals hin'', mahnt Wolke zweifelnd ob all der Tugenden.
''Nein nein, die schaffen das schon'', erwidert der Alte überzeugt.
Für die nächsten Jahrhunderttausende halten sich die Einheimischen auch buchstabengetreu daran. Sie haben eine voluminöse Lunge entwickelt, um die saubere Luft ihres Planeten zu genießen und zwei kräftige Beine ausgebildet auf denen sie sich problemlos von A nach B bewegen können. Eigentlich läuft alles wie am Schnürchen. Dann geschieht jedoch eines Tages etwas Seltsames. Nach einem ausgiebigen Trinkgelage anlässlich einer örtlichen Geburtstagsfeier, legt sich einer der Teilnehmer einfach auf die erstbeste Parkbank, zur kurzen Entspannung, wie er später behauptet.
Und das ist glatt gelogen!
Erstens:
Der Typ braucht keine Entspannung, sondern muss sich ausnüchtern, weil er sturzbetrunken ist!
Zweitens:
Es gibt zu dieser Zeit noch gar keine Parks auf Galon!
Drittens:
Folglich kann er also auf gar keinen Fall auf einer Parkbank gelegen haben!
Das, was er in seiner benebelten Wahrnehmung für eine Parkbank hält, ist in Wirklichkeit die weit verbreitete Art einer Riesen-Landschildkröte.
Dieses Ereignis wird im Nachhinein als das erste verdeckte Eingreifen Doktor L's in die galonsche Planeten Historie datiert, denn anders kann man sich die nun folgenden Abläufe nicht erklären.
Von den alkoholischen Ausdünstungen des Schläfers in milde Panik versetzt, kommt die Riesen-Landschildkröte langsam aber stetig in Bewegung. Angetrieben von ihrem Fluchtinstinkt, marschiert das arme Tier Stunde um Stunde unermüdlich durch Galons atemberaubende Landschaft. Zwar versucht sie mit unerwarteten Richtungswechseln, (ein bei U-Boot Besatzungen später als ''Irrer Iwan'' bekanntes Manöver), ihren Passagier wieder abzuschütteln, aber Besoffene kleben an Objekten wie ein 'Kalter Bauer' an der Bettdecke. Daher ist der bemitleidenswerten Kreatur leider kein Erfolg vergönnt und so zieht sich die Tortur noch einige Zeit hin. Als schließlich der Morgen graut und die Riesen-Landschildkröte sich langsam mit dem Gedanken anfreundet, für den Rest ihres Lebens mit dem alkoholisierten Einheimischen oben auf ihrem Panzer durch die heimische Flora zu marschieren, (eine schreckliche Vorstellung, denn die Tiere werden in der Regel bis zu 500 Jahre alt.), da geschieht das Unerwartete. Etwas, das sich anhört wie ein durch eine Feinripp-Unterhose gedämpfter Furz, ist zu vernehmen. Danach verspürt die Schildkröte ein leichtes Schaukeln, gefolgt von dem Geräusch panisch auf Schildpatt kratzender Fingernägel. Ein letzter verzweifelter Bremsversuch um das Schicksal doch noch herumzureißen, verursacht jedoch nur ein nerviges Quietschen von Gummisohle auf taufeuchtem Schildkröten Panzer. Dann segelt in erhabenem Flug eine aus nachhaltig angebauten Rohstoffen, handgefertigte linke Flip-Flop Badelatsche am Kopf unseres unfreiwilligen Spediteurs vorbei. Dieser zieht denselben auch sogleich vorsichtshalber zurück in sein gepanzertes Häuschen. Keine Sekunde zu spät, denn es folgt nun die rechte Flip-Flop Badelatsche in der noch der dazugehörige Eigentümer steckt.
Im freien Fall rotiert er einen gekonnten Salto mit anschließender halber Schraube, dann presst ihm der Einschlag ins Moos sämtliche Luft aus seinen Lungen.
Zwei Dinge passieren.
Erstens:
Der Einheimische bleibt derangiert und benommen am Boden liegen, ist seltsamerweise inzwischen wieder völlig ausgenüchtert, kann sich aber an nichts mehr erinnern.
Zweitens:
Die Riesen-Landschildkröte, froh den irren Passagier wieder los zu sein, nutzt die Gunst des Augenblicks, nimmt ihre Beine in die Hand und verschwindet vom Epizentrum des Wahnsinns.
Nachdem der erste Schock überwunden ist und sich sein Zustand wieder auf ein normales Niveau beruhigt hat, lässt der Einheimische seinen Blick in die Runde schweifen. Was er sieht, versetzt ihn in ungläubiges Erstaunen. Er kennt diese Gegend nur zu gut.
Es ist sein Zuhause!
Dies ist der Augenblick, in dem ein neues Kapitel in der evolutionären Entwicklung aufgeschlagen wird. Galon erlebt die Geburtsstunde einer neuen Doktrin, welche von nun an wie folgt lautet:
''Das Ziel ist die absolute Bewegungslosigkeit!''
Die Einheimischen entdecken die Bequemlichkeit. Anstatt ihre Körper mit all seinen hervorragenden Funktionen zu nutzen, verlegen sie sich aufs Faulenzen. Man hat keine Lust mehr auf anstrengende Fußmärsche, sondern sucht jetzt nach alternativen Transportmöglichkeiten.
Außerdem erschleicht sich eine ziemlich schlechte Charaktereigenschaft den Zugang in die Gesellschaft. Die Lüge!
Diese Attitüde wird durch verbale Schönfärberei verniedlicht indem man jetzt ''schummeln'' oder ''mogeln'' als Begrifflichkeit benutzt, aber im Kern bleibt es das Gleiche. Die Einheimischen sind nicht mehr länger aufrecht und ehrlich.
''Boah, mir tun die Füße so weh. Ich kann nicht mehr laufen. Kannst du mich nach Hause tragen'', ist zum Beispiel eine dieser Betrügereien zu jener Zeit.
''Ich hab irre Rückenschmerzen, kann mich nicht mehr alleine auf den Beinen halten'', eine Andere.
Manchmal reicht auch schon ein einfaches ''mir ist jetzt gerade echt nicht gut'', um sich von gutgläubigen Zeitgenossen nach Hause transportieren zu lassen.
Auf Galon entsteht im Laufe der Zeit ein richtiger Beförderungs-Hype.
Schnell wird entdeckt, dass sich bestimmte Tiere dafür bestens eignen. Alles, was einen geraden Rücken hat, ist schon mal prima. Dort kann man nämlich wunderbar darauf sitzen, ohne die Befürchtung zu haben, ständig von da oben abzurutschen. Die Riesen-Landschildkröten ziehen sich zu dieser Zeit geschlossen auf 2 entfernt gelegene Eilande zurück. Die Furcht, von den Einheimischen am Ende völlig verschlissen zu werden, ist die Triebfeder ihres Handelns. Ihnen ist der ausgebrochene Trubel einfach suspekt. Eine ruhige Kugel zu schieben entspricht sowieso eher ihrem Naturell. Das gelingt den Riesen-Landschildkröten auch dermaßen gut, dass sie auf Galon schließlich in Vergessenheit geraten. Einige Jahrtausende leben sie friedlich und im Einklang mit der Natur auf ihren Inseln. Dann jedoch werden sie zufällig von Mitgliedern einer seefahrenden Nation wiederentdeckt. Es handelt sich genauer gesagt um Schiffbrüchige, die schon seit geraumer Zeit auf dem Ozean ziellos umhertreiben und jetzt durstig und hungrig an den Strand besagter Inseln gespült werden. Ohne viel Zeit zu verlieren, fangen sie kurzerhand eine Riesen-Landschildkröte und bereiten sich aus ihr eine nahrhafte Mahlzeit. Da die Schildkröte höchsten Wert auf ein gesundes Leben legt und deshalb immer viel Obst und Gemüse auf ihrer Speisekarte stehen hat, ist sie nicht nur nahrhaft, sondern schmeckt obendrein auch noch besonders hervorragend.
Das ist der Anfang vom Ende, denn von nun an gilt sie als köstliche Delikatesse.
Es dauert wirklich nur einen Wimpernschlag, dann ist die gesamte Population aufgefuttert und der gesamte Exodus damit ad absurdum geführt.
Der Alte beobachtet das Treiben mit zunehmendem Argwohn.
''Die Irren da unten kommen auf ziemlich schräge Ideen. Von mir haben sie das nicht'', betont er leutselig mit einem Seitenblick auf seine Schwester.
Zur gleichen Zeit schlägt sich Doktor L im Labor für Pyrotechnik freudig auf die Schenkel.
''In Anbetracht unserer bescheidenen Einflussnahme muss ich zugeben, dass wir großartige Fortschritte machen. Es gilt jetzt weiter tapfer nach vorne zu schauen und nicht nachzulassen in unserem Bemühen, die Evolution auch weiterhin nachhaltig zu versauen. Liebe Mitarbeiter, die nächste Runde geht aufs Haus.''
Tosender Beifall brandet auf und sofort werden die Gläser mit neuem dampfenden 'Bloody Purgatory' gefüllt. Neue Tänzerinnen schweben an die Polestangen, die kleinen Vulkankegel werden frisch angeheizt und schwere Heavy Metal Musik aufgelegt. In Doktor L's Reich herrscht eine Bombenstimmung.
''Wir werden jetzt Phase Zwei unseres Plans in Angriff nehmen, aber zuerst feiern wir!''