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Esche zu Asche

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Bahlow allein im Sumpf? Alles andere als das. Manches von dem, was er schreibt, kann man ohne lange Suche auf indogermanische Wurzeln zurückführen. Das gerade im letzten Absatz genannte ‚ber‘ zum Beispiel. Julius Pokorny und sein „Indogermanisches Etymologisches Wörterbuch“ laden stets zu erhellenden Sprachexkursionen ein. Natürlich müssen dazu die örtlichen Gegebenheiten passen: so, wie sie früher waren. Bei Mainbernheim trifft das zu, und einige weitere Namen im Umfeld lassen sich zwanglos mit Wasserbegriffen verbinden. Nah bei Bahlow liest sich manches von Jürgen Udolph. Theo Vennemann, beharrlicher Kritiker der Volksetymologie, bricht Lanzen für ihn und schreckt vor dem namenkundlichen Establishment kein bisschen zurück. Köstlich zu lesen seine Kritik der Deutung vieler Ortsnamen durch Reitzenstein.

Drei der eben genannten Wissenschaftler haben wir noch nicht vorgestellt. Julius Pokorny, er starb 1970, lehrte als Keltologe und Linguist an mehreren Hochschulen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz. Er gab 1958 das gerade erwähnte Indogermanische Wörterbuch heraus, welches noch heute Maßstäbe setzt. Jürgen Udolph, 1943 geboren, ist vielen bekannt als der nette Professor von Rundfunk und Fernsehen, der so schön Familiennamen erklärt. Der Slawist forschte zu slawischen und alteuropäischen Gewässernamen und zur Herkunft der Germanen. Bis zur Emeritierung hatte er den einzigen deutschen Lehrstuhl für Namenforschung an der Universität Leipzig inne. Der 1937 geborene Linguist Theo Vennemann lehrte bis zur Emeritierung 2005 an der Universität München. Seine Forschungen gelten den ältesten Namenschichten, in denen er Reste von Sprachen sucht, die vor dem Indogermanischen in Europa gesprochen wurden.

Wasserwörter faszinierten nicht nur Bahlow. Ein anderer Pionier wirkte sogar lange in Würzburg: Hans Krahe. Geboren 1898, lehrte er von 1934 bis 1946 hier an der Universität. Dort gründete er 1942 das Archiv für Gewässernamen Deutschlands, dessen Bestände 1945 vernichtet wurden. Auch zum Namen des Mains forschte er. Er fand heraus: Es gibt in Europa Gewässernamen, die nicht aus indogermanischen Einzelsprachen erklärbar sind. Wir müssen über Grenzen schauen: Der Vergleich ähnlicher, verwandter Namen gibt Auskunft über sprachliche Verhältnisse. Volksetymologie klebt immer nur am einzelnen Namen. Dabei gewährt der übergeordnete Blick mehr Einsicht sogar dort, wo Deutung aus dem Deutschen möglich ist.

Legen wir erst ein paar Erlen um, bevor wir Eschen fällen. Die nämlich halten ein schönes Beispiel bereit für die Beliebigkeit volksetymologischer Namendeutung. Erlabrunn unterhalb Würzburgs am Main taucht Anfang des 9. Jahrhunderts in Urkunden auf: als Harnobrunno und Arinebrunno; erst im 12. Jahrhundert begegnet uns die spätere Schreibung: Erlinbrunnan. Obwohl nun Reitzenstein im Erstbeleg den Harn und Urin erkennt, weist der Name für ihn auf die von Erlen umstandene Quelle. Das ist sie aber – rein sprachlich – erst seit dem hohen Mittelalter. Wie es zum Wechsel kam, wissen wir nicht. Meist steckt ein Kanzleischreiber dahinter, der die alte Schreibweise nicht mehr verstand oder für falsch hielt und sie nach seinem Gutdünken abänderte. Den Erlabrunnern mag das gefallen, die lieber eine Erlenquelle besingen als einen Urinbrunnen. Dabei spricht die alte Bezeichnung im Grunde nur von unreinem Wasser, also erdigem etwa.

Oerlenbach wiederum, zwischen Schweinfurt und Münnerstadt gelegen, heißt anno 953 Orinebach. Reitzenstein rätselt über altnordisches ‚aurr‘: mit Stein untermischter Sand, Feuchtigkeit, Nässe. Was exotisch das Wässrige trifft. Althochdeutsch ‚horuuin‘: sumpfig, schmutzig, kotig kennt er. Sieht aber nicht genannte lautliche Schwierigkeiten. Dabei sind Orinebach und Arinebrunno fast identisch im ersten Wortteil, wenn man den häufigen Wechsel der Vokale im Sinn behält. Es wird halt auch hier ein Matschbach den Namen geliefert haben, wie dort eine Sumpfquelle den Brunnen speiste.

In die Kategorie fallen weiters Erlach und Erlasee. Erlenbach sowieso, in Deutschland nicht gerade selten. In unserm Raum liegt eines Wörth gegenüber am Main, ein anderes oberhalb Lengfurt und Marktheidenfeld. Gemeinhin werden sie alle gleichermaßen erklärt als Orte am Erlenwasser oder am Erlensee, als mit Erlen bestandene Bäche. Ausschließen kann man die Erlen natürlich nicht ohne Weiteres. Bahlow bietet den Bach im Erlicht, in sumpfigem Gelände als Erklärung. Für ihn spiegeln alte Namen äußere Gegebenheiten, beziehen sich auf Wasser oder die Bodennatur. Pflanzennamen wurzeln gelegentlich in Wasserwörtern. Das Erlenbruch bezeichnet gar einen besonderen feuchten Standort, bei dem die Erle einen Leitbaum stellt. Die Erlenbäche greifen im Grunde also beides auf, man darf es nur nicht modern idyllisch sehen. Zumal die Alten das Bruch als gefahrvollen Ort sahen und mit allerlei Mythen und Märchen belegten. Nahe dem Zeubelrieder Moor liegt unser Erlach. Übrigens hieß Wörth ursprünglich ebenfalls Erlebach. Im späteren Namen steckt: ‚wert‘, ein erhöhtes Stück Land in Sümpfen.

Was nun die Esche betrifft, so hatte Bahlow die Baum-Etymologie rasch gefällt. Und Vennemann assistiert ihm ähnlich radikal, indem er an die ‚asc-‘ Namen in Frankreich, Italien, Spanien erinnert. Sie alle gehen auf ein verklungenes Wasserwort ‚asc‘ zurück, das vielleicht noch einen schwachen Nachhall zeigt im schweizerischen Ausdruck ‚ascher‘ für unrein. Denn ‚asc‘ liest Bahlow als Schmutz- oder Sumpfwasser, wofür er eine lange europäische Namenreihe anführt. Die Äsche, ein Fisch, hat ihren Namen vielleicht ebenfalls daher.

Auch in Mainfranken hält man die Esche hoch. Aschfeld wird zum Eschenfeld und Aschenroth zur Eschenrodung. Ganz ebenso ist dann Aschach der Ort am Eschenwasser und Aschaffenburg eine Eschenwasserburg. Bevor wir uns diesen beiden zuwenden, ein kurzes Wort zu Aschenroth, heute ein Ortsteil von Gemünden. Sein Ursprung wird als Rodungsinsel gesehen, entsprechend ‚roth‘ mit roden gleichgesetzt. Urkundlich 1316 erstmals genannt, als Hassenroda, könnte man dies für einen Ort der späten Ausbauzeit gelten lassen. Ein mittelhochdeutsches Wort ‚hasche‘ für Axt soll nun den ersten Wortteil erklären, was zusammen „mit der Axt gerodet“ ergäbe. Das ist Volksetymologie pur. Nun will die lokale Tradition die Gründung gar in die Zeit Karls des Großen verlegen. Vielleicht wohnte man hier sogar noch früher, wir liegen mitten im Altsiedelland. Fernwege zogen durch, lang bevor ein Franke seinen Fuß hierher setzte. Nur ist damit die ordnungsliebende Herleitung perdu. Im Gegenteil wäre dann, ganz unordentlich, das alte Sumpfwort ‚rod‘ zu erwägen.

Aschfeld liegt nicht weit von hier, am Aschbach kurz vor dessen Mündung in die Wern. In einem feuchten Bachgrund also, was der Zusatz ‚feld‘ auch meint, und blickt urkundlich auf zwölfhundert Jahre Geschichte. Heute gehört es zu Eußenheim, und in der Gegend stolpert man gleichsam über älteste Namen. Hier will ich nur an Schönarts erinnern, ebenso ein Ortsteil von Eußenheim. Auf die alte Wernfurt weist noch ein Turmstumpf, kümmerlicher Rest der Burg, die ihn bewachen sollte, hätte der Würzburger Bischof sie nicht sogleich schleifen lassen. Der Altweg diente als wichtige Verkehrsader, nach vielen anderen auch für die frühen Franken. Aber Schönarts heißt nicht etwa so, weil der Landstrich von schöner Art sei. Bevor viele faule Münder den Namen schliffen, lautete er Schonenhart. Den feuchten Wald verlor er, denn das meint hart, bewahrt blieb das Moorwort ‚scon‘, allemal älter als die frühen Franken hier. Der Flurname beschrieb also ein Sumpfgehölz an der Furt. Das kann man sich gut vorstellen, erst recht nach der Renaturierung der Wern.

Nun zu Aschach nahe Bad Kissingen, wo die Aschach in die Saale fließt. Und zu Aschaffenburg, an der Mündung der Aschaff in den Main gelegen. Unbestritten ist die Herkunft der Namen von den jeweiligen Gewässern. Obwohl zumindest bei Aschaffenburg ein früher Deuter anderes erwog: Eine Urkunde des 12. Jahrhunderts nennt eine alte, schon lange völlig zerstörte Burg, die nach dem sie umfließenden Bach ‚Ascafa‘ heiße oder, „wie manche wollen“, nach ihrem Gründer Ascanius. Solch einen sagenhaften Gründer wollen heute nicht mehr viele. Da die früheste Nennung ‚Ascapha‘ lautet, gilt der Gewässername Aschaff als grundlegend. Er enthält die indogermanische Wurzel ‚ap‘, Wasser oder Fluss bedeutend. Ansonsten sehen die einen als Bestimmungswort die Esche; die anderen das indogermanische Wasserwort ‚asc‘, das in der Variante ‚esc‘ für das Keltische als Sumpfwort bezeugt ist. Und so verhält es sich mit Aschach, ebenfalls nach einem Bachnamen, in den alten Urkunden als Asgaha und Ascaha mit vielen Schreibvarianten festgehalten.

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf Escherndorf und Eschau. Dieses liegt im Spessart an der Elsava, jenes am Main, der Vogelsburg zu Füßen. Ältere Lesart sieht hier einen Ort am Eschich, dem Eschengehölz. Da Escherndorf urkundlich 1316 als Eschrichsdorf erscheint, finden wir bei Reitzenstein einen Personennamen Eskerich oder Eschirich. Den entnimmt er aber allgemeinen Namenbüchern. Sein Deutungsvorgänger Peter Schneider sieht ein Dorf des Escherich, ebenfalls ohne Beleg einer solchen Person mit Verbindung zum Ort. Er ist ohnehin wesentlich älter: Mit der prähistorischen Befestigung auf dem Vogelsberg bringt ihn die Forschung in Verbindung, für die er vermutlich Furtort war. Da denken wir lieber an ‚esc‘ oder ‚asc‘, sei es nun als Eschich oder Dorf am Sumpfwasser, passen würde beides. Für spätere Zeit ist ein Fernweg verbürgt, von Würzburg über den Main auf die Hallburg zu. Noch heute erinnern Flurnamen wie Steig und Heerweg an ihn.

Eschau wiederum wird gern als Gründung der Grafen von Rieneck gesehen. Man kann es insofern gelten lassen, als diese hier territoriale Interessen hatten und der Ort für sie wichtig war. Doch auch hier siedelten schon viel früher Menschen. Zudem verlief dort entlang eine Altstraße vom Main her über den Spessart. Falls ein Beleg um das Jahr 1000 den Ort meint, dann lautet der erste überlieferte Name Ascahe. Reitzenstein will darin als ursprünglichen Flurnamen Eschengehölz sehen. Lenken wir die Augen ans Ende des vorletzten Absatzes: Wir sehen fast gleich Ascahe neben dem Gewässer Ascaha stehen. Mir scheint, ein Wasserbegriff erklärt Eschau besser. Erst später eingedeutet wurde die Au, das ist klar. Übrigens mündet ein Aubach gerade bei Eschau in die Elsava.

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