Читать книгу Landratten unterwegs auf der Donau - Bernd Majewski - Страница 6

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Probefahrt

Wir hatten Schlimmes befürchtet.

Aber warum nicht auch mal Glück haben.

Wir können die erste Probefahrt planen.

Ich hatte erfahren, dass man für den Starnberger See eine Sondergenehmigung für eine zweistündige Probefahrt vom Landratsamt bekommen kann. Die wird beantragt und am 11. Mai ist es dann soweit. Wir packen alles ein, was man für eine Probefahrt braucht: Rote Fahne*, Ersatzteile, Werkzeug, Feuerlöscher, Rettungswesten, Pütz*, Leinen und Anker, Zündschlüssel und Ausweise. Paddel haben wir noch keine. Die werde ich bei ebay ersteigern.

Dietlinde hat inzwischen den Bogen raus, mit dem Hänger zu rangieren. In nur 15 Minuten hat sie das Boot auf unserem Parkplatz gedreht und ab geht es zum Starnberger See. Uns wurde eine Slip-Möglichkeit* in der Anlage Ambach genannt. Die fahren wir an, finden sie schliesslich und stellen fest, dass alles sehr eng gebaut ist, so dass wir mit unserem 12 m Gespann nur schwer rangieren können.

* rote Fahne: die schwenkt man, wenn man manövrierunfähig oder in Gefahr ist.

* Pütz = Eimer

* Ein Slip ist eine abschüssige Fahrbahn, die ins Wasser führt.

Bevor wir alle Befestigungen an Boot und Trailer lösen, überzeugen wir uns erst einmal, ob wir da überhaupt ins Wasser kommen würden.

Wir gehen am Steg entlang.

Sehr flach, mehr als flach!

Der Slip ist schmal und äusserst flach. Das ist einerseits gut für unseren Bus, der die 1,6 Tonnen schliesslich wieder aus dem Wasser ziehen soll, aber andererseits kommt das Boot nicht frei, wenn zu wenig Wasser unter dem Kiel ist. Wir messen, und ich wate ins Wasser.

Es wird nicht reichen.

Unsere zwei Stunden Fahrzeit beginnen schon zu laufen.

Ein Passant meinte,

>>versuchen sollten Sie es wenigsten.<<

Nett und unsicher, wie wir jetzt nun mal noch sind, versuchen wir es.

Spannleinen los, das Lichtgestell vom Trailer abgebaut, das muss sein, sonst kann das Boot nicht freikommen, das Haltetau befestigt, damit das Boot nicht allein losschippert, wenn es aufschwimmt und ab ins Wasser.

Der befestigte Slip ist zu Ende und es kommt zwar Kies, aber es fehlt immer noch mindestens ein halber Meter, bis das Boot aufschwimmen würde.

Also wieder raus aus dem Wasser.

Wir sind aufgeregt und enttäuscht.

Nun würden unsere zwei Stunden ablaufen und die 25 € Gebühren verfallen, ohne dass wir eine Probefahrt erlebt hätten.

Glücklicherweise hatte ich die Telefonnummer der Dame vom Landratsamt dabei. Sie ist nett und nennt uns andere Slips, die wir uns anschauen sollten.Wir schauen uns den Slip an der Wasserwacht an.

Ungeeignet. Nur für Könner.

Wir klappern samt Boot die in Frage kommenden Plätze ab.

Dann fragen wir in Bernried an der Bootswerft Fischer nach.

Dort kann man nur kranen* und das kostet auch noch 60 €.

*kranen: Ein Kran hebt das Boot von Trailer ins Wasser

Aber gleich 4 km weiter in Tutzing, da sind die Bedingungen ideal.

Wir vereinbaren mit dem Landratsamt für Freitag früh einen neuen Termin. Wir wollen zwar das gute Wetter ausnutzen, aber nicht erst mittags ins Wasser, weil wir dann sicher keinen Parkplatz mehr für Boot und Trailer bekommen würden und weil wir gut und gern auf Schaulustige verzichten können.

In der Früh ist es noch empfindlich kalt, so dass wir fast alleine sind.

Dietlinde rangiert den Trailer wie ein Profi ins Wasser, ich schiebe und zerre am Boot, bis zur Hüfte im Wasser stehend und schwupp schwimmt es auf.

Ein tolles Gefühl. Unser Boot schwimmt!

Wir haben das mit dem Slippen hinbekommen.

Zwar muss es später wieder rausgezogen werden, aber nun können wir den nächsten Schritt angehen.

Erst mal samt Hund rein ins Boot und nachsehen, was die Stopfbuchse macht. Ohne Fahrt darf kein Wasser eindringen. Mit Fahrt dürfen ein bis zwei Tropfen pro Minute ins Boot laufen.

Kein Tropfen zu sehen.

Die Buchse, die lediglich aus einem schmalen Hanfring besteht und die einzige Dichtung zwischen Innenund Aussenwelle ist, lässt normalerweise immer etwas Wasser durch. Dafür gibt es die Bilge und die Bilgenpumpe. Ein Problem könnte allerdings sein, dass im Bilgenwasser immer etwas Schmierfett mitschwimmt.

Wenn das rausgepumpt wird, könnte es Geschrei von Polizei oder Umweltschützern geben. Öl im Starnberger See!

Das fehlte noch.

Wir hatten einen Tipp bekommen und Spüli in die Bilge gespritzt. Dann gäbe es halt Schaum auf dem See.

Was kann man machen!

Aylinchen macht es sich auf ihrer Decke in der Kajüte bequem. Wir knöpfen die Seitenplanen auf, um Sicht und Luft zu bekommen. Dann lasse ich den Motor an. Beide Batterieschalter an, Dieselhahn auf und Zündschlüssel rum.

Umpf, Umpf, Umpf, tuck, tuck, tuck und schon läuft er.

Kühlwasser sprudelte hinten raus.

Die Kühlwasseranzeige geht aus, es ist alles so wie es sein sollte. Ein paar Mal Gas geben, dann den Vorwärtsgang rein und ab geht´s auf dem spiegelglatten See.

Trotz langsamer Fahrt bildet sich schon eine Bugwelle. Der Motor zieht kräftig und stetig. Vorwärtsgang raus, Leerlauf und aufstoppen.

Die Schaltung geht recht schwer, aber sie funktioniert.

Es gibt einen richtigen Ruck, wenn der jeweilige Gang eingelegt wird.

Der Motor ist kräftig, aber leider auch laut. Bei langsamer Fahrt kann man sich an das Geräusch gewöhnen, aber bei voller Fahrt hebt sich der Bug richtig aus dem Wasser, das ganze Boot vibriert und es ist heftig laut. Also, die volle Fahrtstufe werden wir nach Möglichkeit vermeiden. Die brauchen wir auch nur, wenn wir gegen die Strömung anlegen müssen. Das Ruder ist sehr gross, so dass wenige Drehungen am Steuerrad bereits gute Wirkung zeigen. Das Boot lässt sich gut steuern. Es reagiert sofort.

In den nächsten eineinhalb Stunden tuckern wir über den See.

Vorwärts, rückwärts, Kreise ziehen, es macht richtig Spass.

Alles wird getestet.

Dass Boot liegt nicht gerade im Wasser, sondern hängt etwas nach steuerbord. Wir werden das bei dem Beladen berücksichtigen müssen. 80 Liter Diesel hinten unterzubringen, wie wir das vorhatten, wird nicht gehen. Wir werden die Gewichtsverteilung der Ladung sicher während der Fahrt neu festlegen müssen.

Dietlinde übt bereits Positionsbestimmung. Als alte Autofahrer müssen wir hier im Wasser völlig umdenken. Die Probefahrt verläuft ohne Störung. Der Motor und die Kühlung funktionieren einwandfrei.

Das ist schon mal eine gute Erfahrung.

Das Anlegen am Steg legt Dietlinde problemlos hin.

Nun muss das Boot aber wieder aus dem Wasser raus.

Leider sind nun doch Zuschauer da und es wollen ständig andere Bootsfahrer raus oder rein. Mich macht das nervös. Ein anderer Bootsfahrer, der unseren Slip nutzen will, um ebenfalls sein Boot aus dem Wasser zu ziehen, bietet Hilfe an. Dietlinde rangiert den Trailer ins Wasser. Sie ist auch nervös, denn es klappt erst nach mehrmaligem Hinund zurückfahren.

Ich stehe wieder bis zur Hüfte im Wasser. Der „hilfsbereite“ Bootsfahrer zerrt an der Leine und ich hake das Stahlseil am Boot fest, um es mit der Winde auf den Trailer zu ziehen.

Irgendetwas stimmt nicht!.

Der Bootsfahrer drängelt aber:

>> Ziag o. Ziag o. Geht scho, geht scho.<<

Es knirscht und rumpelt. Irgendetwas ist nicht richtig, aber ich traue mir kein eigenes Urteil zu und ziehe an. Das Boot scheint tatsächlich mit dem Bug in die richtige Position zu kommen, aber diese Geräusche beim Ziehen! Grauenhaft!

Auf Zuruf fährt Dietlinde den Bus samt Trailer und Boot langsam aus dem Wasser. Die Antriebsräder drehen durch, aber er schafft es. Wasser läuft ab, alles ist nass, aber das Boot ist wieder auf dem Trockenen.

Ein Rundgang um den Trailer zeigt, dass tatsächlich etwas ganz Wesentliches nicht richtig ist.

Der Kiel sitzt nicht auf den Laufrädern, sondern daneben.Vorn sind Gummiräder, die als Führung dienen sollen. Die waren schon vorher etwas beschädigt, das wusste ich wohl, aber jetzt ist eines gebrochen. Eine scharfe Kante drückt auf den Bootsrumpf und dellt ihn ein.

Scheibenkleister.

Das Boot muss schnellstmöglich wieder ins Wasser, um das Gewicht von den kaputten Gummirädern zu bringen.

Verunsichert wie wir sind, lassen wir erst den anderen Bootsfahrer sein Schiffchen an Land ziehen. Der “kluge” Kollege gibt noch ein paar flotte Sprüche von sich und verschwindet.

Boot samt Trailer also wieder ins Wasser. Dietlinde fährt den Bus weit hinein. Aber das Boot will und will nicht freikommen.

Noch tiefer rein.

Wieder nichts.

Ein anderer Kollege hilft ziehen.

Es geht nicht.

MS-Ismaning will nicht vom Trailer freikommen.

Noch tiefer rein.

Unser Bus klingt inzwischen wie ein Motorboot. Der Auspuff ist unter Wasser, der halbe Bus ebenfalls, trotzdem rührt sich das Boot keinen Zentimeter. Alles Rucken und Schieben hilft nichts. Raus, nichts wie raus aus dem Wasser, ehe uns auch noch der Bus absäuft.

Qualmend drehen die Antriebsräder durch, dann kommt er langsam aber sicher wieder auf´s Trockene. Wasser läuft ab, ich mache die Schiebetür auf und ein ganzer Schwall kommt mir entgegen. Der Busboden hat bis zur Mitte unter Wasser gestanden. Das würde trocknen.

Aber was ist mit dem Boot?

Das können wir nun auf den ersten Blick sehen. Die scharfe Kante des gebrochenen Gummirades war, während wir nett darauf warteten, dass der kluge Kollege sein Schiffchen aus dem Wasser zog, ins Boot eingedrungen.

Wir haben ein mindestens faustgrosses Loch im Rumpf.

Schöner Schlamassel.

Gleich beim erstem Mal, so ein Mist.

Dietlinde hatte mich am Tag zuvor noch gewarnt und wollte kranen lassen. Ich habe argumentiert, dass wir das Slippen schliesslich lernen müssten.

Guter Rat ist teuer. Das lernen wir nun wortwörtlich.

Hätte, würde, könnte, wenn.

Das hilft nun auch nichts mehr.

Probefahrt gut, aber Boot kaputt.

Herrje.

Ich hatte wohlweislich die Telefonnummer der Bootswerft gleich um die Ecke dabei. Was ist zu tun? Einen Kran bestellen, um das Boot richtig auf den Trailer zu stellen?

Es war inzwischen Freitag Nachmittag.

Alles stehen lassen und am Montag weitermachen?

Das geht nicht, denn andere Bootsfahrer wollen auch slippen und hätten sicher kein Verständnis dafür gehabt, wenn wir mit unserem Gespann die Wege blockieren.

Herr Fischer von der Bootswerft meinte:

>>Macht das Boot auf dem Trailer fest und kommt vorsichtig und langsam zur Werft.<<

Was bleibt uns anderes übrig.

Wir schleichen mit unserem Gespann die Strassen entlang und kommen schließlich bei der Werft an. Dietlinde muss wohl sehr unglücklich dreingeschaut haben, denn Herr Fischer meint mitfühlend:

>>Das kann man alles richten.<<

Er schaut sich das Loch an, schüttelt den Kopf, wie man das halt so macht, wenn man über den Preis nachtdenkt und meint:

>> Sieht böse aus. Da kommt man nur schwer ran. Eine sehr ungünstige Stelle.<<

Als ob es bei einem Boot, an dem alles rund und winkelig ist, überhaupt Stellen gibt, an die man leicht ran kommt.

Kann man es richten oder nicht?

Man kann.

Und was kostet das?

>>Ja, nun, da werden wir wohl mindestens 10 bis 12 Stunden zu tun haben. Mindestens.<<

>>Butter bei die Fische: Was wird das kosten? <<

>>Unter 500 € geht da nix.<<

Wir einigen uns auf die 500 € und legen den Termin fest. Vor dem 22. Mai wäre aber nicht daran zu denken.

Traurig rangiert Dietlinde den Trailer trotz allem perfekt in einen Bootsparkplatz ein. Wir gönnen uns sehr bedröppelt einen Kaffee im nahegelegenen Restaurant und schauen auf die Anlegestelle, an der auch wir das Anlegen für den Führerschein geübt hatten.

Ob wir diese Reise noch wollen?

Das muss erst Mal überschlafen werden.

Wir wollen!

GFK-Boote sind zwar starr, also sehr stossempfindlich, können aber relativ problemlos wieder geflickt werden. Drei Wochen später übergibt uns Herr Fischer von der Werft ein sauber repariertes Boot. Ein paar gebrochene Schrauben am Trailer werden noch erneuert, dann könnten wir fahren. Leider sind die kaputten Gummirollen noch nicht ersetzt. In Starnberg gibt es zwar einen Trailerbauer, der hat aber solche Rollen nicht.

Natürlich nicht.

Unser Trailer ist Baujahr 1979!

Also wird eine Holzplatte provisorisch zwischen Boot und defekten Rollen geklemmt und los geht es.

Nun wissen wir, dass Slippen mit einem alten VW-Bus doch nicht so unproblematisch ist. Daher beschliessen wir, uns einen Hafen im Rhein-Main-Donau-Kanal zu suchen. Rein ins Wasser ist noch relativ einfach, aber raus – wie gelernt – offensichtlich nicht.

Wenn man von Bernried über Weilheim zur Autobahn will, fährt man bis Weilheim ein kleines Strässchen entlang und muss unter einer Brücke durch, die mit 3,20 m Durchfahrtshöhe angegeben ist. Wir sind da zwar schon mal gefahren, haben aber überhaupt nicht daran gedacht, dass unser Boot möglicherweise höher als 3,20 m sein könnte.

Wir kommen durch, aber nur weil Mast und Antennen runtergeklappt waren. Nachträglich haben wir nachgemessen: 2,98 m ohne Mast und Antenne.

Ganz schön knapp.

Landratten unterwegs auf der Donau

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