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1. Kapitel Die Anomalie

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Dallas, 08. Juli 2017, neun Tage vor der Alphastabilität

Katastrophen geschehen nicht einfach, sie sind das Resultat einer Verkettung unglücklicher Umstände. Dies sollte auch Jack Burton, Oberarzt und stellvertretender Direktor des Jefferson Health Medical Centers in Dallas, bald erkennen.

Burton hatte seit vierunddreißig Stunden keinen Schlaf gefunden und das Krankenhaus mehrere Tage nicht verlassen. Trotz der Strapazen war ihm die Anspannung nicht anzusehen, da er selbst unter Stress eine gleichbleibende Freundlichkeit vermittelte, für die ihn seine Kollegen schätzten. Nun jedoch begann ihn eine aufsteigende Kälte zu schütteln, die ihn immer dann heimsuchte, wenn er lange nicht geschlafen hatte.

Assistenzarzt Phileas Wuthering blickte verzweifelt auf Burton, der sich das Stethoskop aus den Ohren riss.

»Schon wieder ein neuer Fall, die Notaufnahme schafft den Ansturm nicht mehr«, sagte Wuthering.

»Decken Sie den hier zu Phil, ich werde es mir mal anschauen.«

Der stellvertretende Direktor, so wurde Jack Burton von den meisten Mitarbeitern genannt, genoss den Ruf eines Pedanten. Er hasste es, improvisieren zu müssen, obschon gerade deshalb ein Ausnahmezustand bei ihm vermutlich besser organisiert wäre als so manch andere Klinik im Regelbetrieb. Doch selbst Burton wusste nicht mehr, wie die eskalierenden Ereignisse unter Kontrolle zu bringen waren. Der Ansturm von Kranken und Verletzten sprengte alle Kapazitäten der Klinik. Burton fasste in seine Jackentasche, in der er sonst immer sein Notizbuch trug. Seit dem Studium war es ihm zur Gewohnheit geworden, jede Überbelegung mittels Strichlisten detailliert festzuhalten. Er tat dies schon deshalb, um möglichen Abweichungen vorzubeugen und einen peinlichen Mängelzustand erst gar nicht entstehen zu lassen. Jetzt fassten seine Hände ins Leere. Das Buch hatte er schon vor Tagen zur Seite gelegt, zu einem Zeitpunkt, als er aufgehört hatte, die Toten zu zählen. Schließlich deckte er selbst das weiße Laken über den vor wenigen Minuten Verstorbenen, hastete über den Flur und besprach sich mit seinem Assistenten Wuthering, der ihm über den Verbindungsgang zur Ambulanz folgte. Wuthering trat ans Fenster und blickte hinaus auf die Schlange von Unglückseligen, die es noch geschafft hatten, sich bis zur Klinik zu schleppen.

»Jack, gucken Sie sich das an. Wir müssen Chrichton informieren, jetzt!«

»Wahrscheinlich ahnt der Alte schon, dass wir zumachen sollten.«

»Ach, er weiß es doch längst. Machen wir uns nichts vor. Kein Bett frei und in der Notaufnahme stehen sie bis auf die Straße«, fasste Burton zusammen.

Der Oberarzt stemmte die Hände an die Hüften und sagte: »Klar weiß er das, aber er muss es schließlich auch anweisen. Für mich ist es eine ausgemachte Sache. Gerade jetzt, wo die Medien heißlaufen.«

»Warum zögert Chrichton?«, wollte Burton wissen.

»Er wird sich fragen, wo die Menschen hin sollen. Alle Stationen in Dallas sind überfüllt. Und das nicht erst seit gestern.«

»Okay, ich werde mit ihm reden.«

Burton versuchte, den Betten und Infusionsständern auf dem Gang auszuweichen. Den mit Verbandsresten übersäten Flur ignorierte er, denn die zunehmende Dramatik im Klinikbetrieb ließ ihn in eine Art Lethargie abdriften, so als wäre ihm das Chaos in den Gängen der Klinik schon zu einer lästigen Gewohnheit geworden. Er würde sich nie daran gewöhnen, das wusste er. Zwar hatte er über die Jahre eine Distanz zum Klinikalltag entwickelt, einen funktionierenden Selbstschutzmechanismus, doch blutverschmierte Körper, Hilferufe oder die in ihrer Totenmaske erstarrten Gesichter jener, die den Kampf verloren hatten; all das würde immer eine Reaktion in ihm auslösen.

Ihn schauderte. Es bereitete ihm Schmerzen, die verzweifelten Blicke seiner Untergebenen ignorieren zu müssen, die sich zwar aufopfernd, aber mehr und mehr resignierend dem Ansturm der Kranken entgegenstellten. Burton erreichte die Notaufnahme. Dort warteten Überfallopfer aller Altersklassen mit unterschiedlichsten Verletzungen. Das Sicherheitspersonal stieß die Drängelnden zurück, während eine Ärztin versuchte, die besonders schweren Fälle zu identifizieren.

»Versucht, möglichst viele ambulant zu versorgen! Jennifer, ich brauche Sie gleich drinnen. Lassen Sie sich ablösen.« Oberarzt Burton verschaffte sich noch einen Überblick über die Versorgungssituation, bevor er im Hauptgebäude auf Stationsschwester Kathie traf.

»Fahren Sie die letalen Abgänge runter, wir brauchen Platz für weitere Patienten«, rief Burton ihr zu. Sie schickte sich an, die Toten, die mittlerweile den Platz auf den Stationen weiter einschränkten, in den Keller zu verfrachten.

»Jack, die Auswertung der Analysen über die neu Eingelieferten ist da.«

»Und?«

»Wie bei den anderen. Blutwerte abnorm, hohe Leberwerte und auch wieder die unbekannte zyklische Kohlenstoffverbindung.«

»Und die Glycoside?«

»Die haben wir wieder nur bei den Aggressiven gefunden.«

»Wie sieht’s mit den Barbituraten aus?«

»Wir kriegen sie nicht mehr ruhiggestellt. Diazepam, Barbital, nichts schlägt an! Nur bei einigen Valnoctamid!«

»Probieren Sie es mit Tiophental«, entgegnete Burton. »Zumindest jammern sie nicht. Nicht mal bei Frakturen. Also sehen Sie das Ganze nicht so schwarz.«

Kathie wusste es besser. Die Aggressiven, deren Blicken wenig Menschliches innewohnte und die in ihrem Ausdruck eher an Raubtiere erinnerten, die ihre Beute fixierten, fristeten mit Stricken an Betten fixiert ihr Dasein. Die mit Ledergurten versehenen Standardeinrichtungen der Klinik reichten dazu längst nicht mehr aus. Kathie schilderte die zunehmende Angst unter dem Personal.

»Das mit Jane ist doch kein Einzelfall. Die werden immer unberechenbarer. Erst denkt man, sie sind ruhig, und dann drehen sie plötzlich durch.«

»Es ist nur vorübergehend«, versuchte Burton zu beschwichtigen. »Irgendwann muss es ja mal aufhören.«

Hoffnung war für Burton etwas, das er nie aufgab, aber auch er vermochte sich der Realität nicht zu entziehen. Beide Patientenkategorien würden zwar für sich genommen keine Besonderheit darstellen, wenn nicht in den zurückliegenden Wochen die Registrierung gleichartiger Fälle in den Großstädten nahezu explosionsartig zugenommen hätte. Noch hielten die Ärzte den Krankenhausbetrieb mit Durchhalteparolen aufrecht, aber sie ahnten nicht, dass die Situation schon bald weiter eskalieren sollte.

Burton prüfte die Blutproben und steckte sie in die Kühltasche. »Schicken Sie die Ergebnisse zum Ministerium! Die hatten gestern schon angefragt. Ich will jetzt endlich wissen, was hinter der ganzen Sauerei steckt.«

»Es gibt neue Erkenntnisse. Ein Professor Feilgruber in Genf hat sich zu den toxischen Befunden geäußert«, erklärte Wuthering.

»Und was sagt er?«

»Seiner Meinung nach sind es Abbauprodukte bekannter Substanzen. Eine Art Aufputschdroge mit psychopathogenem Effekt.«

»Also doch etwas Synthetisches?«Burton schien überrascht.

»Die Analysen sind nicht abgeschlossen. Sieht aber aus, als hätten wir es mit einer Epidemie von Drogenkonsumenten zu tun.«

Burton drückte Wuthering die Tasche mit den Blutproben in die Hand. »Junkies? Sie machen Witze …«

»Keine Ahnung. Eine offizielle Stellungnahme vom Ministerium gibt’s nicht. In den Berichten über die Unruhen hab’ ich noch nichts gehört. Irgendwie mauern alle Beteiligten.«

»Was die rausgeben, ist doch eine Farce. Wie immer halten sie die Informationen zurück!«, echauffierte sich Burton.

»Sie verharmlosen. Erst halten mal wieder Statistiken her, um die Zusammenhänge zu verschleiern, und wenn’s scheibchenweise rauskommt, hat es nachher keiner gewusst.«

»Wenn das stimmt mit den Junkies, ist das ein dickes Ding!«

Kathie Flannegan absolvierte bereits die zweite Schicht hintereinander. Die im vierten Monat Schwangere hatte sich zwar nur wenige Pausen gegönnt, allerdings unterstützten sie ihre Kolleginnen nach Kräften, sodass Kathie der Meinung war, die Arbeit auch unter diesen Bedingungen leisten zu können.

Ihr Patient lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Sein Schädel war kahl rasiert und die mit Klebeband befestigte Mullbinde bedeckte eine tiefe Platzwunde, die bis auf den darunter liegenden Knochen reichte. Blut sickerte in den Verband. In den überfüllten Krankenzimmern war kein Platz für weitere Neuzugänge. Deshalb schob Kathie den Bewusstlosen in den angrenzenden Reinigungsraum. Das Bett fand in der Kammer neben Schrubbern und Putzeimern Platz.

Den Füllstand prüfend, stach Kathie die Nadel für die Infusion durch die Gummimembran der Glasflasche. Wie tausende Male zuvor befestigte sie auch diesmal den Glasbehälter mit der Flüssigkeit an der Halterung des rollbaren Ständers. Der Patient lag regungslos auf dem Bett. Von ihm abgewandt, bemerkte Kathie nicht, wie sich für wenige Sekunden die Lider seiner Augen hoben. Seine linke Hand begann sich um die Stahlumrandung des Bettes zu krallen. Während Kathie den rechten Arm des Patienten anhob, ertasteten ihre Finger den Puls. Wie sonst auch nahm sie den Blutdruckmesser zu Hilfe.

»Na komm schon«, murmelte sie und erwartete ungeduldig das Ergebnis. Dem Instrument nach zu urteilen, zeigte der Blutdruck keine Auffälligkeiten. Nur für den Puls, der um etwa vierzig Schläge je Minute über dem normalen Takt schlug, hatte Kathie keine Erklärung.

Ein Zucken unter dem Laken, das die Beine des Patienten bis zum Bauchnabel bedeckte, erregte Kathies Aufmerksamkeit. Prüfend zog sie mit ihrem Daumen ein Augenlid des Patienten hoch und blickte in eine starr geweitete Pupille mit rot unterlaufener Iris. Sie testete die Reflexe, aber die Stimulation der Reflexzentren zeigte keinerlei Wirkung.

»Warum ist das so, verdammt?«, murmelte sie zu sich selbst. »Irgendetwas mit der Steuerung des Körpers scheint durcheinander.«

Die Stationsschwester kritzelte mit einem kleinen Stift noch einige handschriftliche Aufzeichnungen auf das Display ihres Computers, der aussah wie ein zu groß geratenes Telefon. Dann schickte sie die Daten an den Funkchip in der Patientenkarte am Fußende des Bettes. Währenddessen fiel hinter ihr die Tür ins Schloss. Von draußen auf dem Krankenhausflur drang das hektische Öffnen und Schließen von Türen an ihre Ohren. Die zugeschalteten Absauganlagen in den angrenzenden Versorgungsräumen, die seit Wochen die Geräuschkulisse einer Werkhalle verbreiteten und in der Enge der Kammer nun umso lauter dröhnten, ließen sie aufhorchen. Von der werdenden Mutter unbeachtet, öffnete der Patient in diesem Augenblick seine Augen. Sie schlossen sich wieder, als Kathie sich seinem Brustkorb näherte. Auch das verräterische Beben der Nasenflügel verflachte. Kathie nahm ihr Stethoskop und setzte es auf die mit kaltem Schweiß bedeckte Brust des Mannes. Sie horchte. Er atmete ruhig. Kathie griff zum Mobiltelefon und wählte die Nummer von Doktor Burton.

Noch während sie die Kühle des Hörers an ihrem Ohr spürte, vernahm sie im Hintergrund das monotone Vibrieren der Klimaanlage. Kalte Luft strömte in ihren Nacken und mit den ersten Anzeichen einer Gänsehaut begannen sich die Härchen ihres Unterarms aufzurichten.

Die Krankenschwester hatte die Verbindung hergestellt, am anderen Ende der Leitung meldete sich Burton.

»Jack, ich habe den Neuzugang auf der Vierundvierzig untersucht. Hoher Puls, keine Reflexe, aber tonische Krämpfe und leichte Zyanose. Was soll ich ihm geben?«

Kathie war ins Gespräch vertieft. Sie bemerkte nicht, wie sich der Oberkörper des Mannes im Hintergrund aufrichtete. Sein Gesicht verfinsterte sich, während er auf ihren Rücken starrte.

»Ich werde ihn mir selbst ansehen«, tönte die Stimme des Doktors durch das Mobiltelefon.

»Gut, ich habe ihn in der …«Sie stockte, denn sie nahm ein rasselndes Atemgeräusch in der Nähe ihrer Schulter wahr.

Mit einem Schrei ließ sie das Telefon fallen. Instinktiv verschränkte sie die Handflächen vor ihrem Gesicht. Ihr Versuch, zurückzuweichen, wurde durch die Hand des Fremden verhindert. Der Arm schnellte federgleich vor und packte sie an Kittel und Schulter. Ein röhrender unmenschlicher Schrei aus der Kehle des Mannes erfüllte die Kammer. Katie erschauderte. Sie sah, wie die Hand auf ihren Hals zuschnellte, um sie mit eisernem Griff zu packen. Gleichzeitig barsten die Fesselungen am Unterschenkel des Patienten, sein muskulöser Körper erhob sich von der Liege.

Kathie blieb keine Zeit, einen weiteren Schrei auszustoßen, der bereits auf ihren Lippen lag. Zu eisern war der Griff um ihre Kehle, der ihr die Luft zum Atmen abschnürte. Die Blutzufuhr an ihrer Halsschlagader wurde durch die Umklammerung verringert, und die Bewegungen, mit denen sie versuchte, mit der Hand irgendeinen Gegenstand zu fassen zu bekommen, glichen bereits denen einer Ertrinkenden, die sich in Todesangst an etwas zu klammern suchte.

Der Krankenschwester schlug ein widerlicher Gestank entgegen. Das zu einer Fratze entstellte Gesicht des Mannes näherte sich Katies Wange, sodass sie noch den fauligen Atem des Angreifers roch, bis ihre Sinne zu schwinden begannen. Sie starrte auf die weiß verfärbte Zunge auf blaubeerfarbenem Grund, die sich zwischen den nikotinverfärbten Zahnreihen hindurch auf die Lippen schob. Auch der Rachen schimmerte violett. Kurz vor der Bewusstlosigkeit glaubte sie noch, einen sich verjüngenden Tunnel voller Nebelschwaden zu erahnen, während es ihr zunehmend unmöglich wurde, ihre Umwelt wahrzunehmen.

Der muskulöse Mann packte schließlich den Besenstiel, nach dem Kathie vergeblich gegriffen hatte. Mit nur einer Hand knickte er ihn in der Mitte durch, sodass das Holz des Stiels wie ein Streichholz splitterte. Der Stoß, mit dem der Angreifer Kathie das spitze Ende des Stiels unterhalb des Brustbeins in den Körper rammte, erfolgte blitzschnell. Ihre Augen halb geschlossen, wurde sie von dem Holzspeer an die Wand geschleudert. In dem Augenblick, als sie der Speer durchdrang, riss sie die Augen wieder auf, obwohl sie nicht einmal verstand, was passiert war.

Den Schmerz fühlte sie lediglich als warme Welle, die ihren Körper durchflutete. Sich ihr eigenes Ende unter diesen Umständen vorzustellen, hätte sie vor allem mit der Vorstellung von unerträglichen Schmerzen konfrontiert. Nun aber war es eine gnädige Laune der Natur, die Kathie den Schmerz gar nicht erst wahrnehmen ließ. Es fühlte sich an, als würde eine Meereswoge sie sanft anheben und den Kontakt mit dem Boden verlieren lassen. Das alles geschah in dem Moment, als ihr das mit Adrenalin und körpereigenen Morphinen überschwemmte Gehirn noch das Gefühl eines sich vor ihr schließenden Vorhanges suggerierte, kurz bevor ihr Kreislauf endgültig aussetzte. Blut rann von ihren Lippen und benetzte ihren Kittel, ihr Lebenssaft färbte den Stoff aus lindgrüner Baumwolle dunkel.

Im Augenblick der Bewusstlosigkeit erschlaffte ihr Körper. Ihre Augenlider schlossen sich, als sie am ausgestreckten Arm ihres Peinigers zu Boden glitt. Sie bemerkte nicht mehr, wie das Türblatt an ihren Körper stieß und der Mann, der sich nunmehr zur vollen Größe aufgerichtet hatte, sie achtlos am Boden zur Seite drückte, als er das Zimmer verließ.

***

Zur selben Zeit fünfundsiebzig Meilen über den Bahamas

Shuin Sparks beobachtete durch das Visier seines Raumanzugs das nur sehr langsam zurückgleitende Dach des Spacegleiters, hinter dem die blauschwarze Nacht des Alls lautlos auf ihn wartete. Sparks saß nahezu in Liegeposition inmitten der Kapsel, eingepfercht in einen ergonomisch gestalteten Sitz aus Carbon. Die Rohrkonstruktion, aus einer Legierung aus Magnesium und Titanaluminid bestehend, glänzte blasssilbern. Sie diente dem Sitz zur Fixierung, erweckte aber trotz zahlreicher Stabilisierungsstreben einen eher zerbrechlichen Eindruck. Endlich würde der langersehnte Sprung erfolgen. Die Instrumente, die am Armgelenk oberhalb seiner Handschuhe in den High-Tech-Anzug integriert worden waren, zeigten Ready. Sparks erwartete die Absprungfreigabe. Sie würde kontrolliert durch die Bodenstation über eine grüne Farbanzeige erfolgen, die seit wenigen Minuten in fahlem Rot pulsierte.

Erst der Farbwechsel der Signalleuchte würde seine Glieder auch aus der Umklammerung der Sicherheitsbügel freigeben. Es wäre der Schlusspunkt der Transportphase in siebzig Meilen Höhe, die von der Bodenstation als Package-Flight bezeichnet wurde. Aber noch wurde sein Körper durch das ihn umgebende Plexiglaskorsett und den metallisch glänzenden Gurt zurückgehalten, der seine Brust und die Beine wie eine zweite Haut umschloss. Das Signal zum Absprung stand allerdings unmittelbar bevor, denn die Konstruktion der Abdeckung aus feuerfestem Spezialkunststoff hatte sich bereits einen Spalt weit geöffnet.

Sparks legte für eine Sekunde den Kopf in den Nacken, schnaufte durch und genoß seinen Erfolg. Der Ausnahmestudent, der sein Studium der Kernphysik aufgrund eines Stipendiums an der Eliteuniversität Berkeley durchführte, fieberte bereits seit zwei Jahren dem Sprung entgegen. Es war eine ungeahnte Erleichterung gewesen, als man ihm die Auswertung der Tests mitgeteilt hatte, aus denen er allein als Sieger hervorgegangen war. Nun war sein Triumph vollkommen. Sich an den Ausbruch der Freude erinnernd, näherte er sich dem Höhepunkt seiner wochenlangen Vorbereitung, für die er so viele Tage im Space-Jump-Vorbereitungszentrum des seinen Sprung finanzierenden Unternehmens Omega Dive zugebracht hatte.

Der Sprung selbst würde bis zum Erreichen des Erdbodens über dreißig Minuten dauern. Knapp dreißig Minuten freier Fall, denen einige Minuten Schwerelosigkeit vorausgehen würden. Das Geräusch des Einrastens der Sicherungszapfen in der Abdeckung drang an seine Ohren. Der Vierundzwanzigjähige reflektierte in seiner Erinnerung die Gespräche um den Werbeeffekt, den Omega Dive über die Massenmedien auszuschlachten wusste. Weit entfernt auf der Erde verstand es das Unternehmen bereits jetzt, Technologie als Freizeitvergnügen in bare Münze umzuwandeln, denn eine Schar ausgewählter Interessenten verfolgte den Sprung in einer eigens eingerichteten Vip-Lounge zusammen mit den Investoren gegen ein nicht grade geringes Entgelt. Jetzt kostete Sparks das erhebende Gefühl des Jungfernflugs aus, der in diesen Augenblicken für gutbetuchte Abenteuersuchende in Szene gesetzt wurde.

Die Leere des Alls rief in ihm die Erinnerungen an die sternklaren Nächte in Berkeley wach. Als Student hatte er sich am nicht weit entfernten Ufer des San Pablo Reservoirs aufgehalten und im Gras liegend stundenlang in den Himmel geblickt. Schon damals hatte er versucht, sich einen Fallschirmspringer vorzustellen, der aus großer Höhe die Erdoberfläche betrachtet. Jetzt allerdings war es ganz anders als in seiner Vorstellung. Jetzt nahm er die Sterne durch das doppelte Visier seines mit Carbonfasern verstärkten Kevlarhelms wahr, die seine Umgebung durch den Filtereffekt einer Goldbeschichtung in ein fahles Gelb tauchte. Andere Fixpunkte gab es nicht.

Endlich öffnete sich auch die Halterung des Brustgürtels. Sparks zögerte. Erst jetzt, in einer gewaltigen Inszenierung durch die Neigebewegung des Gleiters, geriet der Planet kopfüber in sein Blickfeld. Grün leuchtete die Anzeige Go. Einige Sekunden ließ er sich durch das atemberaubende Schauspiel beeindrucken, auf das er so lange gewartet hatte.

Noch tags zuvor, als er von Mitarbeitern auf dem Abfluggelände von Omega Dive in Florida in den silberglänzenden Gleiter befördert worden war, kannte Sparks den Anblick aus dem Weltall lediglich von Fernsehaufnahmen oder Bildern virtueller Space-Jump-Animationen, die er bereits als Jugendlicher in sich aufgesogen hatte. In den Abbildungen erschien ihm die Erde als zweidimensionale Scheibe, der er wenig Aufmerksamkeit schenkte. Schon damals glaubte er zu ahnen, dass ein Weltraumsprung einmal zu einem seiner Lebensziele werden würde.

Nun hielt er einige Sekunden lang inne, berührt von dem Schauspiel, dessen Schönheit und majestätische Erhabenheit ihm bis zu diesem Augenblick verwehrt geblieben war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er die Erde eigentlich für unspektakulär gehalten, als seine Heimat irgendwo in der Michstraße, auf der es sich zwar angenehm leben ließ, die er jedoch gleichzeitig als eine selbstverständliche Einrichtung der Natur empfand. Erst jetzt, nachdem sich sein Traum zu erfüllen begann, nahm er sie als jene wundersame blaue Kugel wahr, deren Anblick ihn atemlos machte. Eine, aus der Ferne betrachtet, einzigartige Diva im Planetensystem des Alls. Gebannt blickte er auf den unbeweglichen Ball, dessen Wölbung sich im Horizont über ein schwachglänzendes Lichtband in der dahinterliegenden Schwärze des Alls verlor.

Unten auf der Erde, auf dem Gelände von Omega Dive, lief unterdessen die Liveübertragung. Dem ausgewählten Publikum eröffneten sich in diesen Augenblicken atemberaubende Bilder des Weltalls, begleitet von Sparks Ansprache.

»Glaubt ihnen nicht«, sprach er die Worte ins Mikrophon, die er zuvor auswendig gelernt und immer wieder geprobt hatte.

»Glaubt ihnen nicht, wenn sie euch erzählen wollen, wie sie von hier oben aussieht. Vergesst es. Vergesst alles, was man euch erzählt hat. Es ist anders. Ganz anders. Es ist viel größer, viel beeindruckender – Ihr werdet es selbst erleben.«

Im Augenblick, als die Leuchtanzeige von rot auf grün wechselte, wusste Sparks, dass dies das Startsignal zu einem Ziellauf bedeutete, auf den er so lange hingearbeitet und auf dessen Realisierung er lange Zeit nicht in seinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte. Jetzt war es für ihn Wirklichkeit geworden. Sparks schwelgte in Gedanken, die er bereits tausende Male, wie ein nicht enden wollendes Déjà-vu‚ wieder und wieder durchlebt hatte. Würde es sich anfühlen wie ein Fallschirmsprung, wie er ihn so oft in den Zeiten seines Dienstes bei der Army absolviert hatte? Die Erdanziehung, die ihn wie durch das Saugrohr eines Staubsaugers in die Tiefe ziehen würde, wirkte erst einige Meilen weiter unten, deshalb würde er Minuten in völliger Schwerelosigkeit genießen können.

Sein Ziel einer sanften Erdlandung schien für ihn jedoch noch in unerreichbarer Ferne. Lautlos stieß er sich ab und glitt Zentimeter für Zentimeter über die Schwelle seines Sitzes hinaus in die Schwärze des allumfassenden Vakuums. Sekundenlang fühlte er Zufriedenheit, als fände er zwischen zwei Welten durch ein nicht näher zu erklärendes Gleichgewicht einen schwebenden Ausgleich. Tief atmete er durch seinen Helm das vorbereitete Luftgemisch ein. Das All vermittelte ihm ein Gefühl von absoluter Ruhe und Entspannung, wie in grenzenloser Macht über den Dingen zu schweben, um doch auch im selben Augenblick jene unendliche Hilflosigkeit zu fühlen, die das Wissen um die lebensfeindliche Umgebung in ihm erweckte.

Jetzt belächelte er seine Vorstellung eines mehr oder weniger gigantischen Fallschirmsprungs. Es war anders, majestätischer und glückserfüllender, als er es sich je hätte ausmalen können.

Ohne die Verbindung einer rettenden Leine, die ihn bei einer Fehlfunktion seines Anzuges wieder in die schützende Umgebung der Kapsel hätte bringen können, ließ er sich durch den Schwung des Absprungs zur Erde hin in waagerechter Position hinaustragen.

Sparks vollführte eine Rolle vorwärts, ein sanftes Drehen in Zeitlupe um die eigene Achse und richtete sich dann mit Hilfe der Instrumente in eine Schräglage zur Erde aus. Die Positionskorrektur erfolgte über Pressluftdüsen, die den jeweiligen Neigungswinkel zur Erde ausbalancierten.

Die Anziehungskraft war in dieser Höhe nicht zu spüren, aber dem Erdball, der sich ihm so majestätisch präsentierte, würde sich der Student bald mit einer Geschwindigkeit nähern, die kein Mensch vor ihm je erreicht hatte.

Minutenlang genoss er die schwerelose Vorwärtsbewegung, die ihn alles andere um sich herum vergessen ließ. Er hoffte, dass dieses Gefühl nie enden würde.

Lediglich der Raumgleiter, der in der Ferne nur noch als winziger Punkt auszumachen war, erinnerte ihn daran, dass er sich bereits wenig später mit einer Geschwindigkeit von tausendsiebenhundert Meilen pro Stunde der Atmosphäre nähern würde. Sein Herz schlug jetzt schneller. Mit steigender Erwartung fieberte er der maximalen Beschleunigung entgegen. Die Instrumentenanzeige, die Sparks als digitale Spiegelung in seinem Helmvisier ablesen konnte, registrierte einen ersten Reibungswiderstand. Schnell erhitzte sich die Außenhaut seiner Kohlefaserummantelung. Kleine Partikel lösten sich von den winzigen Hitzeschildpailletten, die wie Schuppen auf der Außenumhüllung den Reibungskräften der Atmosphäre entgegenstanden. Vereinzelt spiegelten sie sich in der metallisch schimmernden Oberfläche, bis sie sich schließlich in rotglühenden Schweifen aufzulösen begannen.

Sparks gewann merklich an Geschwindigkeit, im ersten Moment ein angenehmes Gefühl. Wenn jetzt allerdings eine der Sicherheitseinrichtungen versagte, die Richtungskorrektur aussetzte oder eine undichte Stelle des Hochleistungsanzugs zu einem Druckverlust führen würde, er wäre unweigerlich in der Unendlichkeit des Alls verloren. Allein der Ausfall der Richtungskorrektur würde ihn schnell ins Trudeln geraten lassen und die dabei auftretenden Schleuderkräfte würden ab hundertzwanzig Umdrehungen pro Minute unweigerlich zur Ohnmacht führen. Zweihundert Umdrehungen wären tödlich. Würde die Druckpolsterung des Raumanzugs ein Leck aufweisen, der Unterdruck würde die Haut binnen kürzester Zeit extrem anschwellen lassen. Der Weltraum oberhalb der Stratosphäre war eine lebensfeindliche und risikoreiche Umgebung. Nachdem er nun die schützende Hülle des Space Gleiters einmal verlassen hatte, lauerten um ihn herum Gefahren, so zahllos wie Motten im Licht einer Lampe bei sommerlicher Abendschwüle. Bereits kleinste Partikel von Weltraumschrott, Körnchen versprengter Kometen oder gefrorenes Wasser schossen mit der Geschwindigkeit einer Pistolenkugel durchs All und hätten beim Auftreffen auf seinen Körper verheerende Folgen. Sparks hatte auch in diesem Moment die Worte seines Ausbilders im Ohr: »Der Weltraum ist keine Partyhure. Wenn du dafür bezahlst, weißt du nicht, was du oben für deine Kohle bekommst.«

Der Spezialanzug, dem Sparks sein Leben anvertraut hatte, war eine Maßanfertigung. Es bedurfte jahrelanger Forschungsarbeit, um die Protektoren, die Verteilung der Systeme sowie die Helmform so ergonomisch zu gestalten, dass der Atmosphäre möglichst wenig Widerstand entgegengesetzt wurde. Davon hing das Leben des Springers ab, wenn er die Atmosphäre zu durchdringen versuchte. Sparks verringerte immer schneller die Distanz zur Erde. Dabei unterstützten ihn sechs Pressluftdüsen, die sichere Kurskorrekturen unter schwierigen Bedingungen ermöglichten. Jetzt begannen die Konturen der Kontinente, Details anzunehmen. Aufgrund des steilen Fallwinkels konnte Sparks den in fahlem Blau flimmernden Horizont nur noch sehen, wenn er den Kopf in den Nacken legte.

Die Hitze steigerte sich auf ihren Höhepunkt. Mit über tausendsiebenhundert Meilen pro Stunde raste Sparks in die Atmosphäre. Fast augenblicklich durchbrach er die Schallmauer. Dabei schützte ihn die Helmkonstruktion, die speziell für die Belastungen des Durchbruchs entwickelt worden war. Momentan wiesen alle Instrumente auf das Funktionieren der Sicherheitssysteme hin und signalisierten den störungsfreien Ablauf für die Landung. Die erste Stufe der Bremsung würde bei dreitausend Meilen erfolgen. Noch waren es neun Meilen bis zur Erdoberfläche.

»Sieben Minuten noch zum Zielpunkt«, dachte er. Schon erblickte Sparks nähere Details auf dem amerikanischen Kontinent. Ein kleiner Bremsfallschirm entfaltete sich mit unmerklichem Ruck, den Sparks lediglich durch eine Korrektur seines steilen Eintauchwinkels sowie die Anzeige auf seinen Instrumenten wahrnahm. Erste Konturen von Bergen und Flüssen, deren Verlauf sich irgendwo am Horizont verlor, waren durch Wolkenlücken auszumachen.

Bei zweitausend Meilen aktivierte sich der zweite Bremsfallschirm, dessen Funktion hauptsächlich darin bestand, die Fallgeschwindigkeit auf die Belastungsgrenzen des Landefallschirms zu korrigieren. Wenige Sekunden nach der Auslösung wurde er bereits wieder abgesprengt, um bei unter einer Meile den Landefallschirm zu öffnen, der Sparks schließlich auf Sinkgeschwindigkeit reduziert zur Erde bringen sollte. Gelenkt durch das GPS-System landete er wenige Sekunden später zielgenau auf einem für den Landevorgang vorgesehenen Areal, nicht weit vom NASA-Space-Center in Houston entfernt.

Zwei Stunden sollte die ärztliche Routineuntersuchung nach Sparks Bergung noch dauern, bevor er endlich in den wohlverdienten Tauchurlaub mit seiner Freundin Judy fahren konnte. Der Student hatte die engagierte Journalistin vor sechs Monaten während eines der zahlreichen Interviews kennengelernt, die ihm zu erstem Ruhm als Weltraumtestspringer verholfen hatten.

Noch lebte der angehende Physiker ungezwungen von Konventionen und Zukunftsplänen in seiner kleinen Atelierwohnung in North Berkeley, aus deren Dachfenster er in der Nacht zu den Sternen am Himmel und gleichzeitig durch den teilverglasten Giebel auf den entfernten Lichterstrudel der Innenstadt blicken konnte. Dies ließ ihn immer wieder die Winzigkeit seiner selbst erfahren und führte ihm vor Augen, letztlich nur als Teil eines der vielen Irrlichter zu existieren, die sich dort unten in einem Meer von Lichtpunkten im Großstadtgetümmel verloren. Zwar war er nicht weniger ehrgeizig als seine Freundin Judy, und doch verlief sein Leben noch in den Bahnen eines Studenten, der nicht damit abgeschlossen hatte, vor dem Beginn einer beruflichen Karriere erst einmal alle Freuden zu genießen, die das Leben für ihn bereitgestellt hatte.

Den ersten Tag nach dem Sprung hatten Sparks und Judy überwiegend mit Faulenzen am Strand und Tauchgängen zu den Wracks nahe Crystal Beach verbracht. Während seiner Tauchgänge war es Sparks möglich, sich der Welt der Formeln zu entziehen und in einer anderen Welt, einem Universum an Stille und zeitloser Ruhe, zu entspannen.

Sparks lag ruhig im Wasser und lichtete mit seiner Unterwasserkamera Teile eines gesunkenen Fischtrawlers ab. Selbst im klaren Wasser von Crystal Beach erreichten die Sonnenstrahlen in der Tiefe von fünfundsechzig Fuß die beiden Taucher nur noch als schwach schimmernder, blauer Schein. Nicht weit von ihm entfernt schwamm Judy. Die Flaschenfüllung bereits aufgebraucht, signalisierte sie ihrem Freund, auftauchen zu wollen. Er folgte ihr.

Entspannt, mit leichten Bewegungen seiner Flossen, schwamm er der Wasseroberfläche entgegen. Dort setzte er die Brille ab, betrachtete die tiefstehende Nachmittagssonne, deren Strahlen abgemildert durch die Atmosphäre ihren Glanz verströmten und die Wellen um ihn herum in flüssiges Gold verwandelten. Auf dem Rücken schwimmend, erreichten Judy und Sparks das Ufer. Nach zwei Tauchgängen und gelungener Dekompression glaubte er, noch Druck auf den Ohren zu verspüren und beschloss, sicherheitshalber am nächsten Tag zu pausieren.

Auf dem Weg ins Hotel nach Galveston kündete Donner­grollen ein nahendes Gewitter an. Dunkle Wolken quollen am Horizont empor, und in der Luft lag spürbare Elektrizität, die sich wenige Meilen entfernt bereits durch grelle Blitze in den Boden entlud. Große Regentropfen klatschten vereinzelt auf die Frontscheibe, aber die aufziehenden Gewitterwolken hatten noch nicht die Dichte erreicht, um ihre Last endgültig in einem Platzregen oder Hagelschauer abladen zu können. Der Scheibenwischer setzte ein und verwischte die Tropfen mit den Resten von Insekten auf der Scheibe zu schmierigen Schlieren. Hart radierte der Gummi über die Scheibe. Sparks schaltete den Scheibenwischer aus. Durch das geöffnete Seitenfens­ter stieg ihm der unverwechselbare Duft salzhaltiger Seeluft in die Nase, die sich mit dem Aroma der Blütendolden des Oleanders der Vorgärten und der dampfenden Feuchte des Asphalts auf den Straßen zu einem einzigartigen, für diese Region so typischen Geruch vermischte.

»Riechst du das, Judy?«

»Ja, ich hatte den Duft schon heute Morgen auf dem Balkon in der Nase.«

»Das liebe ich so an Galveston«, sagte Sparks.

»Wollen wir heute Abend einen Abstecher nach Houston in die Galleria machen? Du kannst shoppen gehen.« Sparks strahlte über das ganze Gesicht. »Es gibt da übrigens auch eine Eisbahn und die Cheesecake Factory, das ist der beste Käsekuchen in Texas.«

»Eine Eisbahn?«

»Du kannst doch Eislaufen? Hast du mir jedenfalls erzählt.«

Judy zwinkerte. »Was mich betrifft, ja. Aber kannst du’s auch?«

»Mich musst du vor dir herschieben.«

»Klar, natürlich zu schwierig für einen, der mit dem Gleitdrachen vom South Rim des Grand Canyon springt.« Sparks gab seiner Freundin einen leichten Stupser und küsste sie auf dem Mund.

Als sie sich voneinander lösten, nahm Judy die Konversation wieder auf: »Sag mal, hast du dir das mit der neuen Wohnung eigentlich mal überlegt? Ich könnte in Frisco den Job im Sender bekommen.«

Sparks deutete ein Nicken an, in seiner Gegenfrage klang Unverständnis an. »Verdienst du da mehr?«

»Nein, aber dann ist es von LA aus nicht so weit, und wir könnten uns öfter sehen. Nicht nur am Wochenende.«

Sparks verharrte einige Sekunden. »Ach, lass uns später darüber reden, wenn ich den Kopf wieder frei habe. Okay?«

»Aber der Job wartet nicht. Was meinst du?«, insistierte Judy.

Sparks klang gelangweilt. »Wir sind doch noch nicht so lange zusammen. Müssen wir uns jetzt schon darüber Gedanken machen?«

»Nun ja, wann denn?«

»Du weißt doch, ich bin im Sudienstress wegen des Masters.«

»Klar, aber so oft kommen solche Chancen nicht.«

»Es ist alles ein bisschen viel im Moment. Lass uns erst mal die Zeit hier genießen.«

Judy antwortete nicht, und die nächsten Minuten verbrachten sie wortlos, bis Sparks plötzlich das Schweigen brach. »Schau dir das an. Was ist denn da los?«

Er lenkte Judys Aufmerksamkeit zur Auffahrt des Hotels, vor der sich eine lange Wagenkolonne gebildet hatte. Mehrere Polizeifahrzeuge und ein Rettungswagen blockierten die Zufahrt.

»Da muss was passiert sein. Wir parken besser um die Ecke.«

Während die Journalistin zu ihrer Kamera griff, begannen mehr und mehr Regentropfen auf die Scheiben zu prasseln.

»Ich geh schon mal vor. Das guck ich mir mal aus der Nähe an«, sagte Judy.

Sparks hielt an und ließ Judy aussteigen. Wenige Augenblicke später fand er einen Parkplatz auf der Straße. Den Wagen stellte er quer in der Lücke ab, als der Platzregen losbrach. Er hastete den Weg zur Hotelauffahrt hinauf. Binnen weniger Sekunden watete Sparks durch eine Wasserflut, die sich die Einfahrt hinunter zur Straße ergoss.

Als er die Unglücksstelle erreichte, lichtete Judy bereits die Bilder des Geschehens ab. Die Kamera versuchte sie mit ihrer Handtasche vor dem Platzregen zu schützen. Jetzt erblickte auch Sparks die mit Markierungen versehene Blutlache am Boden, die im Regen bereits zu einer konturlosen Brühe mit kontrastierenden Rottönen verschwommen war.

Polizisten drängten die Schaulustigen hinter die Absperrungen zurück. Auch Judy wurde von einem der Officer mit ausgebreiteten Armen in die Menge zurück gedrängt. Als sie sich widersetzte und er sie daraufhin anherrschte, fingerte sie ihren Journalistenausweis aus der Tasche.

»RSCN Television Los Angeles«, ließ sie verlauten und hielt dem Uniformierten das Dokument vor die Nase.

»Was ist hier passiert?«

Der Officer befestigte ein weiteres Absperrband, während er antwortete.

»Vermutlich einer dieser Amokläufer. Mit denen haben wir es seit Wochen zu tun.«

»Und wer ist das Opfer?«

»Ein Überfall auf einen der Hotelgäste. Als er nicht gehorchte, hat man ihm vermutlich den Hals aufgeschnitten.«

»Den Hals aufgeschnitten? Warum?« In Judys Stimme klang Entsetzen mit.

»Keine Ahnung. Warum bringen Menschen andere Menschen um? Einen Grund gibt’s vermutlich immer.«

»Hat man ihn gefasst?«

»Ja, die Security vom Haus war so freundlich.« Er wies auf eine Gruppe ebenfalls Uniformierter, die sich am Eingang des Hotels unter dem Vordach postiert hatten und ihre Hände demonstrativ an den Schlagstöcken ruhen ließen.

»Die haben ihn ganz schön zugerichtet. Aber verdient hat er’s ja, vermutlich.«

»Sie meinen, es war einer von diesen Creeps?«

»Ja, vermutlich wieder einer dieser Verrückten. Wir haben immer mehr Probleme mit denen. Scheinen sich vermutlich wie die Karnickel zu vermehren.«

»Können Sie schon etwas zur Person des Täters sagen? Wie alt war er?«

»Vielleicht fünfundzwanzig Jahre. Keine Ahnung. Das Opfer war älter, vermutlich. Also Lady, Sie sehen doch, ich habe alle Hände voll zu tun. Wenn Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich an unser Office. Okay?«

»Ja, vermutlich!« Judy verdrehte die Augen, während der Regen ihr die Kleidung durchnässte. Sie schoss noch einige Fotos von der Trage, auf die der Tote unter eine glänzende Metallfolie gelegt und in den Rettungswagen verfrachtet wurde.

Sparks befand sich hinter den Absperrbändern. Durchnässt winkte er Judy zu. Nachdem er Judy wieder in seine Arme geschlossen hatte, liefen sie zusammen in Richtung des schützenden Eingangsportals.

»Hast du gehört, was hier los war?«

Judy schüttelte den Kopf. »Es war wohl einer von den Creeps. Mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen.«

»Gibst du die Bilder heute noch an deinen Sender?«

»Ja, online. Das geht schnell. Aber ich werde nachher nochmal mit der Polizei telefonieren, um Details zu bekommen. Der Cop hier war komisch drauf.«

»Gut, lass uns erstmal ins Hotel gehen«, entgegnete Sparks.

Im Hotelzimmer ordnete Judy ihre Notizen und informierte ihren Sender, am Abend überfiel sie eine ungewohnte Unruhe. Kurzentschlossen machten sie und Sparks sich doch noch auf den Weg zur Galleria in Houston.

Nach dem Platzregen am frühen Abend brachte der landeinwärts aufkommende Wind etwas Abkühlung. Sparks, der das südtexanische Klima in der Region um Houston mit Nähe zum feuchten Louisiana eigentlich liebte, schwitzte mehr als sonst. Anders als in den zurückliegenden Jahren, schien ihn eine Unruhe zu überfallen.

Auf dem Weg in die Stadt bog Sparks in die Westheimer Avenue ein. Das Klingeln seines Mobiltelefons ließ ihn mürrisch in die Tasche greifen.

»Sparks«, beantwortete er hastig den Anruf, während er mit der rechten Hand das Steuer hielt.

»Leighland hier«, vernahm er die Stimme seines Professors. »Wo treiben Sie sich schon wieder rum? Haben Sie sich nicht den Hals gebrochen bei Ihren Drachenfliegereien? Man sprach schon davon hier auf dem Campus.«

»Wie Sie sehen, ich lebe noch«, antwortete Sparks belustigt.

»So. Also mit anderen Worten, Ihr Flugexperiment ist für uns unerwartet schiefgelaufen. Welch ein Jammer.«

»Oh, danke Herr Professor, dass Sie so besorgt um mich waren.«

»Sie haben hier andere Aufgaben. Nun, da Sie noch leben, kommen Sie mal bei mir im Büro vorbei. Wir sollten darüber reden, wie es nun mit Ihnen weitergeht. Am besten gleich morgen.«

Sparks zog die Mundwinkel hinunter, und bevor er etwas erwidern konnte, hatte der Professor das Gespräch bereits beendet.

»Verdammt.«

»Wer war’s?«, wollte Judy wissen.

»Der Alte. Er will mich morgen sehen.«

»Oh nein. Muss das sein?« Judy schloss die Augen und drehte den Kopf zur Seite.

»Meine Prüfung. Ich hab’ sie wahrscheinlich vermasselt.« Kleinlaut schob er hinterher: »Verdammt, ich hab’s geahnt.«

»Was machen wir dann mit unserem Urlaub?«

»Ein paar Tage San Francisco und LA geht doch auch. Wir machen einen Abstecher nach Huntington Beach, okay?«

Judy wollte antworten, wurde aber von einem Ereignis auf der Straße abgelenkt. Mehrere Uniformierte prügelten mit Schlagstöcken auf eine Horde von Randalierern ein. Instinktiv suchte sie die Nähe zur Schulter ihres Freundes.

»Shuin, guck dir das an! Überall die Soldaten!«

Auch Sparks erfasste mit einem Blick die Zusammenrottung von Gestalten, die sich vor einem Geschäft postiert hatten, dessen Schaufenster geborsten war. Er zog Judy an sich. Was er erblickte, ließ seine Miene gefrieren. Er ahnte bereits, dass dies erst der Auftakt zu einem noch im Verborgenen aufkeimenden Terror sein sollte, der sich seit Tagen unterschwellig und heimlich, von der großen Masse noch nicht wahrgenommen, als große Gefahr abzuzeichnen begann.

Jack Burton schrie aus voller Kehle. Seine Hilfeschreie hallten durch den Flur und erreichten das Schwesternzimmer am Ende des Korridors. Zwei Angestellte ließen eiligst Blutkonserven und Infusionslösung auf den Tisch fallen, um ihrem Kollegen zu Hilfe zu eilen.

Noch auf dem Gang blieben sie stehen und wurden Zeuge, wie Doktor Burton von hinten angefallen wurde. Der Unbekannte hielt den Mediziner umklammert und fuchtelte mit einem Skalpell vor Burtons Hals. Den Mediziner vor sich her bugsierend, näherte er sich den Schwestern. Seine Stimme tönte blechern über den Gang.

»Los, her mit den Bonbons! Wo sind sie?«

In diesem Augenblick wurde Burton von dem Angreifer zu Boden geschleudert. Sein Kopf traf an die Vorderkante einer Türzarge. Unmittelbar darauf erhielt er auch noch einen Tritt in die Seite, der ihm den Atem nahm.

Der Angreifer hatte sich den Krankenschwestern, die beide in einer Fluchtbewegung rückwärts schritten, bereits auf zwei Armlängen genähert.

»Eure Betäubungsmittel, Morphium und so was! Her damit!«

Die linke der Schwestern riss einen Stuhl an sich und schleuderte ihn in die Richtung des Angreifers.

Die größere Krankenschwester von beiden, zu der er die Distanz durch blitzschnelles Vorpreschen soweit verringern konnte, dass er sie am Arm zu fassen bekam, presste er zunächst gegen die Wand, um sie dann gegen die gegenüberliegende Glasscheibe des Schwesternzimmers zu schleudern. Ihr Kopf durchbrach bis zu den Schultern das Glas. Gleich einem Regen aus Kristall prasselten die Splitter zu Boden. Bewusstlos sackte die Schwester kopfüber hinter der Scheibe zusammen. Blut sickerte aus ihrem Hals. Dem Mund des Angreifers entwich ein heiseres Lachen, als er sein regungsloses Opfer betrachtete. Von den Verletzungen nahm er keinerlei Notiz.

Ohne zu zögern, setzte er der anderen Schwester nach, die schreiend ihrem Fluchtreflex gefolgt war und in Richtung Ausgang flüchtete. Sie erreichte mit zitternden Händen die Tür zum Treppenhaus. Dort stolperte sie, fing sich aber wieder am Treppengeländer. Um Hilfe rufend, stürzte sie die Stufen zum nächsten Geschoß hinab. Anstatt der Flüchtenden weiter nachzusetzen, verharrte der Creep plötzlich, blickte ihr noch einige Sekunden hinterher, bis sie das Zwischengeschoss erreicht hatte. Dann wandte er sich um und orientierte sich wieder in Richtung des Schwesternzimmers.

Die Schwerverletzte ignorierend, steuerte er zielsicher auf den Opiatenschrank zu. Mit einem Schemel schlug er auf das Schloss ein, bis das Blech brach und er den Schrank öffnen konnte. Seine Hände durchpflügten die Reihen von Medikamenten. Er schien nach Verpackungen eines bestimmten Präparats zu suchen, aber die Etiketten betrachtend, griff er zu immer neuen Glasflaschen, ohne fündig zu werden.

Im angrenzenden Raum bemerkte er schließlich einen weiteren Medikamentenschrank. Mit seinen Fingernägeln kratzte er über die verschlossenen Türflügel. Noch zögerte er, aber die erfolglose Suche sollte seine Aggression bald steigern. Schließlich riss er den Hängeschrank aus seiner Verankerung und ließ ihn zu Boden fallen. Laut splitterte das Holz.

Unterdessen erlangte Doktor Burton wieder das Bewusstsein. Sein Kopf schmerzte. Er betastete den warmen, klebrigen Fleck an seiner Stirn und betrachtete seine blutbefleckten Fingerspitzen, bevor er sich aufrichtete. Blut tropfte von seiner Augenbraue auf den Fußboden. Noch behinderten ihn Schwindelgefühle, dennoch versuchte er, auf seinen Beinen zu stehen und hielt sich den Kopf. Unwillkürlich kamen ihm Bilder aus seiner Jugend in Erinnerung, als er in der Kiesgrube beim Drachen steigen lassen, in einem Moment der Unachtsamkeit, von einem Abhang gerutscht war und sich eine blutende Wunde zugezogen hatte. In diesem Augenblick fiel sein Blick auf die Stationsschwester, die immer noch reglos in dem Fensterrahmen auf zerbostenem Glas lag. Kopf und Arme ruhten auf dem dahinter angrenzenden Tisch im Schwesternzimmer. Das Blut hatte sich bereits darauf ausgebreitet und tropfte über die Tischkante zu Boden. Burton, der der Bewusstlosen zu Hilfe eilen wollte, stockte in seiner Bewegung. In der Tür am Treppenhaus erschienen zwei dunkle Silhouetten, die Burton verschwommen wahrnahm. Sekunden später entzifferte er die Aufschrift Police auf schwarzem Untergrund.

»Endlich«, rief er. »Hier, er ist hier!«Trotz seiner Kopfschmerzen fühlte er so etwas wie Erleichterung. Er begann, einen der Uniformierten mit Winken auf sich aufmerksam zu machen. Als er den Arm zu einer hilfesuchenden Geste erhoben hatte, streifte für Sekundenbruchteile ein roter Laserpunkt seinen Kittel.

Zunächst in Burtons Richtung forschend, setzte der Agent seinen Weg lautlos fort, ohne den Doktor weiter zu beachten. Ein weiterer Uniformierter sicherte den Gang mit dem Rücken zur gegenüberliegenden Wand.

Jetzt vernahm Burton auch die Geräusche aus dem Schwesternzimmer. Nach wenigen Rufen hallte ein Schuss durch die Gänge, den Burton nur als gedämpften Schlag vernahm. Dann herrschte plötzlich Stille.

***

Berkeley San Francisco, 10. Juli,

sieben Tage vor der Alphastabilität

»Nehmen Sie Platz, Sparks.«

James Leighland, Professor für Kernphysik und Chemie sowie Leiter der Fakultät für Grundlagenforschung in Berkeley, wies seinem Studenten im Büro einen Platz auf dem Sofa zu. Dann erhob er sich hinter seinem Schreibtisch, auf dem ein Glasaschenbecher mit einer angerauchten Zigarre aus Honduras stand.

»Sie haben’s ja schnell geschafft, von Ihrem Tauchurlaub herzufinden. Haben Sie diesmal wenigstens ein paar Muscheln gesammelt oder sich wieder an den Feuerkorallen die Hand verbrannt? Kaffee?«

Sparks folgte dem Professor zur Kaffeemaschine. »Nein, diesmal habe ich Handschuhe getragen. Eine Tasse, gerne.«

»Wie umsichtig. Dann können Sie Ihren Becher heute selber halten?«, flachste Leighland.

Sparks lachte. »Ich denke schon.« Er nahm das heiße Gebräu entgegen, das Leighland mit zwei Löffeln Zucker und einer Prise Kakao trank. Überhaupt trank Leighland zu jeder Tages- und Nachtzeit Kaffee. Und zwar im festen Glauben daran, der Kaffee würde ihm helfen, in seinen Gedanken die nötige Ruhe und Weite zu finden, um sein großes Ziel zu erreichen: Die Flut der Einzelinformationen aus Teilchenversuchen zu einem Ganzen, zu einem allumspannenden Modell der Weltformel, zu modellieren. Die Weltformel, so wusste auch Sparks, wäre das physikalische Bindeglied, das alle vier Grundkräfte der Natur zu vereinheitlichen und erklären vermochte. Allerdings würde es ein schwieriges, vielleicht in Leighlands Lebensperiode nicht zu erreichendes Unterfangen werden, jene alles vereinende Formel zu finden, an der sich schon so viele seiner Kollegen erfolglos versucht hatten und deren Lösung sich wie ein Chamäleon im Dickicht aller möglichen Theorien zu verstecken suchte.

»Respekt. Jetzt haben Sie’s ja schon vor Ihrem Studienabschluss geschafft, berühmt zu werden.«

»Sie haben’s gesehen?«

»Im Fernsehen, ja, zumindest Absprung und Landung. So schnell haben Sie aber nichts Neues mehr geplant, oder?«

»Neues nicht. Ich wollte die Prüfungsergebnisse zu meiner Masterarbeit abwarten. Dann kann ich weitersehen«, entgegnete Sparks.

»Ich weiß nicht, mein Junge. Manchmal denke ich, Sie haben nur dummes Zeug wie Surfen im Weltall im Kopf. Warum machen Sie das? Sie haben doch ein Stipendium?«

»Haben Sie eine Ahnung, Herr Professor, was das Leben da draußen kostet?«

»Das hört sich an, als wäre ich hier noch nie rauskommen«, entrüstete sich Leighland. »Wie lange sind Sie jetzt schon bei uns?«

Sparks rechnete nach: »Vier Jahre und vier Monate.«

»Finden Sie nicht, das ist lange genug? Wollen Sie nicht bald mal etwas Vernünftiges anfangen?«

»Wie meinen Sie das, Professor?«

»Ob aus einem Rehstreichler wie Ihnen jemals ein ernsthafter Wissenschaftler wird?« Leighland stieß einen Seufzer aus und ließ keinen Zweifel daran, dass er sich mit der eher durchschnittlichen Karriereplanung seines Zöglings durchaus nicht zufrieden gab.

»Sparks, auch wenn Sie es nicht glauben: Wir haben hier mehr Studenten als Sie denken, denen die Wissenschaft eigentlich egal ist. Seerosengießer, ich begreife es einfach nicht. Verschleudern ihre Fähigkeiten an drittklassige Unternehmen. Jagen wie Sie dem Geld hinterher. Keine Inspiration, kein Feuer.«

»Und woran liegt das, Ihrer Meinung nach?«

»Geltungsdrang, weiß der Teufel«, ereiferte sich Leighland. «Ist doch kein Geheimnis, dass sich bei uns mehr als die Hälfte der Studenten aufgrund unseres Namens einschreiben. Ich fürchte, der Großteil ist hier, weil Papa kein besseres Investment wusste, als Geld in das Studium seines Filius zu stecken. Und wenn diese Kinder dann fertig sind, was tun sie?«

Leighland wartete Sparks’ Antwort gar nicht erst ab. Sein Lächeln gefror auf den Lippen in einer Weise, die Sparks an die Leidensmine eines Reisenden erinnerte, dessen Zug gerade am Bahnsteig abgefahren war. »Verschwenden den Abschluss danach in belanglosen Projekten irgendwelcher kommerzorientierter Institute.«

»Woher wissen Sie das?«

»Ich kenne sie alle. Winken in mehr oder weniger langweiligen Chefpositionen bestenfalls Leuten zu. Welche Perspektive? Irgendwann rennen sie nur noch über Golfplätze und sitzen faul auf ihrem Arsch rum. Dekadent, selbstgerecht und vollgefressen. Was für ein Dasein!«

Sparks blickte betreten zu Boden, während Leighland sich seine Zigarre wieder anzündete und Luft durch das aufglühende Ende paffte. Es schien ihn keineswegs zu beeindrucken, dass Sparks hüstelte. Voller Genuss blies er Kringel in die Luft.

»Wissen Sie was, Sparks? Es gibt viel zu viele von denen, und ich hab’ weiß Gott genug davon.«

Gedankenverloren rührte Leighland mit dem Löffel in der Tasse, bis er schließlich aufblickte. »An Ihnen würde mich mal interessieren: Wie wichtig sind Ihnen die Flausen wie das, was Sie zurzeit in diesem Supermannkostüm im Weltall treiben?«

Sparks erwiderte: »Sie nennen es Flausen, für mich war es lange Zeit ein Traum.«

»Dann hören Sie jetzt mal auf, zu träumen. Können Sie sich überhaupt vorstellen, Verantwortung zu übernehmen? Vielleicht, um sich mal wichtigeren Dingen zuzuwenden?«

»Und was?«

»Zum Beispiel zur Abwechslung mal richtungsweisender Forschung?«

Sparks begann, Hoffnung zu schöpfen. »Ich wollte eigentlich später noch meinen Doktor machen, wenn ich es schaffe, die Finanzen zu regeln.«

Leighland schüttelte den Kopf. »Mensch Shuin, wachen Sie auf! Sie sollten bei Ihrem Talent endlich auf den Punkt kommen. Entzünden Sie die Flamme des Forschungseifers oder was auch immer! Aber kümmern Sie sich weniger um Geld oder darum, Ihre nichtsnutzige Fan-Gemeinde mit teuren Weltraumrutschbahnen zu ködern.«

»Talent? Meinten Sie damit etwa mich?«

Leighland machte eine Pause und produzierte einige Kringel Zigarrenrauch. »Naja, ab und zu haben Sie mal ein brauchbares Ergebnis abgeliefert. Zugegeben.«

»Ich muss sehen, wie ich meine Miete bezahle. Außerdem verbinde ich nur das Angenehme mit dem Nützlichen.«

Leighland griff in einen Stapel Akten und nahm eine vergilbte Mappe zur Hand, die er mit einem roten Zettel gekennzeichnet hatte.

»Shuin, wo ist Ihr Forscherdrang? Entfachen Sie ihn. Wenn Sie jetzt nicht die Kurve kriegen, haben Sie Jahre Ihres Lebens vergeudet.«Er blätterte einige Sekunden in der Mappe. » Ach so, was ich Ihnen noch sagen wollte …«

»Ja?«

»Nichts Besonderes.« Wieder kramte er in den Unterlagen und machte eine längere Pause. »Naja, für Sie sicher nichts Wichtiges. Es wird Sie wahrscheinlich nicht sehr interessieren.«

»Okay, und was ist es?«

»Sie haben Ihre Arbeit zum Master bestanden.«

Leighland versuchte, gelangweilt zu wirken, während der designierte Master of Physics die Luft anhielt und nach einigen Sekunden der Überraschung über beide Backen zu strahlen begann.

»Und das sagen Sie mir erst jetzt?«

»Tja, ich wollte Sie ja nicht mit angenehmen Nebensächlichkeiten langweilen. Auf Sie wartet ja jetzt Arbeit.«

»Arbeit?« Sparks blickte seinen Mentor fragend und mit großen Augen an.

»Ja, ich dachte, aufgrund der neuen Aufgabe bleibt Ihnen weniger Freizeit. Also weniger Zeit für Ihre Star-Wars-Allüren.« Leighland beobachtete den Studenten schmunzelnd aus dem Augenwinkel.

»Was, welche Aufgabe?« Sparks Verwunderung wurde immer größer.

»Okay, Shuin, also ich habe daran gedacht, Sie an ein Projekt in der Grundlagenforschung zu vermitteln. Eigentlich für uns das zurzeit wichtigste Projekt. Da Sie ja keine Familie haben und kein Rabattmarkensammler zu sein scheinen, ging ich davon aus, dass Sie Ja sagen.«

Sparks nickte mit offenem Mund.

»Sie zeigen sich ja sonst auch ganz flexibel. Um es also kurz zu machen: Es wartet Arbeit auf Sie.«

»Sagen Sie doch schon! Was für Arbeit?« Sparks wurde ungeduldig.

»Ein Projekt, das Sie später vielleicht in Vorbereitung zur Habilitation nutzen könnten.«

Sparks versagte nun fast die Stimme. »Was für ein Projekt…? Ich meine, um was geht’s denn da?«

Leighland, der wieder zwei Löffel Zucker in seinem Kaffee unterrührte, blieb gelassen.

»Ich kann Sie am Collider einsetzen.«

Shuin entgegnete: »Sie meinen das Team hier in Stanford, den Linear Accelerator?«

»Nein. Quatsch.«

»Okay, also Illinois?«

«Nein … auch nicht Fermilab.«

»Wow. Etwa Europa?«

»Nein, nein, nein!«Leighland winkte ab. »Haben Sie nie von dem Collider in Dallas gehört?«

Sparks Mundwinkel begannen sich hinabzusenken. »Sie meinen doch nicht etwa das stillgelegte Ding da in Waxahachie, dem vor Jahren schon die Mittel ausgegangen sind?« Sparks erinnerte sich an ein paar nichtssagende Schlagzeilen in der Presse, die nur Wenige zur Kenntnis genommen haben dürften und die im Strudel der täglichen Informationsflut der Gazetten schnell der Bedeutungslosigkeit anheim gefallen waren. So sehr wie sein Enthusiasmus aufgeflammt war, legte sich seine Euphorie nun wieder. »Aber, das ist doch eine Ruine. Soweit ich weiß, hat man’s nie fertig gestellt.«

»Das …« Leighland klappte die Mappe zu und fixierte die Augen seines Studenten. »Das … stimmt so nicht ganz.«

»Spannen Sie mich nicht so auf die Folter, Professor. Die haben doch den Bau längst abgebrochen!«

»Bleiben Sie locker, Sparks. Der Bau wurde nur für kurze Zeit gestoppt. War doch klar, nach zwei Milliarden Dollar Kosten.«

»Nur unterbrochen?«

»Die Wahrheit ist, man hat im Geheimen weitergebaut. Konkurrierende Forschergruppen, das ewige Lied. Sie wissen ja, dass in China auch ein Collider gebaut wurde. Die wollten wir nicht drauf aufmerksam machen, hatten schließlich schon viel investiert.«

»Verstehe. Und wie ging’s weiter?«

»2010 wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen und die Röhre unterirdisch vorangetrieben.«

Sparks kam das Wettrüsten der Collider in den Sinn. Jene Einrichtungen, die in der Grundlagenforschung mit immer gigantischerem Aufwand betrieben und sich auf unterirdischen Kreisbahnen einen Vorsprung im Wettlauf um das kleinste Teilchen erhofften.

»Bauen sie immer noch?«

»Nein. Die Ringanlage ist seit einem halben Jahr fertig. Wir sind mit Projekt Space Clash gestartet, und es gab bereits Erfolge.«

Augenblicklich war Sparks Euphorie zurückgekehrt: »Schwer­kraftexperimente und Zeitphänomene, Vorhersagen über die Zeitdilatationen? Das wäre ja großartig! Aber das Standardmodell ist ja mit dem Higgs-Teilchen bestätigt, oder?«

»Ja, da war CERN schneller. Aber wir haben das Graviton entdeckt und isoliert.«

Sparks schluckte und blickte seinen Professor an, als wolle dieser ihm erklären, dass der Mond eine Sonne sei.

»Aber das würde ja bedeuten, dass …«

»Genau. Dass wir künstliche Schwerkraft erzeugen können.«

»Und wie haben Sie das gemacht?« Sparks Unglauben wuchs. »Mit beschleunigten Protonen?«

Leighlands Grinsen war das eines Anwalts, dessen Argumente beim Richter durchschlagenden Erfolg erreichten. »Unsinn! Vergessen Sie mal die Vorlesungen der letzten Monate. Wir können ja nicht alles gleich ausplaudern. Deswegen halten wir die Versuche in unserem neuen Collider erstmal geheim.«

»Also keine Protonen?«

»Nein, wir sind schon viel weiter. Aber wenn ich das in den Vorlesungen bringen würde, können wir’s gleich an unsere Konkurrenten in China schicken.«

»Und was nahmen Sie stattdessen?«

»Wir ließen Blei-Ionen kollidieren. Dabei entstand eine völlig neue Materie. Das Quark-Gluonen Plasma, damit erzeugten wir Schwerkraftwellen …«

Sparks unterbrach ihn: »Und bei der Kollision detektierten Sie das Spin-2 Teilchen und fanden das Graviton.«

»Sehr gut. Danke Shuin! Wir sind kurz vor neuen Erkenntnissen jenseits des Standardmodells.«

Sparks sah so etwas wie Besorgnis in Leighlands Gesicht.

»Und?«

»Aber wir kommen nicht mehr weiter, wir brauchen so etwas wie einen Urknall. Dann könnten wir Zeit, Raum und Dimension ergründen, verstehen, wie dies alles zusammenhängt. Wir brauchen eine klarere Vorstellung davon.«

»Einen Urknall?«

»Ja. Einen Big Bang! Zugegeben, etwas kleiner als früher. Genauer gesagt einen Mikro-Urknall.«

»Sie meinen, Sie simulieren einen Urknall im Reagenzglas?«

»Was heißt hier Reagenzglas? Wir haben einen Collider.«

»Aber das würde ja bedeuten, Sie müssten die Singularität nachstellen.« Sparks dachte an den unendlich verdichteten Punkt aller Energien vor dem Urknall. Jenen Energienullpunkt, aus dem alle Energie und Materie geboren wurde. »Ist das nicht gefährlich?«

»Nein. Wir gehen in unseren neuen Versuchen davon aus, dass der Big Bang ohne Singularität auskam. Lediglich eine maximale Verdichtung aller Materie und später eine maximale Ausdehnung. Und das in ständiger Wiederkehr in etwa fünfundsechzig Milliarden Jahren.«

»Eine Theorie, was ist mit den Risiken?«, wandte Sparks ein.

»Die eigentliche Reaktion findet bei uns unterhalb des Pikobereichs auf der Planck-Längenskala statt. Es spielt sich somit nicht innerhalb unseres Wahrnehmungsbereichs ab. Also keine Sorge.«

»Und wann wollen Sie das starten?«

»Die Vorbereitungen laufen. Wir sind unter Zeitdruck, die Konkurrenten sind uns auf der Spur.«

»Deshalb also auch die Heimlichkeiten und Bautätigkeiten im Verborgenen?«

»Klar. Wir mussten alles tun, um uns vor anderen Gruppen zu schützen«, lächelte Leighland.

»Gut, aber wer betreibt denn jetzt die Anlage?«

Leighland zögerte einen Augenblick und unterdrückte ein Schmunzeln.

»Na, ich.«

»Was, Sie?«

»Ja, meine Fakultät in Berkeley. Und ich dachte, dass Sie vielleicht in den sauren Apfel beißen und sich selbst nach Waxahachie begeben, Shuin.«

»Ich, oh wow!«

»Ja, Sie! Es fand sich ja kein Anderer.«

»Es fand sich … kein Anderer?« Sparks fiel die Kinnlade runter. Für ihn stand fest, dass es die Chance seines Lebens darstellte, in einem Projekt zu arbeiten, für das er von seinen Kommilitonen in der Universität beneidet worden wäre, vorausgesetzt, dass sie es je hätten erfahren dürfen.

»Aber da sucht man doch sicherlich nur … Ich meine … Es dürften doch da nur die Besten …«

Sparks rang um Fassung. »Und Sie haben mich …?«

Leighland deutete nur ein Achselzucken an. »Naja. Irgendjemand muss sich immer finden, Shuin.«

»Oh mein Gott! Wann soll es losgehen?«

»Lassen Sie mal besser Gott aus dem Spiel, Sparks. Der hilft Ihnen nicht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er bei Schrödingers Katzenexperiment das arme Tier gerettet hätte. Also fahren Sie hin, melden Sie sich an. Morgen geht’s los.«

»Was? Morgen schon?«

»Ja, morgen. Sie sind für zwei Uhr dort zum Vorstellungstermin bei Karel Pendergast angemeldet. Es sei denn, Sie haben etwas Besseres vor.«

»Etwas … Besseres vor?« Leighlands Zögling kamen die Worte tonlos über die Lippen. Dann brach es aus ihm heraus: »Yes!«

Sparks Hand ballte sich zur Faust, und mit einem Sprung, als wolle er einen Dunking im Basketball vollführen, reckte er seine geballte Faust voran in die Luft. Wie nach einem gewonnenen Spiel hielt er die Faust mit angespanntem Bizeps in einer Siegergeste vor seiner Brust.

Als Leighland den Jungforscher Sparks nur wenig später den Raum verlassen sah, betrachtete er noch einmal die Auswertung seiner Unterlagen. »Natürlich du, Sparks!« murmelte er in Richtung seines Kaffeebechers. »Wer denn sonst, wenn nicht der Beste.«

***

Superconducting Supercollider Waxahachie, Dallas, 17. Juli

»Edgar, holen Sie den Chef, schnell«, rief Sparks und ließ sich die Werte der Messinstrumente ausdrucken, die ihn in Erstaunen versetzten.

Die digitale Anzeige des Kontrollpeaks zeigte sechs leuch­tende Balken in einem fahlen Grün. Seit einer Stunde ließ Sparks die Messinstrumente nicht mehr aus den Augen. Die Markierung fluktuierte zwischen sechs und sieben, schien sich aber nicht weiter zu steigern und verharrte plötzlich sekundenlang bei drei, um dann wieder zaghaft, wie das Pulsieren von Blut in einer Ader, den vierten Markierungspunkt zu erklimmen.

Shuin, der seit wenigen Tagen am Projekt Space Clash im Collider in Dallas arbeitete, blickte ungläubig auf die Anzeige am Control-Board. Die Ereignisse waren für ihn atemberaubend. Was ihn beeindruckte, war nicht das Verharren der Markierungsbalken auf vier Teilstrichen, die in der Regel innerhalb weniger Sekunden wieder auf Null hätten absinken müssen. Es war etwas viel Bedeutsameres, etwas, das er sich mit den herkömmlichen Erkenntnissen der Kernphysik nicht erklären konnte. Alle eingehenden Parameter schienen die Naturgesetze auf den Kopf zu stellen.

Im Allgemeinen war der Berkeleyabsolvent die Gelassenheit in Person. Jetzt jedoch überreichte er Pendergast mit zitternden Fingern die Blätter, die er zuvor dem Drucker entnommen hatte.

»Was ist denn, Sparks? Als Neuzugang haben Sie sich doch bisher durch nichts aus der Ruhe bringen lassen.«

«Doktor, wir haben eine Alpha-Anomalie. Ein Fehler ist ausgeschlossen. Ich habe die Werte zweimal geprüft und auch die Instrumente gecheckt.«

»Wie lange dauerte sie?«

»Das ist es ja, was ich Ihnen sagen wollte, sie dauert an.«

»Sie dauert an?»Pendergast verzog missgestimmt die Mundwinkel und verlieh damit seiner Überzeugung Ausdruck, es könne sich nur um die Fehlermeldung des Jahres handeln.

»Sparks, wie lange hatten Sie Kernphysik? Brauchen Sie Nachhilfeunterricht aus dem ersten Semester? Ist es … «

»Sie ist stabil!«, unterbrach ihn Sparks. Er verlieh seiner Stimme den Colorit der Sicherheit, an seiner Entdeckung keinerlei Zweifel zu hegen. Dennoch schien er ebenso überrascht zu sein wie Pendergast.

»Sie kann nicht stabil sein. Es ist unmöglich. Eine solche Messung ist irrelevant. Wir werden es wiederholen.«

Sparks blieb hartnäckig. »Sie sehen es doch. Sehen Sie doch hin! Die Zeitabweichung ist da!«

»Aber es würde all unseren Theorien widersprechen. Sie kann nicht stabil sein.«

»Wenn sie aber doch stabil ist? Nur etwas Ultraschweres kann den Raum so krümmen.«

»Sparks, rechnen Sie nochmal alles nach. Es kann nicht sein!« Pendergasts ständiges Kopfschütteln ließ Sparks für einen Augenblick die Beherrschung verlieren.

»Wenn Sie es nicht glauben, prüfen Sie es doch selbst! Ich denke wir haben einen Braneworld Effekt! Ist Ihnen das klar?«

Pendergast strich sich über die Stirn: »Wenn es das ist, an was Sie und ich denken, kann es nicht stabil sein. Die abgebende Hawkingstrahlung würde es sofort kollabieren lassen.«

»Natürlich weiß ich das. Schwarze Löcher in dieser Größe kollabieren. Dennoch ist die Anomalie stabil. Und Sie wissen, dass ein solches Phänomen nur eine Schwerkraft erzeugen kann, die größer ist als alles, was wir in unserem Sonnensystem kennen.«

»Sparks, genau deshalb kann sie nicht andauern. Aus diesem Grunde kann sie nicht stabil sein! Weil, das würde ja dann bedeuten …«

Pendergast stockte. »Das Loch würde in den Erdmittelpunkt gezogen werden.«

Sparks insistierte: »Die Versuche zeigen aber, dass es weiter existiert. Es kollabiert nicht. Also kann es nur ein Schwarzes Loch sein. Mikroskopisch klein, aber es ist ein Schwarzes Loch.«

Der ältere Physiker strich sich über das schüttere Haar und blickte auf den Überwachungsbildschirm. Verschiedene Teilsegmente der Collideranlage präsentierten sich auf einer Übersichtstafel.

»Zeigen Sie es mir. Wo ist es Ihrer Meinung nach lokalisiert?«

»Noch mitten im Collider. Ich vermute, in Nähe des letzten Kollisionspunkts der hochbeschleunigten Ionen.«

»Okay, und wie hoch war der Speed zum Zeitpunkt der Kollision?«

»99,97% der Lichtgeschwindigkeit.«

Pendergast nahm die Blätter an sich und schritt zur Steuerkonsole. »Wir werden es nochmals messen. Wieder und wieder. Und wenn es die ganze Nacht dauert.«

Collapse

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