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2. Kapitel Strange

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Krisenstab Pentagon, 18. Juli, ein Tag nach der Alphastabilität

Der Krisenstab des Pentagon versammelte sich in diesen Tagen alle vierundzwanzig Stunden. Den Vorsitz hatte Generalstabschef James Devlin Pruitt, der nach dem Präsidenten als oberster Befehlshaber der Streitkräfte alle wesentlichen Entscheidungen zu treffen hatte. Er nickte den Anwesenden, allesamt hochdekorierte Funktionsträger, zu, nippte am Wasserglas und deutete auf seinen Assistenten.

»Meine Herren, lassen Sie uns keine Zeit verlieren. Stockton, Sie informieren uns über die Lage.«

Robert Stockton, der mit einem eleganten Designeranzug zwischen den Hochdekorierten herauszustechen suchte, wischte mit seiner Hand über die mannshoch aufragende Glasscheibe, die den Raum in zwei Hälften teilte. Im Glas wurde ein Hologramm sichtbar. Bevor Stockton sprach, ordnete er sich mit gekonntem Schwung seiner rechten Hand das gewellte Haar.

»Sie sehen die Distrikte New York, Detroit und Los Angeles. Meine Herren, wir haben es hier mit den Zentren der Ausschreitungen zu tun. Überfälle, Brandstiftung, Mortalitätsrate: alles signifikant über der Norm.«

Pruitt unterbrach schon jetzt: »Wie signifikant?«

Sein Assistent tippte mit dem Finger auf die Glasscheibe. Dabei pulsierten die Flächen der betreffenden Abschnitte bis zu deren Grenzen in leuchtendem Rot.

»Sechshundert Prozent über der Norm.«

Am äußeren Rand des Hologramms lieferten detaillierte Zahlenkolonnen weitere Informationen.

»Eine überregionale Zunahme. Rechts sehen Sie die gemeldeten Vorfälle. Die Meldungen sind gesicherte Daten der Behörden. Sie werden bemerkt haben, dass sie in den betreffenden Distrikten bereits vierstellig sind.«

Stockton wischte mit einer Handbewegung die Hologramme zur Seite. Blitzschnell bauten sich weitere Animationen auf.

»Nun zu den Vorfällen.«

Das Hologramm teilte sich in eine Vielzahl von Kästchen, Bilder und kurze Filmsequenzen wechselten darin mit hohem Tempo.

»Wir haben eine Reihe von Aufzeichnungen vorbereitet. Typische Szenen, die sich überall wiederholen. Sie stammen von Überwachungskameras oder wurden uns von Einsatzkräften vor Ort zur Verfügung gestellt.«

Gesichter von Menschen mit weit aufgerissenen Augen und starrem Blick wurden herangezoomt. Die ungepflegte Kleidung dieser Menschen zeugte von längerer Verwahrlosung, während ihre maskenhaften Gesichtszüge an Zombiefilme erinnerten. Die beobachteten Personen trugen keine Waffen, aber niemand der Anwesenden zweifelte daran, dass sie nicht davor zurückschrecken würden, eine zu gebrauchen.

»Wir nennen sie Creeps. Einige davon scheinen nur verwirrt. Andere sind gewaltbereit. Es sind Terroristen, die erbarmungslos plündern und ohne Rücksicht mit allen Mitteln ihren Willen durchsetzen.«

»Terroristen? Ist das nicht etwas weit hergeholt?«, kam es aus einer der hinteren Sitzreihen.

»Wir haben den Creeps diesen Status ganz bewusst zugeordnet, so brauchen wir bei der Durchsetzung der Sanktionen weniger Rücksicht zu nehmen. Außerdem können die Notstandsvorschriften leichter angewendet werden.«

Alle Anwesenden starrten gebannt auf die Videoaufnahmen. Der Zusammenschnitt der Szenen dauerte vier Minuten. Dann erschallte Pruitts Stimme: »Bis wohin dehnen sich die Handlungen aus? Ich will Zahlen, Daten, Fakten! Ich will Konkretes!«

Stockton sah einen seiner Assistenten mit fragendem Blick an, der jedoch den Kopf schüttelte und schwieg. Stockton überging die peinliche Situation, indem er für seinen General die Lage nach bestem Wissen zusammenfasste: »Sir, wir bereiten die Zahlen gerade auf und liefern sie nach. Sicher ist, fast alle Städte sind davon betroffen. Die Krankenhäuser melden steigende Patientenzahlen, und die Medikamente gehen bald aus.«

»Die was gehen bald aus?« Der Befehlshaber reckte beide Hände in die Luft.

»Stockton, das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Sind wir ein Dritte-Welt-Land, oder was? Wo leben wir? In einer Bananenrepublik, deren Medikamentenbestände sich bei der erstbesten Epidemie in Luft auflösen? Verdammt noch mal, um uns herum verdienen die größten Multimillion-Dollar-Companys der Medizinforschung ihr Geld. Dazu ein flächendeckendes Netz von Krankenhäusern und Spezialkliniken mit Lagern, Reserven und Verbindungen.«

»Sir, aber irgendwann sind auch die mal aufgebraucht«, verteidigte sich Stockton.

»Soll dass ein Witz sein? Selbst die Verteidigungsbestände reichen mehrere Monate.«

»Wenn Sie mir den Hinweis gestatten, Sir: Eine derart große Zahl an Neuzugängen sprengt jede Krankenversorgung. Außerdem können wir die Verteidigungsreserven nicht einfach abschmelzen.«

»Wie also lautet Ihre Prognose?«, wollte General Pruitt wissen.

»Es sieht nicht gut aus. Die Angriffe in den Straßen nehmen ständig zu, und zwar gleichzeitig in der Hälfte aller Bundesstaaten. Wir verlieren jeden Tag Hunderte Einsatzkräfte.«

»Stockton, ich will konkrete Zahlen, wann bekomme ich sie? Ich kann dem Präsidenten nicht mit Vermutungen kommen. Also, wann liefern Sie?«

»Wir sind in einer halben Stunde aussagefähig.« Stockton berichtete über Hilferufe von Krankenhäusern aus mehreren Bezirken, in denen die Logistik zusammengebrochen war. Forderungen, die Medizinbestände mit denen anderer Häuser auszugleichen, stiegen jeden Tag. Pruitt hob den Zeigefinger.

»Gut, Stockton, ich sage Ihnen jetzt, was wir tun. Wir werden es genau andersherum machen. Es wird Zeit, dass wir denen da mal zeigen, wer hier das Sagen hat. Machen Sie einen Plan zur Übernahme aller Krankenhäuser, deren Logistik zusammenbricht. Dann will ich eine Liste von Bezirken mit hohen Verlusten oder Verwundeten. Die Krankenhäuser werden unter unsere Verwaltung gestellt und mit Einsatzkräften versorgt.«

»Das wird eine Menge Ärger geben.«

»Nein, wird es nicht. Wir werden sie gar nicht erst fragen. Ich will dazu die Fakten sowie eine Personalplanung, und das bis morgen Früh. Haben Sie mich verstanden?«Ohne Stocktons Antwort abzuwarten, forderte Pruitt erneut weitere Informationen. »Was ist mit den Meldungen zur vermeintlichen Zusammenrottung von diesem verdammten Abschaum?«

Pruitts Sekretär nahm einige Einstellungen am Bildschirm vor. »Es scheint einen Anführer zu geben.« Dabei zoomte er auf das Kennzeichen eines Wagens.

»Achten Sie auf den schwarzen Hummer. Das Fahrzeug wurde an verschiedenen Stellen in New York gesichtet. Es fiel auf, dass Creeps sich um das Fahrzeug versammelten und Kontakt mit dem Fahrer hatten. Tonaufzeichnungen aus Richtmikrophonen identifizierten ihn als Magool, einen stadtbekannten Dealer.«

Der Sekretär spielte die vorbereitete Sequenz einer Überwachungskamera ab. Sie zeigte Magool als hochgewachsenen muskulösen Afroamerikaner. Vor ihm standen zwei Männer. Einer von ihnen trug einen Koffer, der andere eine Maschinenpistole.

»Eine Geldübergabe«, erklärte Stockton. »Wir haben die Aufnahmen von der Drogenbehörde bekommen. Magools Wagen haben wir vor einigen Stunden verlassen in einer Seitenstraße gefunden.«

»Welche Informationen haben wir über diesen Magool?« wollte Pruitt wissen.

»So gut wie nichts. Er nutzt weder Handys noch Computer.«

»Und Informanten? Verfolgen Sie irgendwelche Spuren?«

»Zurzeit werden sie noch ausgewertet. Wir erhoffen uns weitere Erkenntnisse.«

»Ich will diesen Typ haben. Schicken Sie von mir aus den Q-Squat, oder die Seals. Es ist mir völlig egal, nur finden Sie ihn!«

»Wir haben ihn noch nicht lokalisieren können. Er wechselt ständig die Position. Allerdings haben wir sein Profil im Satelliten-Tracking eingespeist.« Stockton ließ eine Sequenz von Straßenszenen abspielen, auf denen sich Personen rot umrandet wie gekennzeichnete Ziele bewegten.

»Zwei Satelliten scannen über Erkennungssoftware die Umgebung von New York. Wird Magool erkannt, erfolgt der Zugriff.«

»Wie lange wird es dauern?«

»Keine Ahnung. Irgendwann betritt er öffentliche Straßen. Bei zwei Millionen Scans pro Minute haben wir ihn rechnerisch dann nach drei oder vier Tagen.«

Pruitt, der sich mit diesen Ausführungen zufrieden gab, hatte noch etwas anderes auf der Agenda: »Was ist eigentlich mit Venathaer, unserem Finanzdesaster? Mit, wie es momentan aussieht, dem größten Katastrophenbringer aller Zeiten?«

»Sir, wir sollten ihn unter Bewachung stellen.«

»Meinen Sie, er könnte versuchen, das Land zu verlassen?«, fragte Pruitt.

»Nein Sir, wir halten es aber für wichtig, über seinen Standort jederzeit informiert zu sein.«

»Machen Sie, wie Sie meinen. Aber ich will ihn sehen. Noch heute!« insistierte Pruitt.

»Sir, ich lass’ ihn ins Headquarter laden. Und sollte es Erfolgsmeldungen über Magool geben, dann werden Sie umgehend informiert.«

»Nein, machen Sie mir einen Hubschrauber klar. Ich werde Venathaer aufsuchen und mir dabei gleich einen Eindruck der Lage aus der Luft verschaffen. Manchmal ist es besser, in den Straßen vor Ort zu sein.«

»Okay, Sir. In dreißig Minuten ist der Helikopter startklar.«

Pruitt nickte und verließ den Raum.

***

Dallas, vierundzwanzig Stunden nach der Anomalie

Auf der Anzeige im Kontrollraum des Colliders prangte eine Zehn. Pendergast blickte mit großen Augen auf das Display. »Was passiert hier?«

»Es wächst!« Sparks wies auf die Anzeige, als würde sie den unumstößlichen Beweis für seine Aussagen liefern.

»Es kann nicht wachsen. Der Theorie zufolge ist es nicht größer als ein Millielektronenvolt.«

»Es wächst!«

»Aber die Hawking-Strahlung, die es abgibt, müsste es zerstören. Es kann eigentlich bei der Größe nicht wachsen«, sagte Pendergast.

»Doch. Wie Sie sehen, wächst es. Die Hawking-Strahlung können wir nicht messen, sie ist eine Annahme … Wenn sie nicht linear mit der Größe des Lochs ansteigt, kann es sein, dass es weniger Energie verbraucht, als es aufnimmt. Mit anderen Worten: Es wächst.«

Pendergast trieb Jungforscher Sparks mit seinen Fragen vor sich her. »Haben Sie sich eigentlich mal überlegt, dass wir es mit nichts belegen können? Kein wirklicher Beweis!«

»Gravitonen wären ein Beweis«, entgegnete Sparks.

»Aber da wir keine messen konnten, gibt es auch kein Wachstum. Möglicherweise gibt es das ganze verdammte Ding gar nicht. Es kann sein, dass das Loch die Gravitonen einfach verschluckt und in seinem Inneren verdichtet hat.«

»Ja könnte, hätte, würde. Wir sind Wissenschaftler, Sparks!«

»Aber wir haben Unmengen an Teilchen detektiert und zusätzlich die signifikante Zeitabweichung in den Messgeräten. Wie wollen Sie es anders erklären, Doktor?«

»Ich weiß es nicht, Sparks. Weiß Gott … ich habe keine Ahnung.«

Der Jungforscher sinnierte noch einige Zeit, bevor er sich dazu entschloss, mit seinem Mentor zu telefonieren. Er wählte Leighlands Nummer.

Professor Leighland hatte das Abendseminar zum Thema Thermodynamik seines Erstsemesters fast beendet.

»Wenn Sie sich die Maxwell Beziehungen und die Gleichungen nicht merken können, dann hilft ihnen vielleicht das Guggenheim Quadrat(6)«, dozierte Leighland. »Sozusagen ein Spickzettel für Ihre Formeln.«

Auf der Projektionsfläche hinter ihm erschien ein Quadrat mit neun Feldern, in der sich wie auf einem Schachbrett Buchstaben verteilten. Las man sie im Uhrzeigersinn von der Zwölf aus, so fand man in der Reihenfolge die Buchstaben: »U,V,F,T,G,-p, H, -S«Lediglich das mittlere Feld blieb leer.

Leighland kommentierte das Quadrat in gewohnt sarkastischer Manier. »Rollins, auch Sie sehen doch hier ein Quadrat, oder nicht?«

Rollins, ein Student weiter hinten im Hörsaal, der zu den eher schwächeren Studenten gehörte, die in aller Regel mehrmals in einer Vorlesung durch Leighland bloßgestellt wurden, blickte mit großen Augen auf.

»Aber auch die, die es von hinten nicht so gut sehen können, weil sie wieder mit dem Download ihrer Apps beschäftigt sind, hinhören! Diese Eselsbrücke mag Ihnen helfen, sich an die Beziehungen zu erinnern.«Leighland hielt kurz inne. »Und nein, es sind nicht die Anfangsbuchstaben meiner Verflossenen.«Die Hörerschaft lachte.

»Wenn Sie zum Beispiel die Koeffizienten der Differentiale suchen, dann finden Sie die Symbole des jeweiligen Potentials an den beiden gegenüberliegenden Ecken. Klar? Und jetzt die spektakuläre Frage: Wie merkt man sich das Ganze? Okay, ich hab’ da was für Sie.« Leighland machte eine Armbewegung, die einen Kreis beschrieb.

»Fangen Sie bei S an und folgen Sie den Buchstaben im Uhrzeigersinn. Merken Sie sich die Anfangsbuchstaben. SUV- Fahrer tragen gerne pinke Hemden, damit haben Sie dann die Buchstabenfolge im Guggenheim Quadrat. Okay, haben Sie’s?«Leighlands Schmunzeln spiegelte sich in den Gesichtern seiner Studenten.

»Rollins, Sie können auch bei U anfangen … Wenn Sie gleich nach Hause gehen, sagen Sie immer wieder auf: Unser Vater findet tausend gute Pornos hinter dem Schrank.« Der ganze Hörsaal brach in Gelächter aus, während sich der Professor das Headset vom Kopf zog.

»So, das war es für Heute«, murmelte Leighland und griff nach seinem lautlos geschalteten Mobiltelefon. Er sah die eingegangenen Anrufe, die Nachrichten auf der Mailbox. Dann klingelte das Telefon und schon nach wenigen Augenblicken vernahm er die Stimme von Sparks.

»Guten Abend, Professor«, brachte dieser atemlos hervor. »Sie werden es nicht glauben, bis Sie es mit eigenen Augen gesehen haben! Das müssen Sie sich anschauen!«

»Was denn?«

»Wir haben hier ein Problem.«

Leighland unterdrückte ein Kichern. »Natürlich, was denn sonst, Sparks? Ein Problem. Haben Sie den Laden etwa schon in den ersten Tagen durcheinandergebracht? Ich dachte, selbst Ihnen gelingt das nicht so schnell.«

»Professor, wir haben hier eine Schwerkraftanomalie, die es in sich hat. Es wird Sie umhauen.« In Sparks Stimme lag jene Ungeduld, die Leighland bereits seit vielen Jahren an ihm kannte und die in aller Regel dann zum Vorschein kam, wenn es sein Zögling nach tagelanger Analyse der Theoreme tatsächlich wieder einmal geschafft hatte, die gestellte Aufgabe vor seinen Kommilitonen am schnellsten zu lösen.

»Soso, keine Woche im neuen Job und schon den Nobelpreis in Sichtweite, was mein Junge?«

Sparks blieb unbeirrt. »Professor, wir haben es hier mit einer Alphastabilität zu tun, die echt abgefahren ist.«

»Haben Sie das Ganze schon analysiert?«

»Ihrer Lehre nach kann es nur einem Phänomen zugeschrieben werden. Einem Phänomen, das es aber auf der Erde nicht geben kann.«

»Ach. Und was meinen Sie, ist es?«

»Ein … Schwarzes Loch.«

Leighland unterdrückte den Reflex, in Gelächter auszubrechen. »Wissen Sie, was ich glaube, Sparks? Sie sitzen gerade im Kino, haben was getrunken, schauen sich Star Wars Teil fünfzehn an und wollen mal wieder Ihren alten Professor anrufen. Sie nehmen mich auf die Rolle, stimmts?«

»Professor, wenn Sie es nicht glauben, dann kommen Sie her und sehen Sie sich das selber an.«

»Was soll ich mir anschauen, Sparks? Ein Schwarzes Loch? Wissen Sie was? Packen Sie’s doch ein und schicken es her zu mir. Ich schau’s mir dann nächste Woche hier in aller Ruhe an. Okay? Ach so: Und den Energiejet am anderen Ende schneiden Sie ruhig ab, damit es in die Kiste hinein passt. Und wenn’s zu schwer sein sollte, können Sie’s ja mit Union Post Package schicken. Soweit ich weiß, versenden die auch überschwere Fracht.«

»Hören Sie doch, Professor, wir haben hier eine Alphastabilität von mindestens vierundzwanzig Stunden. Und das ohne Strahlungsverlust. Sie müssen sich das ansehen!«

Am anderen Ende der Leitung herrschte plötzlich Stille.

»Wenn Sie mir nicht glauben, kommen Sie her und überzeugen Sie sich selbst!« wiederholte Sparks.

»Seit vierundzwanzig Stunden?«

»Ja, seit gestern.«

»Wie oft haben Sie nachgemessen?« Leighland schien Sparks Ausführungen nun mehr Glauben zu schenken.

»Oft genug!«

»Sind Sie jetzt im Collider?«

»Ja.«

»Gut. Geben Sie mir mal Karel.«

Sparks reichte den Hörer an Pendergast weiter.

»Jim, es scheint wirklich so als hätten wir einen Schwerkrafteffekt. Möglicherweise ein Braneworld Black Hole(7). Keine Ahnung, aber vielleicht ist es das, was man 2010 in der Schweiz beim Collideranlauf befürchtet hatte. Es ist jedenfalls stabil und real. Und es scheint nicht zu fluktuieren.«

»Interessant. Wirklich keine Zweifel, Karel?«

»Aus meiner Sicht keine Zweifel, nein. Am besten, du schaust dir das selbst an. Ich habe dafür jedenfalls keine Erklärung.«

»Okay, aber zurzeit ist es schwierig, einen Flug zu bekommen«, widersprach Leighland. »Diese Verrückten da draußen machen eine Menge Probleme. Man nennt sie Creeps. Was auch immer mit denen los ist.«

»Hier im Colllider bekommen wir davon nichts mit. Die Zugänge sind bewacht, es patrouilliert Sicherheitsdienst, im Außenbereich die Polizei. Ich denke, hier sind wir sicher wie in Abrahams Schoß.«

»Kann man bei uns nicht sagen. Diese verdammten Sicherheitsbestimmungen bringen alles ganz schön durcheinander. Der ganze Universitätsbetrieb bei uns stockt.«

»Die werden das schon unter Kontrolle bringen, Jim.«

»Na, hoffen wir’s. Ich buche jedenfalls den nächstmöglichen Flug.«

Leighland hatte Glück. Bereits am Folgetag war ein Platz in einer Maschine frei geblieben. Er würde sich vor Ort ein Bild von der Alphastabilität machen.

***

Zur selben Zeit, Genetic Reserch Laboratories

Der Hubschrauber von General Pruitt landete auf einem abgesperrten Areal von nahezu der Grundfläche eines Fußballfelds. In der Mitte eines gepflegten Rasens, um den herum sich konzentrisch Blumenrabatten scharten, erhob sich ein zwanzigstöckiges Gebäude mit schwarz verglaster Fassade. Einsam und majestätisch zeichnete sich die Silhouette vor dem Himmel ab. Auf dem Dach thronte ein Hologramm mit großen schwarzen Lettern: Genetic Research Laboratories.

Pruitt durchschritt den großzügigen Eingangsbereich und fand ohne weitere Hinweise des mit einer Handbewegung wortlos grüßenden Empfangschefs den Weg zum Fahrstuhl. Im letzten Stockwerk betrat er einen Vorraum mit nachgelagerter Durchgangsschleuse. Der General nahm davor Position ein und wurde von zwei Laserstrahlen abgetastet, die seine Identität bestätigten. Nachdem der Scan beendet war, öffnete sich die Schleuse. Pruitt trat vor eine schwarz getönte Glaswand, die den gesamten Raum wie eine Mauer teilte. Dahinter erkannte er schemenhaft eine Person. Das mittlere Segment der schwarzen Glasscheibe fuhr zur Seite und gab den Blick in einen dahinter liegenden Raum frei. Der General blickte auf einen hageren Mann mittlerer Größe und Statur, dessen Augen wachsam jede Bewegung seines Gastes verfolgten. Der lichte kurzgeschorene Haarkranz sowie sein angegrauter Bart deuteten ein Alter von mindestens fünfundfünfzig Jahren an. Pruitt kam ohne Begrüßung direkt zum Thema.

»Ich wünsche eine lückenlose Aufklärung über alles, was diese Katastrophe ausgelöst hat. Sie garantierten uns keine schweren Nebenwirkungen.«

»Hallo General«, entgegnete der Hagere und ignorierte den offensichtlichen Angriff. »Fühlen Sie sich bei mir wie zu Hause.«

»Venathaer, wir haben ein Vermögen in Ihre Forschung gesteckt, ich verzichte deshalb gerne auf Ihre Höflichkeitsfloskeln. Und ich sage Ihnen eins: Sollten Ihnen auch nur die geringsten Fehler nachzuweisen sein, dann werde ich Sie zur Verantwortung ziehen.«

Venathaer blieb scheinbar gelassen. »Devlin, ich hatte Ihnen schon damals gesagt, dass Restrisiken nicht auszuschließen sind. Und bei dem begrenzten Budget …«

»Kommen Sie mir nicht so, Venathaer! Sie hatten eine viertel Milliarde Dollar zur Verfügung! Ganz zu schweigen von Ihren Sonderwünschen. Champagner und Kaviar, für Sie nur das Beste. Und jetzt das! Sie sind Verursacher des größten Desasters, das ich je erlebt habe. Vielleicht der größten Katastrophe der Neuzeit.«

Pruitt baute sich nun unmittelbar vor dem Forscher auf, sodass sich ihre Gesichter fast berührten, dann fuhr er fort: »Glückwunsch, Herr Doktor. Zu Ihrem Titel tragen Sie nun einen weiteren. Weltvernichter. Am liebsten würde ich Ihnen hier an Ort und Stelle die Lichter ausdrehen und die Kaviarhäppchen so tief in Ihren Rachen stecken, dass Sie dran ersticken. So eine riesengroße Schweinerei habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt!«

Der Forscher, dem dunkle Röte ins Gesicht stieg, wich zurück. Dann öffnete er einen Büroschrank und zog einen Ordner mit Dossiers hervor.

»Darf ich Sie daran erinnern, dass wir Ihnen bereits nach den ersten Tests die Ergebnisse in vollem Umfang zur Verfügung gestellt haben? Sie kannten also die Risiken! Sie wollten Kampfmaschinen unter bedingungsloser Kontrolle Ihrer Kommandanten. Wir haben biochemisches Neuland betreten. Keiner von uns, keiner auf diesem ganzen gottverdammten Planeten, wusste, wie sich diese Forschung auswirken würde. Und dass es Komplikationen geben könnte, auf diese Risiken haben wir schon im Vertrag hingewiesen!«

»Venathaer, Sie kommen mir vor wie ein Chirurg, der sein Operationsbesteck in meinem Körper vergessen hat. Aber ich habe Ihnen keinen Haftungsausschluss unterschrieben, mit dem Sie sich jetzt hier einfach aus der Affäre ziehen können. Und ich krieg Sie dran, das verspreche ich Ihnen!«

Auf der Stirn des Forschers begannen sich Schweißtropfen abzuzeichnen. »Wir hatten nur in zwei Prozent der Tests abweichende Ergebnisse. Darüber sind Sie in allen Details informiert worden.«

»Ja, Sie erzählen mir nichts Neues«, polterte Pruitt.

»Die schmerzausschaltende Komponente war eine Vorgabe. Wir haben es geschafft! Die zweite Forderung: Das Bewusstsein in den Hintergrund drücken? Bitteschön, auch das haben wir geschafft!«

»Eine Horde von Zombies haben Sie in die Welt gesetzt, nichts weiter.«

»Sie waren es doch, der seine Soldaten zu Befehlsempfängern machen wollte. Und jetzt beschweren Sie sich, dass wir hier unseren Job gemacht haben.«

»Sie haben es nicht unter Kontrolle!« brüllte Pruitt.

Venathaer öffnete den Kragen seines Hemdes. Er drehte seinen Kopf hin und her, als wollte er sich mehr Luft verschaffen.

»Keine Ahnung, warum die telepathische Verschaltung zum Kommandanten nicht funktioniert hat wie vorhergesehen. Liegt vielleicht an den Verunreinigungen des Präparats. Und dass es bei zwei Prozent eine multiple Kontaktneurose …«

»Verdammt Venathaer, reden Sie in einer Sprache, die ich verstehe!« fuhr Pruitt dazwischen.

Der Wissenschaftler starrte an die Decke und seufzte. »Das heißt, die Gehirne der Betroffenen ließen sich nicht wie geplant zu einer zentralen Person hinsteuern, sondern sie bildeten gestreute Kontakte. Kontakte zu den Menschen in ihrer Umgebung.«

»Sie meinen, die haben zu mehreren Personen telepathischen Kontakt?«

»Genau so ist es. Das muss für die Versuchsobjekte wie ein Gewitter im Kopf gewesen sein. Damit kamen sie nicht klar.«

»Gibt es ein Gegenmittel?«

»Wofür? Es handelt sich hier schließlich nicht um einen chemischen Kampfstoff.«

»Wäre es einer, hätten wir weniger Probleme«, fasste Pruitt zusammen.

Venathaer beschrieb die Droge wie ein Medikament. »Es sind einfach Nebenwirkungen, auch die physischen Ausfallerscheinungen.«

»Ausfallerscheinungen? Reden Sie doch Klartext. Wir nennen das plötzliches Herzversagen. Alles Ihr Bockmist!«

Venathaer erging sich in Ausflüchten. Mit seiner Gestik nahm er eine immer defensivere Haltung ein. »Wir haben nur geliefert. So wie es von Ihnen ausdrücklich gewünscht wurde. Die Reduzierung des Bewusstseins hatten Sie uns selbst in die Bücher geschrieben. Auch die Steigerung des Aggressionspotentials. Selbst die geforderte Ausschaltung von Moral und Hemmung.«

»Reden Sie sich nicht raus, Venathaer! Soll ich Ihnen sagen, was Sie getan haben? In meinen Augen haben Sie eine Waffe geladen, scharf gemacht, und nun ballert diese Waffe fröhlich in der Gegend herum. Und das auch noch völlig unkontrolliert! Sie tragen die Verantwortung dafür, es unter Kontrolle zu halten! Sie allein!«

Der Forscher hob beide Hände vor seine Brust. »Verantwortung? Was für eine Verantwortung? Restrisiken können wir nicht ausschalten, nie. Es gibt wie immer nur eine Neunundneunzig Prozent angenäherte Wahrscheinlichkeit. Wir hatten einen Auftrag, einen Auftrag Ihrer Regierung. Haben Sie das schon vergessen?«

Der General senkte seine Stimme. »Oh ja, ich kenne Leute wie Sie, Venathaer. Skrupellos und geldgierig. Die Verantwortung übertragen sie anderen, wenn es schief läuft, streiten sie alles ab. Venathaer, Sie sind mir zuwider.«

»Hören Sie auf!« Venathaer machte nun den Anschein, als wolle er sich nicht alles kommentarlos gefallen lassen.

»Sehen Sie doch den Tatsachen ins Auge! Fakt ist: Es ist schiefgelaufen, und Sie haben es versaut!«

»Ach, gehen Sie zum Teufel!« Venathaer winkte ab.

»Oh nein. Es geht Ihnen an den Kragen, und ich lass’ Sie da nicht raus!«

»Bleiben Sie mal auf dem Teppich, Pruitt. Wenn Wissenschaftler Dynamit herstellen, tragen sie dann die Verantwortung für die Kriege in der Welt? Nein! Die Erfindung des Eispickels war auch nicht die eines gemeinen Mordwerkzeugs. Aber, wie wir beide wissen, wird er weltweit gerne als solches verwendet. Auftraggeber wie Sie haben nicht weniger Skrupel. Und die Verantwortung mit einer neu geschaffenen Kreatur überall auf der Welt Schaden anzurichten, tragen Sie genauso wie ich. Aber wenn’s dann brenzlig wird, suchen Leute wie Sie immer einen Sündenbock.«

Pruitt schäumte vor Wut. »Ich lass’ mich doch von Ihnen nicht beleidigen! Dafür, dass Sie das Zeug ohne mein Wissen nach China verscherbelt haben, könnt’ ich Sie vor’s Kriegsgericht stellen lassen.«

Venathaer, der sich seine Krawatte und den Hemdkragen öffnete, konterte: »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt! Hätten Sie uns die Mittel für die Produktion nicht zusammengestrichen, dann hätten wir die Präparate hier in den Staaten produzieren lassen. Aber nein, ich durfte wieder eine neue Lösung finden. Ein Kaninchen aus dem Hut zaubern! Hätten wir nicht die Billigfabriken unserer Joint Venture Company in China, dann wär’s vor Jahren schon vorbei gewesen mit der Idee einer zuverlässigen menschlichen Kampfmaschine.«

»Vorbei gewesen wäre es aber auch mit den Fördermitteln! Sie haben kassiert und weiterentwickelt. Abgeliefert haben Sie dann den letzten Dreck!«

Venathaer ließ sich in einen der Ledersessel fallen. Seine Stimme wurde ruhiger. »Die Verunreinigungen sind in Asien passiert, da bin ich mir sicher. Für die fehlerhafte Zusammensetzung können wir nichts. Immerhin waren es zertifizierte Joint Ventures. Und für die verbrecherische Verteilung über Schwarzmarktkanäle tragen wir hier die allerwenigste Verantwortung. Das wissen Sie genau.«

Pruitt winkte ab. »Ach, Ihre Joint Ventures interessieren mich einen feuchten Dreck.«

»Es waren gottverdammte Pannen, nichts sonst«, verteidigte sich Venathaer weiter: »In Asien haben die jetzt dasselbe Problem wie wir. Laden Sie jetzt nicht den ganzen Dreck auf mir und meinem Team ab.«

»Schluss jetzt! Was Sie in Teufelsküche gebracht hat, ist nur Ihr Gewinnstreben! Aber es wird Ihre ureigene Hölle sein, in der Sie schmoren. Wenn es Ihnen nicht gelingt, die Katastrophe einzudämmen, dann wird es Ihr Untergang. Das verspreche ich Ihnen.«

Der Wissenschaftler sprang auf, kehrte Pruitt den Rücken zu und betrachtete die Berichterstattung auf einem Fernsehbildschirm. Die Reportage zeigte Straßenschlachten in Detroit und Dallas.

»Machen Sie die Augen auf!« preschte Venathaer vor. »Dealer verteilten das Zeug an Studenten. Nicht ich. Seit Monaten decken sich diese ganzen Leute mit Strange ein. Wie sollten wir das ahnen?«

Auch Pruitt blickte jetzt konzentriert auf den Bildschirm, die Reportage brachte ihn aus dem Konzept: »Verdammt … warum ausgerechnet so viele Studenten?«

»Warum?«Venathaer lachte heiser. »Sie konsumierten es zur Konzentrationssteigerung. Vermutlich wegen des Aufputscheffekts. Außerdem reduziert es Hemmungen und Schmerzempfinden. Alles das, was Sie uns in die Bücher geschrieben hatten. Sie müssten es also eigentlich wissen.«

»Und warum plündern sie, knallen alles ab, was ihnen vor die Flinte läuft? Schauen Sie sich das doch an!«

»Ich habe damit nichts zu tun. Es waren die chinesischen Triaden.«

Pruitt geriet einmal mehr außer sich vor Wut. »Ach, fahren Sie doch zur Hölle mit Ihren Triaden! Uns bleibt nur noch die Nationalgarde! Aber nicht einmal damit kriegen wir die Situation in den Griff! Eine Katastrophe! Venathaer, Sie haben achtundvierzig Stunden Zeit, mir eine Lösung vorzuschlagen. Ich will ein Gegenmittel und eine Strategie! Ansonsten …«

»Was? Wollen Sie mir etwa drohen, Pruitt? Dafür hängen Sie viel zu tief mit drin.«

Der General packte sein Gegenüber am Kragen, griff an seine Dienstwaffe und hielt sie dem Wissenschaftler unters Kinn. »Ein Gegenmittel, Venathaer. Ein Gegenmittel! Sie haben nicht nur Tausende auf dem Gewissen, möglicherweise rotten Sie mit dem Zeug die gesamte angehende Wissenselite unseres Landes aus. Damit katapultieren Sie die Vereinigten Staaten in die Steinzeit. Ist ihnen das klar?«

»Aber ich brauche …«

»Ist Ihnen das klar?«

»Ach, zum Teufel. Wie soll ich in auchtundvierzig Stunden …«

Pruitt unterbrach den Antwortversuch des Wissenschaftlers. »Achtundvierzig Stunden, Venathaer! Und nicht länger!« Die nächsten Worte zischte er mit kaum hörbarer Stimme: »Sonst katapultiere ich Sie dafür in die Hölle! Haben Sie mich verstanden?«

***

Collider Dallas, 19. Juli 2017

Leighland erreichte das Gebäude des Colliders und platzte mitten in die Unterhaltung von Sparks und Brattfield Jones, Administration Chief des Colliders.

»Die Anzeige hat sich auf Null reduziert. Es ist vorbei.« Aus den Gesichtern wich die Anspannung wie Frühnebel bei Sonnenaufgang.

Jungforscher Sparks schüttelte den Kopf. »Nein, das denke ich nicht.«

»Warum?«

»Wir registrieren es nur nicht mehr.«

Pendergast entgegnete in einem Tonfall, als wollte er einen längst vergessenen Vorfall aufs Neue debattieren: »Wir registrieren es nicht?«

»Die Anzeige zeigt nur im Millivoltbereich an. Ich vermute, es ist bereits so groß, dass es nur noch im Voltbereich zu messen ist. Es ist nicht vorbei!«

»Was wollen Sie damit sagen, Sparks?«

»Ich will damit sagen, dass es bereits so weit gewachsen ist, dass wir es auf unseren Instrumenten nicht mehr sehen. Das gottverdammte Ding wächst. Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden wir Gamma-Quanten messen. Und spätestens dann haben Sie Ihr Schwarzes Loch.«

»Ach, hören Sie doch auf mit Ihrer fixen Idee!« Pendergast schien Sparks die neue Theorie nicht mehr zu glauben. In diesem Augenblick trat Leighland hinzu und begrüßte seine Kollegen.

»Ist es immer noch stabil oder können wir eine Fluktuation erwarten?«, eröffnete der Berkeley-Professor das Gespräch.

Pendergast versuchte sofort, die Situation zusammenzufassen. »So wie es aussieht, gab es keine Spin-Down-Phase.«

»Eichbosonen?«

»Waren nicht zu messen.«

»Die Hawking Strahlung müsste es zerstören.«

»Sie ist theoretisch«, warf Sparks ein.

Leighland hielt dagegen: »Anhand der Gammaquanten müssten wir feststellen können, dass es sich um eine Strahlungsquelle handelt. Sie kennen doch die Vermutung: Schwarze Löcher sind gar nicht so schwarz.«

»Das stimmt«, bestätigte Pendergast. »Aber das Problem liegt an anderer Stelle. Sollte es ein Schwarzes Loch sein, dann müsste es durch die Erdgravitation in Nähe des Erdmittelpunkts gezogen werden. Das wird es offensichtlich hier nicht. Aber es kann unmöglich an Ort und Stelle verharren, dafür wäre es viel zu schwer.«

Leighland resümierte: »Wir kommen so nicht weiter. Ich brauche Unterstützung. Es gäbe da einen Kollegen in Russland. Er arbeitete noch vor gar nicht so langer Zeit am Collider in Genf. Vielleicht kann er helfen.«

»Am CERN?«, fragte Pendergast.

»Ja, Zorin Katchenko. Ein Freund von mir. Er arbeitet jetzt am MIPT in Moskau. Sein Fachgebiet ist Gravitation und schwere Elemente. Er hatte damals die wissenschaftliche Leitung am Collider in Genf. Vielleicht weiß er mit dem Ding was anzufangen.«

»Katchenko? Kenne ich nicht. Ist wohl auch schon paar Monate her, dass ich Kontakt zu der Anlage hatte.«

Leighland wählte die Nummer aus seinem Mobilfunkspeicher. »Hoffentlich geht er ran. In Moskau ist es acht Stunden später, also schon spät am Abend.«

»Ja?« antwortete jemand am anderen Ende der Leitung.

»Leighland hier. Aus Berkeley. Zorin, bist du es?«

»Hey, Jim. Lange nichts von dir gehört!« Die Begrüßung schien etwas herzlicher, als der Professor erwartet hatte. »Herzlichen Glückwunsch erstmal zu eurer Fertigstellung in Dallas. Ihr habt es ja ganz schön lange geheim gehalten.«

»Wie ich sehe, nicht gut genug. Woher weißt du es?«

»Ihr veröffentlicht es nächste Woche in Astrophysicsworld. Naja, ich kenne den Verleger sehr gut und er hat mir einen Vorabzug der nächsten Ausgabe geschickt. Ich hatte dich schon anrufen wollen deswegen.«

Leighland konterte: »In dieser Welt gibt es einfach keine Diskretion. Der absolute Verfall der guten Sitten.«

Katchenko lachte und spielte den Ball zurück: »Ja, und natürlich lauft ihr uns wieder den Rang ab. Ihr seid mit einer Leistung von vierzig Teraelektronenvolt doppelt so leistungsstark wie wir damals am CERN. Also sprich nicht vom Verfall der guten Sitten, sprich lieber von der Inflation der Standards.«

Der Professor lachte in sich hinein.

»Okay, aber darum rufe ich nicht an. Wir haben ein Problem. Hattest du in deinen Versuchen jemals eine Alphastabilität von längerer Dauer?«

»Damals in Genf? Nein, hatten wir nicht. Aber in Hengshui. Die Anlage ist fünfzig Teraelektronenvolt stark.«

Leighland verschlug es fast die Sprache. »Wieso fünfzig? Veröffentlicht und angegeben wurde er mit dreißig, soweit ich weiß. War das gelogen?«

»Tja, der Verfall der guten Sitten!«, witzelte Katchenko.

»Verfall der guten Sitten? Zorin, sprechen wir lieber von der Inflation der Standards!«

Beide lachten.

»Du meinst, die hatten eine Alphastabilität von längerer Dauer?«

»Ja, denke schon«, mutmaßte der Russe.

»Gibt es Unterlagen über die Ergebnisse?

»Ich habe sie hier und werte sie gerade aus. Man hatte mich um eine unabhängige Meinung gebeten.«

»Könntest du sie mir zur Verfügung stellen?«

»Sicher. Ich kann sie dir nach Berkeley faxen.«

»Nein, nicht nach Berkeley.« Der Professor gab Katchenko die Faxnunmmer des Colliders.

»Am besten gleich hierher nach Dallas. Zorin, ich habe da ein Problem, über das ich mit dir sprechen wollte. Was denkst du über die Gefahr eines Braneworld Black Hole?«

»Du meinst wegen der Alphastabilität? Wenn du mich fragst, nein, zumindest nicht damals in Genf. Wir hatten 2010 und 2012 mehrere Durchläufe, da fanden sich kein Black Hole und auch sonst keine Effekte. Es könnte natürlich sein, wenn die Anlage groß genug ist. Wenn Teilchen bei höchsten Energien zusammenprallen, dann könnte es entstehen. Aber wenn es tatsächlich so sein sollte, dass mit größeren Energien … Das wäre ja phänomenal!«

»Was würdest du zu einer statischen Lokalisierung sagen? Könnte sie für längere Zeit auf einer Stelle verharren?«

»Die Theorien dazu sind gegensätzlich. Ich würde sagen, eher nicht. Aber das ist alles müßig.«

»Mir ist klar, je kleiner sie sind, desto schneller zerstrahlen sie. Eigentlich dürften sie gar nicht existieren.«

»Das schon«, entgegnete Katchenko. »Aber wir kennen nicht die Schwelle der Größenordnung, bis wann sie stabil bleiben.«

»Und was denkst du über die Risiken?«

Die Antwort des Russen kam prompt und signalisierte Überzeugung. »Ich sehe keine Gefahr. Wenn überhaupt, bleibt es nur kurz stabil. Wie gesagt, eigentlich müsste es durch die abgebende Strahlung zerfallen.«

»Glaubst du, wir können es uns mal aus der Nähe ansehen? Ich meine in der Anlage.«

»Wenn es das ist, wofür du es hältst, ist es nicht mal von mikroskopischer Größe. Es kann nicht gefährlich sein.«

»Was macht dich so sicher?« Leighland war noch immer skeptisch.

Katchenko legte einen Hauch besserwisserischen Spotts in seine Stimme: »In Los Alamos 1945 gab es bei der ersten Bombe auch Rufe von wegen Weltvernichtung. Du erinnerst dich, oder? Alle unkten, wenn erst einmal eine nukleare Kettenreaktion in Gang käme, wäre es das Ende der Welt.«

»Das stimmt«, erinnerte sich Leighland. »Soweit ich weiß, sprachen sie von totaler Verwüstung des ganzen Planeten.«

Katchenko lachte. »Alles Quatsch. Die wissen doch sowieso immer alles besser. Was gab es schließlich? Einen Entenfurz in der Wüste New Mexicos.«

»Tja, nur dass ein ähnlicher Entenfurz kurz danach in Ja­pan über zweihunderttausend Menschen das Leben gekostet hat.«

***

Dallas, 20. Juli, drei Tage nach der Alphastabilität

Brattfield Jones fuchtelte mit einem Stapel Papier vor Pendergast in der Luft herum. Sein Gesicht war puterrot angelaufen.

»Doktor, es ist unglaublich! Sehen Sie sich das an!«

Pendergast, noch in seine Aufzeichnungen vertieft, nahm vom Lamentieren seines Kollegen kaum Notiz. Mit ausladender Handbewegung gab er zu verstehen, nicht gestört werden zu wollen.

»Was denn, was denn, Jones?«

Brattfield Jones gluckste vor Aufregung. »Wir sind bestohlen worden, bestohlen worden«, wiederholte sich der Physiker zweimal. »Sehen Sie doch!«

Jetzt wandte sich der Collider Chef doch den Unterlagen zu. Die Papiere dicht vor Augen überflog er die Dokumente.

»Woher haben Sie das?« fuhr er Brattfield Jones an.

»Aus dem Faxgerät.«

»Aus welchem Faxgerät?«

»Aus unserem Kontrollraum. Es war an Leighland gerichtet.«

»Das … Das ist …«Pendergast schien die Situation nun wie sein Kollege als aufsehenerregend einzuschätzen.

»Aus Moskau?«

»Ja, es kommt aus Moskau. Der Faxnummer nach. Aber ursprünglich stammt es aus China. Zumindest den Notizen der Schriftzeichen nach zu urteilen.«

»Unsere Forschungsergebnisse in China? Ich fasse es nicht!« Pendergast rückte sich die Brille auf der Nase zurecht und starrte auf den wie angewurzelt stehenden Administration Chief. Dieser schüttelte nur immer wieder den Kopf.

»Ich habe es mir angeguckt. Vollständig. Die basierenden Berechnungen und Formeln sind exakt beschrieben und entsprechen in allen Details unseren Arbeiten.«

»Also kopiert?« entgegnete Pendergast.

»Sehen Sie doch! Selbst die Bezüge und einige handschriftliche Notizen zu den Ableitungen haben sie übernommen.«

In diesem Augenblick trat Leighland hinzu und wurde sofort von den beiden Forschern bedrängt. Seine Vorahnung schien sich zu bestätigen.

»Jim, hast du das aus Moskau angefordert?«

»Ja. Ich habe mit Zorin Katchenko gesprochen. Er informierte mich über angebliche Ergebnisse in Hengshui. Ich war selber überrascht.«

Schockiert brach es aus Pendergast hervor: »Wir haben es hier mit einer ganz großen Sauerei zu tun! Einfach unglaublich!«

Er ließ den Papierstapel auf den Tisch sinken. »Ich will die Mitarbeiter dazu befragen, die ganze Führungsmannschaft! Hier stinkt etwas ganz gewaltig zum Himmel!« Seine Stimme überschlug sich. »Brattfield, Sie rufen alle zusammen und organisieren ein Meeting!«

Nur wenige Minuten später hatten sich alle wichtigen Mitarbeiter im Besprechungsraum versammelt. Es herrschte betretenes Schweigen, als Pendergast den Raum betrat. Während er in die Gesichter der Anwesenden blickte, verfinsterte sich seine Mine nochmals. Der Colliderchef wies auf einen Stapel Papiere, die sich vor ihm auf einer Akte türmten.

»Meine Herren, ich habe Sie zusammengerufen, da wir Sie über etwas Wesentliches informieren müssen. Zunächst verlange ich von Ihnen, das Sie über die folgenden Informationen außerhalb unserer Anlage kein Wort verlieren und absolutes Stillschweigen bewahren.« Pendergast richtete sich auf, als wollte er eine Rede von außerordentlicher Bedeutung halten. »Vor knapp einer Stunde sind wir in den Besitz von Unterlagen gelangt, die zweifelsfrei beweisen, dass unsere Forschungsergebnisse gestohlen wurden.«

»Unsere Ergebnisse in fremden Händen!« rief Brattfield Jones.

»Konkret: In den Händen unseres chinesischen Erzrivalen, dem Collider in Hengshui.«

Ein Raunen erfüllte den Raum.

»Ja, Hengshui. Die Unterlagen, die ich einsehen konnte, weisen nur ein Ergebnis aus. Es scheint zu belegen, dass das Graviton mit der Sicherheit von fünf Sigma tatsächlich nachgewiesen wurde. Zurzeit wird dort der zweite Versuch gefahren.«

Brattfield Jones warf ein: »Unsere Forschungsergebnisse in China, unerhört!«

»Ohne Zweifel sind unsere Berechnungen und Aufzeichnungen gestohlen worden. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie dies geschehen konnte. Nach dem jetzigen Stand der Kenntnisse müssen wir davon ausgehen, dass einer von uns daran beteiligt war.«

Das Getuschel schlug sofort um in betretenes Schweigen. Pendergast blickte in die fragenden Gesichter seiner Mitarbeiter. »Hat einer von Ihnen dafür eine Erklärung?«

Frease meldete sich zu Wort. »Wenn es denn tatsächlich so ist, dann haben wir es mit Verrat zu tun. Mit anderen Worten, wir haben einen Spion unter uns.«

Keiner im Raum wagte, etwas zu entgegnen. Einige blickten stumm vor sich hin, während andere wiederum den Kopf zu schüttelten begannen. Sparks blieb sprachlos zu seinem Mentor Leighland gewandt, der sich in seinem Stuhl zurücklehnte und mit dem Zeigefinger im Uhrzeigersinn über das Glas seiner Armbanduhr strich. Pendergast verteilte einen Stapel Papiere an die Anwesenden.

»Meine Herren, in Anbetracht der Lage sind Maßnahmen erforderlich. Wie Sie auf den Kopien erkennen, werden auf drei Blättern hinter den mathematischen Ableitungen Notizen ausgeführt. Ich möchte Sie nun um folgendes Bitten: Erstens, prüfen Sie die zur Verfügung gestellten Unterlagen und beziffern Sie ungefähr das Datum, wann die Notizen dazu abreißen. Ziel dabei ist es, sich dem Tag zu nähern, an dem die Unterlagen weitergegeben wurden. Sollte es sich herausstellen, dass wir den Tag ermitteln können, werden Frease und ich weitere Untersuchungen starten. Die Bewegungsprofile über die Zutrittskarten geben uns vielleicht Hinweise. Zweitens: Melden Sie bitte aus dem Collider abgehende Gespräche an, damit wir diese überprüfen können. Drittens: Das Verlassen der Anlage ist bis zum Abschluss der Ermittlungen untersagt. Wir haben das Innenministerium informiert, und es ist damit zu rechnen, dass jeder von Ihnen befragt wird.«

Frease ereiferte sich: »Das heißt, wir stehen alle unter Generalverdacht?«

Brattfield Jones giftete Frease entgegen: »Skandalös, einfach skandalös! Sie waren doch verantwortlich! Sie hätten es verhindern müssen! Jetzt sind wir am Ende!«

Pendergast schnitt Jones das Wort ab und hob beschwichtigend die Hände. »Mr. Frease, Ihnen als Sicherheitschef mache ich keinen Vorwurf. Zunächst wissen wir nicht, wie die Unterlagen das Haus verlassen haben und durch wen. Also erwarte ich bei allen Verständnis für die vorübergehenden Maßnahmen. Das wäre im Moment alles.«

Der Colliderchef blickte in die Runde und nickte Leighland zu. Dann drehte er sich zu Sparks: »Sparks, Sie bitte ich, im Raum zu bleiben.«

Der Jungforscher, der sich grade erheben wollte, sank wieder in seinen Sitz.

Nachdem alle Sitzungsteilnehmer den Raum verlassen hatten, eröffnete Pendergast das Gespräch:

»Jim, es tut mir furchtbar leid, dass ich dir das nicht ersparen konnte. Ich weiß um die Anstrengungen, die Gelder für uns bereit zu stellen. Ich bin erschüttert. Es ist eine Tragödie.«

Leighland beruhigte Pedergast, den er den Tränen nahe glaubte.

»Gut, wir können es jetzt nicht ändern. Natürlich werden wir versuchen, den Verdacht zu belegen. Wir können Science, Nature und Astrophysicsworld darüber informieren, und sie werden uns natürlich Glauben schenken.«

»Damit stoppen wir allerdings nicht unsere Gegner in Hengshui«, gab Pendergast zu bedenken.

»Gegen die Publikation des chinesischen Teams können wir bei den zuständigen Behörden Beschwerde einlegen. Außerdem sollten wir uns jetzt davon nicht beeindrucken lassen und unsere Untersuchungen fortführen.«

»Aber sie sind uns gegenüber im Vorteil, Jim.«

»Das sehe ich nicht so. Auch wenn der Vorsprung unserer Gegner groß zu sein scheint, es ist nichts verloren. Wir werden sicher das gleiche Ergebnis erzielen wie die Chinesen. Dann bleibt zu klären, welchem Team der Nachweis zugesprochen wird. Das wird dann die Grand Jury klären. Was mich zurzeit bewegt, ist allerdings noch etwas anderes.«

Leighland stockte kurz. »Auch Hengshui scheint eine Anomalie zu haben.«

»Eine Alphastabilität?«

»Ja. Katchenko sprach von mehreren Tagen und davon, dass das Ding auch wächst. Genaues weiß ich nicht.«

»Wie können wir mehr in Erfahrung bringen?«, fragte Pendergast neugierig.

»Es bleibt uns wahrscheinlich nichts anderes übrig, als uns das Ding vor Ort anzusehen. Vielleicht haben wir einen Vertrauten in China?«

»Ich kann mal nachhören, versprechen kann ich nichts. Es wird Zeit in Anspruch nehmen, und die Zeit ist das, was uns hier davon rennt«, resümierte Leighland.

»Okay Jim. Reden wir mal über das, was unausgesprochen im Raum steht. Sparks ist Chinese.«

Für einen Augenblick herrschte Stille.

Leighland, der Sparks betreten zu Boden blicken sah, entgegnete: »Du glaubst doch nicht wirklich, dass Sparks etwas damit zu tun hat? Er ist doch keine zwei Wochen hier, aber die Unterlagen müssen vor Monaten weitergegeben worden sein.«

»Ja, das spricht natürlich für ihn. Aber die Kollegen werden ihn verdächtigen. Wenn wir die Sache nicht aufklären, wird’s unangenehm. Gerade jetzt können wir sowas nicht gebrauchen.«

Der Professor wandte sich an Sparks: »Es wird keiner den Collider verlassen, solange die Anomalie stabil bleibt und das Sicherheitsleck nicht gefunden ist. Besuche sind nicht erlaubt. Haben Sie damit ein Problem, Sparks?«

»Meine Freundin wurde an die Ostküste geschickt. Wir werden uns also einige Tage nicht sehen. Sie arbeitet für einen Nachrichtensender«, entgegnete Sparks, als sei die Antwort auf Pendergasts Frage darin schon enthalten.

Pendergast setzte nach: »Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrer Freundin telefoniert?«

»Gestern.«

Der Professor beschwichtigte. »Karel, wir müssen uns auf die Anomalie konzentrieren. Ich vertraue Shuin. Auch die Kollegen müssten eigentlich wissen, dass er unschuldig ist. Die Weitergabe geschah zu einem Zeitpunkt, als Shuin noch gar nicht hier war. Wir sollten einfach weitermachen.«

Pendergast beteuerte: »Ja, wenn es denn überhaupt weitergehen kann, nach dem Vertrauensbruch. Aber es geht nicht nur um den Verdacht. Wir brauchen höhere Sicherheitsstandards, die Anomalie könnte unbeherrschbar werden. Wir müssen schnellstens was dagegen unternehmen.«

»Das ist auch meine Einschätzung«, bestätigte Leighland. »Was sagen denn die letzten Messungen?«

»Die Messung waren vor wenigen Stunden. Alles deutete darauf hin, dass die Anomalie signifikant wächst.«

»Und was ist jetzt dein Plan?«

»Ich habe vor, sie sichten zu lassen.«Pendergast schien entschlossen, dem Rätsel auf den Grund zu gehen.

»Du meinst, direkt im Collider?«

Pendergast betrachtete die Kiste neben sich auf dem Boden. Sie enthielt eine Kamera, zwei Detektoren und eine Anzahl von Kabeln. »Wir müssen neue Messinstrumente anbringen. Die bereits installierten sind auf die Detektion nicht eingerichtet.«

Leighland entgegnete: »Katchenko meinte, es bestünde kein Risiko, aber …«

Beide blickten sich an.

»Also raus mit der Sprache, Karel, wen willst du in die Höhle des Löwen schicken?«

Pendergast blickte hinüber zu Sparks, der sich mit weit geöffneten Augen in seinem Stuhl aufzurichten begann.

»Na los. Sie sind unser jüngster Zugang. Wenn Sie es tun, machen Sie sich in unserer Gruppe unsterblich.«

Der ehemalige Student blickte zu seinem Mentor und schluckte. In einer Abwehrbewegung streckte er wedelnd seine Handflächen vor. Leighland, der seinen Schützling im Auge behielt, resümierte: »Wir sollten zumindest vorher mal hören, was Sparks dazu zu sagen hat.«

»Kommt gar nicht in Frage.« Sparks schnappte nach Luft. »Wieso ich? Unsterblich hört sich ja erstmal gut an, aber vielleicht sterblicht es mich ja schneller, als wir das Un davor packen können.«

»Riskant, so was zum jetzigen Zeitpunkt durchzuführen, Karel«, sagte Leighland.

»Wenn Katchenko das Risiko geringschätzt, was haben wir zu verlieren? Für die Wissenschaft muss man bereit sein, alles in die Wagschale zu werfen. Hast du das nicht früher selbst gesagt?«

»Schon möglich, ja.«

Pendergast blieb offensiv. »Es ist die letzte Chance, die wir haben, Jim. Das weißt du genau. Außerdem ist die Strahlungsdosis weit unterhalb des Millirem-Bereichs, also eine Dosis, die wir nicht mal auf molekularer Ebene, geschweige denn in unseren Zellen spüren würden.«

»Sei es drum.« Leighland räusperte sich. »Wenn Sie’s freiwillig tun, Sparks, gebe ich die Freigabe. Natürlich unter strikten Vorsichtsmaßnahmen. Aber mal ehrlich, wenn Sie Weltraumsprünge machen, bekommen Sie die millionenfache Dosis an Strahlung ab. Dann ist das hier für Sie weniger als ein Spaziergang an der frischen Luft.«

Sparks, der jedes Mal nickte, als sein Lehrmeister die Risiken beschrieb, und den Kopf schüttelte, wenn Pendergast die Situation zu entdramatisieren versuchte, zog die Mundwinkel nach unten und fügte sich dem Unvermeidlichen.

»Und was habe ich davon, wenn es schief geht?«

»Dafür nennen wir es dann später die Sparks-Anomalie!«, schlug der Colliderchef vor. Leighland grinste. »Ja. Aber nur wenn es schiefgeht.«

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