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2.2.2 Hintergründe für symbiotische Prozesse

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Folgende Zusammenhänge für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Symbiosen können aufgezählt werden:

• Unklarheit und Veränderung: Symbiosen entstehen oft einfach, weil jemandem sein Beitrag unklar ist oder seine bewährten Vorstellungen angesichts neuartiger Herausforderungen ihre Gültigkeit verloren haben.

• Konfliktscheue: In der Frühphase werden positiv kritische Gespräche verschleppt. In unserem Kulturkreis neigt man entweder dazu, sich gegenseitig aus Furcht vor emotionalen Verwicklungen unangemessen zu schonen, oder (»wenn das Fass voll ist«) übermäßig oder verletzend zu kritisieren.

• Opportunismus: Gelegentlich ist in symbiotischen Prozessen auch Opportunismus im Spiel. Die Nicht-Übernahme von Verantwortung oder das Ertragen von Unbehagen ist oftmals mit symbiotischen Kompensationsgeschäften verbunden. Eigene Verantwortung wird auf Kosten von Unbehagen beim Gegenüber oder bei Dritten vernachlässigt. Gemeinsam werden weitere Personen in die Verwaltung von Verantwortungsmängeln oder in das Ertragen der Folgen einbezogen.

Beispiel: »Ich (als dein Mitarbeiter) verlange von dir als Führungskraft nicht, dass du Prioritäten klar machst, rechtzeitig planst und Strategien mit deinen Vorgesetzten abstimmst, ... Dafür schaust du mir nicht auf die Finger, ob die Qualität meinen Kunden gegenüber stimmt bzw. duldest, dass ich die fehlende Prioritätenklarheit als Ausrede benutze, wenn ich meine Arbeit nicht effektiv organisiere. Gemeinsam kümmern wir uns nicht um die Probleme, die für andere daraus erwachsen.

• »Naives« Engagement: Wenn z.B. Menschen durch Veränderungen überfordert sind und Lücken hinterlassen, sind oft andere da, die in naivem Engagement und Begeisterung solche Lücken unangemessen zu füllen versuchen. Ein Vorstandsassistent könnte z.B. versucht sein, gegenüber einem anderen Vorstand etwas durchzusetzen, weil sein eigener Chef den Konflikt mit dem Kollegen meidet. Dies kann gelingen und durchaus eine Lösung sein, wenn es gewollt ist und im Konfliktfall fair gehandhabt wird. Doch wird es dysfunktional, wenn der Vorstandsassistent einer falsch verstandenen Loyalität folgt, während der Vorstand die Größe der anstehenden Aufgabe nicht erkennt oder an untaugliche Lösungen, Qualifikationen und Zuständigkeiten glaubt. Die Zeche bezahlt dann im Konfliktfall meist der Assistent.

• Dilemmata: Ein bei Dienstleistungsunternehmen häufiges Beispiel kann darin bestehen, dass der Unternehmer im Vorfeld Leistungen verkauft oder verspricht, die von den Leistenden konkret nicht oder so nicht erbracht werden können. Wenn dann der Unternehmer nicht neu in Kontraktklärungen gehen möchte, aber auch keine Verantwortung für die Unmöglichkeit des Gelingens übernehmen will, kann dies dilemmahafte Züge annehmen (SCHMID/MESSMER 2004a). Insbesondere dann, wenn Prozesse schon so weit und kostenträchtig vorangeschritten sind, dass aufrichtige Klärung die bisherigen Mängel aufdecken würde. Man will sich »durchstrampeln«, anstatt loszulassen und die Fehlinvestitionen abzuschreiben. Als Folge werden die Verluste immer größer und die Energie im System ist zunehmend damit gebunden, sich Verantwortung (i.S.v. Haftung) nicht zuschreiben lassen zu müssen.

• Taktische Verantwortungsvermeidung: Manchmal wird Verantwortungsunklarheit von Anfang an gefördert, um sich Hintertüren offen zu halten, anstatt frühzeitig einen Risiko- und Verantwortungsdialog auch bezüglich des Unabwägbaren zu führen. Angesichts der Undurchschaubarkeit von Prozessen kann auch von symbiotischem Verhalten gesprochen werden, wenn wir von anderen Sicherheit verlangen, wo keine gegeben ist, und wir gleichzeitig nicht entscheiden, was wir angesichts fehlender Sicherheit überhaupt verantworten können.

Diese »pointierten« Bilder sollen niemandem böswilliges Fehlverhalten unterstellen. Symbiotische Verhaltensweisen sind angesichts wachsender, nicht bewältigter Komplexität nur allzu verständlich, aber eben schädlich und/oder entwicklungshemmend, weshalb einer Kultur des Verantwortungsdialoges eminente Bedeutung zukommt.

Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung

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