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3.4.2. Die Ikonologie Erwin Panofskys und die Ikonik Max Imdahls

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619 Erwin Panofsky

3.3.1./VI.5.3.

In den Zwanzigerjahren stieß der 1892 in Hannover geborene Kunsthistoriker Erwin Panofsky zum Warburg-Institut. Panofsky baute in dieser Zeit das kunsthistorische Institut an der 1919 gegründeten Hamburger Universität auf, dessen erster Professor er 1926 wurde. Er pflegte engen Gedankenaustausch mit Ernst Cassirer, der an derselben Universität die Philosophie vertrat. Frucht dieser wissenschaftlichen und persönlichen Freundschaft war die 1927 erschienene Arbeit Die Perspektive als symbolische Form, die direkt an Cassirers Lehre von den symbolischen Formen anschloss. 1934 emigrierte Panofsky in die USA und bekleidete in New York, Princeton und Harvard Lehrstühle.

Ikonologie

Am Warburg-Institut war Fritz Saxl mehr der Sammler und wissenschaftliche Auswerter, während es Panofsky um die Weiterentwicklung einer möglichst objektiven Methode der Deutung von Kunstwerken ging. Beeinflusst von Ernst Cassirer und Alois Riegls Kunstwollen, legte Panofsky die Grundlagen zur Ikonologie in seinem 1932 erschienenen Aufsatz Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst (urspr. ein Vortrag von 1931) vor. In stark veränderter Form findet sich dieser Text in den Studies in Iconology (1939) und erschien abermals 1955 in der Aufsatzsammlung Meaning in the Visual Arts. Die wesentliche Neuerung der Ikonologie gegenüber der bisherigen Ikonographie war, wie oben beschrieben, die Berücksichtigung der ideengeschichtlichen Kontexte bei der Deutung von Kunstwerken.

Ging man bisher in der Kunstgeschichte vor allem mit Stilkritik und mit Beschreibungen formaler Qualitäten an die Kunstwerke heran, sah sie Panofsky als Teil der Kultur der Zeit, was sich sowohl in Motiven als auch in der Form (damit dem Stil) im Kunstwerk niederschlägt. Die Ikonologie spitzte Panofsky zu einer objektiven wissenschaftlichen Methode zu, um den verbreiteten Subjektivismus in der Deutung von Kunst zu vermeiden.

Imdahl 1994, 306

Dittmann 1967, 342

Panofsky beschrieb die Methode als dreistufige Untersuchung: (1) In einer ersten vorikonographischen Stufe geht es um die Beschreibung der vordergründigen Darstellung (Phänomensinn): mimetischer oder ausdruckshafter Aspekt, Motive, Stimmungen, Gesten, Anordnung der Figuren, Kolorit etc. Zu Klärungen können zusätzlich zeitgenössische literarische Quellen dienen. (2) In der zweiten Stufe greift die ikonographische Analyse. Hier werden in üblicher Weise die Motive zu einer passenden Geschichte verbunden (Bedeutungssinn). Ein dargestellter junger Mann von vielen Pfeilen durchbohrt mit Blick in den Himmel kann als Martyrium des Hl. Sebastian entschlüsselt werden. Um dies durchzuführen, muss man mit Symbolen, Allegorien, literarischen Quellen und mythischen Themen vertraut sein. Um eine normale Mahlszene von einer Darstellung des Abendmahls unterscheiden zu können, braucht es Kenntnisse der biblischen Geschichten und der Tradition des antiken Symposiums. (3) Die dritte Stufe, die ikonologische Interpretation, soll das Gesamtverständnis eines Kunstwerks im Kontext der zeitgenössischen Kultur entschlüsseln (Wesenssinn). Der ikonologische Bildsinn besteht »– unter Einschluß des ikonographischen Wissens und über dieses hinaus – in der Funktion des Bildes als einer Ausdrucksform für solche historisch bedingten Geisteshaltungen, die zur Entstehungszeit des Bildes in der Malerei wie auch sonst in religiösen, philosophischen und poetischen Ideen hervortreten.« Das heißt nun, dass die Motive des Kunstwerks als symbolische Formen der Kultur interpretiert werden. An dieser Stelle machte Panofsky den Hintergrund der Philosophie von Kant und Cassirer fruchtbar. Verkürzt könnte man sagen: Ikonologie liegt zum Unterschied von Ikonographie dann vor, wenn ikonographische Features als Symbole gelesen werden. Panofsky führte von Cassirers Symbolbegriff jenen Aspekt fort, der die Eigenständigkeit des Bildes gegenüber dem Sinn meint, anders gesagt: der das Kunstwerk zum Zeichen macht. »Ein Kunstwerk ist dann ein ›symbolischer Wert‹, wenn es Symptom von ›etwas anderem‹ ist.«

Panofsky 1955, 41

Panofsky selbst expliziert das Gemeinte an einer Stelle so: »Suchen wir jedoch das Fresko als ein Dokument der Persönlichkeit Leonardos oder der Kultur der italienischen Hochrenaissance oder einer bestimmten religiösen Einstellung zu verstehen, beschäftigen wir uns mit dem Kunstwerk als einem Symptom von etwas anderem, das sich in einer unabsehbaren Vielfalt anderer Symptome artikuliert, und wir interpretieren seine kompositionellen und ikonographischen Züge als spezifischere Zeugnisse für dieses ›andere‹. Die Entdeckung und die Interpretation dieser ›symbolischen‹ Werte (die dem Künstler selber häufig unbekannt sind und die sogar entschieden von dem abweichen können, was er bewußt auszudrücken suchte) ist der Gegenstand dessen, was wir, im Gegensatz zur ›Ikonographie‹, ›Ikonologie‹ nennen können.«

Forssman 1966, 298

intrinsic meaning

Panofsky, zit. nach Dittmann 1967, 340

V.7.4.

Es versteht sich von selbst, dass bei diesem Unternehmen die Kenntnis der Ideengeschichte eine unabdingbare Voraussetzung ist. Denn die Entschlüsselung des Werks greift weit über die in der ikonographischen Analyse gewinnbaren Einsichten hinaus. Sie umfasst auch die unbewussten Einflüsse, die jedem Künstler zwangsläufig inhärent sind. Das Kunstwerk wird verstanden als Werk »einer unbewußten Hervorbringung.« Man muss sich an eine Interpretation wagen, die gleichsam das implizit Ungesagte im explizit Gesagten ans Licht bringt. Die besondere Pointe Panofskys dabei war das, was er intrinsic meaning nannte. Der von Karl Mannheim entlehnte Ausdruck meint einen Sinn aufgrund des den Künstlern unbewusst zugrunde liegenden geistigen und kulturellen Umfelds, der auch den zeitgenössischen Autoren bei der Beschreibung von Kunstwerken selbst nicht bewusst war. Karl Mannheim sprach davon, dass die dokumentarische Sinnschicht »triebartig« in das Kunstwerk einfließt. Ein reiner Bedeutungssinn muss auf einen Dokumentsinn (oder Wesenssinn, eben: intrinsic meaning) erweitert werden. Es handelt sich um die »ungewollte und ungewußte Selbstoffenbarung eines grundsätzlichen Verhaltens zur Welt.« Jeder Künstler ist ein Autor, der von Motivationen geleitet ist, die er selbst nicht mehr reflektiert. Für Panofsky scheint Mannheims Anspruch, den Griff hinter alle Kulturobjektivationen tun zu können, ein Ideal gewesen zu sein. Seine Absicht blieb, mit einem umfangreichen geistesgeschichtlichen Schatz das soziale, historische, religiöse Umfeld im weitesten Sinn zu berücksichtigen, um ein Kunstwerk als Symptom einer Zeit anzusehen und es nicht aus dem kulturellen Kosmos der Zeit zu isolieren zu versuchen. Wie das in einem Anwendungsfall funktioniert, habe ich am Beispiel von Panofskys Analyse der Ähnlichkeit von Gotik und Scholastik (Gothic Architecture and Scholasticism; 1951) zu rekonstruieren versucht.

Platonismus

Panofskys Methode ist kunstphilosophisch naturgemäß äußerst reizvoll, weil sie unter anderem auch die philosophischen Kontexte der Zeit ausdrücklich zum Thema macht. Dies diente der Erweiterung der empirischen und formalistischen Basis der Kunsthistoriker auf eine hinter den Kunstwerken stehende Idee. Dieses Bollwerk gegen einen reinen Formalismus errichtete er in der berühmten Abhandlung Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie (1924). Nicht zufällig ist der Titel ein Verweis auf den Platonismus, dessen Einfluss auf die Entwicklung der Kunst, namentlich auf Klassik und Klassizismus, nach seiner Meinung nicht hoch genug einzuschätzen ist. In seiner – wie in neukantianischen Kreisen üblich – qualitätvollen Platon-Deutung erkannte er die Rolle des Künstlers als Umsetzer des demiurgischen Prozesses: »So rückt der echte Künstler in eine Reihe mit dem göttlichen Demiurgen, der die Sinnenwelt aus der Schau der Ideen als ewige Vorbilder hervorbringt.«

Panofsky 1924, 44

Es wird nicht überraschen, dass der Vorstoß Panofskys erhebliche kritische Einwände erfuhr. Die prägnantesten von ihnen wurden von Ekkehard Kaemmerling zusammengefasst und – in einem Band gesammelt – 1979 herausgegeben. Zu diesen kritischen Punkten zählt, dass Panofsky die Methode auf gewisse Kunstwerke beschränkt habe. Auf manche Typen wie Stillleben oder Genrebilder sei sie gar nicht anwendbar. Zudem tat sich Panofsky nach eigenem Bekunden schwer mit der zeitgenössischen Kunst der Nachkriegszeit, etwa dem in Amerika aktuellen Abstrakten Expressionismus. In diesem Punkt könnte man auch optimistischer sein und seiner Methode weitreichendere Tragfähigkeit zusprechen. Denn auch gegenstandslose Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ist unschwer in den Zeitkosmos zu integrieren.

Forssman 1966, 274

Für Erik Forssman geraten ikonologische Deutungen vor allem dort in Schwierigkeiten, wo die Intention des Künstlers unklar ist. Forssman erläutert dies an Rembrandts Kasseler Jakobssegen. Ursprünglich ein eindeutig religiöses Bild, scheint es bei Rembrandt zu einem weltlichen Genrebild zu werden. Es könnte aber auch umgekehrt gelesen werden, dass nämlich ein Genrebild durch den Künstler mit religiösem Kontext aufgeladen wurde. Nach Forssman »könnte man nicht einmal mit Bestimmtheit ausmachen, was daran Phänomensinn und was Bedeutungssinn ist.«

Panofsky 1964, 33

Forssman 1966, 279

Ein weiterer Einwand warnt davor, dass die Suche nach den geistesgeschichtlichen Grundlagen zur billigeren Feststellung nach dem Muster von Weltanschauungskunstgeschichte verkommt. Das war Panofsky durchaus bewusst und er warnte an verschiedenen Stellen vor nur »immer weitere[n] Verweisungen an andere Phänomene« statt einer »durch eine unter die Sphäre des empirischen Daseins hinabtauchende[n] Besinnung.« Forssman verweist auf Panofskys wohl wichtigste kunstgeschichtliche Ambition, seine Untersuchungen zum Neuplatonismus und im besonderen seinen Hinweis auf die neuplatonischen Grundlagen bei Michelangelo: »Nur zu leicht meint man, daß es um die alte Frage gehe, wie der Platonismus Michelangelos Persönlichkeit und Werk beeinflußt habe, d.h. um die Kunstgeschichte als Geistesgeschichte im überwundenen Sinne des Wortes, während es sich ja hier in Wirklichkeit darum handelt, inwiefern der Künstler, sich selber nicht bewußt, im Wesen seiner Epoche wurzelt, und inwiefern seine Werke dieselbe Form haben wie andere geistige Manifestationen der Zeit auch.« Forssman spricht hier stets von apriorischer Begriffsbildung im Sinne von Kants Transzendentalphilosophie und meint, dass deshalb die Geschichtlichkeit durch eine vermeintlich zeitlose Theorie der Ikonologie nicht zu bewältigen sei.

Liebmann 1964, 314

Weiters wurde kritisch angemerkt, dass die Bemühung um inhaltliche Fragen den Bildern ihren ästhetischen Selbstwert nimmt. Die Reduktion auf die Aufdeckung einer gelehrten neuplatonisch inspirierten Allegorie kann uns »vom wirklichen Wesen der künstlerischen Schöpfung, vom Hauptsächlichen weg auf ein faktisch nebensächliches Gebiet« führen.

Zeitler 1966, 19

Rudolf Zeitler macht dieses Manko an der Kunst des 19. Jh.s fest, die weniger aufgeladen mit implizitem Wissen ist, als das etwa in der Renaissance der Fall war. Daher könne der vorwiegende Blick auf die Bildmotive ein künstlerisches Werk eben auch in seiner Intention verfehlen: »Bei der aufmerksamen Bearbeitung der Motive verschwindet das eigentlich Anschauliche des Bildes als eines Kunstwerkes leicht aus dem Blick des Kunstwissenschaftlers. Ein Motiv, das ›Tapferkeit‹ bedeutet, kann ebensowohl in einem Meisterwerk Poussins wie auf einem erbärmlichen Holzschnitt in irgendeiner alten Sittenlehre auftauchen.«

Liebmann 1964, 324/325

Pächt 1977, 354

Der Einwand einer sehr weitreichenden Intellektualisierung von Kunstwerken ist nicht unberechtigt. Allerdings verlangt die Methode eine alle Bereiche umfassende Analyse des Kunstwerks und man kann sie kaum dafür verantwortlich machen, wenn Ikonologen mit Schlagseite zum Idealismus bisweilen »den Künstler und dessen Schöpfung losgelöst von den konkreten Bedingungen der jeweiligen Epoche«, also die sozialen Wurzeln der Kunst missachtend, betrachten. Der Vorwurf, Ikonologen würden »in reinsten Idealismus« abgleiten, »vor der Realität in ein Reich nebelhafter Symbole« flüchten und hinter dem wörtlichen »einen unter der Oberfläche verborgenen tieferen metaphorischen, allegorischen, symbolischen oder weiß Gott was für einen spirituellen Sinn […]« suchen, schießt nun doch weit am Ziel vorbei. Dass Panofsky in der Renaissance-Kunst einiges an Allegorie und Mystizismus fand, lag in der Tat in der Kultur der Zeit. Und es betraf ein aus dem Warburg-Kreis übernommenes Forschungsinteresse. In der Tat sah er im Blick auf die Fülle an Material eine Ordnung der Abfolge von ständigen Erneuerungen der Kunst seit dem Ende des Römischen Reichs bis zur Renaissance, woraus unter anderem sein erfolgreiches Buch Die Renaissancen der europäischen Kunst (1960) resultierte. Eine ikonologische Analyse des Realismus des 19. Jh.s würde wiederum auf die sozialen Bedingungen dieser Zeit rekurrieren, von spirituellem Sinn wäre da eher wenig zu finden.

V.7.4.

Dittmann 1967, 343

Forssman 1966, 289

Die Stärke der Methode liegt eventuell in ihrer stupenden »Hausverstands-Evidenz«, in ihrer antipositivistischen Schlagseite. Positivistische Zugänge zur Kunstdeutung mögen zwar selbstbewusste Auftritte haben, bleiben aber nicht selten methodisch fragwürdig, wie am Beispiel der Frage nach einer Theologie der Gotik und gerade auch im Sinn von Panofskys mental habit zu zeigen versucht wurde – unbeschadet der Tatsache, dass man mit jedem speziellen Interesse, mit dem man an die Kunst herantritt, auch bestimmte Ergebnisse erzielt. Man muss Panofskys Anliegen schon sehr auf die Spitze treiben, wenn man wegen der Bedeutung, die er dem intrinsic meaning zumisst, von einer »Kunstgeschichte ohne Namen« spricht. Hingegen verdient der Hinweis Erik Forssmans Beachtung, dass in der Architektur Panofskys Ikonologie vielleicht erfolgreicher angewandt werden kann als in der bildenden Kunst, »weil Architekturen durch ihre notwendige Zweckgebundenheit viel intimer und offensichtlicher mit ihrem Milieu, ihrer Zeit und deren anderen geschichtlichen Äußerungen zusammenhängen und zusammen gedacht werden müssen.«

Horst Bredekamp

Der Ansatz Panofskys zeitigte ein breites Nachleben in der Kunstgeschichte. Der aus der Warburg-Panofsky-Schule stammende Horst Bredekamp sieht in der Ikonologie eine Methode der Sinndeutung und nimmt die drei Stufen der Ikonologie auf, die er prägnant so beschreibt: (1) der erste Sinn einer formalen Darstellung, (2) die kulturgeschichtliche Einbettung, (3) die Rückkehr zum spezifischen Werk. Bredekamps Theorie des Bildaktes ist eine Anwendung der ikonologischen Methode.

Max Imdahl

Thürlemann 2009, 222

VIII.10.2.

Imdahl 1980, 93

Imdahl 1994, 300

Thürlemann 2009, 225

Kritisch weiter geführt hat den Ansatz Panofskys der Maler und Kunsthistoriker Max Imdahl – namentlich anhand berühmter Analysen der Giotto-Fresken. Seiner Meinung nach führt die Ikonologie nicht über ein mitgebrachtes Vorwissen und Identifikationsvermögen hinaus. Sie ist daher auf eine Ikonik zu erweitern. Zwischen dem »sehenden Sehen« von Konrad Fiedler und dem »wiedererkennenden Sehen« Panofskys definiert Imdahl ein »erkennendes Sehen«. Er hebt damit auf die »genuin ikonische Leistung« eines individuellen Bildes ab, auf die Ergründung von Inhalten, die sich mit sprachlichen Mitteln nicht ähnlich aufdecken ließe: »Thema der Ikonik ist das Bild als eine solche Vermittlung von Sinn, die durch nichts anderes zu ersetzen ist. Über diese Unersetzbarkeit läßt sich nicht abstrakt diskutieren. Um sie zu gewahren und sich ihrer bewußt zu werden, bedarf es der konkreten Anschauung eines Bildes, und zwar ist eine spezifisch ikonische Anschauungsweise unerläßlich.« Imdahl arbeitete intensiv mit Kunstwerken und er griff dafür auch zum Instrument der Semiotik (beispielsweise zur Beschreibung von Arbeiten Andy Warhols). »Diese werden als Vermittlungsstrukturen beschrieben, welche Informationen, die vom Betrachter über das Gegenstandssehen eingebracht werden (wiedererkennendes Sehen), und spezifischen Bildstrukturen, die vom Betrachter gegenstandsunabhängig wahrgenommen werden (sehendes Sehen), in einem dialektischen Prozeß (erkennendes Sehen) aufeinander beziehen.«

Imdahl 1994, 308

Waldenfels 1999,104

Ebd., 137f

Imdahl 1996 I, 258–260

Thürlemann 2009, 232

Beim ikonischen Bildsinn geht es um eine »Reflexion über das Bildanschauliche wie ebenso über das nur Bildmögliche selbst.« Es geht indes nicht um ein Hinausgreifen auf außerbildliche Quellen. Im Grunde geht es darum, dass sich der gemeinte Bildsinn so in der Bildstruktur realisiert, dass »das Gemeinte auf neue Weise gesehen wird; […] Die Synthese von wiedererkennendem und sehendem Sehen liegt also darin, daß Bekanntes (Gehörtes, Gesehenes) sowohl in den Bildsinn eingeschlossen ist als auch durch einen komplexen und verdichteten Bildsinn überboten wird.« Dabei definiert Waldenfels das wiedererkennende Sehen als »ein Sehen, das sich im Gesehenen einrichtet und in ihm zur Ruhe kommt« und das sehende Sehen als ein Sehen, das sichtbar macht, »was nicht schon sichtbar ist und was einzig mit bildnerischen Mitteln sichtbar gemacht werden kann.« Bisweilen geht die Konzentration auf eine vermeintliche Autonomie des Einzelbildes als syntaktisches System so weit, dass die Kontexgebundenheit wenig Beachtung findet. Trotzdem bleibt auch bei der Ikonik die Grundvoraussetzung Panofskys, die Einbeziehung kulturgeschichtlichen Wissens, eine zentrale Voraussetzung. Einige der kritischen Anmerkungen gegen die Ikonographie greifen daher auch bei Imdahl, insbesondere die vermeintliche Nicht-Anwendbarkeit der Methode auf ungegenständliche Kunst, der gegenüber Imdahl (zum Unterschied von Panofsky) allerdings sehr aufgeschlossen war, wie nicht zuletzt eine aufregende Beschreibung des Bildes Vir heroicus sublimis von Barnett Newman zeigte. Anders als Panofsky, der in der Methode »ein Instrument der Verhinderung interpretatorischer Irrtümer« sah, war für Imdahl die Methode »Anleitung zu einer aus der Anschauung heraus entwickelten, immer auch gewagten Interpretation.«

Kunstphilosophie und Ästhetik

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