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4. KAPITEL

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Šamu war eine Weile ziellos durch den Garten gewandert, ehe sie schließlich vor dem Busch stehenblieb, in dessen Nähe sie Rechmire in der letzten Nacht beobachtet hatte. Zweifelnd blickte sie sich um. Wie sollte sie etwas finden, wenn sie nicht einmal wußte, was sie suchte? Dies war der Ort, an dem sie den Schreiber zum letzten Mal lebend gesehen hatte. Vielleicht fand sie hier irgend etwas, das sie dem Geheimnis um seinen Tod ein wenig näher brachte.

Šamu ging in die Hocke und spähte unter das Gebüsch. Doch außer faulendem Laub und dürren Ästen war nichts zu sehen. Sie wollte sich schon wieder erheben, als ihr Blick auf etwas Helles fiel, das ganz am Ende des Dickichts dicht vor der Umfassungsmauer des Gartens lag.

Ohne auf ihr weißes Priesterinnengewand zu achten, ließ sie sich auf die Knie nieder und kroch zwischen den Ästen hindurch. Obwohl das Horusauge den Garten in silbernes Licht tauchte, konnte Šamu nicht erkennen, was da zwischen den Wurzeln des Busches lag. Die Äste schrammten ihr über Gesicht und Arme, so als sei der Busch von Leben beseelt und versuche, sie fernzuhalten. Schließlich war es ihr unmöglich, weiter vorzudringen.

Immerhin konnte sie jetzt besser erkennen, was sich dort unter dem Busch verbarg. Ein länglicher, in Stoff gehüllter Gegenstand. Sollte es eines der schaurigen »Beutestücke« der Meuchler sein? Šamu streckte ihren rechten Arm bis zum äußersten und tastete sich Zoll um Zoll durch das Gewirr von Ästen. Endlich berührte sie mit den Fingerspitzen einen Zipfel des Tuches. Mit zwei Fingern wie mit einer Zange zupackend, zog sie den Gegenstand ein wenig näher, bis sie schließlich mit der ganzen Hand danach greifen konnte.

Das Horusauge war hinter Wolken verschwunden, so daß sie jetzt, als sie ihre Beute direkt vor Augen hatte, nicht richtig erkennen konnte, was sie gefunden hatte. Es war eine zylindrische Stoffrolle, fast so lang wie ihr Unterarm. An einem der Enden saß ein eigenartiger dunkler Knauf, der sich wie Holz anfühlte und … Beinahe hätte die Priesterin ihr Fundstück vor Schreck fallen lassen. Aus dem Holzknauf wuchsen Haare! Was, im Namen der Isis, mochte das sein?

Leise murmelte Šamu einen Schutzzauber und legte den seltsamen Fund vor sich zwischen die Wurzeln. Was auch immer das war, sie würde es nicht mehr anrühren, bis das Licht des Horusauges ihr offenbarte, was sie dort gefunden hatte.

Angespannt blickte sie zum Himmel. Die Wolken zogen so langsam wie eine Herde erschöpfter Schafe. Obwohl die via ostiensis, eine der wenigen gepflasterten Straßen der Stadt, mehr als zwei stadien entfernt war, konnte Šamu deutlich den Lärm eisenbeschlagener Karrenräder und dumpfen Hufschlag hören. Tagsüber war es verboten, mit Wagen durch die Stadt zu fahren, so daß die Händler und Bauern ihre Waren bei Nacht transportieren mußten. Irgendwo hinter der hohen Gartenmauer grölte ein Betrunkener ein Lied, in dem er seine Geliebte mit einem prallen Weinschlauch verglich.

Die Zeit schien sich schier endlos in die Länge zu ziehen, bis wieder Mondschein durch eine Lücke in der Wolkendecke fiel. Endlich!

Šamu fluchte. Vor ihr lag eine Puppe. Ein grob gearbeitetes Spielzeug. Vermutlich gehörte sie Kleopatras kleiner Schwester Arsinoe.

Mißmutig nahm Šamu das Fundstück auf und betrachtete es von allen Seiten. Der Leib der Puppe bestand aus einem Kleid, das auf eine weiche Lederrolle aufgenäht war. Zwei geflochtene Schnüre, die jeweils mit einer Holzperle endeten, sollten wohl Arme und Hände darstellen. Noch häßlicher war der Kopf der Puppe. Er war aus einem dicken Holzstück geschnitten, das auf einer Seite mit Roßhaar beklebt war. Das Gesicht selbst bestand nur aus zwei großen Augen und einem schief geratenen Mund. Ohne einen Hals auch nur anzudeuten, saß der Kopf der Puppe direkt auf dem Lederwulst, der den Leib ausmachte.

Ob sie vielleicht das Geschenk eines Sklaven war? Allgemein war das Spielzeug der Prinzessin von erlesener Qualität. Diese Puppe hingegen paßte mehr in die Hände eines Bauernmädchens.

Resignierend kroch die Priesterin unter dem Busch hervor und klopfte sich den Schmutz von ihrem Kleid. Was hatte sie sich auch angemaßt, wie Isis zu sein und so, wie die Göttin einst nach dem zerstückelten Körper des Osiris gesucht hatte, nun nach den verschwundenen Leichenteilen Rechmires zu fahnden? Solche Vermessenheit konnte nur so gestraft werden!

»Was machst du zu so später Stunde im Garten?« Eine schwere Hand hatte sich auf Šamus Schulter gelegt. Erschrocken fuhr die Priesterin herum und blickte ins Antlitz des hünenhaften Batis.

»Wo kommst du her?«

Der Nubier lächelte selbstbewußt. »Ich wurde in der Stunde des gefleckten Jägers geboren, und gleich ihm bin ich wie der Wind im Steppengras, lautlos und fast unsichtbar.« Der Krieger streckte seine riesige Hand nach der Puppe aus.

»Was hast du da unter dem Busch hervorgeholt?«

»Ein Spielzeug. Arsinoe muß es dort verloren haben. Und …«

»Und dazu schleichst du mitten in der Nacht in den Garten?«

Wenn sie Batis sagte, was sie in Wirklichkeit gesucht hatte und was letzten Endes dabei herausgekommen war, würde sie sich lächerlich machen, überlegte Šamu. Also zuckte sie mit den Schultern und setzte ein unschuldiges Lächeln auf.

»Du weißt doch, wie die Kleine ist. Wenn sie nicht bekommt, was sie will, ist sie lästiger als ein Dutzend Sandflöhe.«

Der Krieger runzelte die Stirn. Dann lächelte er. »Wenn Theodotos nicht ein kleines Wunder gelingt, wird aus diesem kleinen Ungeheuer einst eine ausgewachsene Tyrannin werden. Er läßt dem Mädchen und den beiden Prinzen zuviel durchgehen. Auch wenn meine Weisheit neben der Klugheit des göttlichen Pharao so wie die Sterne verblaßt, wenn Re in der Barke der Millionen Jahre über den Himmel fährt, so denke ich doch, daß der Neue Osiris einen schweren Fehler macht, wenn er seine Söhne darin unterweisen läßt, schöne Worte zu machen, statt ihnen beizubringen, wie man mit Streitaxt und Schwert seine Feinde erschlägt. Er sollte sie in meine Obhut geben! Ich würde aus ihnen vollendete Krieger machen.«

Šamu nickte zustimmend, obwohl sie eher der Meinung war, daß die Herrscher am Nil nur durch List ihr Reich erhalten konnten. Mit dem Schwert gegen die Römer zu bestehen, die sich fast die ganze Welt unterworfen hatten, erschien ihr unmöglich. Doch Batis in diesem Punkt eines Besseren zu überzeugen, wäre so aussichtslos wie der Versuch, einen Stier in der Kunst der geheimen Tempelschrift unterweisen zu wollen. Auch wenn der hochgewachsene Nubier, wie die meisten seines Volkes, sehr viel Sinn für blumige Phrasen hatte, waren seiner Meinung nach die Tugenden des Kriegers das einzige, was im Leben eines Mannes zählte. Šamus Blick glitt über seinen wohlgeformten Körper. Schade, daß scharfer Verstand und Schönheit bei Männern so selten übereingingen.

»Du solltest in den Palast zurückkehren.«

Batis hatte einen fast väterlichen Ton angeschlagen. War er etwa der Meinung, er könne sie wie ein Kind behandeln?

»Ptolemaios ist in Sorge, daß ein weiterer Mord geschehen könnte. Deshalb hat er mich und einige Krieger der Palastwache angewiesen, die nächtlichen Wachen zu verschärfen. Du kannst uns diese Aufgabe erleichtern, wenn du den Rest der Nacht in der Villa verbringst, ehrwürdige Priesterin.«

»Soll das ein Befehl sein, Batis?« Šamus Stimme klang ein wenig schärfer, als sie beabsichtigt hatte.

»Niemals würde ich es wagen, einer Dienerin der Zauberkräftigen meinen Willen aufzuzwingen. Alles, was ich sagte, war allein als freundschaftlicher Rat gemeint, so wie der Skorpion dem Löwen rät, der …«

»Schon gut.« Šamu hob abwehrend die Hände. Für heute hatte sie genug von den eigenwilligen Metaphern des Nubiers. »Ich werde deinen freundschaftlichen Rat annehmen und wünsche dir eine erfolgreiche Pirsch, gefleckter Jäger.«

Batis blickte sie einen Augenblick lang verwirrt an, dann lachte er leise und nickte. »Ich werde sein wie der Wind im Steppengras, Priesterin.«

* * *

Als Šamu in ihre Kammer zurückgekehrt war, erwartete sie dort Kleopatra. Die Prinzessin lag auf ihrem Bett und räkelte sich wie eine müde Katze. Dann setzte sie ein verschwörerisches Lächeln auf, das eher zu einer erwachsenen Frau alszu einer Zwölfjährigen gepaßt hätte. »Hattest du einen schönen Abend, Šamu?«

»Ich habe das Spielzeug deiner Schwester im Garten eingesammelt.« Ärgerlich warf die Priesterin die Puppe auf den Schminktisch.

»Spielzeug! Welch nette Umschreibung! Und hat es gut über deinen Leib gewacht, dieses Spielzeug?«

»Was meinst du?« Šamu verspürte nicht die geringste Lust auf eine der mit Anzüglichkeiten gespickten Diskussionen, an denen Kleopatra sich in letzter Zeit so sehr begeisterte.

»Ich wollte doch nur wissen, ob der ›Leibwächter‹ meines Vaters seinem Namen auch Ehre gemacht hat. Ich glaube, ich würde Batis zu grob finden, aber den meisten Hofdamen soll er ja sehr gefallen.«

»Was sollte ich mit Batis wohl zu schaffen haben?« entgegnete Šamu kühl. Am liebsten hätte sie Kleopatra einfach aus dem Zimmer geworfen, doch leider konnte man mit Prinzessinnen nicht ganz so verfahren wie mit anderen altklugen Zwölfjährigen.

»Aber, liebste Šamu, du mußt vor mir doch keine Geheimnisse haben. Ich habe gesehen, wie du dich im Garten von Batis verabschiedet hast. Glaubst du denn, ich wüßte nicht, was dich zu dieser späten Stunde in den Garten geführt hat, dorthin, wo die Büsche am dichtesten stehen?« Kleopatra stieß einen sehnsüchtigen Seufzer aus. »Ich wünschte, ich hätte wie du einen Geliebten, der nachts beim Licht des Horusauges auf mich wartet.«

Šamu spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Am liebsten hätte sie … Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten.

Die Prinzessin lächelte kokett. »Da nun also geklärt ist, daß du einen Liebhaber hast, lass' uns darüber reden, was du für mich tun kannst, damit ich dieses Geheimnis für mich behalte. Theodotos, der Lehrer meiner Brüder, hat mir aufgetragen, bis übermorgen eine Fabel in der alten Tempelschrift niederzuschreiben. Wenn du mir diese ärgerliche Pflicht abnehmen würdest, wird kein Wort von dem, was ich gesehen habe, über meine Lippen kommen.«

»Du willst mich also erpressen.« Šamu war dicht vor die Bettstatt getreten und stemmte die Hände in die Hüften. »Und was soll ich als nächstes für dich tun, damit du schweigst?«

Kleopatra wich ihrem Blick aus. »Erpressen ist so ein häßliches Wort. Sieh es doch mehr so, als seien wir zwei Schwestern, die einander unterstützen, so gut sie nur können.«

»Dein Wunsch, mich als deine Schwester zu sehen, ist wirklich rührend«, entgegnete Šamu kühl. »Doch was deinen Vorschlag angeht, habe ich eine noch bessere Idee. Was hältst du davon, wenn ich dir verspreche, nicht zu deinem Vater zu gehen und ihm zu erzählen, daß ich dich des Nachts mit einem Sklaven zwischen den Büschen erwischt habe.«

Kleopatra richtete sich ruckartig auf dem Bett auf und starrte die Priesterin entgeistert an. »Aber das ist doch gar nicht wahr! Diese Geschichte ist erfunden!« Beinahe sofort hatte die junge Prinzessin allerdings ihre Fassung wiedergefunden. Ein böses Lächeln spielte um ihre Lippen. »Du weißt doch wohl, daß du mit einer solchen Geschichte nicht nur das Leben des Sklaven, sondern auch dich selbst gefährden würdest. Schließlich bist du meine Erzieherin und sollst auf mich achtgeben.«

»Das hängt davon ab, wie ich sie erzähle. Stell dir vor, ich würde behaupten, Isis hätte mich in der letzten Nacht im Traum davor gewarnt, daß du beabsichtigst, einen Sklaven zu verführen. Deshalb habe ich dich den ganzen Tag heimlich beobachtet und wurde Zeuge, wie du einen jungen Sklaven, den ich leider nicht genau erkennen konnte, hinter die Büsche im Garten geführt hast. Noch bevor etwas geschehen konnte, bin ich selbstverständlich dazwischengegangen. Leider ist mir der flinke Bursche entwischt, doch immerhin gelang es mir zu verhindern, daß du mit einem Sklaven einen Bastard zeugst.«

»Ich würde meinem Vater erklären, daß das alles nur Lügen sind«, entgegnete Kleopatra trotzig.

»Und was denkst du, wem der Neue Osiris letzten Endes glauben würde?« Šamu lächelte überlegen. »Die Konsequenz meiner Geschichte wäre vermutlich, daß dein Vater es dir fortan verbieten würde, dein Zimmer zu verlassen.«

Kleopatra setzte einen Schmollmund auf und ließ sich wieder auf das Bett zurücksinken. »Na gut, Šamu, du hast gewonnen. Ich werde niemandem erzählen, daß ich dich und Baus bei einem Stelldichein beobachtet habe.«

»Nicht nur das, meine Liebe. Du wirst jetzt umgehend in dein Zimmer verschwinden und mir bis morgen abend die Geschichte niederschreiben, wie Isis den mächtigen Gott Re überlistete und ihn dazu brachte, ihr seinen geheimen Namen zu verraten. Vielleicht lernst du daraus etwas.«

Widerwillig erhob sich die Prinzessin, schlenderte am Schminktisch vorbei zur Tür und stieß wie zufällig gegen die Puppe, so daß sie zu Boden fiel und der hölzerne Kopf von der Spielzeugfigur absprang. Sofort bückte Kleopatra sich, versuchte die Figur wieder zusammenzufügen und murmelte in heuchlerischem Ton: »Das tut mir ja so leid. Meine arme Schwester.«

»Hatte ich dir schon gesagt, daß du die Geschichte von Isis und Re in der alten Tempelschrift niederschreiben sollst?«

Kleopatra funkelte die Priesterin böse an.

»Mach jetzt, daß du ins Bett kommst, ich möchte dich heute nacht nicht mehr sehen!«

Mit energischem Schritt und trotzig erhobenem Kopf verließ die Prinzessin das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Erleichtert atmete Šamu auf. Diese kleine Furie! Wenn sie ihre Kindheit überlebte, würde sie sicherlich eines Tages eine bemerkenswerte Königin werden. Es war ein offenes Geheimnis, daß der Neue Osiris seit der Rebellion seiner beiden ältesten Töchter plante, Kleopatra mit ihrem jüngeren Bruder zu vermählen und sie beide zu seinen einzig legitimen Nachfolgern zu erklären. Berenike würde sich damit zweifellos nicht einfach abfinden. Die Götter allein mochten wissen, welch finstere Pläne Kleopatras älteste Schwester zur Zeit in Alexandria sponn. Zum Glück mußte sie sich ihre Herrschaft mit Kleopatra Tryphaina teilen und konnte nicht völlig ungehindert ihre Macht ausüben.

Šamu griff nach der zerbrochenen Puppe. Verwundert betrachtete sie Kopf und Rumpf des plumpen Spielzeugs. Das hölzerne Haupt war so gearbeitet, daß man es über die Lederrolle stülpen konnte, die den Körper der Puppe bildete. Das Innere des Lederschlauchs war jedoch nicht, so wie man hätte erwarten sollen, mit Sand oder Stroh gefüllt. Statt dessen steckte eine schmale Papyrusrolle in dem Lederkörper.

Sollte die Göttin ihr doch gewogen sein? Aufgeregt stülpte die Priesterin den Lederschlauch um, so daß die Papyrusrolle herausfiel. Mit fahrigen Fingern löste sie die beiden dünnen Riemen, die die Rolle zusammenhielten. Es waren zwei Briefe. Der eine umfaßte nur ein einzelnes, dichtbeschriebenes Blatt, der zweite aber bestand aus mehreren zurechtgeschnittenen und miteinander verleimten Papyrusbögen, die entrollt mehr als drei Ellen lang waren. Beide Texte waren in der Bilderschrift der Alten verfaßt.

Nervös blickte Šamu zur Tür. Mit angehaltenem Atem lauschte sie, ob sich im Haus etwas regte. Erst als sie viele Herzschläge lang nichts Verdächtiges hören konnte, wagte sie es, eine zweite Öllampe zu entzünden und sich in das Studium der Texte zu vertiefen.

Die Schriftzeichen des langen Textes waren zum Teil unsauber ausgeführt, so als sei der Schreiber in großer Eile gewesen.

Mein lieber Freund, mein Herz schmerzt mir bei den traurigen Nachrichten, die ich dir mitzuteilen habe. Schlimme Kunde erreichte mich aus dem fernen Alexandria. Die, in die wir all unsere Hoffnungen gesetzt haben, ist vor Osiris getreten. Ohne daß sie vorher auch nur das geringste Anzeichen von Krankheit gezeigt hätte, fand man Kleopatra tot in ihrem Gemach. Ein Jahr lang haben die beiden Ungleichen miteinander regiert, ohne daß man außerhalb des Palastes auch nur von einem einzigen Wort des Zwistes zwischen ihnen gehört hätte. Doch jetzt gibt es allenthalben Gerüchte, Berenike habe ihre Schwester ermorden lassen.

Jene Alexandriner aber, die sich vor einem Jahr mit solcher Leidenschaft gegen den Neuen Osiris erhoben haben, weil er seinem Bruder nicht zu Hilfe eilte, als die Römer Alasia eroberten, kauern nun ängstlich in ihren Häusern und schweigen. Selbst unsere Freunde, die Priester in Herakleopolis, die so lange Widerstand gegen die Prinzessinnen leisteten, haben sich in das gefügt, wasder Wille der Götter zu sein scheint.

Berenike läßt überall im Reiche ausrufen, Seth, der Unüberwindliche, sei ihr erschienen und habe sie beauftragt, in seinem Namen zu herrschen, so wie es einst jene ältesten Könige taten, von denen die Tempelschriften künden. Scheint es nicht auch dir folgerichtig mein Freund, daß der, der seinen Bruder tötete, sein Wohlgefallen an einer Schwestermörderin findet? Man sagt auch, in den Sternen sei zu lesen, daß eine neue Zeit begonnen habe und daß die Herrin des Ostens bald mit dem Herrn der Welt in Rom herrschen werde.

Schon hat Berenike Brautwerber ins Zweistromland geschickt, um einen Prinzen vom Blut des Seleukos zu suchen, den sie sich zum Manne nehmen will. Auch nach Rom sind Gesandte auf dem Weg, und es ist ein Zeichen für den dunklen Schatten, der über der Perle Alexandria liegt, daß sich die Pharaonin nicht die geringste Mühe gab, diese Mission geheimzuhalten. In jener Stadt, in der sich noch vor einem Jahr der Zorn der Bürger daran entzündete, daß Ptolemaios zu kleinmütig gegenüber den Römern sei, wagt heute niemand, seine Stimme zu erheben, wenn Berenike ganz offen um die Gunst des Tibeivolkes buhlt.

Das größte Rätsel aber ist, daß die Pharaonin ausgerechnet den wortgewaltigen Dion zum Anführer der Gesandtschaft gewählt hat – und das, obwohl der Philosoph zu den wenigen gehörte, die noch vor einem halben Jahr wagten, öffentlich gegen die Herrschaft der beiden Schwestern zu reden. Ihm zur Seite stehen etliche Männer, die so denken wie er. So kommt es auch, daß ich gut über das unterrichtet bin, was in Alexandria geschah, denn auch einige unserer Freunde befinden sich unter den Gesandten.

Nun rate mir, wie wir uns weiterhin verhalten sollen, mein Freund. Ist es nicht ein Zeichen von göttlicher Macht, wenn die Königin ihren einstigen Feinden gebieten kann, nun in ihrem Namen zu sprechen? Ja, ist es vielleicht der Wille der Himmlischen, daß Ptolemaios nie mehr nach Alexandria zurückkehrt?

An diesem Morgen hat mich Kunde aus Syrakus erreicht, daß Dion und die seinen bereits auf Sizilien weilen. Eine Woche wollen sie dort von der stürmischen Meerfahrt rasten, so berichtet mein Vertrauter. Dann werden sie ihre Reise fortsetzen und ganz in der Nähe, bei Puteoli, an Land gehen, wo sie auf Boten eines mächtigen römischen Senators warten wollen, der angeblich Berenikes Anspruch auf den Thron unterstützt.

All dies scheint darauf hinzudeuten, daß die Sache des Neuen Osiris verloren ist. Aus Rom erreichen uns keine Neuigkeiten. Wird man seiner Bitte um Soldaten, die ihm den Thron zurückerobern, stattgeben? Ist es etwa klüger, auf seiten jener zu stehen, die dem Triumph schon so nahe scheinen?

Du weißt daß die Gesandten schon bald vor meinem Tor stehen und Einlaß begehren werden. Soll ich sie in Freundschaft umarmen, oder sie mit vergiftetem Wein empfangen?

Voller Ungeduld erwarte ich deine Antwort, mein Freund, und einzig die Gewißheit, daß aus deinem Munde die Weisheit der Listenreichen spricht, ist mir in diesen schweren Stunden ein Trost.

Ungläubig starrte Šamu auf die Schriftrolle. Sie hatte sich viel Zeit genommen, die oft zweideutigen Zeichen der alten Schrift zu studieren, doch auch wenn der Name Rechmires nie genannt wurde, konnte im Grunde kein Zweifel daran bestehen, daß der Brief an den Schreiber des Pharaos gerichtet war. Hatte sie den freundlichen alten Mann denn so falsch eingeschätzt? Gehörte wirklich auch er zu den zahllosen Verschwörern bei Hof? Aber warum? Was war sein Motiv?

Šamu rollte die lange Schriftrolle zusammen und nahm das einzelne Papýrusblatt. Vielleicht würde sie hier Antwort auf ihre Fragen finden.

Mein lieber Freund, so wie Isis einst die Suche nach dem Leichnam ihres toten Gemahls Osiris nicht aufgeben mochte, so sollst auch du dem Pharao die Treue halten, selbst wenn alles gegen ihn zu sprechen scheint. Bedenke, was uns einst aus der Herrschaft der Berenike erwachsen mag! Es ist kein Zufall, wenn sie sich Seth, den Herren der Westwinde, zum Schutzgott gewählt hat. So wie dieser Gott vor allem Krieg und Zerstörung bringt, so wird auch Berenike dem fruchtbaren Ägypten zum Verhängnis werden. Glaubst du denn, die Römer würden dulden, daß sie sich mit einem seleukidischen Prinzen verbindet?

Wenn nicht schon bald unsere Städte vom Marschtritt fremder Soldaten widerhallen sollen, so müssen wir Berenike Einhalt gebieten. Deshalb nimm ihre Gesandten freundlich in dein Haus auf und versuche herauszufinden, welche von ihnen mit Zweifel im Herzen gen Rom reisen. Vielleicht können wir den einen oder anderen auf unsere Seite ziehen.

Doch lasse Vorsicht walten, treuer Freund, denn ich denke, daß du hinter der Maske eines manchen Gesandten einen Spion oder gar einen Meuchler finden wirst. Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir uns gegen Berenike verschwören wollen, denn was der Pharaonin an Weisheit fehlt, ersetzt sie durch Verschlagenheit

Selbst hier in der Nähe des Neuen Osiris fühle ich mich vor ihren Schergen nicht sicher. Manchmal glaube ich, der Eunuch Potheinos könnte zu ihren Anhängern gehören, doch habe ich keine Beweise für diese Vermutung. Aus dieser Angst schicke ich dir auch deinen Brief zurück, denn man darf auf gar keinen Fall ein verräterisches Dokument wie dieses in meinem Besitz finden.

Was deine Äußerung angeht, ein mächtiger römischer Senator habe sich bereits jetzt auf die Seite Berenikes gestellt, so denke ich, daß dies niemand anderes als Marcus Licinius Crassus sein kann. Auch wenn Crassus vorgeblich ein Bündnis mit Pompeius geschlossen hat, so sind diese beiden sich in Wirklichkeit doch spinnefeind und ringen um die Vorherrschaft im Senat. Da Pompeius ganz offen den Neuen Osiris unterstützt, muß man davon ausgehen, daß Crassus auf seiten von Berenike steht. Doch gerade der Feindschaft der beiden und der Tatsache, daß Caesar, der dritte unter den Mächtigen Roms, auf einem Feldzug im fernen Gallien weilt, vermögen wir vielleicht einen Vorteil abzuringen. Vielleicht gelingt es Ptolemaios, die beiden gegeneinander auszuspielen und seine Herrschaft zurückzugewinnen, ohne sich einem von ihnen wirklich auszuliefern.

So fasse neuen Mut, mein Freund, und lass' uns geduldig wie der Bauer sein, der darauf wartet, daß sich die Fluten des Nils zurückziehen, damit er eine neue Saat ausbringen kann.

Mit einem Kloß im Hals rollte Šamu den Papyrus zusammen. Diesen Brief zu lesen war so, als höre sie Rechmire aus dem Reich der Toten zu sich sprechen. Sie brauchte seinen Namen nicht zu finden, um zu wissen, daß er es war, der diese Zeilen verfaßt hatte. Nicht gegen den Pharao, sondern gegen Berenike hatte sich der Schreiber also verschworen. Berenikes Anspruch, unter dem Schutz des Seth zu stehen, und der in Blut geschriebene Name des grausamen Gottes, das paßte zusammen! Vielleicht hatte Rechmire ja sogar recht gehabt mit seiner Vermutung, daß der Eunuch Potheinos zu den Verschwörern zählte! Der Verschnittene gehörte zwar zu den engsten Vertrauten des Neuen Osiris, doch womöglich hatte er beschlossen, seine eigene Stellung zu festigen, indem er sowohl Ptolemaios als auch Berenike diente. So würde er, welches Ende der Kampf um den Thron auch nahm, auf jeden Fall auf der Seite der Sieger stehen.

Nachdenklich blickte Šamu auf die beiden Blätter. Wenn Potheinos tatsächlich auf seiten der Verschwörer stand, wäre es lebensgefährlich, die Briefe zu behalten. Auf der anderen Seite hieße es, gegen ein ungeschriebenes Gesetz der Priesterschaft zu verstoßen, wenn sie einen Text, der in den heiligen Schriftzeichen der Alten abgefaßt war, einfach vernichtete. Vielleicht sollte sie die papyri wieder in die Puppe stecken und diese dann in den Garten zurückbringen …

Vielleicht sollte sie die Briefe auch einfach an den Neuen Osiris weitergeben und darauf hoffen, daß der Pharao in seiner göttlichen Weisheit erkennen konnte, wem er vertrauen mochte und wen er durch Batis richten lassen sollte? Doch Potheinos hatte großen Einfluß auf den Neuen Osiris. Vielleicht würde es dem Eunuchen gelingen, die Wahrheit so zu verdrehen, daß er sie als Verschwörerin darstellte! Schließlich besaß sie die Briefe, und wie hätte sie an die Schreiben kommen sollen, wenn sie nicht mit den Verschwörern im Bunde stand? Jedem, der ihr Übles wollte, würde es leichtfallen, sie in die Verschwörung hineinzuziehen. Nein, wenn sie herausfinden wollte, wer Rechmire ermordet hatte, mußte sie schweigen, bis die Mörder sich durch eine unbedachte Handlung verrieten. Vor allem aber müßte sie herausfinden, wer der geheimnisvolle Freund war, an den Rechmire sein Antwortschreiben gerichtet hatte.

Aufmerksam studierte Šamu ein zweites Mal die beiden papyri. Offensichtlich lebte Rechmires Vertrauter in der Nähe der Stadt Puteoli, die wiederum an der Küste gelegen sein mußte, wenn dort Berenikes Gesandte von Bord der Schiffe gehen wollten, die sie nach Italien brachten. Doch Šamu hatte noch nie von einem Hafen mit diesem Namen gehört.

Seltsam erschien der Priesterin auch, daß der geheimnisvolle Fremde so sicher war, daß die Gesandten sein Haus aufsuchen würden. Vielleicht war er ein ägyptischer Händler, der sich in Puteoli niedergelassen hatte? Das würde erklären, warum er so gut über die jüngsten Ereignisse in Alexandria informiert war.

Aber ein Händler würde niemals einen Brief in der geheimen Schrift der Tempel abfassen können.

Resignierend erhob sich Šamu und blickte aus dem Fenster. Wenn Rechmire die Puppe im Garten versteckt hatte, so mußte er damit rechnen, daß sein Freund oder zumindest ein Gewährsmann ganz in der Nähe waren und sie finden würde. Irgendwo dort draußen in dieser großen, schmutzigen Stadt steckte jemand, der wahrscheinlich auf all ihre Fragen eine Antwort wußte.

Müde streckte Šamu ihre Glieder. Viele Stunden hatte sie über den Papyri gebeugt gesessen, um die Texte zu entziffern. Die Bilderschrift der Alten zu lesen, war ihr stets schwergefallen. Sie hatte sich immer lieber mit der Praxis von Magie und Heilkunde beschäftigt.

Schon zeigte sich im Osten ein schmaler Silberstreifen hinter der dunklen Silhouette der Stadt. Bald würde Re in seiner Barke über den Himmel fahren. Es wäre besser, schlafen zu gehen. Vielleicht zeigten ihr die Götter ja im Traum den Schlüssel zu den Geheimnissen, die ihr im Wachen unlösbar schienen.

* * *

Ein sanftes Rütteln an ihrer Schulter riß Šamu aus dem Schlaf. Müde blinzelnd erkannte sie das Gesicht einer der wenigen Sklavinnen, die Ptolemaios aus Alexandria ins Exil gefolgt waren.

»Verzeiht, Herrin. Der Neue Osiris wünscht, daß sich alle Würdenträger und Diener im atrium einfinden. Ihr müßt Euch eilen, wenn Ihr noch zur rechten Zeit kommen wollt.«

»Schon gut.« Ein wenig mürrisch gab Šamu der Sklavin ein Zeichen, sich zurückzuziehen. Es war nicht gut, sofort nach dem Aufwachen angesprochen zu werden. Wer zu schnell aus seinen Träumen gerissen wurde, der vergaß die Stimmen der Götter, die zu den Schlafenden sprachen, um sie vor dem zu warnen, was da kommen mochte. Oder um ihnen Kunde von freudigen Ereignissen zu bringen.

Müde hockte sich Šamu auf die Kante des hohen, römischen Betts und versuchte, sich an ihre Träume zu erinnern. Sie war dem schakalköpfigen Anubis begegnet, doch wußte sie nicht mehr, was der Gott ihr zugeraunt hatte. Vielleicht war er über die Verstümmelung von Rechmires Leichnam erzürnt? Ohne sein Herz konnte der Schreiber nicht vor das Totengericht treten. Dort, im Angesicht des Osiris, hätte sein Herz abgewogen werden sollen, um Rechenschaft über sein Leben zu geben.

Verzweifelt zermarterte sich Šamu den Kopf, doch es war vergebens. Träume sind wie der Tau, der am Morgen das Schilf benetzt, hatte ihr vor langen Jahren eine alte Priesterin erklärt. Im Licht des Re können sie nicht bestehen, wenn du sie nicht rechtzeitig im Gefäß deiner Erinnerungen verschließt.

Resignierend tastete sie mit ausgestreckten Zehen nach dem kalten Steinboden ihres Zimmers und zuckte erschaudernd zurück. Was würde sie jetzt dafür geben, im sonnendurchfluteten Alexandria zu sein! Doch solche Gedanken waren müßig. Die Zähne zusammenbeißend, glitt sie von der Bettkante, durchquerte das kalte Zimmer und ließ sich vor dem Tisch am Fenster nieder. Kritisch musterte sie sich in dem polierten Bronzespiegel, der neben dem hölzernen Kästchen mit ihren Schminken stand. Nur allzu deutlich waren die Spuren, die die durchwachte Nacht auf ihrem Gesicht hinterlassen hatte. Diesmal würde sie besonders viel von ihrer schwarzen Lidtusche auftragen müssen, um von den dunklen Rändern unter den Augen abzulenken.

* * *

Šamu war eine der letzten, die das atrium betraten. Der Neue Osiris hatte für sich einen schweren hölzernen Stuhl in den Hof tragen lassen und musterte scheinbar gelangweilt die kümmerliche Schar, die von seinem einst so prächtigen Hofstaat übriggeblieben war.

Wer Ptolemaios nicht gut kannte, neigte dazu, in dem fettleibigen, eher kleinen Monarchen eine Witzfigur zu sehen. So nannten ihn die Alexandriner Nothos, den Bastard, oder häufiger noch Auletes, den Flötenspieler, in Anspielung auf seine sexuellen Ausschweifungen. Doch jene, die ihn belächeln, kennen nur seine Maske, dachte Šamu.

Ptolemaios hatte es geradezu kultiviert, wie ein verweichlichter Dummkopf aufzutreten. Seine hängenden Lippen, sein unsteter Blick, die fahrigen Gesten und seine langsame, zögerliche Art zu sprechen, all das ließ ihn fremden Gesandten gegenüber schnell wie ein leicht zu lenkendes Opfer erscheinen. Doch Šamu hatte sich lange genug am Hof aufhalten können, um zumindest zu ahnen, welch wacher Verstand hinter seiner Maske der Trägheit lauerte. Er liebte es, fremde Diplomaten so lange durch seine aufgesetzte Dummheit zu blenden, bis diese sich in ein Netz aus Intrigen verstrickten.

Die zweite Waffe des Ptolemaios war sein Gold, oder besser gesagt, der ungeheuere Reichtum Ägyptens. Es gab fast niemanden, den er nicht zu bestechen vermochte. Gerade die Römer, vor deren Legionen die Welt erzitterte, waren besonders anfällig für den Glanz ägyptischen Goldes.

Der Pharao hatte sich auf seinem Thronsessel ein wenig nach vorne gebeugt, nahm noch einen Schluck aus einem goldenen Weinpokal, den ihm die Sklavin zu seiner Rechten gereicht hatte, und brachte dann mit einem lauten Räuspern das Gemurmel der Höflinge zum Schweigen.

»Meine lieben Freunde …«

Šamu horchte auf. Wenn der Pharao so verschwenderisch mit dem Ehrentitel »Freund« umging, waren einschneidende Neuigkeiten zu erwarten.

»Ihr alle habt von dem schrecklichen Mord an unserem Vertrauten, dem Schreiber Rechmire, gehört. Selbst bis zu den Senatoren ist die Kunde von der abscheulichen Bluttat gedrungen. Das Volk von Rom und vor allem unser Wohltäter, Pompeius, sorgen sich um unsere Sicherheit. Da wir uns offensichtlich nicht selbst vor dieser Gefahr schützen können, hat unser Freund Pompeius beschlossen, uns ein anderes Quartier anzubieten.« Ptolemaios bedachte seinen nubischen Leibwächter bei diesen Worten mit einem vielsagenden Blick, so daß Šamu froh war, nicht in der Haut von Batis stecken zu müssen.

»Noch heute wollen wir unseren Hof deshalb auf das Landgut verlegen, das unser Freund in den Albaner Bergen, eine Tagreise südlich von Rom, unterhält. Pompeius wird uns eine Eskorte aus ehemaligen Legionären stellen, und auch auf dem Landgut ist für unseren Schutz gesorgt … Schutz, den wir innerhalb der Mauern dieser Stadt mit ihren seltsamen Gesetzen, die es einem bedrohten Fremden verbieten, sich mit bewaffneten Leibwächtern zu umgeben, nicht finden werden. Da sich vielleicht sogar in euren Reihen Verräter befinden, haben wir mit der Bekanntgabe unserer Abreise bis jetzt gewartet, so daß unseren Feinden keine Gelegenheit bleiben wird, uns einen Hinterhalt zu bereiten, wenn wir die Stadt verlassen. In einer Stunde schon wollen wir dieses gastliche Haus verlassen. Also eilt euch, und seht zu, daß ihr eure Habseligkeiten packt. Die Kisten und Säcke werden heute abend von Sklaven abgeholt, die sie in der Nacht zu unserer neuen Bleibe bringen werden. Und nun geht und trefft eure Vorbereitungen.« Ptolemaios klatschte in die Hände und gab den Höflingen einen Wink, sich zu entfernen.

Šamu wollte gerade das atrium verlassen und grübelte darüber, wie sie den toten Rechmire für eine Reise vorbereiten könnte, als sie hinter sich ihren Namen rufen hörte. Batis war herbeigeeilt und hielt sie am Arm zurück.

»Der Neue Osiris wünscht dich in seinen Gemächern zu sprechen. Sofort!«

Erschrocken starrte die Priesterin den Nubier an. War es möglich, daß Ptolemaios etwas von den Briefen wußte, die sie gefunden hatte?

Der Flötenspieler

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