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4. Rückkehr in die Unterstadt

Der große Gewinn für mich, den der Neubau des Elternhauses in der Oberen Lehre mit sich brachte, waren die Freunde: 2 gleichaltrige Buben und 2 Mädchen aus dem Nachbarhaus. Wir gingen zusammen in die Kinderschule und waren sehr schnell untrennbare Spielkameraden. Die Unterstadt war ihnen fremd. Eines Tages hatten sie den Wunsch, dass ich sie ihnen zeige. Wir entschlossen uns an einem Nachmittag im Frühling 1938 dazu, als ich zum Spielen zu ihnen durfte. Wir gingen zunächst zur Schiffslände und beobachteten, wie das Dampfschiff von Konstanz anfuhr, an- und wieder ablegte, und wir folgten dem Schiff auf der großen Südmole bis zur Nebelhupe, wo die Schiffswellen heftig gegen die Steinblöcke schlugen, welche die Mole auf der Südseite befestigen. Wir rannten den Möwen nach, die sich auf das Geländer setzten und sowie irgendwo ein Essensrest lag, darauf zuflogen und kreischend miteinander stritten, bis eine ihn erhaschte und damit davonflog.

Doch interessant war für uns eigentlich nur das Hafenbecken auf der anderen Seite, wo Schiffe nur bei stürmischer See einfahren und landen durften. Da lagen die Gondeln, Fischerboote und in der Ecke neben der Ostmole, die das Becken begrenzt, sogar ein Zollboot. Das wollten wir uns ansehen, und so gingen wir zur Ostmole. Doch auf ihr fühlte man sich unsicher. Sie hatte nur auf der Ostseite ein Geländer, und die Molenoberfläche hatte ein rundes Profil. Man bekam auf der Seite ohne Geländer Angst, mit einem Fehltritt ins Wasser zu stürzen. Und wir hatten ja auch Lust, uns in unserem Übermut gegenseitig zu schubsen.

Schließlich gingen wir zur großen Hafenrampe vor dem Seehof. Dort konnte man sich gemütlich hinsetzen und auf der Seite zum Rieschen hin sogar bis zum Wasser hinabsteigen. Aber dort war im Augenblick Fischer Klingenstein mit seinen Fischernetzen beschäftigt und belegte mit ihnen die ganze Ecke bis hinab zum Wasser. Doch auf der anderen Seite Richtung Schiffslände konnte man auf dem zum Wasserspiegel hin abfallenden Mauerstück auch ans Wasser gelangen. Dort lagen mehrere Gondeln, ein abgetakelter Segel und ein Fischerboot. Wahrscheinlich gehörte es ebenso wie die Gondeln dem Fischer. Es war an diesem Nachmittag schönstes Badewetter aber noch keine Badesaison. „Ist das Wasser nicht schon warm genug zum Baden?“ fragten wir uns. „Ich will probieren, ob es schon warm ist!“ erkühnte ich mich vorzuschlagen und weil ich den Vorschlag gemacht hatte, musste ich ihn auch ausführen. Ich zog Schuhe und Strümpfe aus und tastete mich, nicht weit vom Fischerboot entfernt, auf der abschüssigen Rampe langsam nach unten, bückte mich am Rand, um ins Wasser zu greifen. Da geriet ich mit meinem vorderen Fuß auf den grünen Moosschlitt, der den Wasserrand säumte. Ich rutschte aus und glitt ins Wasser. Ich rutschte auf der Schräge weiter hinab und versank im Wasser bis zur Hüfte, dann bis zur Schulter. Unter den Füßen hatte ich keinen Boden mehr und begann zu zappeln, und ich schrie: „ich ertrinke“. „ Schwimmen!“, riefen die Freunde zurück. Aber das konnte ich noch nicht. „Hilfe“, schrie ich weiter. Die Freunde hatten offenbar schon begriffen und haben den Fischer gerufen. Der war sofort zur Stelle und rief mir zu: „Halte dich am Boot! Halte dich daran fest, ich ziehe dich heraus.“ Er manövrierte das Boot mit der Leine, so dass es sich unmittelbar neben mir befand. Ich hielt mich daran fest. Und er zog mich mit dem Boot nach vorne und half mir schließlich aus dem Wasser. Ich war schockiert. Er schimpfte auf mich ein. Doch seine Ermahnungen hörte ich nicht. Mit Hose und Hemd tropfnass bis auf die Haut ergriff ich Socken und Schuhe und lief davon, rannte durch die Unterstadt und die Steig hinauf bis nach Hause, ohne mich noch umzuschauen. Ich schämte mich nur, wollte mit niemandem reden, schämte mich, bis ich zu Hause war und die Mutter mich zitternd ins Bett steckte. Erst da kam ich zu mir und realisierte, was geschehen war: „Ich wäre ertrunken - nicht weit weg von der Spitalgasse, die ich den Freunden doch zeigen wollte, weil ich da auf die Welt gekommen bin.“

Kindheitserinnerungen aus Meersburg

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