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Demographie, Urbanität und soziale Fragen

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Zeitgenossen wie der Statistiker Johann Peter Süßmilch schätzten die Bevölkerungszahl des Reiches im späten 18. Jahrhundert auf etwa 24 Millionen Einwohner.46 Wenngleich derartige Angaben lückenhaft und ungenau sind, brachte das 18. Jahrhundert ohne Zweifel für die deutschen Territorien einen stetigen demographischen Zuwachs. In einigen Regionen wie Pommern, Schlesien oder Württemberg hatte sich die Bevölkerung im Laufe des Jahrhunderts gar verdoppelt. Auch Frankreich erlebte im 18. Jahrhundert einen erheblichen Bevölkerungszuwachs von gut 21 Millionen Einwohnern zu Beginn des Jahrhunderts bis auf etwa 28 Millionen im Jahr 1789. In beiden Ländern war dies die Folge eines insgesamt wohlhabenden Jahrhunderts, in dem konjunkturelle Krisen, aber auch Krankheiten stark zurückgingen. Erst Missernten in den späten 1780er Jahren führten in Frankreich zu stark erhöhten Lebensmittel- und Brotpreisen, welche die Staatskrise der Zeit verschärften.47

In Frankreich führte der Anstieg der Bevölkerung in einigen Regionen wie um Toulouse oder Marseille zu einer Verdoppelung der Städte von über 10.000 Einwohnern. Ein vergleichbarer Urbanisierungsprozess fand in Deutschland nicht statt.48 Hier lebten mit nur leicht abnehmender Tendenz etwa vier Fünftel der Bevölkerung auf dem Lande. Trotz der regional einsetzenden Urbanisierung blieb auch Frankreich bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ein agrarisch geprägtes, vormodernes Land, in dem der überwiegende Teil der Bevölkerung auf dem Land lebte.49 Aber der einsetzende Verstädterungsprozess bedeutete eine zunehmend verbesserte urbane Kommunikation und ein wachsendes städtisches Bürgertum, das an gesellschaftspolitischen Fragen teilnahm. Beides waren Faktoren, die die Revolution zwar nicht hervorriefen, aber begünstigten. So scheiterte die Flucht des Königs im Sommer 1791 an dem beschleunigten Kommunikationsnetz, das die Nachricht schneller verbreitete, als die Kutsche der königlichen Familie fahren konnte.

Was den einsetzenden Urbanisierungsprozess betrifft, hat die marxistisch orientierte Historiographie auf die am Ende des 18. Jahrhunderts zunehmende Verelendung breiter Teile der städtischen Bevölkerung hingewiesen und diese als treibende Kraft der Revolution interpretiert.50 Andere Arbeiten wie die von Jürgen Reulecke oder Bernard Lepetit betonen dagegen die 1830er und 1840er Jahre als entscheidende Phase eines zunehmenden Pauperismus und einer Proletarisierung in Folge der forcierten Industrialisierung.51

Es sprechen verschiedene Faktoren dafür, dass es sich selbst in einer Stadt wie Paris am Ende des 18. Jahrhunderts noch um eine weitgehend traditionelle Arbeiterschaft handelte, die noch weit entfernt von Proletarisierung und Industrialisierung war. Dennoch waren die sozialen Spannungen für die Zeitgenossen, die Paris in den 1770er und 1780er Jahren besuchten, nicht zu übersehen. „Die Nation scheint hier in sehr vieler Rücksicht nur in zwo Klassen getheilt zu seyn; wovon die eine und geringere Zahl nur immer wünscht, genießt, und wie verwöhnte Kinder alles wegwirft, und was Neues haben will; die andere größere Zahl hingegen ist nur beschäftigt, die Grillen und den Eigensinn der Erstern zu vergnügen (…).“52 Wenngleich viele Beobachter vergleichbare Urteile wie Sophie La Roche fällten, lassen sich aus den Parisberichten des späten 18. Jahrhunderts keine Anzeichen für das nahende Ende des Ancien Régime ablesen.

Ohne Zweifel war die französische Hauptstadt mit der Vielzahl an Sehenswürdigkeiten, Theatern und sozialen Einrichtungen sowie als wissenschaftliches und kulturelles Zentrum nicht nur Frankreichs, sondern auch Europas, der Hauptanziehungspunkt für Frankreichreisende. Die Wahrnehmung der Metropole, die um 1789 mindestens 600.000 Einwohner zählte, schwankte in vielen Fällen zwischen Faszination und Schrecken, zwischen „Welttheater“ und „Hauptstadt der Welt“ auf der einen Seite, dem moralisch niederen „Babylon“ auf der anderen. Vor allem aber prägte sie die Wahrnehmung des Landes, denn in vielen Fällen war die Frankreichreise gleichbedeutend mit einem ausgedehnten Parisaufenthalt.53 Dies lag zweifelsohne an dem zentrierten urbanen Netz in Frankreich, im Unterschied zu dem polyzentrischen in Deutschland. Zugleich jedoch war Paris – gemeinsam mit London – eine Ausnahme in der europäischen Urbanisierung. Die Regel waren Kleinstädte von wenigen tausend Einwohnern, die das Bild des Landes prägten. Nur wenige Städte gehörten mit über 50.000 Einwohnern zu den bedeutenden wirtschaftlichen und kulturellen Zentren. Um 1800 waren die drei größten deutschen Städte Wien mit etwa 231.000 Einwohnern, gefolgt von Berlin mit ca. 150.000 und Hamburg mit rund 100.000 Einwohnern.54 Dresden und Königsberg zählten etwa 60.000, eine traditionsreiche Reichsstadt wie Augsburg ca. 36.000 Einwohner. Dem entsprachen auf französischer Seite Städte wie Lyon, Bordeaux oder Toulouse.55

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