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Kapitel 1 – Jack
ОглавлениеJack saß am Frühstückstisch und aß seine Morgenpampe, eine Mischung aus Flakes, einem Medikamenten-Cocktail und sogenannter Milch aus den synthetischen Eutern der Firma, in deren Buchhaltung er ein kleines Rädchen von vielen war. Vorgestern hatte in einer Kurznachricht an alle Mitarbeiter gestanden, dass der weltweite Bestand an weiblichen Rindern mit Ausnahme von Indien und einigen weiteren hinduistisch geprägten Regionen, in denen die Kuh als heilig galt, auf unter tausend Exemplare gefallen sei. Triumph der Stammzellforschung, der künstlichen Organzucht und des Milch und Käse produzierenden Kapitals. Kaum ein Jahrzehnt war es her, dass die Massenproduktion künstlicher Euter begonnen hatte. Täglich fuhr Jack auf dem Weg in sein Büro an der kleinstadtgroßen Fabrikhalle vorbei, in der seine Firma in 32 Rieseneutern der neuesten Generation die Milch für den Milch-, Käse- und Joghurtbedarf von 100 Millionen Menschen produzierte. Das lebende Gewebe eines dieser Euter wog gut 150 Tonnen, der maschinelle Komplex, der solch ein Euter fütterte und melkte, ungefähr das siebzehnfache. Einige seiner Kolleginnen hatten sich geekelt, als sie es vor ein paar Monaten während einer Mitarbeiterführung durch die technischen Anlagen zu Gesicht bekommen hatten. Jack war schon damals alles gleichgültig gewesen, doch damals hatte er zumindest noch verstanden, welche Effizienz in dieser Gigantomanie verbaut war. Seine Gleichgültigkeit hatte seitdem noch zugenommen und es wurde ihm zunehmend schwerer zu verstehen, worum es in seinem Job ging, warum er täglich mit dem Auto von dem einen Ort seines Lebens, seinem kleinen Vorort-Häuschen, zu dem anderen Ort seines Lebens, dem kleinen Büro mit zwei Kollegen und einer Kollegin fuhr, warum er aß, schlief, blinzelte. Vielleicht wurde es auch gar nicht schlimmer. Irgendwie war schon seit Jahren alles taub.
Jedes neue Medikament, das er verschrieben bekam, hellte seine Stimmung nur ein wenig auf. Die Wirkung verflog schnell und stellte sich schon nach wenigen Wochen überhaupt nicht mehr ein. Dafür dauerte es meist auch keinen Monat, bis er ein neues Medikament verschrieben bekam. Er gehörte immerhin zur Mittelschicht, das Haus war fast schon abbezahlt. Aber die Strafgebühren für eigenmächtiges Absetzen seiner Antidepressiva hätten ihn binnen kürzester Zeit bankrott gemacht. Die Pharmaindustrie hatte einen immensen Einfluss auf die Politik. Und allen Arbeitgebern war es wichtig, dass ihre Mitarbeiter keinen Suizid verübten oder so lethargisch wurden, dass sie ihre Aufgaben gar nicht mehr erledigten. Seitdem die Zahlen für depressive Erkrankungen kontinuierlich stiegen, also seit gut 50 Jahren, gab es kaum ein politisches Thema, das die gleiche Bedeutsamkeit hatte wie die Bekämpfung der Depression. Experten lamentierten in Talkshows andauernd darüber, dass die Arbeitsproduktivität quasi überall auf der Welt seit Jahrzehnten kontinuierlich sank. Selten kam in solchen Talkshows mal jemand zu Wort, der darauf hinwies, dass die Fortschritte der technischen Produktivität der Industrie dennoch weiterhin so stark stiegen, dass der Abfall in der Arbeitsproduktivität kaum ins Gewicht fiel. Dem wurde aber mit dem Offenkundigen entgegnet: Klar war jedenfalls, dass die meisten Leute miese Stimmung hatten und verbreiteten und das nun wirklich niemand wollen konnte. Letztens hatte Jack in seinem persönlichen Medien-Channel gehört, dass drei Viertel der Weltbevölkerung an mindestens einer der unzähligen Formen von Depression litten. Jack kannte tatsächlich niemanden, der nicht zu diesen drei Vierteln gehörte, wobei manche sich besser hielten als andere. Seine Frau hielt sich z. B. etwas besser als er, wenn auch nicht viel. Seine Kinder hingegen waren ein Anblick, der ihn in besseren Momenten, wenn er nicht völlig abgestumpft war, unendlich traurig machte.
Es war also kein Wunder, dass das Einnehmen der nur mäßig wirksamen Medikamente seit 17 Jahren nahezu weltweit durch die staatlichen Gewaltmonopole erzwungen wurde. Verschiedene Länder hatten da verschiedene Methoden. Angeblich waren in den USA allein sieben Millionen Menschen in den Gefängnissen, weil sie ihre Medikamente eigenmächtig abgesetzt hatten und nach kurzer Zeit die Strafgebühren nicht hatten aufbringen können. In den Gefängnissen wurden sie selbstverständlich zur Not auch mit physischem Zwang zur Einnahme der Medikamente gebracht. Der wesentliche Effekt der Medikamente war nachweislich nicht die Linderung der Symptome. An ursächliche Heilung der Depression schien ohnehin schon gar niemand mehr zu glauben. Kurzfristige Stimmungsaufhellung mochte ein angenehmer Begleiteffekt der Medikamente sein. Ihre eigentliche Wirksamkeit bestand allerdings darin, das Heer der Depressiven arbeitsfähig zu halten. Kognitive Stabilisierung war eine gerne benutzte Vokabel. Mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegte sich Jack daher trotz all der zähen Fühllosigkeit in ihm durch die Rhythmen seines Lebens, deren Sinn ihm immer mehr abhanden kam. Irgendwie stabilisierten die Medikamente seine Denk- und Motivationsfähigkeiten zumindest insoweit, dass er sich dem vorgestanzten Takt seines Lebens einfach hingab. Vielleicht war es auch schon immer so gewesen. Dienstags, donnerstags und samstags verkehrte er intim mit seiner Frau, die ihm ebenso wie sein eigenes Leben immer mehr zur leeren Hülle wurde. Das war eine Empfehlung ihrer Ärzte gewesen, an die sie sich aus purer Trägheit hielten. Er erinnerte sich vage, dass es eine Zeit gegeben haben musste, in der die Berührung ihrer Körper eine wundervolle Bedeutung hatte, genußvoll war, ihm und ihr Kraft spendete. Heute unterschied sich der Akt der Aufnahme seiner Morgenpampe emotional nicht mehr von irgendeiner anderen Tätigkeit. Sex, das regelmäßige Spielen mit seiner siebenjährigen Tochter und seinem fünfjährigen Sohn, die regelmäßigen Spaziergänge am nahe gelegenen See, Urlaubsreisen ans Meer oder in die Berge ... nichts konnte ihn erheitern, nichts ihn aufregen, nichts ihn ängstigen. Die Gleichgültigkeit bewegte sich durch Raum und Zeit und war sich meistens schon gar nicht mehr bewusst, dass sie eine Person namens Jack war. Obwohl die Gleichgültigkeit wie von Geisterhand antwortete, wenn jemand sie als Jack ansprach.
Das war schon lange so. Die Diagnosen seiner Hausärztin Audrey wurden mit den Jahren komplexer, die medizinische Nomenklatur des depressiv Apathischen hatte in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts eine gewaltige Ausfransung erlebt. Heute, im Jahr 2067, unterschieden die praktizierenden Neuropsychologen etwa zwei Millionen verschiedene Varianten von Depression. Die forschenden Institute gingen angeblich von einer Zahl aus, die mehr Nullen hatte als es depressive Nulpen auf der Welt gab. Jacks monatliches Check-Up hatte zuletzt 27.367 davon bei ihm nachgewiesen. Audrey hatte gesagt, dass das noch eine moderate Zahl sei und er sich insbesondere glücklich schätzen könne, keine der wirklich schweren Formen aufzuweisen. Jack hatte sie bei dem Versuch verständnislos angeguckt, der Phrase 'sich glücklich zu schätzen' irgendeine Bedeutung abzugewinnen. Die pharmazeutische Industrie konnte allein mit rund zweihundertzwanzigtausend verschiedenen Präparaten gegen Depression aufwarten. Doch kaum jemand von den Betroffenen war noch motiviert genug, um ausreichend Galgenhumor für den Scherz aufzubringen, dass davon kein einziges half. Ein Armutszeugnis, das kaum noch jemand als ein Armutszeugnis empfand oder aussprach.
Jack beschäftigte sich mit diesen Dingen gedanklich. Er wusste nicht recht, wie es kam, dass sein Geist sich in dem Meer von bedeutungslosen Ereignissen seines Lebens doch an diesem oder jenem festklammerte. Auf der Arbeit gleitete sein Geist wie durch Zauberhand durch das Meer von Finanzberechnungen, das ihm genauso egal war wie der Duft einer schönen Frau, ein Sonnenuntergang oder das Gefühl, heißen Meeresstrandsand zwischen den Zehen zu spüren. Und so wie sein Geist auf der Arbeit automatisch das verrichtete, was von ihm verlangt wurde, beschäftigte sich dieser Geist während der Freizeit vollautomatisch mit Zahlen und Fakten zum gesellschaftlichen Stand der Depression. Wobei er freilich nur interessierter Laie war und zugeben musste, dass er über die eigentliche wissenschaftliche Erforschung der Depression nicht viel wusste. Aber er hatte ein gewaltiges Sammelsurium von Informationen aus dem Netz, aus seinem Medien-Channel, aus Gesprächen mit Bekannten im Kopf. Und irgendwie musste dieser Kopf diese Informationen drehen und wenden, drehen und wenden, drehen und wenden …
Wenn er sich wirklich anstrengte, konnte er sich daran erinnern, dass er in der Anfangszeit seiner Depression auch manische Phasen gehabt hatte, in denen er sich engagiert damit beschäftigt hatte, wie er die Depression loswerden könne. Die manischen Phasen waren damals noch eine Nebenwirkung der Medikamente gewesen. Diese Zeiten waren leider vorbei. Neben der Schulmedizin gab es selbstverständlich unendlich viele Vorschläge für den Hausgebrauch aus allen Ecken der Welt, mit denen man angeblich der Depression zu Leibe rücken konnte. Jack war zu sehr nüchterner Zahlenmensch, um nicht zu sehen, dass es unwahrscheinlich war, dass es irgendwo auf der Welt eine funktionierende Gegenmaßnahme gab. Sonst hätte doch die Zahl der weltweit Erkrankten nicht kontinuierlich steigen können. Andererseits: Wenn jeder so resignativ dachte, dann hätte sich eine funktionierende Gegenmaßnahme auch nicht durchsetzen können. Vielleicht gab es sie also doch, aber nur eine kleine Gruppe von Eingeweihten wusste davon? Einige Monate hatte er sich in seiner Freizeit durch das www geklickt, auf der Suche nach einer Heilung. Er hatte exotisches Gemüse und genmanipuliertes Obst ausprobiert, Hunderte von Mittelchen mit geheimen Wirkstoffen, Homöopathisches. Er war bei selbsternannten Heilern, Medien, Gurus, personal coaches und Gymnastiklehrern gewesen. Vor drei Jahren hatte er zwei Urlaubswochen im Himalaja bei buddhistischen Mönchen verbracht. Seine Frau hatte er nicht dazu überreden können mitzukommen. Er hatte daraus vor allem gelernt, dass er ein gänzlich neues Leben beginnen müsste, am besten wäre wohl die Existenz als selbstversorgender Kleinbauer irgendwo an den Rändern der zivilisierten Welt. Dazu hatte er nicht die Energie, nicht einmal annähernd. Auf dem Trip in den Himalaja hatte er sich nicht besser gefühlt, tatsächlich hatte er sich und die fremden Menschen und Landschaften überhaupt nicht gefühlt, hinterher aber fühlte er sich noch ausgepumpter. Dass sportliche Betätigung noch immer die beste Medizin gegen Depression darstellte, war ein weitverbreiteter Glaube. Jack kannte quasi niemanden, der nicht wenigstens eine Stunde am Tag mit ausgedehnten Körperertüchtigungen verbrachte. An jeder Straßenecke gab es die unterschiedlichsten Fitness-Studios. Ihm half das nicht. Und so weit er beurteilen konnte: den anderen auch nicht. Dann wurde ihm klar: Er kannte doch sehr viele Leute, die es schon wieder aufgegeben hatten, Sport zu treiben. Die wirklich harten Fälle lagen ohnehin nur noch bewegungslos in ihrem Brei aus Gefühllosigkeit. Die Talkshows behaupteten, dass die Zahl der Suizide im 21. Jahrhundert eher zurück gegangen sei. Kritiker behaupteten zwar, dass die Statistiken gefälscht wurden. Jeder kannte irgendjemanden, der sich selbst das Leben genommen hatte. Aber das war wohl auch schon im 20. Jahrhundert so gewesen. Der behauptete Rückgang der Suizide wurde den Fortschritten der medizinischen Forschung hoch angerechnet. Manchmal sprach aber auch ein Talkmaster, dem seine Gleichgültigkeit über das Getriebe, in das er eingespannt war, an den hängenden Wangen anzusehen war, aus, was die meisten Leute vermuteten: War die Zahl der Suizide tatsächlich gesunken, dann wohl einfach deshalb, weil es schon einfach zu egal war, ob man tot oder lebendig war. Dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, hatte etwas Theatralisches. Es war Ausdruck einer Emotionalität, die kaum noch jemand aufbringen konnte. Hinzu kamen die praktischen Anstrengungen. Man musste sich ja zumindest aufraffen, das Fenster zu öffnen und herauszuspringen, sofern man denn in einem Wolkenkratzer wohnte.
Die Medikamente wirkten seltsamerweise so, dass die Menschen die täglich von ihnen geforderten Aufgaben ausführten. Dabei agierten sie aber wie auf Autopilot, gefühlsmäßig war niemand bei der Sache. Präziser vielleicht: Gefühlsmäßiges war einfach keine Tatsache mehr. Alles war leer und stumpf und bewegte sich irgendwie doch. Irgendwie aber schafften die Medikamente es, diese leere Bewegung so einzuschränken, dass sich nur wenige zu der Freiheit aufrafften, das eigene Leben zu beenden. Jack hatte jedenfalls irgendwo mal gelesen, dass dies Freiheit sei, vielleicht sogar die einzige, die blieb.
An diesem Morgen schien die Sonne in einem Farbenmeer zwischen rot und gelb durch die wenigen Schleierwolken über dem Highway. Jack wusste nicht im eigentlichen Sinne, dass er zur Arbeit fuhr. Es war eben einfach das, was er so tat. Autopilot im Kopf. Die Sonne wärmte ihn durch die Autoscheiben. War die Sonne nicht schön? Er erinnerte sich dunkel daran, dass so etwas behauptet wurde, ja, dass er es sogar selbst einmal so empfunden hatte. Aber die Erinnerung war auch nur Autopilot. Der gleichgültige Stern irgendwo am Rande einer drittklassigen Galaxie machte halt, was er machte. Was ging ihn das an? Was ging ihn überhaupt irgendetwas an? Er stand wieder einmal im Stop-and-go auf dem 16-spurigen Highway. Er würde zu spät kommen, würde länger im Büro bleiben, würde die routinierte Schelte seines Vorgesetzten anhören müssen. Es war ihm einerlei. Als er sich langsam den ausgedehnten Fabrikgebäuden seiner Firma näherte und auch schon ausmachen konnte, hinter welchem der unzähligen Fenster der Bürotürme er den größten Teil dieses Tages wieder einmal verbringen würde, kam dem Autopiloten in seinem Kopf eine lange nicht mehr beachtete Erinnerung hoch. Sein erster Tag in der Firma, die ersten Wochen, Monate.
Nicht, dass er sich an die Gefühle erinnern konnte, aber er wusste, dass er damals noch gefühlt hatte. Er war ein engagierter junger Mann gewesen, voller Energie. Er hatte Karriere machen wollen, hatte freiwillig viele Überstunden geleistet, um sich in die komplexe Finanzarchitektur der Firma hineinzuarbeiten. Das wäre nicht nötig gewesen, sein Arbeitsplatz stellte sehr genaue Anforderungen an ihn. Dafür musste er nicht das gesamte System der Firma verstehen. Aber als junger Mann hatte er das gewollt. Er konnte sich nicht daran erinnern, warum er es gewollt hatte. Tatsächlich erinnerte er sich nicht einmal mehr an das Gefühl, überhaupt irgendetwas zu wollen. Aber er erinnerte sich an einige Tatsachen. Das war vor acht Jahren gewesen, aber es kam ihm vor, als wäre es auf einem anderen Planeten und in einer ganz anderen Zeit gewesen.
Angeblich teilten sich damals wie heute sieben internationale Firmen den globalen Milchmarkt. Gelegentlich gab es öffentliche Debatten darüber, dass sieben Firmen weltweit nicht den Ansprüchen an einen freien Markt genügten. Unterschiedlichste Kartellbehörden der verschiedenen Staaten bemängelten zu unterschiedlichen Zeiten, dass ein freier Markt mehr als sieben weltweite Akteure voraussetze. Gelegentlich wurde behauptet, dass es illegale Preisabsprachen gab. Das hohe Gut der freien Preisfindung auf einem freien Markt schien auf dem Milchmarkt in Gefahr. Und damit selbstverständlich auch auf all den Märkten, auf denen die Weiterverarbeitungsprodukte von Milch gehandelt wurden, etwa Käse oder Joghurt, die selbstverständlich ebenfalls massenhaft von seiner Firma produziert wurden. Jack hatte zwei Jahre auf einer öffentlichen Fachschule für Finanzfachkräfte verbracht. Er erinnerte sich daran, wie sehr dieses hohe Gut eines freien Marktes stets betont wurde. In allen Büchern, von den Lehrern, von seinen Mitschülern. Wenn es heute einen Gott gab, dann wohl den des freien Marktes. Irgendwie beteten alle ihn an. Zumindest alle, die sich mit Wirtschaft beschäftigten. Damals glaubte er an diesen Gott. Ein mildtätiger Gott zum Wohle aller. Alle mussten ihm opfern, sich anstrengen, innovativ sein, in der Konkurrenz mithalten. Aber dafür wurden auch alle reich belohnt. Mit Häusern und Autos und Möbeln und Essen und Freizeitangeboten und und und. Heute fürchtete er, dass dieser Gott tot war und vielleicht nie gelebt hatte. Und das war seltsamerweise tatsächlich mal so etwas wie ein Gefühl, ein sehr dumpfes Gefühl der Beklemmung.
Es hatte damals etwas Peinliches für ihn gehabt, als er bei seiner Firma einen Job erhielt, einer Firma, die in dem Ruf stand, das hohe Gut des freien Marktes zu untergraben. Das Wörtchen 'Preisabsprachen' hatte einer seiner Kumpels von der Fachschule fallen gelassen, als er von dem Jobangebot erzählt hatte. Sein Kumpel war damals vermutlich nur neidisch gewesen. Er hatte schlechtere Noten gehabt und sich auf Stellen beworben, die um einiges schlechter entlohnt wurden. Dennoch fuchste Jack damals die Reaktion dieses Kumpels, an dessen Namen und Gesicht er sich nicht mehr entsinnen konnte: Arbeitest du nun für einen der großen bösen Multis, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, weil sie das Prinzip eines freien Marktes untergraben? Steckst du deine Energien in einen Laden, der zum Reich des Bösen gehört, Jack?
Diese Frage war in der Anfangszeit seines Jobs eine Allianz mit seinem Ehrgeiz eingegangen. Er hatte Karriere machen, schnell in der Firma beweisen wollen, was für ein Talent er war, wenn möglich eine höher gestellte Position ergattern, auf jeden Fall aber seinen Vorgesetzten positiv auffallen. Und er hatte beweisen wollen, dass es keine Preisabsprachen gab, sondern dass seine Firma die Preise veranschlagte, die nun einmal nötig waren, um den Betrieb der Firma und einen marktüblichen Profit zu gewährleisten. Er hatte es sich beweisen wollen und seinem damaligen Kumpel. Die Milchpreise waren immerhin heute wesentlich niedriger als noch zu der angeblich guten alten Zeit, als die Milch von lebenden Kühen und idyllischen Bauernhöfen kam, die es ja schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum noch gegeben hatte. Die Nahrungsmittel-Industrie stand damals noch auf dem Boden der ländlichen Bevölkerung und beutete Acker und Tier erbarmungslos aus. Heute gab es stattdessen riesige Fabriken, in denen Getreide, Obst, Gemüse und eben auch Milch und Fleisch mit Methoden hergestellt wurden, die weder Erde noch Tiere benötigten, sondern nur massenhaft Energie und Rohstoffe, die man aus den Weltmeeren schöpfen konnte.
Auf moralische Diskussionen hatte er sich nie gerne einlassen wollen. Die Bio- und Veganer-Bewegung war vor dem Aufstieg der gänzlich synthetischen Nahrungsproduktion immer stärker geworden. Wer um die Jahrtausendwende einen Einblick in die Massenproduktion der Nahrung gehabt hatte, wollte damit nichts zu tun haben, am liebsten gar nicht mehr essen oder bloß noch Algen aus dem Meer. Die meisten Leute lebten auch damals schon in den Städten, hatten mit dieser Massenproduktion nichts zu tun und wollten von deren Methoden möglichst nicht allzu viel wissen. Nahrung wuchs nicht in der Natur, sondern im Supermarkt. Das wussten die meisten Kinder. Mit der synthetischen Produktion in der Fabrik wurde dieser Irrglaube im Prinzip wahr: Auf dem Betriebsgelände befand sich auch ein firmeneigener Supermarkt, der das größte Sortiment an Milchprodukten aufbot, das in Nordamerika an einem Ort zu finden war. Das gesamte Sortiment wurde von Jacks Firma produziert, auf dem Gelände, wo sich auch Jacks Büro befand. Die Bewegungen gegen Industrie-Bauernhöfe starben mit der Entwicklung der Fabrikproduktion von Nahrung genauso ab wie die Bauernhöfe selbst. Wo die ländlichen Gegenden sich nicht selbst in Städte verwandelten, was die Regel war, entstanden wieder ausgedehnte Naturreservate. Aber einige Relikte der Bewegungen gegen das moderne Ernähren begehrten nun gegen die synthetische Herstellung der Nahrung auf. Sie hatten einen gewissen Unterhaltungswert und daher auch ein wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Ihre Argumente hatten sich Jack aber nie erschlossen. Wenn ihn moralisch etwas an der Nahrungsmittel-Industrie stören konnte, dann die Vorstellung, es gäbe keinen freien Markt.
Jack wunderte sich, dass ihm diese Dinge wieder einfielen. Er hatte lange nicht daran gedacht. Zwar waren auch diese hochgespülten Erinnerungen nur ein Produkt seines vollautomatisierten Geistes, aber er hatte doch das dumpfe Gefühl, mal wieder etwas zu fühlen, sich an die Gefühle von damals zu erinnern. Und er wunderte sich. Allein das war schon fast so etwas wie ein Gefühl. Vielleicht schlug das neue Medikament an. Er nahm es seit fünf Tagen.
Während er die Sicherheitsschleuse seiner Firma mit dem Auto durchquerte und sich die gigantischen Komplexe von Menschenhand zu allen Seiten vor ihm hunderte von Metern in die Luft auftürmten, hatte er Bilder davon im Kopf, wie er als junger Angestellter in diesen Gebäuden seinem Ehrgeiz und der brennenden Frage nachgegangen war, wie die Firma zu ihrer Preispolitik kam. Es musste das neue Medikament sein: Ihm wurde plötzlich mal wieder klar, dass eine Frage brennen konnte. Normalerweise war das bloß eine gleichgültig dahin gesagte Phrase, aber gerade hatte er eine plastische Erinnerung und ein vages Gefühl zu seinem früheren Leben. Als er wie jeden Morgen die Pförtner an der Sicherheitsschleuse sah, erinnerte er sich, dass man Lächeln konnte und er tat es. Die Pförtner registrierten das kaum, aber er fühlte sich ein wenig dabei. Er fühlte sich ein wenig gut dabei. Wow, das Medikament half wirklich. Es gab emotionale Ausschläge in ihm, es war ihm nicht mehr alles gänzlich gleichgültig. Das Spektrum seiner sehr dumpfen Gefühle, auf die er sich mit wahnwitziger Anstrengung zu konzentrieren versuchte, war allerdings breit und deutlich eher ungut. Er spürte ein wenig Angst davor, dass das Medikament wieder nur eine kurze Zeit wirken und er bald wieder gänzlich taub sein würde. Und jetzt, wo er die Sonne nicht mehr sehen konnte, sondern sich im Schatten der großen Anlagen um ihn herum befand, spürte er auch einen Anflug von Angst und Widerwillen vor seiner Arbeit und seiner Firma, vor dem Ort, der sein Leben und all seine Lebensenergien auffraß.
Sein Arbeitsplatz hatte damals wie heute ein wenig mit den Preiskalkulationen der Firma zu tun. Er bearbeitete ein paar Kostenstellen im Betrieb, hauptsächlich die Kosten für den Ersatz von Maschinenteilen. Es gab ungefähr hundert Millionen verschiedene Maschinen-Elemente, die die Firma von Lieferanten bezog. Die Lebenszeiten dieser Elemente variierten von wenigen Sekunden zu mehreren Jahrzehnten. Irgendwann musste jedes Element ersetzt werden. Es wurde gekauft und buchhalterisch erfasst. Diese buchhalterische Erfassung war seine Aufgabe. Selbstverständlich nicht die Erfassung aller Elemente, dafür gab es ganze Abteilungen. Er war für ungefähr 10.000 Elemente zuständig. Übrigens nicht für deren Einkauf, sondern nur für die Verbuchungen nach dem Einkauf. Der tiefere Sinn seines Arbeitsplatzes bestand darin, jederzeit genaue Angaben darüber machen zu können, wo in der Firma welche Kosten anfielen. Es war eine stupide, aber für das Gesamtsystem der Buchhaltung wichtige Arbeit. Er wusste z. B., dass schon einige Leute in der Produktion seinetwegen gefeuert worden waren. Wobei er nicht wirklich verantwortlich dafür war, er hatte halt seinen Job gemacht. Und dieser bestand nun einmal unter anderem darin, überdurchschnittlichen Verschleiß an Material aufzudecken. Überdurchschnittlicher Verschleiß an Material konnte mit Fehlfunktionen in der Maschinerie zu tun haben. Oder mit Mitarbeitern, die nicht sorgsam genug mit der Maschinerie umgingen. Als er vor drei Jahren in aller Routine seines Jobs aufgedeckt hatte, dass eine kleinere Einheit von Produktionsarbeitern offenkundig zu sorglos mit dem Eigentum der Firma umgegangen war, wurden vier Leute auf einmal entlassen. Seine Vorgesetzte und sogar ihr Vorgesetzter waren in Jacks Büro gekommen und hatten ihm gratuliert. Er erinnerte sich daran, dass es ihm ganz egal gewesen war. Weder die Anerkennung noch das Schicksal der Entlassenen hatte ihn irgendwie berührt.
Er fuhr in die tiefen Schluchten einer der fünf Parkgaragen auf dem Firmengelände. 30.000 Stellplätze auf fünfzehn unterirdischen Etagen. Künstliche Beleuchtung umgab ihn von allen Seiten, neonfarbene Pfeile und Warnhinweise stifteten ein Meer aus Bedeutungen, das ihm bedeutungslos erschien. Nicht bedeutungslos war jedoch die Wirkung des Medikaments. Er versuchte, tiefer in die Erinnerungen hinein zu fühlen. Es konnte doch unmöglich ein Zufall sein, dass er sich an den Beginn seiner Arbeit in der Firma erinnerte und damit seit mindestens zehn Monaten wieder die ersten, wenn auch bescheidenen Gefühlswallungen einher gingen. Was war damals genau passiert? Damals, als er noch Gefühle hatte?
Er hatte sich damals nur flüchtig darüber gewundert, dass alle Finanzdaten der Firma in einem riesigen Datenpool zu seiner freien Verfügung standen. Sein persönliches Passwort öffnete ihm an seinem Arbeitsplatz das weite Gespinst aller ökonomischen Daten eines Weltkonzerns. Für die Ausübung seiner Arbeit wäre das überhaupt nicht nötig gewesen. Da er aber nun einmal diese Zugriffsmöglichkeiten hatte, ehrgeizig war und die Existenz eines freien Milchmarktes zumindest sich selbst beweisen wollte, fing er an zu recherchieren. Niemand interessierte sich dafür. Hin und wieder fiel seinen Vorgesetzten auf, dass er über den Tellerrand seines Arbeitsplatzes hinaus Zusammenhänge sah. Dies wurde positiv vermerkt, weil er gänzlich unerwartet und ohne, dass es seine Aufgabe gewesen wäre, der Firma Geld sparte. Er konnte Impulse geben, die dazu führten, dass einige Kostenlöcher gestopft werden konnten. Karriere machte er deshalb nicht, aber immerhin erhielt er ein paar Gehaltserhöhungen. Einmal wurde deutlich, dass eine Vorgesetzte von ihm die Karriereleiter hochfiel, weil sie Jacks Aufdeckungen von Ineffizienzen als ihre eigenen Erfolge verkauft hatte. Er konnte dagegen aber nichts ausrichten, er war eben nur ein kleines Rädchen im Getriebe.
Es dauerte Monate, nein, sogar eineinhalb Jahre, bis er die komplexen Verflechtungen wirklich durchdrungen hatte. Er hatte hunderte von Überstunden gemacht, hatte seine Frau vernachlässigt, kam sogar zu spät ins Krankenhaus als seine Tochter geboren wurde. Tatsächlich: Die Frage nach den wirklichen Verhältnissen auf dem Milchmarkt war damals brennend gewesen. Und sie hatte ihn ausgebrannt. Er hatte alle alten Freundschaften vernachlässigt. Seine Frau mochte seine alten Kumpels ohnehin nicht sonderlich. Schon vor der Geburt ihrer Kinder hatte sie in einem großen Logistik-Unternehmen gearbeitet, in dem sie auch heute tätig war. Am Anfang ihrer Beziehung war er noch fasziniert von allem gewesen, was sie betraf. Er hatte sich stundenlang angehört, mit welchen statistischen Methoden sie die logistischen Aufgaben ihrer Firma bewerkstelligte. Sie hatte einen gut bezahlten Job. Und manchmal hatte er geglaubt, dass ihre Kollegen auch seine waren. Sie hatte von ihren Kollegen viel erzählt. Damals war er noch in der Fachschule gewesen, dann zwei Monate auf Arbeitssuche. Sie waren verliebt gewesen. Er hatte sogar die vage Erinnerung an dieses Gefühl, obwohl es schon so lange nicht mehr existierte und sie eigentlich nur noch nebeneinander her lebten und sich aus reiner Trägheit und der Kinder wegen miteinander abfanden. Ihm wurde klar, dass sie schon seit Jahren nicht mehr erzählt hatte, was sie mit ihren Kollegen am Arbeitsplatz erlebte. Damals hatte sie viele Geschichten erzählt und Jack hatte ihr fasziniert zugehört. Passierten solche Geschichten nicht mehr? Oder erzählte sie nur nicht mehr davon? Oder erzählte sie vielleicht sogar davon und er hörte es nur gar nicht mehr?
Als er die Füße aus dem Auto stellte, um über das Parkdeck zu den Aufzügen zu gehen, hatte er wieder einen deutlichen Anflug von einem Gefühl: Der Betonboden war wie sein Leben und seine Gedanken bodenlos. Auf ewig versunken in der Erde und immer weiter sinkend. Man hätte wohl schon mindestens ein Elektronenmikroskop benötigt, um den Spalt zwischen seinen Schuhen und dem Boden sichtbar zu machen. Jack aber fühlte, wie sich dieser Spalt ins Unermessliche erweiterte. Obwohl er trotz seiner weichen Knie festen Stand hatte, spürte er, wie der Boden immer tiefer und tiefer sank, die Decke sich höher und höher von ihm entfernte und sein eigener Körper ohne jeglichen Kontakt mit irgendwas in der Leere der Ewigkeit gefangen war. Der Autopilot im Kopf wies ihn allerdings darauf hin, dass das nur ein seltsames Gefühl war. Eigentlich war alles wie immer. Hieß das, dass immer alles endlos auseinanderdriftete?
Vielleicht war es seine Schuld gewesen, dass seine Frau sich von ihm entfernt hatte. Er hatte ja so viele Überstunden machen müssen. Er hatte unbedingt verstehen wollen, wie seine Firma in all ihren Elementen funktionierte. Wobei er sich selbstverständlich nicht für die Technologien interessiert hatte. Dafür waren andere da. Er hatte sich für die wirtschaftlichen Mechanismen interessiert. Und die hatte er in allen Details verstehen wollen. Darüber hatte die Beziehung gelitten. Bei beiden meldeten sich damals die ersten Anzeichen einer schleichenden Depression. Sie hatten geheiratet und hielten wie in guten so auch in schlechten Zeiten zusammen. Als ihre Tochter geboren wurde, hatten sie aber eigentlich schon fast gar nichts mehr miteinander zu tun, schliefen zwar im selben Bett, aßen aber kaum jemals zusammen und sahen sich auch sonst kaum. Die Versorgung der Kinder wurde größtenteils von Hausrobotern übernommen, hin und wieder kam ein Babysitter aus der Nachbarschaft.
Als er damals endlich begriffen hatte, was er so dringend hatte begreifen wollen, war er am Boden zerstört, ausgebrannt, desillusioniert und vollkommen einsam gewesen. Er hatte seiner Frau zwar vom Ergebnis seiner Recherchen erzählt, aber sie hatte nur mit den Achseln gezuckt. Das war der Tag, an dem er seinen ersten depressiven Schub gehabt hatte. Er war zwei Tage im Bett liegen geblieben, ohne sich auch nur krank zu melden oder an irgendetwas zu denken. Seine damalige Vorgesetzte hatte ihn angerufen, hatte seine Frau angerufen, seine Frau hatte Bärenkräfte mobilisiert, um ihn zu seiner Hausärztin Audrey zu schleppen. Damals war das erste Mal, dass seine Screening-Ergebnisse so bedenklich gewesen waren, dass Audrey ihm Medikamente verschreiben musste. Drei Tage hatte er in einer Klinik verbracht, eine Woche zu Hause, dann war er wieder zur Arbeit gegangen. Nachdem er zwei oder drei weitere Wochen seine Routinearbeiten erledigt hatte und sich langsam an die gefühllose Automatik eines auf Medikamente gesetzten Lebens gewöhnt hatte, war wohl das Interessanteste passiert, was sein seitdem sich absolut leblos anfühlendes Leben für ihn bereitgehalten hatte.
Während ihm diese Dinge wieder einfielen, war er über das in schwindelnde Tiefen fallende Parkdeck zu einem der riesigen Fahrstühle gegangen, in denen die gleichgültigen Gesichter der Firma in Hunderter-Paketen aus dem tiefen Bauch der Parkdecks in die vielen Glieder der Firma gepumpt wurden. Er war verblüfft. Auch dies war ein Gefühl. Er war darüber verblüfft, dass er an all diese Ereignisse jahrelang nicht mehr gedacht hatte. Seine Gefühllosigkeit und das automatische Funktionieren seines Lebens hatten offenbar keinerlei Interesse daran, sich an diese Geschehnisse zu erinnern. Das war doch sonderbar. Oder war es nicht sonderbar? Er war verwirrt. Die leeren Gesichter um ihn herum kümmerte das nicht. Im Hintergrund des Aufzugs gab es einen Smalltalk über ein Football-Spiel am vergangenen Wochenende.
Was hatte er damals herausgefunden? Es stand ihm plötzlich, nach all diesen Jahren, wieder klar vor Augen. Die Verhältnisse waren irrwitzig kompliziert, die Rechtskonstruktionen seiner Firma waren über alle damals 313 Staaten der Welt verteilt. Seine Firma bestand in rechtlicher Hinsicht aus weit über zwanzigtausend Einzelfirmen, Tochterfirmen, Beratungsfirmen, Mutterfirmen. Viele davon hatten eine internationale Rechtskonstruktion, einige waren rein national gebundene Firmen. Er hatte sich tief in das Feld der unternehmerischen Rechtskonstruktionen hineinarbeiten müssen. Jeder Staat hatte eigene Regeln, aber mit der Zeit hatte er es doch begriffen. Das Ergebnis ließ sich sehr simpel ausdrücken: Nicht nur die vielen, scheinbar rechtlich voneinander unabhängigen Firmen seines Konzerns, sondern alle sieben Konzerne auf dem Milchmarkt waren nur der Form nach getrennt. Letztlich gehörten sie alle einem Konsortium, das offenbar auch große Teile der Internet-Industrie, der Pharma-Industrie und der Maschinen-Industrie einschließlich Weltraum- und Kampfmittel-Industrie besaß. Außerdem im Prinzip alle Profisport-Mannschaften auf der ganzen Welt. Das Konsortium war zu 67 Prozent im Besitz von vier Personen, die restlichen 33 Prozent gehörten einigen Millionen sogenannten Privatanlegern. Wenn man offiziellen Statistiken über den Reichtum der Welt trauen konnte, gehörte dem Konsortium etwa 740 Prozent des weltweiten Reichtums: Geld, Fabriken, Immobilien, Grundstücke, Patente und alles, was sonst noch von Wert war. Man konnte den offiziellen Statistiken also offensichtlich nicht trauen. Die Namen der vier Personen, die den Besitz an zwei Dritteln des Konsortiums hielten, konnte er nicht herausfinden, aber er fand Indizien dafür, dass drei davon miteinander verwandt waren.
Zwischen den vielen Menschen im Fahrstuhl, deren Choreographien beim Ein- und Aussteigen hin und wieder dazu führten, dass Jack angerempelt wurde, stand ihm plötzlich wieder alles vor Augen. Die Aseptik der unzähligen Parfum-, Deo-, Creme- und Haardüfte konnte ihn in diesem Moment ebenso wenig wie die sterile Kostümierung der Arbeitsbevölkerung davon abhalten, sich in der Wärme des anonymen Menschenrudels wohl zu fühlen. Die unwillkürlichen und unsanften Berührungen erinnerten ihn an Nähe, Zärtlichkeit, Gemeinschaft, an Gefühlswelten aus seiner Kindergartenzeit, ans Kuscheln mit seiner Mutter, vielleicht sogar an die Zeit, als er in ihrem Bauch geschwommen war. Jack seufzte vor einem Wohlbefinden, das er ewig nicht gespürt hatte. Die Leute neben ihm schauten ihn mit ihren leeren Minen kurz skeptisch an. Er grinste selig und sie schauten schnell weg. Ihre Autopiloten wollten offenbar nicht an die Möglichkeit von Glück erinnert werden. Das Glück aber schwamm als langsam zerplatzende Schaumschicht auf nur wenigen Wellenbergen in einem Meer aus Ohnmacht. Wie ohnmächtig Jack sich damals gefühlt hatte!
Die damals beginnende Depression war vermutlich bloß eine Flucht vor diesen Ohnmachtsgefühlen gewesen. Wie lange hatte er sie nicht mehr gespürt? Die meiste Zeit der letzten Jahre war er schon erleichtert gewesen, wenn der Autopilot in seinem Kopf dafür sorgte, dass er in aller Emotionslosigkeit seines leeren Kosmos morgens beim Weckerklingeln aufzustehen fähig war. Nein, das war nicht wahr. Jetzt, wo er wieder etwas spürte, konnte er das so denken. Die meiste Zeit über war er aber gar nicht erleichtert über irgendetwas. Was passierte, passierte. Mehr als Autopilot war da eigentlich nie. Dennoch kam es ihm jetzt so vor, als wenn seinem Autopiloten die Fähigkeit, sich jeden Tag aufs Neue seine Morgenpampe einzuverleiben, schon als unbändiger Machtrausch vorgekommen war. Sieh her: Ich hebe den Löffel! Sieh her: Ich manövriere den Löffel in die Pampe! Sieh her: Ich dirigiere den mit Pampe behäuften Löffel durch die schwere, schwere Schwerkraft hindurch in einen Mund, den ich zu füttern habe! Sieh meine Macht! Sie gibt dir das Essen, das du brauchst, um weiter fühllos funktionierend fortzuleben.
Die Wiederkehr von Emotionen nahm Jack jegliches Realitätsbewusstsein für Proportionen. So wie auf dem Parkdeck alles auseinandergedriftet war und doch gleichzeitig wie immer ausgesehen hatte, so schien der Aufzug mit allen menschlichen Körpern darin zu atmen. Eben war er noch ausgedehnt wie das Universum, die Körper direkt neben ihm weiter entfernt als die nächste Galaxie, jetzt enger als ein Staubkorn, alle Menschen zusammengepresster als die Materie in einem schwarzen Loch. Jacks Herz schlug schneller als gewohnt, er hyperventilierte leicht.
Er versuchte, sich auf die damaligen Ereignisse zu konzentrieren: Während er noch versucht hatte, die Eigentumsverhältnisse seiner Firma zu verstehen, hatte er nur auf relativ wenige externe Quellen zugreifen müssen. Viele Informationen hatte er aus Datenbeständen der diversen Steuerbehörden unterschiedlichster Länder ziehen müssen. Dafür konnte er aber auf standardisierte Informationsanfragen-Protokolle der Firmensoftware zurückgreifen. Als er diese das erste Mal benutzt hatte, hatte er sich gefürchtet: Vielleicht ging er zu weit, überschritt seine Kompetenzen. Er hatte schließlich nicht die Aufgabe, sich mit der Rechtskonstruktion seiner Firma oder Steuerfragen zu befassen. Er hatte damals erst mal nur eine ihm relativ harmlos erscheinende Anfrage an die europäischen Steuerbehörden gesandt. Die Antwort war binnen einiger Stunden gekommen. Nachdem Jack über mehrere Wochen hinweg von niemandem darauf angesprochen worden war, war er mutiger geworden und hatte weitere Anfragen gestellt. Nach einigen Monaten war er dann mit den Anfragen gänzlich bedenkenlos umgegangen. An einem Nachmittag hatte er allein über 700 Anfragen an die Steuerbehörden von über 90 Ländern gestellt. Es hatte anscheinend niemanden gekümmert. Die Firma gab ihm alles an die Hand, was er brauchte, um zu verstehen, dass die Firma sich kein bisschen an die Regeln des freien Marktes hielt, an den alle Kolleginnen und Kollegen in der Buchhaltung schon aufgrund ihrer Ausbildung zu glauben hatten. Rechnete man die Subventionen gegen, die das Konsortium in vielen Ländern erhielt, zahlte es übrigens weltweit kaum mehr Steuern als er und seine Frau zusammen. 27 Dollar mehr. Darin lag wohl neben der Verschleierung der Eigentumsverhältnisse der tiefere Sinn der komplexen Rechtskonstruktionen. Nur ein paar Dinge musste er tatsächlich über das Internet klären. Z. B. hatte er nicht gewusst, dass Qualimba ein eigener Staat war. Er tauchte aber tatsächlich als Mitglied der Vereinten Nationen auf und unterhielt Botschaften in Washington, London, Berlin, Moskau, Neu-Delhi und Peking. Seine Einwohnerzahl lag offiziell bei etwa zwanzigtausend Menschen. Sein Territorium befand sich im Pazifik einige tausend Kilometer südwestlich von Hawaii. Satellitenbilder von diesem Territorium zeigten keine natürlichen Inseln, sondern nur gigantische schwimmende Schiffe mit ausgedehnten Pool-Anlagen. Die grundlegendste Eigentumskonstruktion seiner Firma befand sich in Qualimba. Dort war der Ort, wo das in unendlichen Reichtümern der Welt gebundene Kapital sich als Eigentum von lebenden Menschen erwies. Das Internet spuckte allerdings schlichweg überhaupt keine Informationen über Qualimba aus. Bis auf die offiziellen Statistiken der UNO und die Webseiten der Botschaften wies alles darauf hin, dass niemand im www zu wissen schien, dass es Qualimba gab. Das allein war schon völlig unfassbar.
Während der Fahrstuhl schon im 37. Stock angelangt war, versuchte Jack sich präzise an die Ereignisse jenes Tages zu erinnern, an dem einige Personifikationen der Macht seiner Ohnmacht die Hand geschüttelt hatten. Das Gefühl, dass der Fahrstuhl nicht nach oben fuhr, sondern nach unten stürzte, lenkte ihn dabei ein wenig ab. Etwa einen Monat nachdem er die Wahrheit über seine Firma herausgefunden hatte, nachdem er seinen ersten depressiven Zusammenbruch gehabt hatte, nachdem er erstmals auf medikamentösen Autopiloten eingestellt worden war, nachdem dieser Autopilot wieder zur Arbeit zurückgekehrt war … da hatten sie ihn eingeladen. Wie lange hatte er nicht mehr daran gedacht? Jetzt sah er das damalige Datum auf seinem Bürokalender vor seinem inneren Auge. Es war ein Donnerstag vor gut sechs Jahren gewesen. Ein hochgewachsener Mann war ins Büro gekommen. Eine Erscheinung wie aus einer anderen Welt. Er war mit einem silbergrau glänzenden Anzug bekleidet gewesen, der edler gewirkt hatte als alle Anzüge, die Jack je gesehen hatte. Auch die Schuhe hatten ätherisch gewirkt. Er hatte keinen Schlips getragen, statt dessen waren die obersten Knöpfe seines Hemdes leger geöffnet gewesen und hatten den Blick auf ein wenig Brustwolle freigegeben. Weiße Brustwolle. Sein Haupthaar hingegen war blondbraun gewesen, länger als bei den meisten Büromenschen und ein wenig wuschelig. Die Haut seines Gesichtes und seiner Hände hatte wie die eines 20-Jährigen gewirkt, gänzlich faltenlos. Aber in seinem Blick hatte etwas sehr Altes gelegen, das zu der weißen Brustwolle gepasst hatte. Jack war sofort davon irritiert gewesen, dass dieser Mann alterlos wirkte. Man konnte es einfach nicht sagen. War er Anfang 20? Oder schon über 120? Er hatte Jack direkt mit seinem vollen Namen angesprochen und sich vorgestellt. Der Name kämpfte sich mühsam aus den verschütteten Erinnerungsschichten unterhalb von Jacks Autopiloten an die Oberfläche hervor: Mr. Quin. Mr. Quin hatte eine sehr gewählte Ausdrucksweise gehabt. Und er hatte eine Wärme und Zufriedenheit ausgestrahlt, die Jack surreal vorgekommen waren. Er hatte selbstzufrieden und spendabel gewirkt. In seinen Augen hatte eine Liebesfähigkeit gelegen, die Jack noch nicht einmal aus Filmen kannte.
Als der Fahrstuhl den 41. Stock erreichte und sich ein Mann zum Aussteigen an Jacks Schulter vorbei drückte, wurde Jack klar, dass er sich damals, als er Quin gesehen hatte, am liebsten an dessen Brust geworfen hätte, um wie ein kleiner Junge jämmerlich zu weinen. Quin hatte eine Aura umgeben, die einen Trost versprach, der nicht von dieser Welt zu sein schien. Als wäre ein Engel von einem gnädigen Gott auf die Erde entsandt worden. „Bitte begleiten Sie mich zur Firmenleitung, Jack. Ich darf Sie doch Jack nennen?“ Quins Worte waren Balsam gewesen. Irgendetwas in seiner Stimmmelodie schien zu sagen: „Hab keine Angst, mein Sohn, alle Liebe der Welt weiß um dich und deinen Kummer.“
Der nächste Erinnerungsfetzen bewegte sich im Büro von Susan Shine, die oberste Geschäftsführerin des Firmenstandorts, an dem Jack seine Arbeit verrichtete. Jack hatte sie zuvor noch nie persönlich gesehen, geschweige denn, dass er jemals ihrem Büro auch nur auf 50 Stockwerke nahe gekommen war. Die Geschäftsleitung hatte einen eigenen Büroturm, in dem Jack höchstens drei, vier Mal überhaupt gewesen war. Mrs. Shines Büro lag im obersten Stockwerk, nein, war das oberste Stockwerk: Die etwa 500 Quadratmeter Grundfläche des Büroturms waren auf dieser Etage offen arrangiert. Abgesehen von den Aufzugsschächten und einem Zugang zum Treppenhaus versperrten nur hier und da tragende Säulen den Rundumblick über das Gelände der Firma und weit darüber hinaus über die Stadt. Es war ein schöner Tag mit klarem Wetter gewesen und Jack hatte den Eindruck gehabt, dass er sogar die Kirche in seiner siebzehn Kilometer entfernten Nachbarschaft von dieser 169. Etage ausmachen konnte. Die Einrichtung war überaus edel und mit viel Platz über die Etage verteilt gewesen. Wuchtige, antike Möbel und hochmoderne Designer-Computerelemente, Skulpturen, an einigen Säulen kleinere Gemälde, edle Stoffe. Der Raum hatte gediegenen Reichtum ausgestrahlt, der materielle Protz war offenbar von Innenarchitekten so arrangiert worden, dass man nicht allzu sehr davon eingeschüchtert wurde, sich zuhause fühlen konnte. Es gab einige Konferenz- und Schreibtische, sie aber hatten sich nach einer kurzen Begrüßung an einem filigranen Cafétisch niedergelassen, der von höchstbequemen Sofas umstanden gewesen war. Sie waren zu fünft auf der Etage gewesen, neben Jack, Quin und Shine noch zwei Männer, deren Namen Jack nicht mehr erinnern konnte. Er wusste aber, dass einer von den beiden Männern zum Management unter Mrs. Shine gehörte. Der andere schien wie Quin sein Arbeitszuhause nicht auf dem Firmengelände gehabt zu haben. Quin hatte es vorgezogen, sich nicht hinzusetzen. Er hatte Jack aus gut fünfzehn Metern Entfernung beobachtet und ab und an von einem Whiskey-Glas genippt. Mrs. Shine hatte sich wie Quin vergewissert, dass sie ihn einfach Jack nennen durften. Sie hatten ihn ein wenig so behandelt, als wäre er ein kleines Kind, ein hilfloser, verlorener Sohn der riesigen Firmenfamilie.
Nur am äußersten Rande seines Bewusstseins nahm der Autopilot in Jacks Kopf wahr, dass der Fahrstuhl bereits in der 47. Etage hielt. Jacks Büro war in der 44. Etage, er hätte eigentlich längst ausgestiegen sein sollen. Der Autopilot schien anderes im Sinn zu haben. Oder kam das von den Erinnerungen und dem irritierenden Wiedereintritt in die Atmosphäre eines fühlenden Wesens? Es bekümmerte Jack nicht weiter. Was sollte ihm schon Schlimmes passieren? Der größte Teil seines Wesens war noch immer in Gleichgültigkeit gefesselt. Der Teil, der sich erinnern und fühlen wollte, konnte sich als Schlimmstes nur vorstellen, wieder gänzlich in die Apathie seines gleichförmig fühllosen Lebens zu fallen. Er versuchte, sich weiter auf das Gespräch im 169. Stock zu konzentrieren. Mrs. Shine hatte den größten Teil der Unterhaltung bestritten. Was hatte sie gesagt? Er konnte ihre weiche Stimme in seinem Kopf hören. Sie hatten sanft mit ihm gesprochen. Vielleicht so, wie die Götter der antiken Welten mit einem Halbgott gesprochen hätten, der über die Stränge geschlagen hatte und mit Einfühlungsvermögen wieder auf den Pfad der Tugend geführt werden sollte. Wäre Mrs. Shine zu einem ihrer antiken Schränke gegangen und hätte Zeus' Donnerblitze herausgeholt, um sie auf Jack zu schleudern, hätte sich Jack damals wohl nicht gewundert. Die Macht der Personen wurde ausreichend von der Einrichtung, der Kleidung, dem Blick über die Stadt und ihrem gebildeten Gehabe unterstrichen. Sie brauchten nicht weiter mit ihren Muskeln zu spielen, Jack war auch in seinem Autopiloten-Bewusstsein klar gewesen, dass er in einer anderen Dimension lebte als diese Menschen. Er war kaum mehr als eine Küchenschabe, die sie aus reiner Unachtsamkeit hätten zertreten können. Vermutlich hätten nicht einmal Jacks Frau und seine Kinder die Schabe vermisst. „Sie haben uns beeindruckt, Jack.“ Shines Stimme hallte in seinem Kopf wider: „Sie haben uns beeindruckt, Jack. Ihre Recherchen im Firmennetz wurden selbstverständlich die ganze Zeit protokolliert. Ich hatte Ihren Namen auf meinem Schreibtisch, da waren sie erst drei Wochen Teil unserer Firma. Sie können sich vorstellen, dass nicht alle Lappalien über meinen Tisch wandern. Ihr Name aber ist mir schon fast eineinhalb Jahre bekannt. Unsere Sicherheitsleute glauben, dass Sie so naiv sind, dass Ihnen das nicht klar war. War Ihnen das nicht klar?“ Jack erinnerte sich, dass er nur stammelnd geantwortet hatte: „Ähm, ich … nun, niemand hat mich aufgehalten. Da war … ich meine … ähm … da war niemand, der mich zur Rede gestellt hat. Hin und wieder hatte ich den Verdacht, dass ich vielleicht zu weit gehen würde … aber es gab keine Reaktionen. Es schien also in Ordnung zu sein. Oder? Ich meine, ähm, ich konnte mit meinem Passwort ja an all diese Daten gelangen. Es steht auch nichts diesbezüglich … ähm, ich meine, äh, mein Arbeitsvertrag enthält darüber keinen Passus.“ Sie hatten ihn neugierig angeschaut, freundlich, unendlich geduldig. Galt in ihrer Welt nicht das Motto, dass time money ist?
Der Aufzug erreichte Etage 53. Wieder Shines Stimme in seinem Kopf: „Beruhigen Sie sich, Jack. Sie müssen nicht besorgt sein. Sie haben nichts Falsches gemacht. Wir haben es zugelassen und Ihre Aktivitäten beobachtet. Sie sind ein ausgesprochen guter Mitarbeiter, gucken über den Tellerrand, haben der Firma hier und da ein bisschen Geld gespart, weil Sie mehr gesehen haben als unbedingt nötig gewesen wäre. Wie gesagt: Wir sind beeindruckt, Jack.“ Dann Quins wohltuende Stimme: „Vermutlich haben Sie keine Vorstellung davon, wie ausgereift die Sicherheitstechnologien heute sind, Jack. Sie werden uns verzeihen müssen, dass wir auch Ihr Privatleben überwacht haben. Nun ja, wir waren neugierig. Es kommt nicht so häufig vor, dass jemand so hartnäckig ist wie Sie. Sie sind ganz offensichtlich ein kluger und engagierter Mann. Wir wissen, was Sie vor einem Monat Ihrer Frau als Ergebnis Ihrer Recherchen berichtet haben. Sie haben das ganze Rätsel gelöst. Wirklich beeindruckend für jemanden in Ihrer Position.“ Quins Lächeln hatte beruhigend und ermutigend gewirkt. Echte Anerkennung schien aus seinem engelhaften Wesen zu strahlen.
Etage 55, Jack hatte einen Würgereiz, den er nur mühsam unterdrücken konnte. Er spürte einen Teil der Morgenpampe auf dem hinteren Teil seiner Zunge. Der Autopilot hatte das alles vergessen und ignoriert. So betäubt und benommen er damals gewesen war, so sehr ihm schon alles gleichgültig gewesen war, seine Anwesenheit im 169. Stock hatte ihm wieder ein vages Gefühl gegeben. Ein Gefühl von verletzter Würde: Sie überwachten sein Privatleben! Er hatte sich damals vorgenommen, die Überwachungsinstrumente zu finden und zu vernichten. Doch irgendwas musste nach dem Gespräch passiert sein, irgendetwas hatte ihn in eine noch tiefere Apathie gestoßen. An die Wochen und Monate nach der Unterhaltung bei Mrs. Shine hatte er überhaupt keine Erinnerung. Und sechs Jahre waren vergangen, ohne dass er jemals wieder daran gedacht hatte. Immer nur der Autopilot und die gleichmäßige Gleichgültigkeit allem gegenüber. Wieder Shines Stimme im Kopf: „Haben Sie darüber nachgedacht, mit dem Ergebnis Ihrer Recherchen an die Öffentlichkeit zu gehen, Jack? Seien Sie unbesorgt, antworten Sie bitte ehrlich. Es macht keinen Unterschied. Die Firma hat zu viel Einfluss auf die Organe der öffentlichen Meinung und auf die Politik. Wenn Sie an die Öffentlichkeit gehen, dann werden Sie feststellen, dass Sie nur einer von vielen absonderlichen Verschwörungstheoretikern sein werden. Außer einigen Freaks wird Sie niemand ernst nehmen. Die Firma hat viel Erfahrung in diesem Bereich. Es sind schon hunderte von Menschen mit Informationen an die Öffentlichkeit gegangen, die die Firma nicht in der Öffentlichkeit sehen wollte.“ Quins korrigierende Stimme: „Hunderttausende mit den Jahrzehnten, Susan. Die Firma weiß in der Tat, wie sie solche Dinge ins Lot bringen kann. Deswegen konnten wir Ihnen auch freie Hand bei Ihren Recherchen lassen, Jack. Wir sind wirklich neugierig: Gab es Momente, in denen Sie die Firma bloßstellen wollten? Vertrauen Sie uns. Es macht tatsächlich keinen Unterschied. Aber es hat einen gewissen, nun ja, intellektuellen Reiz, diese Frage beantwortet zu wissen. Sagen Sie es uns bitte, Jack.“ Quins Stimme war so wohltuend gewesen, so vertrauenerweckend. Jack hatte sich geradezu darüber gefreut, beichten zu können. Er konnte den Menschen, die offensichtlich über sein Leben und das von Milliarden anderer Menschen bestimmten, sagen, was er für Sünden wider ihre Macht begangen hatte. Oder zumindest, was für Sünden wider ihre Macht er gerne begangen hätte. Seine eigene Stimme hallte aus der Vergangenheit in die Gegenwart seines Kopfes: „Ja, ich habe darüber nachgedacht. Sehr lange. Viele Nächte. Aber ich kenne mich nicht mit der Presse aus. Ich wusste nicht, an wen ich mich hätte wenden können. Ich hatte Angst. Ich habe eine Frau und Kinder. Und nicht einmal meine Frau interessierte sich für die Wahrheit. Wer hätte sich sonst dafür interessieren sollen? Wer hätte mir geglaubt? Ich bin nur, ich … ich bin nur so wahnsinnig enttäuscht. Und ich fühle mich so müde.“ Quins Stimme: „Was enttäuscht Sie so sehr, Jack? Sie leben doch ein gutes Leben, oder? Ich meine: Bis vor einem Monat haben Sie ein gutes Leben gelebt, nicht wahr? Sie haben ein Haus, eine schöne Frau, zwei Kinder, einen guten Job. Sie leisten gute Arbeit. Und Sie sind so klug, dass Sie Zusammenhänge begriffen haben, ja, sogar bewiesen haben, die kaum ein Mensch wissen möchte. Wir sind wirklich von Ihnen beeindruckt, Jack. Ehrlich gesagt denken wir darüber nach, Ihnen eine kleine Karriere anzubieten. Mehr Gehalt, mehr Verantwortung, eine Aufgabe, die Ihrem Wissen über die Wahrheit entspricht, eine Aufgabe hinter den Fassaden der Macht. Könnte Sie das nicht über Ihre Enttäuschung hinwegtrösten?“
Der Fahrstuhl kletterte über den 60. Stock hinweg, nur noch gut zwanzig Personen waren anwesend. Der Leerraum zwischen Jack und den anderen Menschen schien sich zu einem dicken Brei zu verklumpen. Zäh und undurchdringlich, Luft, die hart wie Stahl war und vibrierend wie Wackelpudding. Die Bewegung des Fahrstuhls schien für Jack nicht in die Höhe zu gehen, sondern in einer Schraubenbewegung direkt ins Erdinnere. Er hatte das Gefühl, als würde sich sein ganzer Körper durch die Zentrifugalkraft der schraubenden Bewegung an der Oberfläche direkt unter der Haut zusammendrücken. So mussten sich Schaben fühlen: Das Skelett nicht im Inneren, sondern außerhalb des Körpers. Seine Augen schienen platzen zu wollen. Ihm schwindelte, aber der Autopilot in seinem Kopf tat gleichzeitig so, als wäre nichts Außergewöhnliches. Jack blieb einfach wie ein zivilisierter Fahrstuhlfahrer an seiner Position stehen, wie jemand, der am frühen Morgen auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz war. Was hatte er damals auf Quins Frage geantwortet? Er fieberte, Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er sah sich selbst und die anderen vier Personen in der 169. Etage aus der Perspektive einer Fliege an der Decke. Über Kopf und in unzähligen Facetten. Er sah seine Gleichgültigkeit, die Trägheit seiner Gedanken, seine Stumpfheit. Die vier anderen Personen waren wie reines Licht der Heiterkeit gemessen an seiner kümmerlichen Betäubtheit. Er sah sich selber brabbeln: „Alles Lüge. Ist alles nicht wahr. Freier Markt. Unfug. Bloße Verwaltung. Ein paar Menschen halten alle Zügel. Sinnlos. Gefühllos. Wozu? Was soll ich hier noch? Trost? Hinter den Fassaden der Macht? Karriere? Ich weiß nicht. Was? Was soll das alles bedeuten?“ Plötzlich sah er wieder aus seinen vergangenen Augen, hörte wieder Quins Stimme: „Beruhigen Sie sich, Jack. Wir wissen, dass das ein schwerer Schock für sie war. Der Schock hat sie depressiv gemacht. Sie bekommen Medikamente, an die sie sich erst noch länger gewöhnen müssen. Sie sind nicht daran gewöhnt, mit Leuten wie uns zu sprechen. Sie waren noch nie in diesem Büro. Sie haben das Gefühl, den Boden zu verlieren. Das kommt vor. Machen Sie sich keine Sorgen.“ Shines Stimme: „Mr. Quin, Sie haben selbst gesagt, dass wir ihm nur dann eine Karriere anbieten können, wenn er wieder zu sich kommt. Die Medikamente werden ihn nicht dazu befähigen, sich in neue Aufgabengebiete einzuarbeiten. Macht dieses Treffen unter diesen Umständen irgendeinen Sinn?“ Quins Stimme: „Susan, seien Sie bitte nicht so negativ. Nehmen Sie ein wenig Rücksicht. Jack hat uns beeindruckt. Wenn er sich jetzt dazu durchringen kann, die Unwahrheit seines alten Lebens zu akzeptieren, so werden wir ihn auch von der Depression heilen können. Ich habe die Erlaubnis, ihn für zwei Wochen auf eine Kur nach Qualimba mitzunehmen. So etwas wirkt Wunder, das wissen Sie. Er ist noch nicht lange depressiv. Und es gab einen sehr präzisen Auslöser, einen Schock. Wenn er den verdauen kann, gibt es gute Aussicht, dass er wieder gesundet. Er könnte gute Arbeit für uns leisten. Die besten Mitarbeiter der Firma sind durch diesen Schock gegangen. Sie und ich, Susan, wir können nicht ermessen, wie es ist, die Wahrheit hinter dem dichten Netz aus Lügen nicht zu kennen. Wir können noch weniger ermessen, wie es ist, sie plötzlich herauszufinden. Jack, Sie müssen begreifen, dass die Firma die Welt ernährt. Milliarden Menschen können ein beruhigtes Leben führen, weil die Firma am besten weiß, was gut für sie ist. Sie weiß es wesentlich besser als es die Menschen jemals selber wissen werden. Ich rate Ihnen, mal Dostojewskis Großinquisitor zu lesen. Wir tragen eine Bürde. Die Bürde ist auch ein Privileg. Aber in erster Linie lastet sie uns große Verantwortung auf. Der freie Markt mag eine Schimäre sein, aber glauben Sie mir: Es ist die humanste Schimäre der menschlichen Geschichte. Keine Herrschaft hat dem Gros der Menschen so viele Träume von einem selbstbestimmten Leben gelassen wie die unsrige. Wir müssen uns dessen nicht schämen. Wir können nur leider nicht zulassen, dass das Gros der Menschheit begreift, dass es nur Träume sind. Sie würden nach einer Wirklichkeit ihrer Träume verlangen, die nicht zu verwirklichen ist. Die Lüge vom freien Markt ist eine Notlüge, ein Schutzraum für die Massen. Jack, sehen Sie Ihre Entdeckungen nicht zu schwarz. Wir geben Ihnen die Möglichkeit, von einem Schaf zu einem Hirten zu werden. Sie haben es sich verdient und Sie sollten begreifen, dass das eine Ehre ist.“ Wieder die Fliegenperspektive von der Decke, der damalige Jack verwirrt, verstört, gefühllos und gedankenleer die Engels- und Teufelsgestalten um ihn herum betrachtend, seine Augen flatternd, sein Körper plötzlich kollabierend. War das wirklich passiert? Er sah sich in hundertfachen Facetten eines Fliegenauges zusammenkauern, Schleim auf das Sofa erbrechen, zitternd wie bei einem epileptischen Anfall. Mrs. Shine war gereizt aufgestanden: „Sehen Sie Quin, er erbricht sich auf meinem Sofa. Das war's. Die psychologische Prognose hat recht behalten. Er hat zu viele Skrupel. Er will nicht über den Menschen stehen. Er will eine gute Welt aus dem Bilderbuch. Das führt zu nichts. Ich plädiere dafür, ihn zu entsorgen. So, wie mein Sofa jetzt entsorgt werden muss.“ Quins Stimme: „Susan, Sie haben das nicht zu entscheiden. Er ist keine Gefahr. Es wäre Verschwendung, ihn zu liquidieren. Immerhin ist er ein passabler Buchhalter. Wir werden ihn an Bell überstellen. In Bells Institut können Sie Jack vielleicht helfen. Für Experimente dürfte er auf jeden Fall ein interessantes Exemplar abgeben. Und wenn Bell ihm nicht helfen kann, dann wird er zumindest dafür sorgen, dass Jack gut auf seine Medikamente eingestellt werden wird. Er wird eine Weile krankgeschrieben und kehrt dann auf seinen Arbeitsplatz zurück. Und was Ihr Sofa angeht, Susan: Ich werde dafür sorgen, dass sie eine Garnitur von McLarren erhalten. Ich erinnere mich, dass Sie vorletztes Jahr in Qualimba auf einer Party bei Patricia von dieser Garnitur sehr angetan waren, nicht wahr?“
Jacks Erinnerung ließ ihn im Stich. Unmöglich herauszufinden, ob das wirklich passiert war. Und noch unmöglicher, sich vorzustellen, was danach passiert war. Stattdessen war er nun erstaunt über das Hier und Jetzt: Er konnte durch die ihn umgebende Glasröhre tief unter ihm das Fenster seines Büros sehen. Und in der anderen Richtung weit über ihm den 169. Stock. Offenbar hatte er den Fahrstuhl in der 77. Etage verlassen und befand sich nun auf der mit Glas ummantelten Brücke zwischen seinem Büroturm und dem Turm der Geschäftsleitung. Er konnte sich nicht daran erinnern, den Fahrstuhl verlassen zu haben. Und wie war er an der Sicherheitsschleuse vorbei gekommen? Hatte er behauptet, dass er bei Mrs. Shine einen Termin habe? Ihm war so. Und er war einfach durchgewunken worden? Wie hatte sein Autopilot das wieder arrangiert? Gut 250 Meter über dem Erdboden hatte er das Gefühl, die Türme würden um ihn herum tanzen und dabei die Brückenröhre hochwerfen und auffangen, hochwerfen und auffangen. Mal schien der Geschäftsleitungsturm in kilometerweite Fernen gerückt, dann schnellte er wieder auf Jack zu und drohte ihn an den Turm zu quetschen, in dem sein Büro lag. Sein Autopilot kümmerte sich nicht um die wahnwitzige Achterbahn seiner Wahrnehmungen, sondern befahl seinen Beinen einfach, im typischen Büromenschen-Schritt weiter zu marschieren. Als er den Geschäftsleitungsturm fast erreicht hatte, zwang ihn irgendetwas, in die Richtung zu schauen, wo sein Häuschen liegen musste. Aus exakt dieser Richtung flog eine Krähe direkt auf ihn zu. Er blieb stehen. Bildete er sich das ein? Die Krähe kam näher und näher. Jack hatte das Gefühl, als wenn er in ihren Augen erkennen konnte, dass sie sich auf seine Schulter setzen wollte. Dabei konnte er ihre Augen aus dieser Entfernung gar nicht sehen, spürte nur ihren starren Blick. Sie flog und flog, immer näher auf ihn zu. Ein paar Meter vor ihm flog sie gegen die Glasummantelung. Es gab nur ein leises Plong-Geräusch in der Röhre, das Jack klar machte, wie dick der Glasmantel sein musste. Er konnte sehen, wie die Krähe in die Tiefe stürzte. Er ging ganz dicht ans Glas heran, um ihren Fall beobachten zu können. Er hoffte, sie wäre nur vom Zusammenprall betäubt, würde wieder zu sich kommen und weiterfliegen. Aber dem war nicht so. Sie segelte immer tiefer. Irgendwann konnte er sie nicht mehr erkennen. Er blieb eine Weile stehen und beobachtete, ob sich irgendwo ein kleiner Körper vor dem dunklen Hintergrund des Firmengeländes abhob. Nach ein paar Minuten gab er es auf. War das ein Zeichen? Falls ja, konnte es Jack nicht gerade beruhigen.
Als er den Geschäftsleitungsturm erreichte, wartete dort ein Sicherheitsmann auf ihn, dem anzusehen war, dass er nicht in der dumpfen Depressionswelt seiner Mitmenschen gefangen war. Er hatte ein schiefes Lächeln im Gesicht und schien sich über irgend etwas zu freuen. „Guten Morgen. Mein Name ist Burl. Ich habe die Anweisung, Sie zu Mrs. Shine zu geleiten. Folgen Sie mir bitte.“
Jack folgte Burl zu einem der Fahrstühle und fuhr allein mit ihm in den 169. Stock. Was zum Teufel wollte er bei Susan Shine? Was hatte sein Autopilot vor? Oder war das nicht sein Autopilot, sondern sein wiedererwachendes Gefühl für sich selbst und die Welt? Im Fahrstuhl lief beruhigende Musik. Jack hatte den Eindruck, dass sein Herz den Takt der Musik vorgab. Er hatte Allmachtsphantasien. Er war es, der den Fahrstuhl bewegte. Er war es, der dafür sorgte, dass der Turm stehen blieb und nicht unter dem Druck der menschlichen Sünden zusammenbröselte. Er war es, der Burl davon abhielt, ihm seine Waffe auszuhändigen. Er war es, der aus- und einatmete. Ihm wurde klar, dass das meiste davon Unfug war, dass aber etwas sich wirklich geändert zu haben schien. Er war es, der Fahrstuhl fuhr. Sein Autopilot schien sich verabschiedet zu haben. Sie waren nur zu zweit in dem Fahrstuhl und brauchten kaum 20 Sekunden für die 92 Stockwerke.
Mrs. Shine war allein auf ihrer Etage. Sie trank ein heißes Getränk. Burl sprach sie an: „Mrs. Shine, Ihr Termin.“
Sie lächelte warm: „Danke, Mr. Burl. Bitte bleiben Sie auf der Etage. Ich nehme an, dass Jack in einem labilen Zustand ist. Es ist mir daher lieb, Sie in der Nähe zu wissen. Aber hören Sie bitte weg.“
Burl positionierte sich vor dem Aufzugsschacht und nahm sicherheitshalber seine Waffe in die Hand: „Sehr wohl, Mam.“
Jack schaute sich um. Die Etage hatte sich nur wenig verändert. Eine andere Sofa-Garnitur selbstverständlich, die Konferenztische waren damals an einem anderen Ort. Ein paar Skulpturen waren gegen andere ausgewechselt. Sonst fiel Jack nichts weiter auf. Susan Shine sah aus wie in seiner Erinnerung. Sie hatte in sechs Jahren keine Zeichen der Alterung angenommen. Das war kein Wunder für eine Frau in ihrer Position. Die kosmetische Industrie hatte für die Reichen längst eine Beherrschung der äußeren Anzeichen von Alterungsprozessen erreicht, die es unmöglich zu sagen machte, ob jemand 20 oder 100 Jahre auf dem Buckel hatte. Bei Quin hatte Jack das damals schwer irritiert. Jetzt wurde ihm klar, dass er das bei einer Frau wie Susan Shine hingegen ganz selbstverständlich fand. Ganz und gar war die Geschlechterdiskriminierung in der öffentlichen Wahrnehmung der Kosmetik-Industrie offenbar nicht verschwunden, obwohl Jack viele Versuche der Werbe-Industrie kannte, Männern nahezulegen, der eigenen Körperlichkeit die Makel des Alterns anzusehen und ihnen entgegenzutreten. Es war nur ein paar Tage her, da hatte er eine Doku über die Züchtung von Ersatzhaut gesehen. Er war zu gefühllos gewesen, um sich irgendetwas dabei zu denken, hatte sich halt berieseln lassen. Jetzt erschrak er über diese Erinnerung. Mikro-Narben bei Haut-Transplantationen waren dem Perfektionismus des Body-Engineerings ein Problem. Man konnte sie zwar nicht sehen, aber sie beim Drüberlecken unter Umständen erfühlen. Zungen waren sehr sensibel. Wer wollte schon mit der Angst abgeleckt werden, die Zunge des Leckenden durch Mikro-Fraktionen zu irritieren? Man war daher dazu übergegangen, die Haut von Menschen als Gesamtsystem nachzuzüchten. Die Doku hatte Bilder von leeren Menschenhüllen in Fließbandproduktion gezeigt, die an alte Bilder von Schweine-Schlachthäusern erinnerten: Perfekte Haut mit Haaren, aber keine Augen, keine Zähne oder Zunge. Eine Arbeiterin hatte sich in der Doku den Scherz erlaubt, ihre behandschuten Finger durch die Mundöffnung einzuführen und ihre Fingerspitzen in den beiden Augenhöhlen einer dieser Hauthüllen wackeln zu lassen. Die Operationen waren wohl eine ziemliche Strapaze, aber endeten nur noch in einer von einer Millionen Fällen mit ernsthaften Schwierigkeiten, meist dem Tod. Die Medizin hatte den Prozess weitgehend unter Kontrolle, Schmerzen wurden mit Medikamenten unterdrückt, nach einer Woche konnte man in der Regel die Klinik verlassen. Und sah so aus, wie man wollte. In jedem Fall jung, man konnte sich aber auch die Form der Augenbrauen und andere Details aussuchen. Es gab offenbar urbane Szenen, in denen extravagante Hautfarben favorisiert wurden, lila zum Beispiel. Die Doku hatte sich mindestens fünf Minuten Zeit dafür genommen, den Prozess abzubilden, mit dem die Ganzkörperhaut auf einen gehäuteten Körper gezogen wurde. Ein spezielles Verfahren sorgte für eine vorübergehende Aufweichung des Gewebes rund um den Mund und Hals der neuen Haut. Die gehäuteten Körper der Unsummen zahlenden Kundschaft des Schönheitsverfahrens wurden beginnend bei den Füßen durch die geweitete Mundöffnung in den neuen Hautsack eingeführt. Es sah aus, als wenn eine menschliche Schlange eine menschliche Mumie verspeiste. Die Hülle fraß die Innereien. Irgendwie fühlte sich Jack wie eine am Fließband baumelnde leere Hülle seiner selbst. Hatte er ein Innenleben, das unter der Oberfläche der Dinge hauste? Lange Zeit ganz sicher nicht. Und jetzt? Für einen Moment sah er aus der facettenreichen Fliegenperspektive von der Zimmerdecke sich selbst ohne Augen und mit geschlossenem Mund. Durch die Augenhöhlen konnte er die gähnende Leere zwischen den Hautflächen seines Körpers erkennen. Dann sah er wieder aus diesen Augenhöhlen heraus auf Mrs. Shine. Sein Blick wanderte hoch zur Decke. Dort hing tatsächlich eine Fliege und schien ihn anzuschauen. Ihn fröstelte.
Mrs. Shine schaute ihn mit warmer Geduld an. Jack fing an zu sprechen: „Hatten wir heute einen Termin, Mrs. Shine?“
„Ich habe Ihnen kurzfristig einen eingeräumt, Jack. Sie sind nicht programmiert, falls Sie das denken. Das sind bloße Hirngespinste der Unterhaltungsindustrie. Man kann Menschen nicht dazu zwingen, zu einer vorherbestimmten Zeit eine bestimmte Sache zu machen. Zum Beispiel nach gut sechs Jahren hier mal wieder hereinzuschneien. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.“
Jack war irritiert. War das eine Bestätigung, dass seine so lange verschütteten Erinnerungen echt waren? „Ich war also vor sechs Jahren hier? Ich habe auf Ihr Sofa gekotzt?“
Mrs. Shine lächelte leicht und schaute ihn interessiert an: „Ja, Sie haben sich damals erbrochen. Sie haben lange nicht daran gedacht, nicht wahr, Jack?“
„Es ist mir erst vor ein paar Minuten wieder eingefallen.“ Jack war zerstreut. Ihm war nicht klar, was er von Susan Shine eigentlich wollte. Sie war ein Rädchen im Getriebe. Genau wie er selbst. Vielleicht ein wesentlich größeres Rädchen. Aber sie war deshalb nicht verantwortlich dafür, dass Jacks Leben eine Hölle der Fühllosigkeit war. Vermutlich war das niemand. Oder alle. Das gesamte System, in dem jeder bloß ein Rädchen war. Er war kurz davor, sich wieder umzudrehen und zum Fahrstuhl zu gehen. Mrs. Shine hatte ihn beobachtet und ergriff nun das Wort: „Sie hatten damals einen schlimmen Anfall. Sie waren fast drei Wochen nicht auf Ihrem Arbeitsplatz. Ist Ihnen das entfallen?“
„Ja, es war mir entfallen.“ Jack spürte, dass sie ihm etwas erzählen wollte. Vielleicht machte es doch irgendeinen Sinn, mit ihr zu sprechen. „Bis vor vielleicht einer Stunde war ich eine gefühllose Hülle auf Autopilot. Ich weiß nicht, wie ich es hinbekommen habe, die Dinge zu tun, die ich Tag für Tag getan habe. Gefühlt habe ich sie jedenfalls nicht. Und Erinnerungen spielten in all den Jahren keine Rolle. Meine Kollegen haben mich nie darauf angesprochen. Und in den Datensätzen ist mir nicht aufgefallen, dass meine Arbeit für einige Zeit von jemand anderem erledigt worden sein muss. Meine Frau hat mich einmal auf eine Kur angesprochen, aber ich wusste nicht, was sie meinte und es war mir auch ganz egal.“
Eine Nuance Mitleid lag in Mrs. Shines Blick: „Ich verstehe. Setzen Sie sich bitte, Jack. Ich werde Ihnen erzählen, was ich weiß.“ Jack setzte sich ihr gegenüber. Ihr antiker Schreibtisch lag wuchtig zwischen den beiden Menschen. Jack konnte Burls Augen und die auf ihn gerichtete Waffenmündung in seinem Rücken spüren.
„Sie haben damals ein einmaliges Angebot erhalten. Aber Sie waren nicht reif dafür. Erinnern Sie sich daran?“
Jack antwortete zerstreut: „Ich glaube schon, ja. Ich sollte ein Hirte werden. Dieser Engel hatte das gesagt, Quin war sein Name.“
Mrs. Shine lachte kurz herzlich auf. Sie schien ohnehin in einer heiteren Verfassung zu sein „Quin ist kein Engel. Aber Sie sind nicht der erste, der ihn so nennt. Er hat wirklich eine entzückende Aura. Ich habe ihn allerdings seitdem nur wenige Male gesehen und nur ein paar Worte mit ihm gewechselt. Ich vermisse ihn ein wenig. Einer der wenigen Menschen, in dessen Nähe man sich irgendwie in jeder Lebenslage wohlfühlt. Wir haben uns als Kinder kennengelernt. Er war damals schon so, wissen Sie. Sie erinnern sich also an Quin und das Angebot. Sie erinnern sich an Ihr Erbrechen. Erinnern Sie sich auch daran, warum wir Sie in mein Büro eingeladen hatten?“
Jack hätte sich am liebsten wieder erbrochen. „Meine Recherchen. Ich war darauf gestoßen, dass es keinen freien Milchmarkt gibt. Wahrscheinlich überhaupt keine freien Märkte.“
Mrs. Shine wurde etwas ernster. „Das heißt, Sie erinnern sich an alles Wesentliche. Das ist Ihnen alles eben gerade erst wieder eingefallen?“
Jack bekam Kopfschmerzen. Er hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Es war so viel auf ihn eingestürzt. Er versuchte sich zu besinnen: „Ähm, ja … es fing auf dem Highway an, vorhin, auf dem Weg hierher.“
Mrs. Shine wies mit Ihrer Hand auf den Monitor, der über ihrem Schreibtisch angebracht war: „Wir haben Zugriff auf die Daten Ihrer Hausärztin. Wie ich sehe, nehmen Sie seit fünf Tagen ein neues Medikament. Es ist im System als risikoreich indiziert. Ich kenne mich mit diesen Dingen nicht wirklich aus. Es gab offenbar einige sonderbare Nebenwirkungen. Keine Ahnung, warum es überhaupt für den Masseneinsatz zugelassen wurde. Vermutlich ein Großexperiment. Und vermutlich der Grund, warum Sie sich wieder erinnern. Fühlen Sie etwas? Ich meine: Was ist mit den Symptomen Ihrer Depression?“
Jack schaute sie entnervt an: „Ich habe das Gefühl, als würden die unterdrückten Gefühle der letzten sechs Jahre alle auf einmal auf mich einstürzen. Es ist furchtbar … und es ist schön, endlich wieder etwas zu fühlen. Ähm, können Sie mir Einzelheiten zu den sonderbaren Nebenwirkungen sagen?“ Jack versuchte, den Hals so zu recken, dass er ihren Monitor betrachten konnte.
Mrs. Shine sorgte mit einem Knopfdruck dafür, dass der Monitor schwarz wurde. „Nein, darauf habe ich keinen Zugriff. Ich könnte damit auch nicht viel anfangen. Ich werde Ihnen erzählen, was es mit Ihrer Kur auf sich hatte, wenn Sie wollen. Ich fühle mich Ihnen gegenüber ein wenig in der Verantwortung, Jack. Bei unserer letzten Begegnung war ich in einer zynischen Verfassung, die mir heute unangenehm ist. Vielleicht kann ich wenigstens etwas wieder dadurch gut machen, dass ich Sie ein wenig aufkläre.“ Sie lächelte ihn einnehmend an.
Jack fragte sich unterdessen ernsthaft, warum sie so heiter war. „Erzählen Sie. Und fangen Sie bitte damit an, mir zu erklären, warum Sie so unausstehlich gut gelaunt sind.“
Mrs. Shine wurde wieder ernster: „Unausstehlich? Unter anderen Umständen würde mir diese unhöfliche Formulierung von Ihnen reichen, Sie aus der Firma zu werfen. Aber ich kann verstehen, warum Sie aufgebracht sind. Ich kann Ihnen unmöglich erklären, warum ich gerade guter Dinge bin. Es hat nichts mit Ihnen zu tun. Machen Sie sich nichts vor, Jack: Sie spielen keine besondere Rolle in meinem Leben. Aber vielleicht ist es auch kein Zufall, sondern so etwas wie göttliche Fügung, dass Sie sich gerade heute erinnern. An den meisten anderen Tagen hätte ich dem Sicherheitsdienst nicht gestattet, dass ich von Ihnen belästigt werde, Jack. Heute jedoch bin ich dafür dankbar, dass ich die Chance habe, Ihrem kleinen Leben ein kleines Licht aufzusetzen. Zumal ich Ihnen ohnehin etwas schulde: Sie können sich nicht vorstellen, wie teuer eine Sofa-Garnitur von McLarren selbst aus meiner Gehaltsperspektive ist.“ Sie wies stolz grinsend mit der Hand auf die ersetzten Sitzmöbel. Auch wenn Jack nicht mehr alles ganz egal war, Sofas waren ihm noch immer schnuppe. Er guckte nicht einmal hin. Shine war über diese Ignoranz etwas gekränkt und sprach daher mit ihm wieder wie zu einem unartigen Kind: „Also hören Sie zu: Sie wurden damals aus meinem Büro direkt in das Institut von Professor Bell gebracht. Sie haben sicherlich von dem Institut gehört, oder?“
„Ja, sicher. So stumpf kann man gar nicht sein, dass man nicht mitbekommt, wer Bell ist.“
„Erinnern Sie sich daran, ihm begegnet zu sein? Erinnern Sie sich an das Institut?“
„Nein.“
„Das sind Sie aber ganz sicher. Ich weiß nicht, was die im Institut mit Ihnen angestellt haben. Uns wurde nur mitgeteilt, dass das Institut keinen Weg wusste, Sie zu einem Hirten zu machen, um in Quins Bild zu bleiben. Aber als Schaf sollten Sie keine Probleme mehr machen. Man hat in Ihre Gedächtnisstrukturen eingegriffen. Wir haben Sie auf Ihren alten Arbeitsplatz gesetzt und akzeptiert, dass Sie wie die meisten Leute, die für uns arbeiten, gefühllos wie ein Brett waren. Einer von vielen gefügigen Arbeitssklaven. Ich habe Sie vor einigen Monaten mal zufällig in Kantine 9 gesehen. Sie sahen wirklich stumpf aus. Jetzt hingegen ist da wieder ein Funkeln in Ihren Augen. Das ist doch schön. Wobei mir einfällt: Haben Sie zufällig mal die ganz alten Zombiefilme aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen gesehen? Je länger ich hier arbeite, desto mehr von diesen Zombies laufen hier herum. Ich hoffe nur, dass sich diese Zombies nicht in ihre fleischfressenden Verwandten verwandeln.“
Sie lachte kurz auf. Ein wenig Hysterie lag darin. Und ihre Worte beteuerten, dass es nicht weit her war mit ihrer Behauptung, sie sei heute nicht mehr so zynisch wie vor sechs Jahren. „Bell hat damals darauf hingewiesen, dass nicht gänzlich auszuschließen sei, dass Sie sich wieder erinnern werden. Die Manipulation des Gedächtnisses ist offenbar keine exakte Wissenschaft. Deshalb kann man Menschen auch nicht programmieren, vermute ich. Wobei, warten Sie. Nein, es war gar nicht Bell selbst, sondern irgendeiner seiner Mitarbeiter. Was ja auch nicht sonderlich verwunderlich sind. Professor Bell ist ein vielbeschäftigter Mann. Und Sie, nunja, Sie sind kaum mehr als ein Niemand, Jack. … Nun, mehr kann ich Ihnen auch nicht erzählen. Mehr weiß ich nicht. … Was haben Sie nun vor, Jack?“
Das war alles? Gönnerhaft bot Sie ihm Informationen an. Und die einzige Information war die, dass er in Bells Institut als Versuchskaninchen hergehalten hatte. Das war ihm auch selbst vorhin eingefallen. Er schaute an die Decke, konnte die Fliege aber nicht entdecken. Das war merkwürdig: Es war ihm eingefallen, aber aus der Perspektive der Facettenaugen. Er war am Kollabieren gewesen. Hatte er dennoch die Unterhaltungsfetzen aufschnappen können? Er versuchte, sich zu sammeln und zu antworten: „Vielleicht nehme ich mir ein Vorbild an einer Krähe, die mir eben begegnet ist. Lässt sich eines Ihrer vielen Fenster öffnen?“
Mrs. Shine sah ihn ärgerlich an. „Jack, Sie werden sicherlich keinen Suizid aus meinem Büro heraus begehen. Die Fenster sind aus Sicherheitsglas, man kann sie nur mit den passenden Codes öffnen. … Sind Sie nicht neugierig? Wie gesagt: Ich habe das Gefühl, ich schulde Ihnen etwas. Ich gebe Ihnen ein paar Wochen bezahlten Urlaub. Ich kann sogar Professor Bell für Sie anrufen und einen Termin vereinbaren. Und ich verspreche Ihnen, Sie werden nicht wieder als Versuchskaninchen missbraucht. Zumindest solange Sie keinen Unfug anstellen.“
Warum bloß wollte dieses Scheusal nett zu ihm sein? „Was ist, wenn ich an die Öffentlichkeit gehe?“
Mrs. Shine guckte ihn an wie einen kleinen Jungen, der partout nicht lernen wollte, artig zu sein. „Das ist nicht mein Problem. Quin hat da die Regie drüber. Unsere Sicherheitsleute haben zwar auch ein Auge auf Sie. Aber das Sicherheitsnetz der Firma ist weitaus weiträumiger und engmaschiger als Sie sich vorstellen können, Jack. Wenn Sie sich untypisch verhalten, so wie heute, dann richten sich ganz schnell eine Menge Augen auf Sie.“ Die Fliege summte bei diesen Worten dicht an Jacks Gesicht vorbei. Mrs. Shine fuhr unbekümmert fort: „Sie werden nichts ausrichten können, da bin ich mir sicher. Wenn Sie's versuchen, werden Sie vielleicht liquidiert. Eine bequeme Art des Suizids, wie ich finde: Andere den Abzug ziehen zu lassen. Vielleicht werden Sie aber auch nur auf Drogen gesetzt, in eine Klinik eingewiesen. Was weiß ich. Wie gesagt: Das ist nicht meine Baustelle. Falls Sie sich dessen versichern wollen, wie tief der Kaninchenbau wirklich ist, ist es vielleicht sogar eine gute Idee. Vielleicht werden Sie ja als Kuriosität nach Qualimba eingeladen und sehen wirklich mal hinter die Fassaden der Macht. Wobei ich persönlich mich frage, ob es sich mit den Fassaden der Macht nicht ähnlich verhält wie mit diesen russischen Püppchen, wo im Inneren einer Puppe nur wieder eine weitere Puppe zu finden ist. Vielleicht gibt es außer der Fassade an der Macht gar nichts zu finden. Jedenfalls wäre es ein gefährliches Spiel für Sie, Firmeninterna an Außenstehende zu verraten. Ich würde Ihnen empfehlen, zu Bell zu fahren. Bell ist kein Unmensch. Er hat uns damals eine Bitte erfüllt. Wenn ich ihn diesmal darum bitte, Ihnen auf die Beine zu helfen und dabei zu helfen, Ihr Leben zu verstehen, dann wird er das sicherlich tun. Das Institut ist ein interessanter Ort. Ich war einmal dort. Sie werden es mögen. … Oder, nunja, es wäre zumindest möglich, dass Sie es mögen.“
Jack schaute Sie verständnislos an. Was wollte sie ihm sagen? Was sollte das alles nur? Wie sollte er jemals wieder seinem Leben einen Sinn abgewinnen können in diesem Wust aus Lügen und Apathie? Aber gut, wenn sie das eine gute Idee fand, war es das vielleicht auch. Ein paar Wochen bezahlter Urlaub. Weg von dem ganzen Scheiß, der sein Leben war … Vielleicht war es nicht die schlechteste Idee. „Ok. Könnten Sie mit Professor Bell Kontakt aufnehmen und ihn darum bitten? Ich brauche etwas Zeit für mich, glaube ich. Vielleicht fahre ich die zweitausend Kilometer zum Institut einfach mit dem Auto. Gibt mir Zeit, mir über Dinge klarer zu werden. Wie viel Urlaub bekomme ich?“
Mrs. Shine sah ihn neugierig und befriedigt an. Sie schien wieder einmal davon fasziniert zu sein, wie einfach sich die Arbeitssklaven doch selbst in den existentiellen Situationen um den Finger wickeln ließen. „Lassen Sie sich Zeit. Sechs Wochen sind kein Problem. Aber vergessen Sie Ihre Medikamente nicht. Und vergessen Sie auch Ihre Familie nicht, Jack. So, ich habe gleich auch einen weiteren Termin. Ich freue mich, Ihnen helfen zu können. Bell wird von mir informiert werden, verlassen Sie sich drauf. Quin selbstverständlich auch. Vielleicht begegnen Sie ihm demnächst ja mal. Wäre in dem Fall nett, wenn Sie ihn von mir grüßen würden.“
Jack war schon aufgestanden und drehte sich nicht mehr um. Er fragte sich, wo das alles hinführen würde. Solange es nicht zurück in die Gefühllosigkeit führte, war ihm im Prinzip alles recht. Bevor sich die Fahrstuhltür hinter ihm und Burl schloss, rief Susan Shine ihm noch etwas nach: „Und Jack: Behalten Sie im Hinterkopf, dass alles, was Sie tun, Sie noch immer zum Hirten qualifizieren kann.“