Читать книгу Lost Vampire 3 - Beth St. John - Страница 4
Kapitel 2
Оглавление21. September. Torch Creek Highway. Vor Einbruch der Dunkelheit.
Ever trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, während sie ihren Wagen aus Flagstaff heraus und in Richtung Torch Creek lenkte.
Es war ihr erster Tag am College gewesen. Viel war noch nicht passiert – die Professoren hatten sich vorgestellt, und sie hatten die Themen besprochen, welche in den einzelnen Seminaren im Laufe des Semesters durchgenommen werden sollten. Ever freute sich darauf, denn anders als in der Highschool würde sie hier die Dinge lernen können, für die sie sich auch tatsächlich interessierte, und nicht nur das, was von der Schulbehörde vorgeschrieben wurde. Sie würde ihrem Ziel, Astronomin zu werden, endlich näher kommen. Dennoch war sie innerlich aufgewühlt. Das lag jedoch nicht am neuen Lehrplan, sondern an dem, was Issy ihr in der Mittagspause erzählt hatte.
Issy war ihre beste Freundin, solange Ever sich zurückerinnern konnte. Seit jeher waren die beiden gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Wenn Issy ein Problem hatte, ging es Ever so nahe, als beträfe es sie selbst. Ever überlegte einen Augenblick, dann wühlte sie in ihrer Handtasche, die auf dem Beifahrersitz lag, nach ihrem Handy und tippe den Kurzwahlspeicher an. Das Telefon wählte eine Nummer.
„Ever … “, sagte Sam zur Begrüßung, als er abhob. Er war hörbar überrascht, dass sie ihn anrief. Ever war schließlich die feste Freundin seines besten Freundes – bei dem er zudem im Moment wohnte – und nach den jüngsten Ereignissen wäre George sicherlich nicht begeistert darüber, wenn die beiden einen engen Kontakt pflegten. Vor kurzem erst hatte Sam Evers Hilfe in Anspruch genommen, um eine Seele zu erlösen. Besser gesagt, er hatte Evers Anwesenheit gebraucht, um seine übernatürlichen Kräfte zu aktivieren – seine Engelskräfte. Erst seine Gefühle für Ever hatten in ihm ein Stück seines alten Ichs geweckt, nach seinem Fall hatte er keinerlei Erinnerung mehr an sein früheres Engelsdasein. Allein ihre Berührung hatte es möglich gemacht, dass er die Seele in den Himmel geleiten konnte – ihre Berührung und die Gefühle, die sie damit ihn ihm weckte.
„Hey Sam, was machst du so?“, unterbrach Ever Sams Gefühlschaos. Ihre Stimme klang unsicher.
Sam räusperte sich. „Alles in Ordnung bei dir oder warum rufst du mich an?“, fragte er so beiläufig wie nur möglich, doch es klang kalt und abweisend.
Ever biss sich auf die Lippe. Sie war auf dem Weg nach Torch Creek, auf dem Weg zu George. Und jetzt saß sie im Auto und telefonierte mit Sam. Es fühlte sich verboten an. Warum wartete sie nicht einfach die paar Minuten, bis sie bei George angekommen wäre, und erzählte ihm in Georges Beisein, was ihr auf der Seele lag?
Der Grund war simpel: Sie fühlte sich Sam auf seltsame Weise nahe und wollte nur mit ihm sprechen. Außerdem gab es einen weiteren, ganz plausiblen Grund: Sie wollte Sam um einen Gefallen bitten, den nur er ihr erweisen konnte. Wieso also George mit in die Sache hineinziehen?
„Mir geht’s gut“, beantwortete sie schließlich Sams erste Frage.
„Gib’s zu, du bist kaum einen Tag auf dem College und verzehrst dich schon nach mir“, entgegnete Sam frech, um seine eigene Verlegenheit zu kaschieren. „Keine heißen Jungs da drüben?“
Ever rollte mit den Augen. „Mein 'heißer Junge' wartet in Torch Creek auf mich“, antwortete sie spontan.
Sam schnalzte mit der Zunge. Sein Humor hatte seine trüben Gedanken inzwischen zurückgedrängt. „Kann’s kaum erwarten, dass du vorfährst, meine Süße.“
Ever schnaubte. Typisch Sam. Das war ja klar gewesen – und sie selbst hatte ihm diese perfekte Vorlage geliefert.
„Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen, Engelchen“, sagte sie schlagfertig mit honigsüßer Stimme, „aber der heiße Kerl, den ich meine, ist düster und gefährlich und … ein unheimlich gut aussehender Vampir.“
„Autsch.“ Sam zog scharf die Luft ein. „Baby, du weißt ja gar nicht, was du verpasst.“
„Nicht allzu viel, da bin ich sicher.“ Langsam begann Sam, Ever in gewohnter Manier auf die Nerven zu gehen. Das tat er ständig. Genau dann, wenn sie sich ihm näher fühlte und ihn für einen wirklich guten Kerl zu halten begann, arbeitete er mit präzisem Hochdruck daran, dieses Bild zu zerstören. Wäre er tatsächlich verliebt in sie, so wie Issy es immer behauptete, dann würde er es mit seinen Bemerkungen nicht immer so auf die Spitze treiben. Ever seufzte und setzte seinem platten Flirten ein Ende.
„Hör zu, Sam … Es gibt einen Grund für meinen Anruf.“
„Das dachte ich mir schon.“ Sams Stimme wurde wieder ernst. Es gab immer einen Grund, wenn Ever ihn kontaktierte. Und dieser Grund betraf nie ihre mystische Verbindung zueinander. Nach der Erlösung der Seele hatten sie nie wieder über das Kribbeln zwischen ihnen gesprochen. Den einen Augenblick, in welchem sie beide die übersinnliche Kraft und die Wärme gespürt hatten, würde Sam nie mehr vergessen. An ihren Reaktionen hatte der Engel gemerkt, dass Ever es genauso stark spürte wie er selbst. Trotzdem wollte Sam keinesfalls über seine Gefühle mit Ever sprechen. Was sollte er schon sagen? Und was würde sie antworten? Weshalb sollte er Fragen stellen, deren Antworten er sowieso nicht hören wollte?
„Schieß los“, sagte er knapp.
„Issy ist völlig durch den Wind. Sie hat neuerdings immer so komische Vorahnungen und ist deshalb nie ganz bei der Sache. Ihr geht es immer schlechter damit. Ich habe die Sache ja die ganze Zeit heruntergespielt, aber inzwischen habe ich wirklich Angst um sie. Ich meine, diese Visionen sind doch nicht normal!“
„Hm, also wenn sie die Ergebnisse vom Lakers Spiel vorhersagen kann, sollte sie Wetten abschließen – wenn du mich fragst“, kommentierte Sam schnippisch.
„Im Ernst, das ist wirklich seltsam. Issy weiß genau, wer hinter einer verschlossenen Tür steht oder ob es plötzlich gleich regnet – das ist gruselig!“
„Tja, ich kann dir leider nicht sagen, woher das so plötzlich kommt und ob sich so etwas mit Engelskräften heilen lässt, Ever. Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?“
„Nichts, ich weiß nicht, wie man Issy helfen könnte – außer vielleicht wenigstens im Hinblick auf Peter“, stammelte sie. „Ich habe heute Mittag mit Issy gesprochen, und sie macht sich schreckliche Sorgen um ihn.“
„Hatten wir das Thema Peter nicht schon mal?“, warf Sam genervt ein. „Der Junge wird sich wieder fangen. Issy soll sich da nicht so reinsteigern und sich um sich selbst kümmern. Er rebelliert eben ein bisschen. Das gehört in dem Alter einfach dazu.“
„Das ist nicht bloß eine kleine Rebellion“, meinte Ever bestimmt. „Er hat sich da ein paar üble Freunde angelacht und Issy ist sich sicher, dass sie ihn in irgendwas hineinziehen könnten.“
„Meinst du die Typen, die deine Fete gesprengt haben?“ Er lachte kurz und süffisant. „Außer mir, meine ich.“
Ever zog die Stirn kraus. Sie erinnerte sich nur zu gut an den Abend ihrer Geburtstagsparty. Zuerst war Peter mit einer Gruppe rüpelhafter Teenager aufgetaucht und hatte einige ihrer Freundinnen beleidigt. Und als sie diese endlich verscheucht hatte, tauchte Sam nach seinem längeren Verschwinden plötzlich wieder auf – mit zwei betrunkenen, leicht bekleideten Mädchen in den Armen und jeder Menge anzüglicher Sprüche auf den Lippen.
„Ja“, bestätigte sie knapp. „Genau die meine ich.“
„Was soll so schlimm an denen sein? Die haben bestimmt nur ein loses Mundwerk, das ist alles.“
„Das ist nicht alles, Sam“, widersprach Ever. „Sie waren bei Issys Bruder zu Besuch. Und sie haben sich echt übel aufgeführt.“
„Was meinst du mit 'übel aufgeführt'?“
„Sie haben am laufenden Band blöde Sprüche gerissen, Issy und ihre Mom beleidigt und sogar was zu Bruch gehen lassen.“
Sams Aufmerksamkeit war geweckt. „Wie das?“
„Sie haben angefangen, mitten im Wohnzimmer Baseball zu spielen und dann haben sie sich auch noch gerauft. Issys Mom wurde stinksauer, aber die Typen meinten nur, sie solle mal locker bleiben. Issy hat dann gedroht, die Polizei zu rufen – da sind sie abgerauscht. Und Peter mit ihnen.“
„Und was sagt er denn dazu?“
„Dass die ganze Sache doch gar nicht so schlimm gewesen wäre, und dass die Vase, die bei der Aktion vom Tisch geflogen ist, sowieso hässlich war. Issys Eltern haben ihm Hausarrest erteilt, aber er verschwindet trotzdem, wenn er will.“
Sam schwieg einen Moment. Ihm schwante, warum Ever ausgerechnet ihn angerufen hatte. Dennoch fragte er: „Und was hat das Ganze mit mir zu tun?“
„Peter mag dich“, erklärte Ever. „Er hält große Stücke auf dich. Du könntest mit ihm reden.“
Sam schnaubte. „Und was soll das bringen? Wieso sollte er ausgerechnet auf mich hören?“
„Weil er zu dir aufschaut.“
Es folgte eine lange Pause, ehe Sam fortfuhr. „Verdammt, Ever, ich habe echt keine Lust, den Babysitter zu spielen.“
„Ach komm schon, Sam, das ist doch wirklich keine große Sache, oder? Du fährst hin, quatschst ein bisschen mit ihm, und dann redest du ihm ins Gewissen. Ist das so schlimm für dich?“
„Ich bin wirklich nicht gerade das beste Vorbild, meinst du nicht auch?“ Sam knirschte hörbar mit den Zähnen.
Ever presste die Lippen aufeinander. „Ach verdammt, Sam, du willst dich doch bloß irgendwie rausreden! Dir wird schon kein Zacken aus der Krone brechen, wenn du Peter einen kleinen Besuch abstattest.“ Sie bremste ab, als sie das Ortsschild von Torch Creek passierte. „Bist du eigentlich zuhause?“
„Nein. Wieso?“
„Weil ich gleich bei Georges Haus ankomme.“ Sie bog nach rechts ab und folgte der Straße. „Ich hätte dir dann persönlich in den Hintern treten können.“
„Gott bewahre“, brummte Sam und Ever konnte am Tonfall seiner Stimme hören, dass er kurz davor war, nachzugeben.
„Komm schon, gib dir einen Ruck“, bat sie ihn mit sanfter Stimme.
Als Sam wider Erwarten nicht reagierte, setzte sie nach: „Du hättest auch was gut bei mir.“
„Oho.“ Sam lachte. „Tatsächlich? Hm ... Lass mich kurz darüber nachdenken.“
Ever rollte mit den Augen. „Sam …“
„Schon gut, schon gut“, raunte der Engel gönnerhaft. „Ich werde mit ihm reden. Ich glaube zwar nicht, dass es was bringen wird, aber … Von mir aus. Ich mache mich gleich auf den Weg.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Aber nicht vergessen: Ich tue das hier nicht für Peter und auch nicht für Issy. Ich tue das ganz allein für dich.“
Ever schluckte. „Ja, ich weiß“, sagte sie schließlich mit dem unguten Gefühl, dass sie gerade einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte.