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Wann ist eine Prinzessin eine Prinzessin?

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»Für mich beginnt der Mensch beim Baron.«

Fürst Metternich

Bevor wir uns anschicken, selbst Prinzessin zu werden, müssen wir erst einmal klären, was eine Prinzessin überhaupt ist. Denn es gibt da draußen, ich möchte warnen, tatsächlich Menschen, die sich sehr wundern werden, warum wir jetzt einfach für uns beanspruchen, eine Prinzessin zu sein. Diese Menschen sind die echten Prinzessinnen und ihre weit verzweigte Verwandtschaft. Eine echte Prinzessin ist aus ihrer Sicht nämlich nur eine, die im Gotha steht. Doch was ist der Gotha?

Für uns Prinzessinnen im Herzen ist die Kenntnis des Gotha eine wichtige Grundlage für unsere zukünftige Existenz. Der Gotha ist das genealogische Handbuch des Adels. Mehr noch: Er ist die Bibel des Adels. Er ist ein Verzeichnis der (meist) ruhmreichen Abstammung, des Glanzes und der Glorie ganzer Familien, ein Register der Eitelkeiten. Man ist stolz auf seinen Stammbaum, den man bis zur Zeit Karls des Großen zurückverfolgen kann. Alle Adeligen wissen, was der Gotha ist, viele brauchen noch nicht einmal hineinzuschauen, um ihre familiären Verzweigungen und Verwurzelungen runterbeten zu können.

»Ah, die Christi, ist das nicht die Cousine von dem Walbi?«

»Nein, das ist die Großtante. Die Cousine ist die Mascha, und die ist mit dem Fizzi verheiratet. Also dem Bruder von der Gerti.«

»Ja, aber die Gerti ist doch auch die Schwester von dem Sascha …«

»Und auch von der Fizzi.«

»Ja, sag ich doch, aber der Sascha ist doch mit der Vita verheiratet, und deren Cousin ist doch der Mann von der Christi.«

Mein Beispiel ist auf einer Strandparty in der Nähe von Luisenlund abgelauscht. Adelige, das weiß ich von den Prinzessinnen, mit denen ich auf der Schule war, können sich ganze Nächte lang mit solchen Fragen der Familienzugehörigkeit beschäftigen, und ihnen wird dabei nie langweilig. Es ist ein Contest. Verloren hat, wer zuerst zum Regal rennt und im Gotha blättert. Denn selbstverständlich findet man in jedem adeligen Haushalt eine Ausgabe. Schon allein das ist bezeichnend.

Denn der Gotha ist nicht nur ein Buch – so viel Verwandtschaft würde sich wohl kaum zwischen zwei Buchdeckeln unterbringen lassen –, er umfasst viele Bände, die ständig aktualisiert werden und auf frühere Ausgaben verweisen. Eine komplette Ausgabe nimmt mehrere Regalböden ein. Es gibt vier sogenannte Handbücher, die wiederum viele einzelne Bände umfassen. Man spricht bei jedem dieser Bände aber immer nur von »dem Buch«: nämlich von dem Buch für Adelige Häuser, für Freiherrliche Häuser, für Gräfliche Häuser und – dem wichtigsten – für Fürstliche Häuser. Dies ist wiederum in mehrere Abteilungen eingeteilt:

In der »Ersten Abteilung« des Handbuches für Fürstliche Häuser steht die Genealogie der regierenden sowie der seit Anfang des 19. und 20. Jahrhunderts entthronten europäischen Fürstenhäuser. Hier finden wir beispielsweise Königin Margrethe von Dänemark, Königin Máxima der Niederlande, aber auch Prinz Ernst August von Hannover, obwohl wir natürlich alle wissen, dass er nicht mehr regiert. Aber im Gotha hat er den gleichen Status wie ein König, und wäre Hannover noch ein Königreich, wäre er sein Regent. Nun wird er als »Chef« des Hauses Hannover bezeichnet.

Die »Zweite Abteilung« des Handbuches für Fürstliche Häuser verzeichnet die Genealogie der deutschen standesherrlichen Häuser. Was das bedeutet, erkläre ich gleich. Wichtig ist nur: Auch sie haben den gleichen Status wie die Damen und Herren aus der »Ersten Abteilung« – sie sind ihnen ebenbürtig.

Die »Dritte Abteilung« umfasst die Genealogie von anderen, nicht souveränen europäischen Fürstenhäusern.

Wer von uns Prinzessinnen im Herzen einmal in den Gotha hineingeschaut hat, wird kaum nachvollziehen können, warum dieses Buch so viel Selbstbesoffenheit auslöst. Es ist eine dröge und endlose Aneinanderreihung von Daten – Geburten, Hochzeiten (standesamtlich und kirchlich), Todesfälle und neuerdings auch Scheidungen. Meist die von Personen, auf die wir erst durch die Berichterstattung der Klatschpresse aufmerksam geworden sind, wie beispielsweise Ferfried von Hohenzollern-Sigmaringen aus dem katholischen Zweig der Hohenzollern. Am Anfang jedes großen Namens ist noch etwas zu seiner Geschichte zu lesen: Wer war der erste Namensträger? Über welches Land wurde regiert? Wie sieht das Wappen aus? Und wie sind die Nachkommen dieses Hauses anzusprechen? Etwa so: »Die Nachgeborenen führen den Namen Prinz bzw. Prinzessin … (Durchlaucht).« (Das wird für uns Prinzessinnen im Herzen in vielerlei Hinsicht noch wichtig werden.)

Ungewöhnlich sind die Vermerke zur Annullierung einer Ehe durch den Papst. Eine katholische Ehe wird nämlich vor Gott geschlossen und kann nicht geschieden werden, es sei denn, sie war gar nicht erst existent. Also bittet man den Papst, diese für nichtig zu erklären. Bei Caroline von Monaco und Philippe Junot kann man so einen Eintrag sehen. Dort steht: »Ehe aufgelöst Monaco 9.10.1980, kirchl. annulliert Rom 2.2.1992.«

Die Erstausgabe des Gotha von 1764 hat übrigens nichts mit dem Gotha, wie wir ihn heute kennen, zu tun. Es war damals nur ein zwanzigseitiger Almanach, der neben Mondläufen, Kalenderweisheiten, Tabellen, in denen man Spielgewinne (der Adel des 18. Jahrhunderts zockte ja ständig) notieren konnte, auch den Fahrplan der Thurn und Taxisschen Post enthielt. Erst im Jahr darauf wurde er um den Stammbaum der sächsischen Souveräne, dann in einer weiteren Ausgabe mit Daten zu Hochzeiten, Geburten und Todesfällen von anderen Fürstenhäusern erweitert. So wurde er immerzu aktualisiert und ergänzt. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich das Handbuch zur Lieblingslektüre des Adels, der sich seitdem mit so viel Hingabe darin vertieft wie Narziss in sein Spiegelbild. Das gilt bis heute. Verwunderlich ist es nicht: Jeder Mensch interessiert sich am meisten für Menschen, und der interessanteste Mensch ist immer man selbst.

Das Kuriose daran ist, dass der Stolz auf die eigene Herkunft sich meist auf eine Regentschaft bezog, die sich lediglich über ein paar Weiler und einen Bachlauf erstreckte. Die Fürsten aber gaben sich, als wären sie Herrscher über die ganze Welt, obwohl sie sich nicht sonderlich von ihren Bauern unterschieden. Es gibt einen Witz, in dem ein Bauer seinen Souverän mit folgenden Worten anspricht: »Eure durchlauchtigsten Schweine haben meine untertänigsten Kartoffeln gegessen.« (Der eine war ein Schweinebauer, der andere ein Ackerbauer, das Einzige, was sie unterschied, war ihr Stand.) Ungefähr dreihundert dieser Duodez-Staaten (also sehr kleinen Fürstentümer) gab es im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. (Da ich keine Lust habe, das immer auszuschreiben, sage ich fortan: HRR.)

1806 kam Napoleon und verleibte die Winzfürstentümer größeren ein. Dieser Vorgang wird Mediatisieren genannt. Der Flickenteppich wurde großflächiger. Es entstanden sogar ein paar Königreiche: Bayern, Württemberg, Baden. Der Vorgang wurde 1815 beim Wiener Kongress zum Teil rückgängig gemacht, die entmachteten Herrscher entschädigte man mit Titeln. Es entstand der Typus des »Standesherren«: Damit bezeichnete man die Fürsten, die vor Napoleons Feldzug von 1806 reichsunmittelbar regiert hatten, die also ihrer Handvoll Untertanen gegenüber absolute Fürsten waren und über denen sonst nur der Kaiser stand. Sie wurden besänftigt, indem man sie als ebenbürtig betrachtete. Ein wichtiges Kriterium, wenn man den Ansprüchen adeliger Hochzeitspolitik gerecht werden wollte. Nur den mediatisierten Häusern war es möglich, Ehen mit regierenden Häusern zu schließen: Ein Prinz von Großmacht aus der »Ersten Abteilung« darf also eine Prinzessin von Kleinkleckersdorf aus der »Zweiten Abteilung«, in der die mediatisierten Standesherren der einstigen Kleinststaaten stehen, heiraten. Das ist standesgemäß, auch wenn die Ahnen der Prinzessinnen von Kleinkleckersdorf nur über zwei Bauernhöfe und ein Kloster regiert haben. Und das auch noch vor langer, langer Zeit.

Es ist kompliziert, ich weiß, und ich gebe zu, dass man wohl hineingeboren sein muss, um sich da wirklich zurechtzufinden. Nur eine Regel gilt: Wer einen Rang zu verteidigen hat, verteidigt ihn, und oftmals gilt auch hier: Angriff ist die beste Verteidigung. Prinzessin Mary von Teck, an der Seite Georgs V. englische Königin, sprach alle, die nicht königlich waren, mit »arm« an. Etwa: »Wie geht es Ihrer armen Schwester?« Wer den Gotha studiert hat, und das habe ich in diesem Fall, denkt: Die arme Mary muss wohl etwas Höhenluft geatmet haben, denn die Tecks sind eine nicht ebenbürtige Linie des Hauses Württemberg, die Marys Großvater durch eine Mesalliance mit einer ungarischen Gräfin begründet hatte. (Tja, so etwas weiß man dann, wenn man ein wenig im Gotha liest, auch.)

Es ist wohl der Lauf der Dinge, dass diejenigen, die es nach oben schaffen, nach unten hin auf Abstand gehen, und »nach unten hin« bedeutet in diesem Fall zur Welt der Normalsterblichen. Werner Sombart hat diese Abschottung als eine der erfolgreichsten Strategien beschrieben, die es dem Adel trotz Revolutionen und Legitimitätskrisen ermöglichte, seine gesellschaftliche Stellung bis weit ins zwanzigste Jahrhundert zu behaupten. Er hat es »Obenbleiben« genannt.

Nun ist der Adel, auch das muss gesagt werden, seit jeher gespalten in der Frage, wie mit unebenbürtigen Verbindungen umzugehen sei. Man zeigt sich nämlich durchaus anpassungsfähig, wenn es erforderlich ist: Als Friedrich der Große, selbst kinderlos, sich um die preußische Thronfolge sorgte (es gab nur einen Nachfolger, was beim Hochadel grundsätzlich von großem Zittern begleitet ist), schickte er den agilen Grafen Schmettau zur Frau seines lendenlahmen jüngsten Bruders Ferdinand mit dem Befehl: »Mache Er mir Neffen!« Friedrichs Schwägerin fügte sich der königlichen Order mit großem Eifer: Es kamen sechs. Friedrich Wilhelm III., Nachfolger des einen Nachfolgers, der glücklicherweise nicht im Kindesalter weggestorben war, sah sich hingegen durch seine große Nachkommenschaft von derlei Nöten befreit und nahm dementsprechend eine konservative Haltung ein. Kinder aus Mesalliancen bezeichnete er als »Mäusedreck im Pfeffer«.

Auch heute, knapp hundert Jahre nach der Abschaffung des Adels, lässt sich trotz der Offenheit der regierenden Häuser zum bürgerlichen Lager hin – siehe Letizia, Mary, Kate, Mette-Marit – gerade bei Häusern, die ihre Souveränität eingebüßt haben, ebenfalls eine bewahrende Haltung erkennen. Man schottet sich ab. Ich kann mir das nur mit der Mentalität von Exilanten erklären, die in ihrer neuen Heimat Sitten und Bräuche aus der alten Heimat höher halten, als sie es früher getan haben. Deutsche, die in New York leben, etwa besuchen mit einem Mal die Steuben-Parade. So etwas stiftet Identität. Und seit 1919 lebt der Adel ja quasi im Exil.

Gloria von Thurn und Taxis hat die Lage, wie so oft, auf den Punkt gebracht. Sie sagt, die UNESCO möge den Adel als immaterielles Weltkulturerbe aufnehmen und schützen. Ihre Begründung: »Mittlerweile werden ja auch Indianerstämme und Kulthandlungen geschützt.« Und sie setzt noch einen drauf: »Die Schutzmaßnahme sollte so weit gehen, dass die UNESCO bestimmt, wen der Adel heiratet. Sonst gibt es das alles bald nicht mehr.« Sie möchte, dass »wir als Spezies geschützt werden«, und meint mit »wir« den Adel mit seinen jahrhundertealten nachweisbaren Stammbäumen. Also diejenigen, die im Gotha stehen.

Ich gebe zu: ein faszinierender Gedanke, dem ich allein aus purem Egoismus zustimme. Ich werde nämlich alles daransetzen, in das dafür zuständige Gremium berufen zu werden. Dann kann ich den ganzen Tag im Gotha lesen (vielleicht verstehe ich ihn dann mal in Gänze) und täglich einer Adelshochzeit beiwohnen. Ich verspreche: Ich lade Sie alle dazu ein.

Natürlich wirkt Fürstin Glorias Vorschlag ziemlich befremdlich auf uns (noch) Ungekrönte, aber sie hat nicht ganz unrecht: Der Adel ist eine aussterbende Gattung. Die über Jahrhunderte übliche Adelsprobe, der Nachweis, dass alle 16 Ururgroßeltern adelig geboren waren, können zunehmend weniger Menschen erbringen. Der erlauchte Kreis umfasst nur etwa ein Prozent der Bevölkerung, und gerade wenn immer mehr adelige Frauen einen »Gewissen« (wie die adelige Großtante einer mir bekannten Gräfin alle Bürgerlichen nannte, im Gegensatz zu »Geborenen«, wie sie Adelige bezeichnete) heiraten, schrumpft der Bestand. Denn auch, wenn diese erlauchten Damen, was rechtlich glücklicherweise möglich ist, ihren klangvollen Geburtsnamen beibehalten, in den konservativen Adelsverbänden gelten sie als nicht mehr zugehörig und ihre Nachkommen schon gar nicht. Im Gotha wandern sie in eine andere Abteilung, wenn nicht sogar in ein anderes Handbuch.

Der Wunsch, unter sich zu bleiben, rührt noch von einem anderen Trend her. Es sind nämlich weniger die angeheirateten, bürgerlichen Neuzugänge, die den Adel das Fürchten lehren – das zeigt sich in der hohen Akzeptanz von Königin Silvia von Schweden, Königin Sonja von Norwegen, Prinzessin Ursula von Bayern und der amtierenden Kronprinzessinnenriege des europäischen Hochadels. Es ist vielmehr die Praxis zahlreicher in finanzielle Not geratener Adeliger, das einzige Wertvolle, was ihnen noch geblieben ist, zu versilbern und mit ihrem hochwohlgeborenen Namen durch Adoptionen Kasse zu machen.

Sollten reiche Prinzessinnen im Herzen hier hellhörig werden, muss ich etwas entwarnen: Adoptierte Adelige werden nicht im Gotha aufgenommen. Sie bekommen den Titel, aber nicht die volle Anerkennung ihres neuen hohen Standes. Durch Heirat zum Adel erhobene Prinzessinnen hingegen schon. Dazu im kommenden Kapitel viel mehr.

Ich bin durch Zufall einmal in einer geheimen Gruppe bei Facebook gelandet, wo echte Adelige (also die, die im Gotha stehen) den für sie unliebsamen und sprunghaft ansteigenden Familienzuwachs aufspüren und auf seine Legitimität hin prüfen. Ist es tatsächlich nur ein entfernter Großcousin dritten Grades, den man noch nicht kannte? Oder doch jemand, der unecht ist? Die Begriffe »echt« oder »unecht« werden dabei sehr streng ausgelegt. Es gilt das Salische Gesetz, vererbt wird im Mannesstamm. Eine Maike von Bremen, die den Namen von ihrer Mutter geerbt hat, gilt als unecht.

Das Ganze läuft in der Regel so ab:

Jemand postet das Profil einer Person mit Adelstitel und fragt: »Ist die echt?«

Dann wird im Netz gesucht oder jemand aufgespürt, der die Familienverhältnisse dieser Person genauer kennt – meist, weil dieser jemand den gleichen Namen trägt oder zu der durch diesen Neuzugang »geschädigten« Familie gehört.

Dann postet einer beispielsweise: »Kenne ich. Ist okay.« Als Beleg folgt der Ausriss eines Stammbaums, der bis zu Heinrich dem Löwen zurückführt.

Ein nächster: »Ja, ABER die hieß neulich doch noch Nadja Müller. Schaut mal hier.« Als Beweis wird ein Internetfund angezeigt, der die Gesuchte noch unter ihrem alten Namen zeigt, vielleicht sogar auf einer Aftershowparty von DSDS, im VIP-Bereich einer Party von Michael Ammer oder in den Armen eines Popstars. Oft mit zu kurzem Rock, noch öfter unter dem Einfluss hochprozentiger Getränke. Damit hat so eine Person natürlich sofort alle gegen sich, so als ob es nur Prinzessin Margaret erlaubt gewesen wäre, sich die Welt ab mittags mit ein paar Gläschen Gin Tonic schön zu trinken und abends Mick Jagger in ihre Gemächer einzuladen.

Wenn solche Fotos auftauchen, ist es jedenfalls meist eine Weile still in der geheimen Gruppe, weil alle fleißig Nachweise sammeln. Ich kann mir gut vorstellen, wie da in solchen Momenten zu Hause die Köpfe zusammengesteckt werden oder die Handys glühen, weil man überlegt, welcher der verarmten Onkel, Tanten und Cousins da für ein Bündel Bares seinen Titel verscheuert hat.

Nach einer Weile arbeitet das virtuelle Einwohnermeldeamt wieder. Wenn es für die Person gut läuft, postet jemand: »Ist echt. Hat geheiratet.« Aber es ärgert natürlich schon, dass so ein Miststück sich da einfach jemanden aus den eigenen Reihen geschnappt hat, und dann wird etwas gelästert und geknurrt.

Wenn es schlecht läuft, und in den meisten Fällen läuft es schlecht, heißt es:

»Fake!«

»Ist ein Fake.«

»FAke« (Rechtschreibung spielt dann nicht mehr so eine große Rolle, obwohl man sonst auf Etikette Wert legt.)

Dann wird dieser Name in eine Liste eingetragen.

Wer auf dieser Liste steht, ist in erlauchter Gesellschaft erledigt. Er hat seinen Stempel weg. Und diese Liste ist lang und wird immer länger. Denn immer mehr Menschen versuchen, sich mit vermeintlich adliger Abstammung zu schmücken. Wer, wenn nicht wir Prinzessinnen im Herzen, können diesen Wunsch nachvollziehen?

Zwei solcher Adoptionen haben auch weit über Adelskreise hinweg für Furore gesorgt. Weil sich die Fälle so amüsant lesen, möchte ich sie hier nicht vorenthalten. Man kann natürlich verstehen, dass die Häuser, die es betrifft, nicht so richtig erfreut sind. Aber was wir Prinzessinnen im Herzen daraus lernen, bleibt uns überlassen.

Der erste Fall betrifft Prinzessin Marie Auguste von Anhalt. Ihr nutzte es wenig, dass sie 1916 Prinz Joachim von Preußen heiratete und den deutschen Kaiser Wilhelm II. ihren Schwiegervater nennen durfte. Ihr Mann nahm sich vier Jahre später das Leben, ihr gemeinsamer Sohn starb 1975 verarmt in Chile. Auch eine zweite Ehe scheiterte. Prinzessin Marie war pleite und sah sich gezwungen, ihren Lebensunterhalt bis über das Rentenalter hinaus als Empfangsdame in der Essener Hauptverwaltung der WASAG-Chemie AG zu verdienen. Als die Baronin Rothschild, die sie, einem noblen Kodex verpflichtet, mit monatlich 790 D-Mark unterstützte, starb, sah sich die alte Prinzessin nach anderen Einnahmequellen um. Marie Auguste war bereits 82 Jahre alt, als sie beim Vormundschaftsgericht in Wolfratshausen den ehemaligen Sauna-Club-Mitarbeiter Hans-Robert Lichtenberg adoptierte, der in Erwartung seiner Rangerhebung seinen Vornamen in die wohlklingende Anrede Frédéric ändern ließ. Ob der neue Sohn die vereinbarten 280.000 D-Mark schuldig geblieben ist, ist ungewiss. Gewiss ist hingegen, dass der Adoptiv-Anhalt seinen frisch errungenen Titel zu Geld machte: zunächst durch Blitz-Ehen und -Scheidungen in Las Vegas, und als ihm diese Möglichkeit nach seiner Hochzeit mit dem Hollywood-Sternchen Zsa Zsa Gabor versperrt war, durch Kettenadoptionen. Unter seiner Klientel befanden sich auch einige Herren aus dem Zuhälter-Milieu. Prinzessin Marie Auguste starb zwei Jahre nach ihren späten Mutterfreuden verbittert hinter der braunen Fassade eines Essener Mehrfamilienhauses. Und die Familie? Die sah sich genötigt, die beschädigte Familienehre zu verteidigen – ohne Erfolg. Das Geld und die Mühen, die Marie Augustes Neffe Eduard Julius Ernst nach ihrem Tod darauf verwandte, die Umtriebe des neuen Cousins zu stoppen, hätte er besser vor ihrem Tod in eine Apanage der verarmten Tante investiert. Dann wäre ihm der faule neue Zweig im Familienstammbaum erspart geblieben.

Das zweite prominente adelige Adoptivkind ist der in Salzburg geborene, tja, was ist er eigentlich?, egal, es geht auch ohne Beruf: Mario Wagner. Dieser ist gleich zwei Mal zu dem Namen »zu Schaumburg-Lippe« gekommen, weshalb er in der Adelsszene auch als SL2 (sprich: Ess-El hoch zwei) verspottet wird. Einmal adoptierte ihn die Rennfahrer-Witwe Helga-Lee zu Schaumburg-Lippe, aber ihren Titel konnte er in seiner Heimat nicht geltend machen: In Österreich steht nach Paragraf 5 der Vollzugsanweisung die Führung von Adelsbezeichnungen unter Strafe. (290 Euro kostet übrigens dieses Vergnügen. Österreichische Adelige tricksen hier gern: Sie lassen andere ihren Titel nennen – das kostet nichts, aber es kommt zu bizarren Einladungen wie: Benno Schönfeld und seine Frau I. D. Benita Prinzessin zu Schönfeld-Güldenburg laden ein.) Also musste eine andere Lösung her. Mario, jetzt Mario-Max, fand sie bei Waldemar zu Schaumburg-Lippe, der eine Zeit lang im Wohnwagen lebte und sich die faulen Zähne mit einer Zange selbst zog, um das Honorar für eine ärztliche Behandlung zu sparen, das er ohnehin nicht hätte aufbringen können. Prinz Waldemar heiratete Mario-Max’ Mutter Gertraud, geborene Schöppl, und adoptierte den damals noch einfachen SL. Dieser besitzt nun die deutsche Staatsangehörigkeit und darf sich endlich »Prinz« nennen. Mario-Max Prinz zu SL2 versilbert seinen illustren Titel mit allem, was schnelles Geld verspricht: Er entwirft Prinzen-Unterwäsche, verkauft Reichtums-Parfums, war Gast im Big Brother-Container. Und er hat eine eigene TV-Show, in der er unter anderem mit Engeln spricht.

Nun könnte man denken, es sei nur recht und billig von echten Adeligen, sich von solchen selbst ernannten Prinzen abzuwenden und alles Erdenkliche zu tun, um sie von ihren erlauchten Kreisen fernzuhalten. Denn wer spricht denn hier schon mit Engeln? Aber da möchte ich unbedingt auf Prinzessin Märtha Louise, die Schwester von Norwegens Kronprinz Haakon, hinweisen. Sie betreibt eine Engelschule (!), in der Kinder lernen können, mit ihrem Schutzengel (!!) zu sprechen.

Eigentlich bedarf es hier keines Kommentars.

Dennoch erhärtet sich angesichts dessen mein Verdacht: Eine Prinzessin, die im Gotha steht, darf – aus Sicht des Adels – alles. Niemand in den erlauchten Kreisen stört sich daran. Aber wenn wir Prinzessinnen im Herzen (oder im Falle von Mario-Max ein Prinz) das Gleiche tun, ist es nicht gleich. Das kann uns nur lehren: Da, wo wir machen können, was wir wollen, wollen wir auch hin! Und wenn wir es schon nicht in den Gotha schaffen, dann schaffen wir es durch unsere Haltung: Auch wir dürfen auch alles, was wir wollen, eben weil wir Prinzessinnen im Herzen sind.

Na, dann, liebe Prinzessinnen im Herzen, fangen wir an mit unserer wundersamen Verwandlung.

Krön Dich selbst, sonst krönt Dich keiner

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