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Kapitel 3

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Pünktlich war Mira zur verabredeten Zeit am nächsten Tag bei der Bank im Park. Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass sie sich gleich mit Marcel treffen würde. Klar, es war kein richtiges Date, aber trotzdem war sie mächtig aufgeregt.

Ob er tatsächlich kommen würde? Vielleicht war er über Nacht zu der Einsicht gelangt, dass es völliger Blödsinn war, sich ausgerechnet mit Mira zu treffen, um ihr zu helfen – wie auch immer das aussehen sollte.

Brauchte sie seine Unterstützung überhaupt? Mira würde Susanne ab sofort einfach links liegen lassen und damit hätte sich die Sache ein für alle Mal erledigt. Schwierig konnte es nur im Unterricht werden, immerhin saßen sie dort an einem Tisch nebeneinander. Aber eventuell konnte sie zu Beginn des neuen Schuljahres einfach den Platz wechseln, es waren schließlich ab der Oberstufe einige Schüler nicht mehr in ihrer Klasse – sei es, weil sie eine Ehrenrunde drehen mussten oder keinen Bock aufs Abi hatten und mit dem mittleren Schulabschluss abgegangen waren.

Mira blickte auf die Uhr. Es war fünf vor drei und bisher war Marcel nicht in Sicht. So langsam glaubte sie nicht mehr daran, dass er noch auftauchen würde. Sie seufzte.

»Hey, ist der Platz noch frei?«, ertönte in diesem Moment eine Stimme hinter Mira, die sie erschrocken aufschreien ließ. Sie drehte sich um.

Abermals klopfte ihr das Herz bis zum Hals, wenn auch diesmal nicht nur aus demselben Grund wie bei ihrem ersten Zusammentreffen am Tag zuvor.

Marcel stand neben der Bank und grinste sie verlegen an. Seinen Hund hatte er nicht dabei, was Mira ein wenig bedauerte. »Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich konnte nicht ahnen, dass du so in Gedanken versunken bist.«

»Schon gut«, japste Mira.

Er setzte sich neben sie und sie erholte sich allmählich von diesem Schreck. »Ich war mir nicht sicher, ob du wirklich kommen würdest.«

Verwundert sah Marcel sie an. »Wieso das denn?«

Sie zuckte mit den Schultern.

Entspannt lehnte er sich zurück. »Also ich glaube, dass mir eine ganz gute Idee gekommen ist. Ich hatte gestern Abend nämlich unverhofft eine Menge Zeit, um über dich und deine Situation nachzudenken.«

Stirnrunzelnd sah sie ihn an. »Aber du bist gestern so schnell los, weil du sonst zu spät zu irgendetwas gekommen wärst.« Mira hätte sich umgehend für diesen Satz ohrfeigen können. Es ging sie gar nichts an, was Marcel gemacht oder eben nicht gemacht hatte.

»Ursprünglich wollte ich zu einer Schuljahresabschlussparty gehen. Aber unser Gespräch gestern hat mich sehr nachdenklich gestimmt, sodass ich doch nicht hingegangen bin.«

Betreten senkte Mira den Blick. »Sorry, ich wollte dich nicht mit meiner miesen Stimmung anstecken.« Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, dass Marcel lächelte, wodurch sich Grübchen neben seinen Mundwinkeln bildete. Ein Markenzeichen, das sie ultrasüß fand.

»Keine Sorge, ich bin dir nicht böse. Ganz im Gegenteil, ich bin dir dankbar. Außerdem hatte ich dadurch Zeit zum Nachdenken.«

Mira beschloss, nicht weiter nachzubohren oder zu viel in seine Worte hineinzuinterpretieren. »Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«

»Du hast mir doch erzählt, dass du wenigstens einmal auf eine Party gehen möchtest, oder?«

Sie nickte.

»Auch wenn mir wieder einmal klargeworden ist, dass Partys nicht alles im Leben sind, ich glaube, dass jeder zumindest eine besucht haben sollte, um mitreden zu können und sich seine eigene Meinung darüber zu bilden. Ich denke, ich hätte eine Lösung für deinen ersten Partybesuch gefunden. Dabei könnten wir Simone so richtig blöd aus der Wäsche schauen lassen, wetten? Wir veranstalten einfach selbst eine Party.«

Mira schmunzelte über den neuen Namen für Susanne. Sie lauschte ihm, als er ihr den Plan, den er über Nacht einfach so aus dem Ärmel geschüttelt hatte, erläuterte. Dieser gefiel ihr unglaublich gut und ließ sie diabolisch grinsen.

Eigentlich hielt sie nichts von Racheakten oder vom Vortäuschen falscher Tatsachen. Aber einmal würde sie eine Ausnahme machen. Susanne hatte sie einfach zu sehr verletzt.

Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie es überhaupt zugelassen hatte, sich von Susanne so dermaßen ausnutzen zu lassen. Schon viel eher hätte sie einen Schlussstrich unter die Sache ziehen sollen. Aber das war leichter gesagt als getan. Schließlich hatte Susanne oft zu ihr gestanden, wenn die anderen aus ihrer Klasse sie wegen irgendetwas aufgezogen hatten. Mittlerweile fragte sie sich, ob Susanne hinter ihrem Rücken genauso schlecht über sie sprach und sich lediglich mit ihr gut stellte, um sicherzugehen, dass sie ihr half.

Damit Marcels Plan überhaupt gelingen konnte, musste Mira jedoch noch ein letztes Mal Susannes Freundin sein, wenn auch nur zum Schein. Denn sie musste der Lockvogel sein, der nötig war, um die Falle zuschnappen zu lassen.

Mira stimmte zu und beide überlegten sich den genauen Ablauf. Sie freute sich sehr, dass er sich solche Mühe gab. Dennoch war ihr bewusst, dass sie ihm dadurch einen Gefallen schuldig war, was sie ihm sogleich mitteilte.

Verlegen sah Marcel zu Boden. »Vielleicht mache ich das Ganze doch nicht so uneigennützig, wie ich dich habe glauben lassen. Ich habe mich nicht getraut, es anzusprechen, ehe ich eine Lösung gefunden habe, die für uns beide von Nutzen sein könnte. Mir ist diese Angelegenheit schon ein wenig peinlich. Aber mit meinem Plan können wir quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«

Er erzählte ihr, was für einen Mist er vor einem knappen Monat verbockt hatte, aus dem er sich nicht mehr zu befreien wusste, ohne, dass es für ihn unangenehm wurde. Es gab in seiner Klasse drei Jungen, die mächtig mit ihren tollen Freundinnen angaben. Als diese Marcel in die Mangel genommen und gefragt hatten, wann er denn mal endlich daran dachte, eine Freundin zu haben, war aus ihm herausgesprudelt, dass er schon längst eine hatte. Natürlich wollten die drei Beweise – diese konnte Marcel ihnen allerdings nicht liefern, denn es hatte nie eine Freundin gegeben. Er vertröstete seine Mitschüler immer wieder mit verschiedenen Ausreden, doch allmählich wurden die Jungen sehr ungeduldig und begannen zu zweifeln.

Der zweite Teil des Plans beinhaltete demnach, dass Mira auf dem Partyabend Marcels Freundin spielen sollte, damit er in der Schule endlich seine Ruhe hatte.

Mira kamen Zweifel. Konnte es wirklich stimmen, was Marcel ihr gerade eröffnet hatte? So, wie er aussah, liefen ihm die Mädchen doch mit Sicherheit scharenweise hinterher. Er musste sich also im Prinzip von seinen Anwärterinnen lediglich die heraussuchen, die ihm am besten gefiel, und sie vor den anderen Jungs als seine Freundin ausgeben. Da würde doch bestimmt keine ablehnen. Warum sollte er also wollen, dass ausgerechnet Mira seine Freundin darstellte? Wollte er ihr nur helfen, damit er aus seiner eigenen Misere herauskam?

»Keine Sorge, du musst das nicht machen, wenn du nicht möchtest. Ich will dich auf keinen Fall zu etwas drängen, wobei du dich nicht wohlfühlst. Als ich gestern Abend überlegt habe, wie ihr dir helfen könnte, fiel mir einfach nur ein Plan ein, von dem wir quasi beide etwas haben könnten. Aber das würde ich auch ohne Gegenleistung tun, ehrlich. Ich verabscheue nämlich solche Leute wie diese Silke abgrundtief. Und sich dann noch Freundin zu nennen ist das Allerletzte.«

Seine Worte beruhigten Mira wieder. Vielleicht war seine Idee gar nicht so verkehrt. Außerdem wäre es Susanne sicherlich noch mehr ein Dorn im Auge, wenn sie auf einmal mit einem Freund an ihrer Seite auf einer Party auftauchen würde. Der Gedanke an Susannes mögliche Reaktion ließ Mira schmunzeln. »Okay, ich mach’s.«

Marcels Miene hellte sich auf. »Wirklich?«

»Wirklich.«

Plötzlich umarmte Marcel sie, womit sie überhaupt nicht gerechnet hatte. Prompt versteifte sich ihr Körper. Gleichzeitig schlug ihr Herz wieder Purzelbäume.

»Danke, Mira. Das bedeutet mir unheimlich viel. Du glaubst gar nicht, was für eine Last mir damit von den Schultern fällt.« Er löste sich wieder von ihr und errötete ganz leicht. »Oh, sorry, ich wollte dich nicht überrumpeln.« Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.

Mira entspannte sich. »Schon gut, ich bin so etwas nur nicht gewöhnt.«

»Was bist du nicht gewöhnt? Dass sich jemand bei dir bedankt?«

Sie lachte auf. »Eher, dass mich jemand umarmt.«

Ungläubig sah Marcel sie an. »Ehrlich? Dann solltest du dich am besten schnell daran gewöhnen, denn ich fürchte, es könnte durchaus zu Wiederholungen kommen.« Er grinste sie schief an.

Um sich von dem Gedanken daran, dass Marcel sie öfter umarmen könnte, abzulenken, beschloss sie, zum eigentlichen Thema zurückzukehren. »Und deine Eltern haben wirklich nichts dagegen, dass du bei euch zu Hause eine Party schmeißt?«

Für einen kurzen Moment kam es Mira so vor, als würde sich ein Schatten auf Marcels Gesicht legen. Doch dann winkte er ab. »Nein, das wäre schließlich nicht die erste. Außerdem muss mein Vater morgen für zwei Wochen geschäftlich verreisen und meine Mutter begleitet ihn. Ich habe also sturmfreie Bude. Nur Booser ist noch da.« Er blickte schweigend auf den Ententeich, an dessen gegenüberliegenden Seite sich soeben ein Graureiher niedergelassen hatte. »Mich ärgert ein wenig, dass mein achtzehnter Geburtstag im letzten Monat war, sonst hätten wir den zum Anlass für eine Party nehmen können. Du hast nicht zufällig in den nächsten beiden Wochen Geburtstag, oder?«

Mira musste lachen. »Nein, meiner liegt bereits drei Monate zurück.«

»Schade. Aber egal, eine Party kann man auch ohne irgendeinen Grund steigen lassen.«

Sie blieben noch eine ganze Weile auf der Bank sitzen und unterhielten sich über belanglose Themen.

Erst als Marcel nach Hause musste, um mit Booser Gassi zu gehen, verabschiedeten sie sich voneinander.

Mira traute sich nicht, ihn zu fragen, ob sie ihn bei seiner Runde begleiten könne, und sah ihm nachdenklich hinterher.

Sie selbst machte sich wenige Minuten später auch auf den Heimweg.

Wer zuletzt lacht ...

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