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Kapitel 2

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„Hey, was machst du da?“ Jenny kam gerade vom Aschesportplatz auf sie zu gerannt. Ihre langen blonden Haare wehten im Wind und das weiße Sportoutfit brachte ihren durchtrainierten Körper perfekt zur Geltung. Nicht dass sie zu viele Muskeln aufgebaut hatte, aber sie hatte Kraft, die sie auch gerne einsetzte. Ganz anders als Tina, die lieber ihre Zeit im Klassenzimmer verbrachte und ihren Kopf anstrengte, war Jenny von allem begeistert bei dem sie ihren Körper an seine Grenze bringen konnte.

Tina hatte bereits nach zwei Runden aufgegeben und ließ sich atemlos und mit Seitenstechen auf einer Bank nieder. Sie hatte noch nie verstanden, wie man freiwillig wie eine Irre um den Platz laufen konnte. Jenny hatte gerade die fünfte Runde hinter sich gebracht und war noch kein bisschen außer Atem. Lachend kam sie auf ihre Freundin zu. In der Sonne strahlten ihre dunkelblauen Augen noch mehr als sonst.

„Das siehst du doch. Ich versuche, diese blöde Flasche zu öffnen“, bei dem Versuch die Colaflasche zu öffnen, verkrampfte sie ihr Gesicht bis es rot anlief.

Jenny konnte sich das nicht länger mit ansehen.

„Gib schon her, wenn das so weiter geht, platzt dir noch dein Kopf!“, lachte sie, nahm ihr die Flasche ab und öffnete sie mit einer starken Drehung.

„Bitteschön!“, grinste sie siegesbewusst ihrer seit dem Kindergarten besten Freundin breit ins Gesicht. Die beiden waren das komplette Gegenteil, aber vielleicht verstanden sie sich deshalb auch so gut. Tina war eher der Typ, nach dem sich jeder Junge herumdrehte. Dunkle lange Haare, die sich um ihr hübsches Gesicht schmiegten. Blaugrüne Augen, die durch die langen Wimpern umrahmt wurden. Sie brauchte nicht einmal Kajal, um sie zu betonen. Und ihre Figur ließ auch nichts zu wünschen übrig. Unter der kurzen Sporthose kamen unendlich lange Beine zum Vorschein.

„Oh man, wieso bist du nur so stark? Langsam bekomme ich den Eindruck, dass an dir ein Mann verloren gegangen ist! Ich komme mir langsam wie ein kleines Häufchen Elend vor!“, verzog sie ihr Gesicht zu einer mitleidsvollen Grimasse.

„Quatsch, dafür hast du andere Stärken! Wie zum Beispiel diese verfluchte Matheaufgabe, die ich immer noch nicht kapiere!“ Jenny wühlte sich verzweifelt in den Haaren. Tina lächelte wieder.

„OK, wenn wir hier fertig sind, versuche ich es dir noch einmal zu erklären. Aber diesmal pass gefälligst auf und widme dich nicht wieder Sachen, die du lieber machst, verstanden?“

„Würde ich das je tun?“, lächelte sie verschmitzt. Ja, das würde sie. Alles war besser als diese blöde Matheaufgabe und ihre Freundin kannte sie doch wirklich gut genug, um zu wissen, dass Jenny lieber fünfzig Liegestütze machen würde, als Mathe.

Tina sah sie warnend an.

„Ja, ja ist schon gut. Ich versuche, mein Bestes zu geben. Versprochen!“, verdrehte sie gelangweilt die Augen.

„Prima, hätte ich auch nicht anders erwartet!“, musste sie nun doch lachen.

Jetzt saß Jenny schon fast eine ganze Stunde an dieser blöden Aufgabe und hatte sie noch immer nicht kapiert. Sie brütete über ihrem Heft, den Kopf auf ihre Hände gestemmt und versuchte, sich zu konzentrieren. Gleich würde ihr Kopf rauchen, wenn das so weiter ginge. Sie hatte eine totale Blockade und die versuchten Erklärungen von Tina machten das auch nicht gerade einfacher. Sie ließ ihren Kopf auf das Heft fallen.

„Ich bin zu dumm dafür!“, stöhnte sie.

„Oh man, so schwer ist das doch nicht!“ Tina zog ihr das Übungsheft unter dem schweren Kopf weg und fing zu kritzeln an. Im Nullkommanix hatte sie die Aufgabe gelöst. Sie war eben ein Ass in Mathe. Nein, sie war ein Ass in allem, was mit der Schule zu tun hatte.

„Wie machst du das nur? Mein Kopf qualmt schon von nur einer Aufgabe und du könntest das ganze Mathebuch in einer Stunde ausrechnen! Ich glaube, ich werde das nie kapieren!“, gab Jenny verzweifelt von sich. Aber sie musste die verflixte Rechenweise verstehen. Es war ihre letzte Chance, in Mathe wenigstens noch eine Vier auf dem Zeugnis zu bekommen.

So war es immer. In den Denkaufgaben war sie ihr weit überlegen und nicht nur da. Auch in Thema Mode, Schminke und sich hübsch machen. Tina war ihr in diesen Sachen weit voraus. Sie hatte auch schon ihren ersten Freund gehabt, zwar nicht lange, aber sie hatte einen. Jenny hingegen interessierte sich überhaupt nicht für Jungs. Sie war jetzt sechzehn Jahre alt und langsam glaubte sie, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Sie interessierte sich nur für Sport und darin, ihren Körper zu fordern und nicht ihren Kopf.

„Hast du gesehen? So wird das gerechnet!“, sah sie Jenny ernst in das verwunderte Gesicht. Schnell schrieb sie ihr noch eine neue Aufgabe auf und schob ihr aufmunternd wieder das Heft zu.

Na gut, noch ein Versuch konnte ja nicht schaden. Sie grübelte, rechnete und schrieb schließlich ein Ergebnis hin, dass ihrer Meinung nach das Richtige war. Tina sah sie belustigt an. Dann sprang sie plötzlich kreischend von ihrem Stuhl und legte freudig die Arme um ihre Freundin. Jenny wusste nicht, wie ihr geschah und sah sie nur verdutzt an.

„Na endlich, ich wusste doch, dass bei dir nicht alles verloren ist!“

„Du meinst, das ist richtig?“, sah sie noch immer verdutzt drein.

„Jupp!“, lachte sie ihre Freundin strahlend an. Jenny ließ sich wieder in ihren Stuhl fallen, sobald Tina sie freigegeben hatte.

„Wow, so schwer war das gar nicht!“ Stolz sah sie sich die Aufgabe noch einmal an.

„Sag ich doch. Sobald du den Rechenweg kapiert hast, ist der Rest Nebensache. Übung macht halt den Meister!“ Sie war stolz auf Jenny und das stand ihr auch ins Gesicht geschrieben. Und sie war stolz auf sich selbst, denn nicht einmal die Mathelehrerin hatte es Jenny beibringen können.

Tina musste innerlich lachen. Alles, was ihr so einfach von der Hand ging, war für Jenny jedes Mal eine Herausforderung. Schon in der Grundschule war das nicht anders, dort hatte sie immer die Jungs verprügelt, die Tina hänselten. Dafür kam sie mit fehlerübersäten Arbeiten nach Hause. Und jetzt waren sie beide sechzehn und es hatte sich noch immer nichts geändert. Sie würde sich wahrscheinlich auch nie ändern und das war auch gut so, sie wollte sie gar nicht anders. Witzig, stark, verdammt hübsch und die beste Freundin, die man sich wünschen und vorstellen konnte. Vor allem war sie ein Mensch, auf den man immer zählen konnte, wenn man sie brauchte. Zwar hätte sie noch einiges mehr aus sich machen können und von ihr eine Menge über Outfits und hübsch machen lernen können, aber Jenny zog lieber die Sachen an, in denen sie sich auch wohl fühlte. Tina fühlte sich in ihrer Gegenwart immer sicher und es wurde nie langweilig. Sie war schon eher eine Schwester für sie als nur eine gute Freundin. Und auch ihre Mutter war immer da, wenn man sie brauchte. Manchmal wünschte sie sich, dass sie die Familien tauschen könnte. Bei ihr zu Hause lief noch lange nicht alles so glatt. Mit ihren drei Geschwistern gab es immer Ärger und der Zusammenhalt, den sie hier hatte, fehlte komplett. Nur wenn die Geschwister sich gegenseitig in die Pfanne hauen konnten, waren sie glücklich. Ihre Mutter war komplett überfordert, ihr Vater war den ganzen Tag arbeiten und konnte sich auch nicht genügend um die Familie kümmern. Sie war froh, dass sie sich so oft wie möglich bei Jenny aufhalten konnte.

„Gott sei Dank, habe ich das endlich kapiert! Vielleicht komme ich dann auch mal mit einer besseren Note nach Hause! Ich glaube, meiner Mutter würde das sicher auch gut gefallen!“, holte Jenny ihre Freundin wieder aus den Gedanken. Sie lachte bei dem Gedanken an Jennys Mutter und an ihr Gesicht, wenn sie tatsächlich mal mit einer guten Note nach Hause kam.

Insgeheim beneidete Jenny Tina, die damit keine Probleme hatte. Tja, was soll`s. Mathematiker wollte sie eh nicht werden. Aber dennoch würde sie sich bald entscheiden müssen. Lange war es nicht mehr bis zu den Sommerferien und damit zum ersten Praktikum. Sie hatte absolut keine Vorstellung davon, was sie machen sollte. Am besten wäre etwas, wobei sie ihre Kraft und nicht ihr Gehirn brauchte. Gab es so was eigentlich?

„Jenny!“, wurde sie plötzlich aus ihren Gedanken gerissen. Ihre Mutter war von der Arbeit zurück.

„Ja, ich komme gleich!“, rief sie zurück, packte ihre Sachen zusammen und stopfte sie in ihre Schultasche, warf sie auf ihr weißes Metallbett und war froh, dass dieses blöde Mathethema erst einmal vom Tisch war. Nach dem Essen könnte sie sich immer noch den Kopf darüber zermartern. Endlich Denkpause.

„Komm, lass uns runtergehen, ich habe einen Bärenhunger!“ Tina stimmte mit einem knurrenden Magen ein. Schnell hielt sie sich den Bauch und lächelte beschämt. Sie hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen und das war nicht zu überhören. Jenny lachte, packte ihre Freundin an der Hand und zog sie lachend mit sich die schmale Holztreppe nach unten in die Küche. Ihre Mutter hatte schon eingekauft und nach erster Begutachtung schien es Spaghetti zu geben. Jennys Lieblingsessen.

„Ah, da bist du ja! Hallo Tina!“, begrüßte sie die beiden lächelnd, als sie die Küche betraten. Doch plötzlich sah sie ihre Tochter verwundert an, die die ganze Zeit von einem Ohr zum anderen grinste. „Ist etwas passiert?“

Tina wollte gerade etwas sagen, doch Jenny trat sie leicht gegen ihr Bein.

„Nein, nichts besonders!“, versuchte sie ihr Grinsen zu unterdrücken. Sie wollte nicht vorgreifen und ihrer Mutter von der verstandenen Matheaufgabe erzählen. Wenn sie die auch noch am nächsten Tag in der Arbeit konnte und einmal im Leben eine gute Note mit nach Hause brachte, wäre es noch immer früh genug.

„Bist du sicher?“, sah sie ihre Tochter ernst an.

„Natürlich bin ich mir sicher. Ich musste nur lachen, weil Tinas Magen so laut knurrte, dass du es eigentlich schon hier unten hättest hören müssen!“, zwickte sie ihre Freundin mit warnendem Blick ins Gesicht. Tina kapierte sofort und machte einen verlegenen Gesichtsausdruck.

Laura lächelte die beiden an. Tina war schon Dauergast bei ihnen und manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie nicht nur eine Tochter hatte. Sie kannte Tina schon so lange, dass sie fast zur Familie gehörte und sie konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, wenn sie mal nicht da war.

„Tina, was ist, bleibst du zum Abendessen?“, strahlte sie. Und wieder meldete sich Tinas Magen. Und das nur bei dem Gedanken an leckere Spaghetti. Sie wurde auf der Stelle rot und verlegen.

„Gerne!“, sah sie ihren Bauch böse an. Plötzlich mussten alle lachen, als dieser nicht auf ihre Warnung hörte.

„Also gut, dann lasst uns mal Spaghetti kochen!“, grinste Jenny und drehte das Glas mit der Soße schon mal auf.

„Hör auf zu grinsen!“, warnte Tina Jenny, die immer wieder lachen musste, weil Tinas Magen zunehmend lauter knurrte.

„Ich kann nicht glauben, dass du seit heute Morgen nichts mehr gegessen hast!“, grinste sie wieder breit.

„Na und, ich bin eben anders als du, ich muss auf meine Figur achten, wenn ich nicht kugelrund werden will!“, sah sie empört mit verschränkten Armen an die Decke.

„Ich kann doch nichts dafür, dass ich nicht zunehme. Und du hast es bestimmt auch nicht nötig zu hungern! Du hast doch eine Top Figur!“, sah sie sie von oben bis unten an.

„Ja, und das nur, weil ich darauf achte. Ich bin eben nicht wie du. Wenn ich ein Stück Schokolade schon sehe, habe ich zwei Kilo drauf!“ Jenny konnte nicht aufhören zu grinsen.

„Das findest du wohl lustig, was? Na warte!“ Sie steckte einen Finger in die Tomatensoße und wischte ihn an Jennys Nase ab. Verdutzt sah Jenny ihr ins Gesicht. Jetzt grinste Tina.

„Siehst du, das hast du jetzt davon!“, streckte sie ihr die Zunge heraus.

Knurrend sah Jenny erst auf den Topf und dann grinsend auf Tina.

„Wag’ es nicht!“, machte sie grinsend einen Schritt zurück, aber nicht weit genug. Schon hatte Jenny den Finger in der Soße und diese in Tinas Gesicht geschmiert. Siegesbewusst verschränkte sie die Arme vor der Brust.

„Das kommt davon, wenn man sich mit mir anlegt!“, musste sie ein Lachen unterdrücken.

„Igitt!“, sah Tina sie entgeistert an.

Nach mehrmaligem Hin und Her hatten sie das Gefühl, dass mehr Soße in ihren Gesichtern und in der Küche verspritzt war als im Topf. Sie sahen sich beide böse an, um dann in schallendes Gelächter zu platzen.

„Ist alles klar bei euch?“, wollte Laura wissen, die gerade den Tisch im Esszimmer deckte.

„Ja klar doch, alles bestens!“, lachten die zwei wieder. Schnell holte Jenny einen Lappen aus der Spüle, um wenigstens die Küche ein wenig sauber zu machen, bevor ihre Mutter einen Herzinfarkt bekommen würde.

„So sieht es bei euch also aus, wenn alles bestens ist?“, stand sie plötzlich hinter Jenny und begutachtete ihr Werk. Zu spät! Jenny sah sie verlegen an und wischte noch an dem Fleck auf dem Küchenschrank. Laura sah von ihr zu Tina. Dann ging sie zur Arbeitsplatte, wo die restlichen Zutaten standen, nahm den geriebenen Käse und ging wieder zurück zu Tina. Sie sah sie sich etwas genauer an.

„Mhh, ich glaube, da fehlt noch etwas!“, hob sie das Tütchen Käse hoch und schüttete es über Tinas Nase. Die war so verdutzt und sah sie mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an. Nur Jenny konnte ein lautes Lachen nicht unterdrücken und schlug sich lachend auf die Knie. Doch dann blieb auch sie stocksteif stehen, nachdem sie die nächste Ladung Käse überbekam. Laura versuchte ernst und böse auszusehen. Doch nach einigen Sekunden hielt sie sich den Bauch vor Lachen und schließlich stimmten Jenny und Tina mit ein.

Nachdem sie endlich gegessen hatten, brachten sie alle zusammen die Küche wieder auf Vordermann. Die Spülmaschine lief schon und auch der Tisch im Esszimmer war schon wieder sauber. Jenny und Tina hatten ihre Gesichter von der Tomatensoße befreit und auch Tinas Magen knurrte nicht mehr. Es wurde langsam dunkel und Tina wollte noch im Hellen nach Hause kommen.

„Bis Morgen!“, verabschiedeten sie sich voneinander.

Jenny versuchte, sich noch einmal an den Matheaufgaben und gab schließlich nach einer Stunde auf. Sie hatte zwar die erste Aufgabe unter Tinas Anleitung verstanden, aber wo sie jetzt auf sich alleine gestellt war, erwies es sich doch als schwieriger, als sie gedacht hatte. Die Mathearbeit würde sie bestimmt wieder verhauen.

In der Nacht träumte sie von Zahlen und Gleichungen und wachte mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Jetzt verfolgte sie diese verdammte Arbeit auch noch im Schlaf. Das konnte ja heiter werden. Den Rest der Nacht schlief sie Gott sei Dank ohne Probleme durch.

Die Legende von Maja

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