Читать книгу Die Legende von Maja - Bianka Mertes - Страница 7

Kapitel 4

Оглавление

„Sucht euch einen Platz und dann will ich, bis wir angekommen sind, nichts mehr von euch hören!“, befahl Frau Peters regelrecht, nachdem sie in den Bus eingestiegen waren.

Es war noch früh am Morgen und Tina und Jenny war klar, dass es Frau Peters nicht gefiel, sich dem Willen des Rektors zu fügen und verdrehten die Augen. Die meisten hielten sich an ihren Befehl, denn sie wussten, dass sie auch richtig eklig werden konnte, wenn man sich nicht an ihre Anweisungen hielt.

Mittlerweile waren sie eine halbe Stunde unterwegs durch kleine Dörfer, über Brücken, immer vorbei an der Bahnstrecke. Nur mit dem Wetter hatte Jenny Recht behalten. Die Sonne schien und das machte das Ganze ein wenig erträglicher.

Jenny hoffte, dass sie bald ankommen würden denn der Kaffee, den sie am Morgen getrunken hatte, rebellierte in ihrer Blase und wollte wieder raus. Sie musste dringend aufs Klo und das mindestens in der nächsten viertel Stunde, sonst könnte sie für nichts garantieren.

Nervös hampelte sie auf ihrem Sitz hin und her, als könnte sie damit den Drang unterdrücken.

Endlich hielt der Bus … mitten in der Wildnis. Egal, Jenny war froh, endlich aus dem Bus zu kommen und sich einen Busch suchen zu können. Sie rannte unbeirrt an den Anderen vorbei Richtung Ausgang, Tina im Schlepptau. Denn einer musste ja Wache halten.

„Erinnere mich daran, morgens keinen Kaffee mehr zu trinken!“, gab sie erleichtert von sich, nachdem sie den schützenden Busch hinter sich gelassen hatte.

„Ja mach ich, aber jetzt beeil dich. Frau Peters ist schon ziemlich gereizt!“, warnte sie mit einem Blick auf Frau Peters, die von einen Fuß auf den anderen stampfte, während sie auf die Zwei wartete. Zügig und mit gesenktem Kopf gingen sie zu den anderen, um einer Standpauke aus dem Weg zu gehen.

„Da wir jetzt endlich vollzählig sind, gehen wir geschlossen den Waldweg bis zu dem Gebäude da oben hinauf!“ Sie warf einen bösen Blick zu Jenny und Tina.

„Na toll, jetzt müssen wir auch noch wandern!“, äffte Jenny Frau Peters nach, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass diese die beiden nicht mehr beobachtete.

„Bist du verrückt, wenn die das mitbekommt, schreibst du mindestens ein halbes Jahr die Hausordnung ab. Du kennst sie doch!“, warnte Tina leise.

„Ja, ja ist ja schon gut!“, hakte sie sich grinsend bei ihrer Freundin ein, zog sie hinter sich her und folgte den anderen den Berg hinauf bis sie zu einem mit Mauern umringten Gebäude kamen.

Tina sah sich die Gegend genauer an. Kein Wunder, dass sie im Internet nicht den Weg beschrieben hatten, denn so, wie das aussah, war hier schon ewig keiner mehr gewesen. Es war vollkommen verlassen und überall wucherte das Unkraut. Also entweder hatte man diesen Ort wirklich geheim gehalten oder man legte keinen Wert auf diese Legende. Schließlich war es ja auch unglaublich, dass man von einer Seele Besuch bekommen soll.

Auf den ersten Blick sah das kleine, weiße und zum Teil schon verfallene Häuschen wie eine alte Kapelle aus. Nur, dass die Glocke und ein Kreuz fehlten. Nur eins fiel Jenny sofort auf, als sie durch das Tor gingen. Vor dem Gebäude auf der Erde erstreckte sich ein Pentagramm mit acht sich kreuzenden Stäben, die an jedem Ende eine Rosenzeichnung hatten. In der Mitte des Pentagramms, wo sich die Stäbe kreuzten, war eine große weiße Rose zu sehen. Umrungen wurden die Stäbe am Rand mit Schriftzeichen, die sie nicht entziffern konnte. Und in einer fast verfallenen Mauer des Häuschens stand in einer Nische eine blühende weiße Rose unter einer Glaskuppel. Wenn sich Jenny richtig erinnerte, musste das der Legende nach die weiße Rose des Lebens sein. Jenny hatte ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch. Jenny faszinierte diese Legende, auch wenn sie selbst von sich überrascht war.

Die Rose blühte, sollte das wirklich heißen, dass dieses Kind, dass jetzt über fünfhundert Jahre alt sein musste, nach all der Zeit noch lebte? Kopfschüttelnd begutachtete Jenny die Rose genauer. Sie schien wirklich echt zu sein, daran gab es eigentlich keinen Zweifel, aber wer konnte schon sagen, dass nicht irgendeiner die Rose von Zeit zu Zeit austauschte? Aber auch auf den zweiten Blick konnte sie keine Öffnung finden, durch die das möglich gewesen wäre. Konnte es wirklich sein, dass ein Leben mit einer einfachen Rose verbunden war? Oder, dass die Legende doch keine war und alles echt war?

Auch wenn die Geschichte wirklich interessant war, konnte sie es nicht glauben. Und auch wenn sie die Rose und das Pentagramm jetzt so vor sich sah, hieß das nicht, dass nicht irgendeiner die Geschichte erfunden hatte und sich damit nur einen kleinen Streich erlaubte.

Vielleicht wollte nur ein einfacher Schreiberling Aufmerksamkeit erregen und hatte es damit vor über fünfhundert Jahren wahrscheinlich auch geschafft.

„Und, was glaubst du? Ist die Legende wahr?“, holte Tina sie aus ihren Gedankengängen.

„Keine Ahnung! Auf jeden Fall ist die Legende interessanter als die Römer!“, grinste Jenny.

„So ein Pentagramm habe ich schon einmal in einem Buch gesehen. Es sah zwar nicht so aus wie dieses, aber Hexen hatten früher immer Pentagramme und haben darüber den Teufel beschwört. Und das wichtigste, es soll auch Zauberkräfte besitzen!“, überlegte Tina laut.

„Na, dann sollte Frau Peters besser Mal aufpassen, dass sie nicht in eine Kröte verwandelt wird!“, lachte Jenny laut.

„Psst, leise, du weißt doch, dass die alles mitbekommt!“, stieß Tina ihr den Ellenbogen in die Rippen, musste aber bei dem Gedanken daran auch loslachen. „Na ja, vielleicht findet sie ja auch noch ihren passenden Deckel, wer weiß!“, überlegte Tina laut.

„Der arme Deckel!“, lachte Jenny wieder.

„Was ist hier los? Ihr solltet euch lieber der Legende widmen, wenn ich die schon unterrichten muss. Denkt daran, dass ihr noch einen Aufsatz darüber schreiben müsst. Und Mal sehen, ob Jenny dann wieder eine Zwei schreibt!“, meinte Frau Peters gehässig.

Aua, das war ein Schlag in den Magen. Jenny hörte sogar sofort mit dem Lachen auf. Wusste sie es doch, dass sie nicht um einen Aufsatz herum kam.

„Ach und außerdem braucht ihr euch keine Gedanken um meinen Deckel zu machen, den habe ich nämlich schon! Macht euch lieber Sorgen um eure Handgelenke, wenn ihr die Hausordnung abschreibt!“, ließ sie sie ohne ein weiteres Wort stehen und gesellte sich wieder zu den etwas lernwilligeren Schülern.

„Verdammt, die hat wirklich Ohren wie Rhabarberblätter!“, meinte Jenny mürrisch.

„Ja, das kannst du wohl laut sagen!“, stöhnte Tina beim Gedanken an ihre Handgelenke.

Um einer weiteren Standpauke aus dem Weg zu gehen, gesellten sie sich wieder zu dem Pentagramm.

Zum ersten Mal in ihrem Leben war Jenny von etwas schon fast besessen, vom Sport Mal abgesehen. Vielleicht besaß dieses Ding ja wirklich so etwas wie eine Zauberkraft. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert.

„Ich habe da eine Idee!“, grinste Jenny und stellte sich in die Mitte des Pentagramms genau auf die weiße Rose.

„Was hast du denn jetzt schon wieder vor?“

„Na ja, wenn so ein Ding wirklich zaubern kann, vielleicht kann ich mich dann ja etwas schlauer zaubern und ich schreibe diesen Aufsatz mit links!“, zwinkerte sie Tina mit einem Auge zu.

„So ein großes Pentagramm kann es gar nicht geben!“, zog Tina sie lachend auf.

„Schade eigentlich, dann hätte ich dir vielleicht auch mal etwas beibringen können!“, stöhnte sie enttäuscht.

„Das wäre aber auch das erste Mal, dass du mir etwas Vernünftiges beibringen würdest. Bis jetzt hast du mir nur Unsinn beigebracht!“, grinste sie schelmisch.

„Wer behauptet denn so was?“, machte sie ein motziges Gesicht.

„Dann frag Mal meine Mutter, die kann dir bestimmt ein paar Beispiele nennen!“, lachte Tina.

„Na ja, da kann meine auch ein Lied von singen!“, meinte Jenny schelmisch.

„Nur schade, dass du mir nichts von deiner Stärke und Ausdauer abgeben kannst. Manchmal könnte ich die schon gebrauchen!“, dachte Tina laut nach.

„Na ja, was solls, ich...“

Plötzlich mitten im Satz fing das Pentagramm zu leuchten an. Grell und heller als die Sonne. Das Licht blendete ihre Augen, die Jenny sofort schloss.

„Was... was ist das?“, rief Tina und machte entsetzt einen Schritt zurück.

„Ich habe gehofft, das könntest du mir sagen!“, gab Jenny erschrocken von sich.

Das Pentagramm drehte sich plötzlich und stieg in die Luft bis es Jenny bis zur Hüfte reichte.

„Verdammt, was passiert hier?“ Ängstlich versuchte sie, sich aus diesem Pentagramm zu befreien, aber es war, als wären ihre Füße auf dem Boden festgeklebt. Egal was sie auch versuchte, sie konnte sich nicht rühren.

„Mach einfach, dass du da runter kommst!“, brüllte Tina sie verzweifelt an.

„Würde ich ja gerne, aber ich kann mich nicht rühren!“, grinste sie verlegen.

„Was meinst du damit, hör auf mit dem Mist!“ Beängstigt reichte Tina ihr die Hand und versuchte, sie aus dem Pentagramm zu ziehen.

„Es ist, als wären meine Füße festgeklebt oder so!“ Sie versuchte, Tinas Hand zu erreichen und erwischte sie erst, nachdem Tina ängstlich wieder einen Schritt auf sie zumachte. Sie hielt sie so fest, als ginge es um Jennys Leben. Von wegen keine Kraft. Jenny hatte das Gefühl, als würde sie ihr die Hand zerquetschen. Tina versuchte alles, um sie da raus zu bekommen, doch in dem Moment, als sie all ihre Kraft zusammen hatte, schoss grelles Licht nach oben und nach unten. Das Pentagramm glühte förmlich und drehte sich noch schneller.

„Jenny...!“, schrie Tina und versuchte noch immer angestrengt, sie da weg zu ziehen.

„Lass mich bitte jetzt nicht im Stich! Tina hilf mir!“, hörte Tina noch wie einen einsamen Schrei im Wind bevor Jennys Hand aus ihrer rutschte und sie nur noch ihre Fingerspitzen spürte.

„Jenny...!“ Schließlich spürte sie auch Jennys Finger nicht mehr. Erst als das Pentagramm wieder langsam auf den Boden sank und das Licht erlosch, bemerkte sie, dass ihre Freundin verschwunden war.

Verzweifelt sank Tina auf die Knie und ihr Blick haftete auf dem leeren Pentagramm. Die Tränen liefen ihr über die Wangen und sie zitterte am ganzen Körper. Sie verstand die Welt nicht mehr und auch das Denken hatte sie komplett eingestellt. Gerade noch hatte sie mit Jenny herumgealbert und jetzt war sie samt dem grellen Licht verschwunden. Selbst für Tinas Verstand war das eindeutig zu viel. Wie konnte das sein? Ihre beste Freundin verschluckt von einem Licht, das aus diesem verdammten Pentagramm kam.

„Jenny!“, schluchzte sie zitternd am ganzen Körper. Doch sie bekam keine Antwort.

Erst als Frau Peters sie ansprach, realisierte sie richtig, was gerade geschehen war.

„Was ist hier los? Was habt ihr zwei jetzt schon wieder angestellt?“, wollte Frau Peters erbost wissen.

„Jenny, sie... sie ist weg! Das Pentagramm... es hat ... sie verschlungen!“, gab Tina atemlos und verwirrt von sich.

„Blödsinn! Was heckt ihr jetzt wieder aus? Jenny komm sofort her und hör mit dem Blödsinn auf! Sonst schreibst du die Hausordnung bis an dein Lebensende ab, das schwöre ich dir! Hast du mich verstanden?“ Frau Peters sah sich sauer und suchend in der Gegend um.

„Sie sagt die Wahrheit, Frau Peters. Ich habe es auch gesehen!“, gab Peter, ihr Lieblingsschüler, schließlich zitternd und blass von sich.

„Das... das kann doch nicht sein. Das ist unmöglich. Wieso erzählst du jetzt auch noch so einen Mist?“ Sie sah den verzweifelten Peter durchdringend an, der abweisend mit den Händen winkte.

„Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Glauben Sie mir, das Pentagramm hat sie geschluckt!“ Er wurde er immer blasser. Er war es nicht gewohnt, dass Frau Peters ihm nicht glaubte.

„Das ist doch absoluter Mist. Die setzen dich bestimmt mit irgendwas unter Druck. Gib es endlich zu!“ Auch Frau Peters wurde langsam nervös. Nur wegen diesem Direktor und dem dämlichen Unterrichtsstoff hatte sie eine Schülerin verloren. Das durfte man wirklich keinem Menschen erzählen. Und diese Geschichte mit dem Pentagramm war auch an den Haaren herbeigezogen. Und außerdem war das Ganze nur eine blöde Legende. Eine Geschichte, die sich jemand ausgedacht hatte, und an der kein Fünkchen Wahrheit war. Sie glaubte noch immer, dass Jenny sich irgendwo versteckte, aber diesmal würde sie einige Schritte zu weit gehen.

„Also, Schluss jetzt. Wo ist sie? Entweder ihr sagt mir sofort wo sie ist oder ihr könnt alle drei die Hausordnung für ein Jahr abschreiben!“, stemmte sie die Fäuste in die Hüften und lief vor Wut rot an.

Inzwischen hatten sich auch die anderen Schüler um sie versammelt und diskutierten lautstark über das, was Tina und Peter von sich gaben. Kein Wunder, dass ihnen keiner glaubte. Tina würde es auch nicht, hätte sie es nicht selber miterlebt.

„Es ist die Wahrheit!“, schrie Tina sie jetzt mit Tränen in den Augen an. Frau Peters hockte sich neben sie hin und berührte vorsichtig und noch immer ungläubig das Pentagramm. Tina hatte sich ihr gegenüber noch nie so verhalten und Peter war immer derjenige, der sie über alles aufklärte, was ihre Schüler so trieben. Es konnte doch nicht wirklich sein, dass die zwei die Wahrheit sagten?

„Das kann doch nicht sein. Es ist doch nur eine Legende“, gab sie schließlich von sich. Sie kämpfte mit dem Gedanken, dass es wahr sein könnte, aber da die Zwei sie schon oft aufs Korn genommen hatten, war die Angst, wieder Mal auf eine ihrer Lügengeschichten hereinzufallen, größer als das, was Tina und Peter sagten. Auch wenn sie noch so verzweifelt taten. Diese Geschichte war einfach zu unglaublich, als dass sie wahr sein konnte.

Nachdem Frau Peters die Polizei benachrichtigt hatte, wurden Tina und Peter als Augenzeugen vernommen. Klar, dass ihnen diese Geschichte keiner abkaufen wollte. Aber etwas anderes konnten die zwei nicht berichten.

Erst viel später am Abend fand Tina einen Artikel im Internet, in dem von der Legende berichtet wurde. Den wichtigsten Teil hatte man den Schülern einfach vorenthalten, nämlich, dass jemand auserwählt würde, der alle Kräfte vereint. Kraft, Mut, Selbstvertrauen und Gerechtigkeit. Und das allerwichtigste von allem, es musste ein Mädchen mit einem Rosenmal sein. Jemand, der alles daran setzte, die Erde zu retten und die Macht wieder gleichmäßig zu verteilen.

Und wenn Tina ehrlich war, trafen alle diese Eigenschaften auf Jenny zu. Auch ein Mal in Form einer Blume hatte sie schon beim Schwimmbadbesuch auf Jennys Haut gesehen. Aber glauben konnte sie es trotz allem immer noch nicht.

Die Legende von Maja

Подняться наверх