Читать книгу Die Legende von Maja - Bianka Mertes - Страница 6

Kapitel 3

Оглавление

Frau Peters, eine Frau an die fünfzig, die nicht gerade mit der Mode ging und schon einige graue Haare hatte, teilte die Arbeitsblätter aus und wie immer wurden Jenny und Tina auseinandergesetzt. Sie glaubte immer, dass Jenny abschrieb. Als würde sie so was machen. Na ja manchmal. Aber bis jetzt hatte sie noch nie jemand erwischt.

Sie sah sich den Zettel an und freute sich über die erste Aufgabe, bis sie sich die Zweite und Dritte ansah. Die Erste war die gleiche, die sie mit Tina geübt hatte, bevor sie keine Lust mehr hatte. Doch jetzt verfluchte sie ihre Lustlosigkeit. Denn die nächsten Aufgaben waren genau die, die sie nach Tinas Verabschiedung alleine geübt hatte. Vergebens. Verdammt, jetzt würde sie wieder nicht das strahlende Gesicht ihrer Mutter sehen können. Denn über eine Vier würde sie wohl wieder nicht hinaus kommen. Die erste Aufgabe war schnell gelöst und bei den nächsten hätte sie genauso gut einen Würfel benutzen können.

Sie versuchte, die Lösungen von der Ersten abzuleiten und schrieb dann schließlich die Ergebnisse hin, die sie am ehesten vermutete. Ausnahmsweise kam ihr Gehirn sogar auf Touren. Wer hätte das gedacht.

Schließlich klingelte es zur Pause und sie war froh, den Stift endlich aus der Hand legen zu dürfen. Sie hatte zwar alle Aufgaben gelöst, aber wer wusste schon, ob die Ergebnisse auch stimmten. Jetzt war ihr Gehirn vollkommen überfordert und hatte sich redlich eine Pause verdient.

Frau Peters sammelte die Arbeiten ein und entließ ihre Schüler in die willkommene Pause.

„Und, was hast du für ein Gefühl?“, wollte Tina nach der Arbeit unterwegs zum Pausenhof wissen. Sie selbst musste lachen, als sie die Aufgaben sah, denn eine so leichte Arbeit hatte sie schon lange nicht mehr geschrieben. Nicht nur, dass die Aufgaben einfach waren, für Tina war die ganze Arbeit schon fast ein Witz gewesen. Ein bisschen schwerer hätte es Frau Peters schon machen können. Tina liebte das Lösen von Matheaufgaben, die sie herausforderten.

„Frag mich doch so was nicht! Aber ich glaube, ich war diesmal gar nicht so schlecht. Hoffentlich stimmen auch die Antworten. Mein ganzer Kopf dreht sich und mir ist schlecht. Bekommt man vom Denken eigentlich auch eine Gehirnerschütterung?“, lächelte Jenny und hielt sich den Kopf während sie eine Grimasse schnitt.

„Nicht, dass ich schon einmal davon gehört habe! Obwohl, bei dir wäre ich mir da nicht so sicher!“, stichelte sie ihre Freundin.

„Wird schon gut gegangen sein, schließlich haben wir das ganze Wochenende geübt. Nach der Pause haben wir Geschichte, oder?“, grübelte Tina über den Stundenplan nach. Noch eins ihrer Lieblingsfächer. Sie war fasziniert von den alten Brauchtümern und Kulturen. Wenn sie wenigstens Frau Peters nicht in Geschichte hätten. Ihr Unterricht war ziemlich eintönig und Tina schlief meistens fast ein. Alles, was sie da erzählte, hatte Tina sich schon selbst aus Büchern beigebracht und wollte eigentlich endlich mal über etwas anderes reden. Doch Frau Peters war davon überzeugt, dass es nichts Wichtigeres als das Römertum gab. Man hätte meinen können, dass sie selbst dabei gewesen war.

„Ja genau, bei deiner Lieblingslehrerin!“, versetzte Jenny ihr einen kleinen Rippenstoß und lachte. Selbst für Jenny war der Matheunterricht aufregender als Geschichte und das sollte ja schon etwas heißen.

„Vielleicht kommt ja auch mal ein spannendes Thema und nicht immer nur die langweiligen Römer!“ Gelangweilt ging sie den Stoff noch einmal im Kopf durch, denn, wie sie Frau Peters kannte, würde sie sicherlich wieder eine Hausaufgabenüberprüfung schreiben lassen. In Geschichte war sie ein richtiger Drachen. Doch auch das war keine Herausforderung für Tina. Sie kannte sie jetzt schon seit der vierten Klasse und hatte sich nie geändert. Manchmal fragte sich Tina, warum eine Frau wie Frau Peters nicht mehr aus sich machte. Wenn sie wenigstens ab und zu ein wenig Make Up auftragen würde, wäre sie wahrscheinlich gar nicht so hässlich. Und natürlich müsste sie auch ihre Kleiderwahl überdenken, denn mit dem blassgrauen, knielangen Kleid, das dazu auch noch weit geschnitten war, glich sie eher einer alten Zofe anstatt einer modernen Lehrerin. Aber das würde Tina wohl nicht mehr erleben.

„Ach komm schon, das ist die letzte Stunde, die werden wir jetzt auch noch überleben!“, stöhnte jetzt auch Jenny. Sie schien gerade denselben Gedanken gehabt zu haben.

Sie wurden aus ihren Gedanken gerissen, als es zur nächsten Stunde klingelte und dabei hatten sie nicht mal ihre Bücher aus dem Schließfach geholt. Sie beeilten sich, um noch vor Frau Peters im Klassenzimmer zu sein, denn sie verstand überhaupt keinen Spaß, wenn jemand zu spät kam. Jenny musste schon oft genug die Hausordnung abschreiben.

„Verdammt, das war knapp!“, rangen Jenny und Tina nach Luft. Gerade als sie saßen, kam sie auch schon hereingeschneit, warf wie immer ihre Bücher auf das Pult und ließ sich stinksauer auf ihren Stuhl sacken. So hatten sie sie noch nie erlebt. Nicht einmal, wenn sie Blödsinn anstellten, was ziemlich häufig vorkam, war sie so drauf. Sie waren gespannt, was jetzt wieder los war.

Jenny wartete auf den Standardspruch „Hefte raus, Hausaufgabenüberprüfung.“ Doch diesmal wartete sie vergebens. Sie sah fragend zu Tina herüber, aber auch sie zuckte nur verdutzt mit den Schultern.

„Also gut“, stöhnte sie, „da der Direktor meinte, ich soll euch mehr über unsere Geschichte beibringen“, schüttelte sie sich vor Ekel, „werden wir das jetzt tun. Auch wenn ich ganz und gar nicht dieser Überzeugung bin!“ Jenny musste innerlich lachen. Man sah ihr an, dass sie nicht gerade begeistert von der Entscheidung des Direktors war. Alles, was von ihrem Stundenplan abwich, war Humbug. Da hatte sich der Direktor wohl das erste Mal in seinem Leben bei ihr durchgesetzt. Vielleicht hatten sie Glück und es kam endlich mal ein spannenderes Thema als die Römer dran.

„Ich werde euch die Legende der weißen Rose vorlesen und ihr werdet bis zur nächsten Stunde einen Aufsatz darüber schreiben und nächste Woche werden wir dann noch zu allem Überfluss an den Ort des Geschehens fahren!“, gab sie ein gelangweiltes Stöhnen von sich. „Aber denkt dran, dieser Aufsatz macht die Hälfte eurer Zeugnisnote aus! Gut, dann zu dieser Legende“, stöhnte sie wieder, „es geht um zwei unterschiedliche Kulturen. Der japanischen und unserer und, wie schon der Name sagt, um eine weiße Rose!“, stockte sie und allen war klar, dass Frau Peters mit diesem Thema vollkommen überfordert war.

„Nein, das ist mir doch zu dumm. Ich gebe euch die Blätter, lest es euch selber durch. Erstens bin ich nicht in einer Vorlesestunde und zweitens habe ich keine Zeit für so einen Blödsinn. Ich muss mich um wichtigere Themen kümmern!“ Und welches Thema das war, wusste sogar Jenny, ohne groß nachzudenken. Sie ließ Peter, einer ihrer Lieblingsschüler, die Blätter austeilen, setzte sich wieder an ihr Pult und steckte ihre Nase in das dicke Geschichtsbuch.

Das roch ganz nach Selbstaufgabe. Immer noch besser als das langweilige Geplapper von Frau Peters, wovon eh fast alle einschliefen, und besser, als einen Test zu schreiben und da freute sich Frau Peters schon jeden Tag drauf. Da sie die Römer so sehr liebte, wurde sie auch regelmäßig von den Schülern damit aufgezogen und konterte jedes Mal damit, dass sie einen ganzen Aufsatz von mindestens zehn Seiten schreiben mussten. Da überlegte man sich das dann doch.

Jenny nahm das Blatt in Empfang und legte es vor sich hin. Leise begann sie zu lesen.

Die Legende der weißen Rose!

Einst, vor jetzt mehr als fünfhundert Jahren, war eine Zeit der Hoffnung und des Friedens angebrochen. Nur einer der Stammesführer wollte immer mehr an Macht als ihm Zustand und wollte sich mit der ganzen Welt anlegen. Sein Name war König Malvin, der Herrscher der südlichen Länder.

Doch die restlichen drei Könige der nördlichen, westlichen und östlichen Länder waren nicht damit einverstanden, was er tat und stellten ihm ein Ultimatum.

König Malvin jedoch dachte nicht im Traum daran, sich durch ein Ultimatum von seinem habgierigen Unterfangen abbringen zu lassen.

Er stellte eine Armee zusammen und ließ die drei Könige und seine Nachkommen töten, damit er als alleiniger Herrscher des Landes sein Ziel erreichen konnte.

Nur das Kind des Königs aus dem Norden, seines eigenen Bruders, konnte er nicht töten lassen. Er zog es wie sein eigenes auf, da seine Frau keine Kinder bekommen konnte.

Nach fünfzehn Jahren Krieg hatte er bereits über die Hälfte der Weltmacht an sich gerissen und zog nach Japan ein.

Der damalige Kaiser Sato jedoch ließ Nachforschungen anstellen und fand sein düsteres Geheimnis heraus. Der Junge, den König Malvin fünfzehn Jahre lang aufgezogen hatte, war in Wirklichkeit ein Mädchen gewesen, die eine unglaubliche Kraft hatte und in der Kriegskunst eine der Besten war.

Kaiser Satos Sohn Akira hatte den Befehl, dieses Mädchen zu entführen und dem König ein Ultimatum zu unterbreiten. Sollte er es nicht in einer vereinbarten Zeit schaffen, alle seine Truppen abzuziehen und seine Macht wieder aufzuteilen, würde dieses Mädchen eines schrecklichen Todes sterben.

Kaiser Sato allerdings hielt sich nicht an die Abmachung und ließ dieses Kind trotz allem töten. Doch geschah an diesem Tag etwas Merkwürdiges. Ihr Geist erschien Kaiser Sato und schwor Rache, bevor sie verschwand und hinterließ eine weiße Rose, die erst verblüht, wenn ihre Seele wieder mit ihrem Körper vereinigt wäre. Sie würde die Welt und all ihre Bewohner, die mit ihrem Tod zu tun hatten, vernichten.

Einige erzählten, dass sie in ein Kind fuhr und auf den Tag ihrer Rache wartete. Doch bis zum heutigen Tage war von ihrer Rache noch nichts zu spüren. Nur die weiße Rose des Lebens blüht noch heute und verwelkte nie. Ein Zeichen, dass sie noch immer irgendwo umher wandelt und auf den Tag ihrer Rache wartete oder, dass sich jemand findet, der in ihrem Namen die Geschichte ändert und ihr den Thron zurück gibt, der ihr von Geburt an zugestanden hatte!“

So konzentriert war Jenny in Frau Peters Unterricht schon lange nicht mehr. Und sie überflog die Zeilen gleich noch ein zweites Mal. „Wow, ein Mädchen, dessen Seele Rache schwört“, dachte sie darüber nach. Das war doch viel interessanter als die Römer. Sie fing gerade noch einmal zu lesen an, als es zur Pause klingelte. Alle packten wie wild ihre Sachen zusammen, um endlich aus dem Unterricht in den verdienten Feierabend zu kommen.

„Denkt an den Aufsatz!“, hörten Tina und Jenny Frau Peters noch rufen, als sie schon auf dem Flur waren.

„Hey, sag mal, was war das denn gerade? So kenne ich Frau Peters gar nicht!“, versuchte Tina, durch das Getümmel im Flur auf den Schulhof zu gelangen.

„Frag mich was Einfacheres. Vielleicht ist der Direktor von den Römern auch genervt!“ Sie wurde von einem blonden Jungen angerempelt. Noch ein paar Stufen und dann hätten sie es endlich auf den Schulhof geschafft. Es war furchtbar, wenn die Schlussglocke läutete, dann ging im Schulgebäude alles drunter und drüber. Jeder wollte der Erste sein, der nach Hause kam und keiner nahm Rücksicht auf den Anderen. Endlich, geschafft.

Jenny streckte erst einmal ihre müden Knochen und wandte sich dann wieder an Tina.

„Sag mal, glaubst du, dass die Geschichte wirklich wahr ist?“, wollte sie von Tina auf dem Nachhauseweg schließlich wissen. Sie durfte gar nicht daran denken, eines Tages von einer Seele Besuch zu bekommen. Ihr ganzer Körper kribbelte schon bei der Vorstellung. Nicht, dass sie Angst vor einem Geist hatte, aber alleine die Vorstellung, dass eine Seele die Welt und damit auch sie vernichten könnte, reichte schon. Aber wie schon gesagt, es war nur eine Geschichte. Und wer glaubte schon an so etwas? Aber es war auch eine Legende und sind Teile einer Legende meistens nicht auch auch wahr? Oh verdammt, was geschah hier eigentlich? Sie dachte nach, das konnte doch nicht wahr sein. Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie die Gedanken so aus ihrem Kopf vertreiben.

„Was ist denn mit dir los?“, musterte Tina sie grinsend. „Es sieht so aus, als würde dein Kopf gleich platzen!“

„Aber Mal ganz im Ernst, an so einer Legende soll immer etwas Wahres sein. Ich bin mal auf den Ort des Geschehens gespannt. Weißt du, wo das sein soll? Also ich für meinen Teil habe noch nie etwas von „Sorola“ gehört. Du etwa? Wo soll das überhaupt sein?“, dachte Tina laut nach. Sofort fing Jennys Gehirn wieder an zu arbeiten. Der Ort sollte nicht weit von der Schule entfernt sein. Also hätten sie doch eigentlich schon einmal was davon hören müssen. Sie waren beide hier aufgewachsen und kannten so gut wie jeden Winkel in dem kleinen Örtchen, trotzdem kam ihr „Sorola“ nicht bekannt vor. Merkwürdig.

„Keine Ahnung, aber wir werden es bald wissen. Allerdings muss ich sagen, dass mich diese Geschichte echt zum Nachdenken angeregt hat. Und das ausgerechnet mich!“, versuchte sie zu witzeln. Aber irgendwie ging ihr diese Legende unter die Haut und sie wusste einfach nicht warum. Sie hatte früher als Kind schon viele Geistergeschichten gelesen, aber das hier war etwas anderes. Wenn sie sich vorstellte, dass eine Seele ihr Leben bestimmen könnte und dann auch noch die Welt davon abhinge, wurde ihr plötzlich ganz anders. Anderseits wäre sie gerne selbst dabei gewesen, denn so etwas geschah ja schließlich auch nicht alle Tage und wer weiß, vielleicht hätte sie ja was dagegen unternehmen können. Oh Mann, sie war gerade am Durchdrehen. Das Denken war zu viel. Sie spann sich sogar schon Dinge zurecht, die nie passieren würden und wahrscheinlich nie passiert waren. So ein Quatsch.

„Hallo, ist wirklich alles in Ordnung?“, musterte Tina ihre Freundin. Erst jetzt hatte sie mitbekommen, dass Tina mit ihr redete.

„Ja, ja alles Bestens. Ich habe nur gerade gedacht, dass das Thema eigentlich ganz interessant ist. Vor allem der Teil mit dieser Blume!“

„Du meinst die Rose?“, sah Tina sie fragend an.

„Ja, von mir aus auch Rose. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Rose über mein Leben bestimmt und schon gar nicht eine Seele. Das mache ich doch lieber selber! Auch wenn ich in der Schule keine Leuchte bin!“, grinste sie schließlich.

„Egal, ob Leuchte oder nicht, du bist und bleibst meine beste Freundin und da kommt auch so eine Seele nicht zwischen!“, hakte sie sich bei Jenny ein.

„Da bin ich auch stolz drauf!“, grinste sie jetzt breit.

„Das solltest du auch!“, lachte Tina.

Doch Jenny ließ der Teil mit der Rose nicht mehr in Ruhe. Nachdem sie zu Hause war, machte sie sich über ihren Computer her. Sie musste mehr darüber herausbekommen. Vielleicht fände sie ja sogar eine Wegbeschreibung zu dem Ort der Legende, von dem sie nie etwas gehört hatte. Aber merkwürdig war es schon. Sie lebte so lange hier und hatte alle Ecken ausgekundschaftet, aber „Sorola“ war ihr vollkommen unbekannt.

Auch im Internet fand sie nichts darüber. Vielleicht hatte sich bis jetzt noch nie jemand mit der Legende auseinander gesetzt. Das war eigentlich nicht möglich, oder? Aber woher wusste dann der Direktor davon? Fragen über Fragen auf die sie jetzt wohl keine Antwort bekommen würde. Sie hatte keine andere Wahl, als bis auf den Ausflug zu diesem Ort zu warten. Und für ihren Kopf war es auch besser.

Der nächste Tag. Jenny hatte die ganze Nacht über die Legende nachgegrübelt. So etwas passierte ihr eigentlich nur, wenn es um wichtigere Sachen als Schule ging. Darüber hatte sie die Mathearbeit komplett vergessen. Heute würde sich ihre Zeugnisnote entscheiden. Oh Mann.

Tina war bereits im Klassenzimmer und wartete auf sie.

„Einen wunderschönen guten Morgen!“, zwitscherte sie ihr fröhlich entgegen.

„Morgen!“, gab Jenny noch immer müde zurück.

„Na komm schon, so schlimm kann die Arbeit auch nicht ausfallen. Sag mal, hast du schlecht geschlafen?“, sah sie ihre Freundin ernst an.

„Kann man wohl sagen. Ich habe kaum ein Auge zubekommen!“, gähnte Jenny.

Tina wollte gerade noch etwas erwidern, da betrat Frau Peters das Klassenzimmer. Sie warf wie immer ihre Unterlagen auf den Schreibtisch und nahm das Klassenbuch zur Anwesenheitskontrolle heraus. Dann war es soweit, sie wedelte mit den Klassenarbeiten vor den Nasen der Schüler herum.

„Wie ihr wisst, ist diese Arbeit die wichtigste von allen. Schließlich entscheidet sie über die endgültige Note auf dem Zeugnis und ich muss wirklich zugeben, dass ich angenehm überrascht war! Natürlich habt ihr bis zur nächsten Stunde die Arbeit zu berichtigen, auch wenn es die letzte war!“ Dann teilte sie die Arbeiten aus und einer nach dem anderen freute sich über eine gute Note. Widerlich, dachte Jenny, aber dieses eine Mal war sie auch eine von denen, die sich eine gute Note erhofften. Tina bekam ihre als erstes und nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, fiel diese wie immer aus. Jenny musste bis zuletzt warten. Als ob die das mit Absicht machte. Bevor sie ihr die Arbeit auf den Tisch legte, sah Frau Peters Jenny durchdringend an, als wollte sie ihr damit mitteilen, dass sie noch heraus bekommen würde, wie sie das gemacht hatte.

Langsam drehte sie den Zettel, der ihr so viel Kopfzerbrechen bereitet hatte, um. Und fiel fast rittlings vom Stuhl. Um einen Aufschrei zu unterdrücken, hielt sie sich beide Hände vor den Mund. Vorsichtshalber sah sie noch einmal auf die Note. Vielleicht hatte sie sich ja verlesen, aber es war wie es war. Eine glatte Zwei. Eine Zwei. Am liebsten hätte sie laut geschrien und dachte schon an das verdutzte Gesicht ihrer Mutter, wenn sie die Arbeit sehen würde. Wow, eine Zwei, also hatte sich das Wochenendlernen tatsächlich ausgezahlt. Sie strahlte so hell wie die Sonne.

In der Pause umarmte sie Tina stürmisch, die sie verdutzt ansah. Sie hatte ihr die Note im Klassenzimmer noch nicht verraten.

„Womit habe ich das denn verdient?“

„Dreimal darfst du raten!“ Tina zuckte nur mit den Achseln.

„Woher soll ich wissen, was in deinen verdrehten Gehirnzellen wieder los ist!“, lachte sie und stupste ihr mit dem Zeigefinger gegen den Kopf.

„Eine Zwei, ich habe eine Zwei in der Mathearbeit. Mann, du hast meine Zeugnisnote gerettet!“, grinste Jenny von einem Ohr zum anderen.

„Das hast du dir wohl eher selber zuzuschreiben. Ich habe nur eine kleine Hilfestellung gegeben. Aber gut, dass Frau Peters uns auseinandergesetzt hat, sonst glaubt sie vermutlich noch, du hättest abgeschrieben!“ Stolz klopfte sie ihrer Freundin auf den Rücken.

„Ich habe das dumpfe Gefühl, dass sie das trotzdem glaubt!“ Sie dachte an das Gesicht, das sie machte, als sie ihr die Arbeit überreicht hatte.

„Egal was soll’s. Freu dich darüber, egal was die denkt!“, lächelte Tina sie freudig an.

„Das tue ich und frag nicht wie. Ich bin auf das Gesicht meiner Mutter gespannt. Am liebsten würde ich sie ihr sofort unter die Nase reiben!“, lachte sie.

„Aber da sieht man mal wieder, was lernen so ausmacht!“, meinte Tina schließlich.

„Jetzt komm nicht auf den Gedanken, dass ich jeden Tag am Schreibtisch sitze und meine Bücher wälze!“, sah Jenny sie entgeistert an.

„Keine Sorge, dafür kenne ich dich schließlich gut genug!“, grinste Tina breit. Jenny fiel ein Stein vom Herzen, denn auch sie kannte ihre Freundin lange genug, um zu wissen, dass nicht alles ein Scherz war, was sie sagte.

Endlich klingelte es zum Schulende. Jenny rutschte die letzten Minuten bis zum rettenden Glockenläuten aufgeregt auf ihrem Allerwertesten herum. Sie wollte endlich nach Hause und in das erstaunte Gesicht ihrer Mutter blicken, wenn sie ihr die freudige Nachricht überbrachte. Tina musste lachen, als sie ihre Freundin dabei beobachtete, wie schnell sie ihre Sachen in ihre blaue Umhängetasche schmiss. Nicht, dass sie sonst wirklich Wert darauf gelegt hätte, ihre Sachen anständig zu verstauen, aber diesmal war es noch extremer. Nachdem sie sich zu ihr gesellt hatte und auch noch das letzte Heft in Jennys Tasche verschwunden war, grinste sie sie glücklich an.

„Komm schon, ich muss nach Hause!“ Tina lachte nur und folgte ihrer sichtlich aufgeregten Freundin, die wie auf einen Pistolenschuss losrannte und erst wieder vor ihrer Haustür zum Stehen kam. Außer Atem klingelte sie Sturm. Sie hatte keine Zeit jetzt noch den Haustürschlüssel aus ihrer Tasche zu suchen. Endlich wurde die weiße Haustür aufgerissen und ein verdutztes Gesicht schaute heraus.

„Hast du wieder mal deinen Schlüssel verloren?“, stemmte Laura ihre Hände in die Hüften und sah jetzt eher etwas sauer aus.

„Nein, viel besser!“, gab Jenny zurück, nachdem sie nicht wirklich registriert hatte, was ihre Mutter sie gerade gefragt hatte. Aufgeregt hielt sie ihr die Mathearbeit unter die Nase. Laura schob sie erst einmal etwas zurück, um überhaupt erkennen zu können, womit sie da herumflatterte. Aufgeregt tänzelte Jenny von einem Fuß auf den anderen.

„Na was sagst du?“, grinste sie breit in das Gesicht ihrer Mutter, als diese erstaunt erst zu ihrer Tochter und dann zu Tina schaute.

„Wen hast du bezahlt, um die zu schreiben?“ Tina lachte lauthals los und Jenny machte ein schmollendes Gesicht.

„Nein, im Ernst. Das hast du klasse gemacht!“ Sie zog ihre Tochter zu sich und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. „Ich bin echt stolz auf dich!“

Jenny strahlte heller als die Sonne.

„Vielleicht könnten wir das ja auch drin besprechen?“ Jenny hatte nicht Mal bemerkt, dass sie immer noch im Hauseingang standen. Lachend folgten sie Laura ins Wohnzimmer. Sie ließ sich zufrieden auf den braunen Ledersessel fallen, der leise quietschte, als die Luft aus ihm verflog. Erstaunt sah sie in die grinsenden Gesichter der anderen.

„Ich glaube, langsam aber sicher brauchen wir doch mal neue Möbel!“, grinste auch sie.

Ihre Mutter hatte das Wohnzimmer in braun gehalten, da sie die Möbel noch mit ihrem verstorbenen Mann gekauft hatte. Jenny hatte ihren Vater nie kennengelernt und kannte ihn nur von den Erzählungen ihrer Mutter. Aber das Wohnzimmer konnte sie langsam wirklich nicht mehr sehen. Klar, dass ihre Mutter daran hing, aber irgendwann musste sie ja mal einen Schlussstrich ziehen, und wenn es nur mit neuen Möbeln war. Das einzige Möbelstück, an dem sie auch hing, war die alte Vitrine, in der ihre ganzen Auszeichnungen von den Sportwettkämpfen standen, aber von allem anderen hätte sie sich schon längst getrennt. Sie hatte lieber weiß und Lila und genauso hatte sie auch ihr Zimmer eingerichtet. Die Wände weiß und die Möbel lila und so fühlte sie sich pudelwohl. Das war doch die Hauptsache, oder?

„Ich habe eine gute Idee! Als Belohnung darfst du dir heute das Essen aussuchen, na, wie ist das?“, strahlte Laura und ignorierte damit die Aussage ihrer Tochter. Auch wenn sie wusste, dass Jenny Recht hatte, aber es fiel ihr trotz allem immer noch schwer, sich von diesen Sachen zu trennen. Sie waren das Einzige, was sie noch von ihrem Mann hatte. Vielleicht irgendwann, wenn sie soweit war, würde sie ihre Wohnung neu einrichten.

„Ok, dann gibt es heute Abend Pizza!“, jubelte Jenny. Eines ihrer Ausnahmegerichte. Da sie viel Sport trieb, musste sie eben auf einige Lebensmittel verzichten. Aber heute hatte sie sich das wirklich verdient.

„Oh Mann, hab ich den Bauch voll!“ Jenny räkelte sich auf ihrem Bett, dass sie liebevoll mit einem Bettbezug bezogen hatte, auf dem lauter lila Herzchen waren und hielt sich den Bauch fest.

„Das kannst du laut sagen, ich auch. Aber die war auch lecker!“, gab Tina zurück und bei den Gedanken an die leckere Pizza leckte sie sich über die Lippen.

„Oh ja. Ich glaube, morgen muss ich ein paar Extrarunden um den Sportplatz laufen, damit ich die Pfunde wieder runter bekomme!“, lachte sie.

„Das kannst du aber alleine machen, da behalte ich lieber die paar Pfunde!“, gab Tina schlagartig zurück.

„Keine Angst, ich hatte auch nicht vermutet, dass du mitmachst!“, lachte sie wieder.

„Da hab ich ja noch mal Glück gehabt!“ Tina strich sich den unsichtbaren Schweiß von der Stirn. Jenny lachte nur.

„Aber jetzt Mal ganz ehrlich, morgen fahren wir zu dem Ort der Legende. Hast du irgendeine Ahnung, wo das sein soll?“, strich sich Jenny eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Nein, keinen Schimmer. Frau Peters macht da ein riesiges Geheimnis draus. Ich hoffe nur, dass es nicht regnet, denn darauf habe ich gar keinen Bock!“, stöhnte Tina.

„Ich glaube, das Wetter soll recht gut werden. Ich mache mir eher Gedanken darüber, dass sie uns danach einen Aufsatz schreiben lässt, da habe ich so gar keinen Bock drauf!“, grinste sie schief, sodass Tina sich bei ihrem Anblick an der Cola verschluckte.

„Davon kannst du ausgehen!“, lachte Tina und sah dabei auf ihre kleine blaue Armbanduhr.

„Oh Mann, schon so spät! Ich habe meiner Mutter versprochen, mich heute um meinen Bruder zu kümmern!“ Tina sprang von ihrem Stuhl auf und zog sich hastig die Jacke an.

„Alles klar, wir sehen uns ja morgen!“ Jenny brachte sie noch zur Tür und winkte ihr übertrieben zum Abschied.

Die Legende von Maja

Подняться наверх