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III
ОглавлениеS amantha, unsere Kleine mit der Stups-Nase, entwickelte sich prima, es war ein liebes, ruhiges und ausgeglichenes Kind und Papas ganzer Stolz. Sie bereitete uns keine Sorgen, hatte keine Wehwehchen, schlief nachts ohne Komplikationen durch und war ein sehr fröhliches Kind.
Die Zeit verging im Fluge, wir hatten uns alle sehr gut eingelebt, das Haus und die Außen-Anlagen waren fertig gestellt, bis auf ein paar unvollständige Elektroarbeiten, die von meinem Bruder Saulus nicht mehr zu Ende gebracht wurden, aber so war er und so blieb er auch weiterhin …
Das Ladengeschäft meiner Frau lief für die „östlichen“ Verhältnisse sehr gut und auch mein eigenes Konstruktionsbüro mit den Angestellten, wir hatten genug Arbeit und hinzu kamen die wöchentlichen Geschäftsreisen nach Bayern zu dem Fertigungsbetrieb, an dem wir Beide mit fünfzig Prozent beteiligt waren. Da wir auch hier von dem geschäftlichen Erfolg überzeugt waren, so hatten wir ohne großes Zögern, eine Bürgschaft in sechsstelliger Höhe übernommen.
Samantha wurde langsam ein Kleinkind und meine Frau musste sich wohl oder übel von ihrem italienischen Cabrio trennen, da dieses nicht für einen Kindersitz und einem Kinderwagen ausgelegt war. Eine kleine, handliche Familienkutsche musste her, später sollte auch noch ihr heiß geliebtes Motorrad, mit sehr wenig gefahrenen Kilometer „verscherbelt“ werden, weil eine Ladenvergrößerung mit Umzug anstand. Das aus dem Verkauf erstandene Kapital wurde in den erneuten Warenbestand investiert.
Samantha kam in den Kindergarten und wir konnten nun auf die Hilfe unseres Kinder- und Haus-Mädchens verzichten. Wir mussten nun alles etwas umorganisieren und die zusätzlichen Arbeiten, wie Abholung und Hinbringen zum Kindergarten sowie den Aufenthalt von Samantha, bis zum Ladenschluss meiner Frau, verteilen.
Die Nerven waren des Öfteren sehr angespannt und mit dem liebevollen Umgang war es nicht zum Besten bestellt, hinzu kam, dass die beruflichen Geschäfte und Aufträge nicht mehr so einträglich liefen. Nicht nur im Osten wurden die Lebenshaltungs-Kosten immer größer, die Menschen waren gezwungen, den Gürtel für Sonderausgaben wesentlich enger zu schnallen und sparten zuerst an den Dingen, die nicht notwendig waren und zu allem Übel, stagnierte die Bau-Wirtschaft.
Es sah garantiert nicht rosig aus und in dieser Phase der Rezession, ohne Staats-Unterstützung, hatten wir noch einen großen, vom Vermieter verursachten Wasserschaden im Ladengeschäft meiner Frau und in dem angegliederten Konstruktionsbüro. Das Ausmaß war erschütternd, mit Deckeneinsturz, zerstörter Ware, aufgequollenen Konstruktions-Zeichnungen, ein Weiterarbeiten war nicht mehr möglich und das in einer Phase, wo wir schon mit jedem Erlös rechnen mussten. Das Beste kam von dem beauftragten Gutachter, der „hamsterte“ sich erst einmal einige Sahnestücke aus dem Geschenkeladen, für sich ein und versprach darauf hin ein sehr kulantes Schätzgutachten zu erstellen, dies hatten unsere Landsleute in den Neuen Bundesländern schon einmal von uns „Wessis“ gelernt …
Die Ursache des Wasserschadens lag an dem Waschmaschinen-Zulaufschlauch, der ohne Schelle auf die Wasserleitung nur aufgeschoben war und die Leitung war nicht verriegelt, so teuer kann die Sparsamkeit von fünfzig Pfennige kommen und so manche Existenz zerstören …
Hier wurde sicherlich vom Hausherren an der falschen Stelle gespart, tausende Liter Wasser ergossen sich nachts durch zwei Etagen des Wohn- und Geschäftshauses und die vollgesaugten Lehmdecken wurden so zum Einsturz gebracht.
Nun war guter Rat wieder einmal sehr teuer, große Teile der Ware zerstört, Konstruktionspläne waren unbrauchbar geworden, die Einrichtung aufgequollen, überall Feuchtigkeit und Nässe und der Kampf mit der Versicherung begann. Für meinen Part des Konstruktionsbüros gab es kaum eine Entschädigung und meine „liebe“ Frau hielt sich mit der Höhe ihrer Abfindung im Stillschweigen, zeichneten sich hier bereits düstere „Gewitter-Wolken“ am Ehehimmel ab, probierte hier meine so „treue Gattin“ schon ihren Absprung …?
Ich kündigte meinen Mitarbeitern, musste mehrfach zum Arbeitsgericht und verlor den Prozess, obwohl ich an der Einsturz-Misere keine Schuld trug, aber das Gericht ging da wohl von anderen Prioritäten aus.
Meine Frau suchte sich neue unlukerative Geschäftsräume, preislich günstiger aber ohne Perspektive für die Zukunft. Mit viel zu viel Ehrgeiz gestaltete ich die neuen Geschäftsräume, denn dafür war ich immer noch gut genug und die Eröffnung ließ nicht lange auf sich warten. Die Kosten waren jedoch höher als der Erlös und so konnte es mit dem Zusatz-Geschäft nicht weiter gehen. In dieser unserer Zeit des Niederganges, gab es viel „Knatsch“ in unserer Ehe.
Der Laden im Innenhof eines Geschäftshauses an der Hauptstraße war ein Flop geworden und meine Frau wollte vor der Anmietung nicht auf meine Abneigung eingehen, sie wollte sich selbst verwirklichen …
Bei dem Fertigungsbetrieb in Bayern, an dem wir auch zur Hälfte beteiligt waren, stellten sich ebenfalls Probleme ein. Die eingesetzte Geschäftsleitung war überfordert und sie konnte trotz guter professioneller Ratschläge, das angeschlagene Schiff nicht manövrieren.
Die Lage war kurz gesagt: „Besch …“.
Die öffentlichen Auftraggeber hatten wegen ihrer leeren Kassen, keine Notwendigkeiten gesehen, pünktlich nach den Gesetzesvorgaben, zu den vereinbarten Terminen zu zahlen. Es war eine Zeit der Anspannung und wir mussten überall sparen und unnötige Geldausgaben vermeiden.
Die Geschäftsbanken engten uns in den Spielräumen stark ein, durch erforderliche Bürgschaften bei den öffentlichen Aufträgen war unser Spielraum des Dispo-Kredites sehr begrenzt, es fehlte das notwendige Geld für den Material-Einkauf und die anstehenden Löhne und Gehälter, obwohl die Außenstände beachtlich waren.
Die Finanzierung von Neuaufträgen wurde immer komplizierter, Anzahlungen gab es auch nur auf Bürgschaften und diese konnten so auch nicht mehr gewährt werden, ein Teufelskreis tat sich auf, ein Anfang vom Ende …
Konnte es hier überhaupt noch einen Ausweg geben?
Die gesamte Konjunktur in Deutschland und in der gesamten Welt bekam eine erschreckende „Delle“ und nur die Stärksten sollten überleben und sicherlich nicht die, die sich gerade einmal mit viel Geschick einen Anschluss erschaffen hatten. Die Arbeitslosenzahl stieg auf über vier Millionen Erwerbslose an, ohne die nicht genannten „Beschönigung-Zahlen“ der „ABM“, dies war die Arbeits-Beschaffungs-Maßnahme.
***
Die ersten grauen Wolken waren bereits über unseren so perfekt geglaubten Ehehimmel aufgezogen, die Sorgen um unsere Einkünfte, mein stärkerer, erforderlicher Einsatz in Bayern und all die kleinen Ungereimtheiten fanden nicht das Wohlwollen meiner Ehefrau. Wir lebten im Krisenmodus und ich wollte so schnell wie möglich, wieder Wasser unter den Kiel unseres „Lebens-Schiffes“ bekommen, mein Arbeitseinsatz wurde verstärkt, oft sahen wir uns nur am Wochenende.
In dieser Zeit der Anspannung, ließ die Busenfreundin meiner Frau und die Patentante von Samantha, von einem türkischen „Dönerdomteur“, ein Kind andrehen. Meine Frau hatte nun wieder eine Zusatzbeschäftigung und es herrschte reger Interessenausgleich und Bemutterung war angesagt. Die Fürsorge meiner Frau kannte keine Grenzen, erst war von einer geplanten Abtreibung die Rede, da diese Bettbeziehung sofort nach der Schwängerung beendet war und der Erzeuger wusste nichts von der Schwangerschaft, ahnte aber kurz vor der Geburt etwas, was dann zur extremen Geheimhaltung durch beide Frauen bestimmt wurde. Der gezeugte Junge wuchs später mit der Lebenslüge auf, „… dass sein Vater bei einem Unfall ums Leben gekommen war …“, im Geschichten erfinden waren diese beide Frauen unschlagbar, wie ich später noch feststellen sollte.
Die von meiner Frau so heiß geliebte Patentante von Samantha lebte nach ihrem Umzug von der Großstadt, in der für Ostdeutschland so typischen „Platte“. Ihr neues Zuhause war ab sofort in einer Plattenbau-Siedlung, das Haus sechs Stockwerke hoch, ringsum tristes Alltags grau, mit einigen bereits sanierten Häusern mit ansprechenden Fassadenfarben. Ihre Wohnung bestand aus einem Wohn-Schlafzimmer mit „Pfurzbalkon“, kleiner Küche, WC und Bad, dazu der „fantastische“ Ausblick in das Elend, vor dem Haus der berühmte Dönerstand, mit dem Helden des One Night Stand, hier war es schön, hier wollte sie bleiben?
In den folgenden Wochen hatte meine Frau viel Mühe, ihre Freundin davon zu überzeugen, dass man mit den Folgen einer „Liebesnacht“ nicht so oberflächlich umgehen sollte, der einfachste Weg der Abtreibung wurde verworfen. Meine Frau konnte sich bei ihrer Freundin durchsetzen und sie bekam die Bestätigung von ihr, dass die nun begonnene „Sache“ letztendlich auch zu Ende gebracht werden sollte. Der „Braten“ in der Röhre zeigte sich an der nun schon sichtbaren Wölbung und mit dem Nachwuchs sollte doch schon bald gerechnet werden. Die beiden Frauen beschlossen, eine größere Wohnung für die alleinerziehende Mutter zu suchen, zumindest taten Beide so, obwohl für mich ein anderer Weg bereits vorgezeichnet war und warum musste dies alles vor der Geburt sein, waren die Beiden „Hellseherisch“ unterwegs oder wollten sie mich nur hinter das Licht führen?
Tage und Wochen waren beide Frauen mit dieser Aufgabe überfordert und beschäftigt, ich bekam die neuesten „News“ stets am Wochenende aufs Tablett, nichts war so wichtig wie das Wohlergehen der Busenfreundin.
Viele Wohnung waren einfach nur Super, aber was hilft es, wenn das Portemonnaie dafür nicht ausreicht? Aber es sollte doch noch viel besser kommen, vielleicht in der Richtung, wo es gar nichts kostet …?
Eines Tages hatte mir meine sehr selbstbewusste Ehefrau dann klar gemacht, dass sie ihre Freundin nicht „so hängen lassen“ konnte und außerdem hatte sie ja niemanden, der ihr nachts zur Seite stand und wenn nachts was sein sollte, dann wäre niemand da, oh, oh wie schrecklich … , das waren doch „haarsträubende Argumente, schluchz …
Mir kamen die sprichwörtlichen Krokodils-Tränen … , um es kurz zu machen, meine Frau hatte mit ihrer Freundin beschlossen, dass die werdende Mutter am Monatsende in „unser“ Traumhaus mit einzieht, so geht im Osten eine „Ehe“ zu Dritt …
Ich war über diesen femininen Beschluss geplättet und brachte mein energisches Veto bei meiner Gattin vor, hier musste ich mir zum ersten Mal von „Pretty Woman“ sagen lassen, dass „unser“ Haus, „ihr“ Haus war und sie bestimme wer hier ein- bzw. auszieht! Ich bereute an diesem Tag, meine damalige Großzügigkeit und ahnte Schlimmes, denn es sollte noch „knüppeldicker“ von dieser Frau Kassandra kommen …
Jegliches Schamgefühl musste ich hier bei meiner Frau vermissen, ich hatte nichts gegen ihre Freundin, war ihr gegenüber hilfsbereit im Rahmen des Erlaubten, was jetzt hier ablief, dass schlug dem Fass den Boden heraus. Meine Frau besaß noch nie einen Cent an Gesparten, als ich sie kennen lernte. Sie hatte einen gut bezahlten Job, eine kleine angemietete Wohnung von ihrem Bruder, eine Katze, kein Verhältnis zu ihrem Vater, ein kleines Auto und eine schwere „Yamaha“ mit tausend Kubik, das war ihr kleiner Wohlstand.
Ich hatte meine „große Liebe“ bei unseren Kennenlernen noch aus den Schulden bei ihrem Exfreund auslösen müssen, so schnell kann man sich zum Reichtum „hochdienen“ oder wie man immer dazu sagen möchte …
Der Einzug in unser Wohnzimmer im ersten Stock war nur noch Formsache und doch sehr schnell vollzogen, die junge Frau im spät gebärenden Alter brachte nicht viel mit und der Rest kam von uns, denn in „kleinen“ Dingen waren wir immer sehr großzügig, auch wenn uns das Wasser selbst bis zum Halse stand. Die Baby-Grundausstattung war noch von Samantha vorhanden, dazu der Wickeltisch und die Babywanne, hatte ja alles nichts gekostet und was sollte der Geiz? Die werdende Mama hatte zum ersten Mal in ihrem Leben eine Familie mit Badbenutzung und was hatten wir, ich den geschwollenen Hals und kein zweites Wohnzimmer mit Kaminofen mehr, man kann doch nicht alles haben, nun war Teilen und Rücksichtnahme angesagt. Hatte ich mich für diese „Ost-Verhältnisse“ so ins Zeug gelegt, waren das meine Träume nach der ersten Scheidung oder war dies alles nur ein schlechter Film?
Unsere Ehe hatte sich in dieser Zeit zu einem „Beisammensein zu Dritt“ entwickelt, meine Frau zog sich immer mehr zurück und mit der Freundin war der Umgang ganz okay, wenn ich zu Hause war. Beide Frauen waren jedoch noch sehr mit den Vorbereitungen der nahenden Geburt beschäftigt und ich kam mir wie das fünfte Rad am Wagen vor. Aber auch bei den Frauen lief nicht alles nach Plan, die große Gemeinsamkeit der Anfangs-Tage, die Rücksichtnahme bei vielen Dingen, wie der Badbenutzung, Eigenheiten und die eigene Lebensweise, hatte bei den Frauen auch des Öfteren für Zoff gesorgt.
Ich wurde bei diesen sich häufenden Disputen, oft zum Ansprechpartner und zum Seelentröster. Meine Frau wurde verschlossenener und bereute wahrscheinlich ihre Handlungsweise wie den Ritt auf einer Rasierklinge, ich war mir sicher, sie plante damals schon ihren Ausbruch aus der Ehe und ihr neues Leben.
In dieser Zeit entdeckte ich meine Leidenschaft zum Kochen, irgend etwas braucht doch auch der Mensch, es bereitete mir viel Spaß und Freude „meine“ zwei Frauen zu bekochen. Meistens hatte ich deren seltsamen Geschmack getroffen und sogar hin und wieder auch ein Lob bekommen. Die Freundin war ein sogenannter „Kaltesser“, das spart Energie und Kochtöpfe, aber sie konnte sich doch an meinen Mahlzeiten erwärmen, ging doch ganz gut.
Der Tag der Geburt kam näher, meine Frau stand ihrer Freundin Händchen haltend zur Seite als es ins Krankenhaus ging, den Part des „verstorbenen“ Mannes übernahm meine Frau und sie stand auch im Kreißsaal ihr zur Seite. Nach einigen Tagen im Krankenhaus kam „das sorglos Rundumpaket“ zu uns ins Haus zurück. Wir hatten nun ein zweites Baby unter unserem Dach, dies führte auch im Ort zu Spekulationen, ob ich auch hier der stolze Vater war? Sacul war unser fünfter Bewohner, ein schmächtiges Bürschlein mit Kohlraben schwarzen Haaren, die türkische Herkunft, nähe Anatoliens konnte man nicht leugnen und unsere Wohngemeinschaft sollte noch einige Monate Bestand haben …
***
Samantha war nun schon zwanzig Monate alt und wir hatten einen wunderschönen Hochsommer zu verzeichnen, die schönste und wärmste Zeit des Jahres. Wir verbrachten unsere Freizeit in „unserem“ Traumhaus am Golfplatz, zum Teil im Garten, beim Grillen an unserer imposanten Grill-Anlage, selbstgebaut aus Uralt-Klinkersteinen, mit Freunden oder auch alleine, Abwechslung brachte unser solarbeheiztes Hallenbad. An den Wochenenden kamen, manchmal auch zu oft, meine Schwiegereltern zu Besuch, irgendwie war ich darüber froh, dass meine Frau wieder mit ihrem Vater klar kam. Ich legte auf Harmonie schon einen verstärkten Wert. Bis zu unserer Hochzeit war das Verhältnis zwischen Vater und Tochter doch sehr abgekühlt, um nicht zu sagen eingefroren. Über die Familienbande bin ich nie so richtig klar gekommen. Mit dem Schwiegervater war es scheinbar nie ganz einfach auszukommen, aber hier schaffte ich an einen seiner Geburtstage den familiären Durchbruch, wo wir unverhofft in die Feierlichkeiten, ohne Einladung hinein platzten. Wir waren zu dieser Zeit noch nicht verheiratet und es sollte mein Antrittsbesuch bei den Schwiegereltern in Spe werden.
Das Gesprächsthema der eingeladenen Geburtstagsgäste beschäftigte sich hauptsächlich, wenn man sich nichts zu erzählen hatte, mit Anekdoten aus der Vergangenheit und mit der Endlosschleife „Krankheiten“.
Jeder der Anwesenden hatte bestimmt ein bewegtes Leben hinter sich und sie gaben ihren Teil zum Besten, ich als das berühmte Mittelalter und Kassandra mit den jugendlichen Jahren konnten gar nicht so mitreden, denn jeder wollte die „bessere“ Krankheit, in seinem Leben überstanden haben. Krankheiten waren mir immer schon ein rotes Tuch, das Beste war, wenn man kein Wehwehchen pflegen musste. Hier entwickelte sich aber ein echter Wettstreit unter den geladenen Gästen, es ging über eine feine Gastritis, Leberschmerzen, Gallenkoliken und vieles Mehr, wir hatten außer einer Mandelentzündung und eines „verklemmten“ Furzes nichts beitragen können. Ich kam mir vor wie im Wartezimmer des Virchower Krankenhauses in der Notaufnahme und so hatte ich mir diesen Nachmittag sicherlich nicht vorgestellt. Ich wollte auch keinen Grundkurs in der gehobenen Allgemein-Medizin erhalten. Aus Höflichkeit schenkte ich dem praktizierenden Kreis noch meine Aufmerksamkeit, bevor ich mich auch einmal zu Wort meldete. In meiner unbekümmerten und sicherlich auch charmanten Art, fragte ich die überwiegend älteren Semester, „ob wir uns nicht auch einmal über meine Gesundheit unterhalten könnten?“. Außerdem würde dies, sich bestimmt positiv auf die allgemeine Lebensfreude auswirken“. Ola, la, auf einmal war es mucksmäuschen still im Raume, was hatte ich nun angerichtet? Der noch unbekannte Schwiegersohn in Spe, zum ersten Mal auf Besuch und so auf die „Kacke“ zu hauen? Mir war nicht wohl in meiner unbekümmerten Haut, aber das vermeintliche Entsetzen hielt nicht lange an und die bereits ins Stocken geratene Unterhaltung, wurde durch meinen Themenwechsel noch recht amüsant.
Später lernte ich auch noch die Geschwister meiner Braut kennen, alle zeigten ein recht herzliches Verhältnis zu ihrer Mutter, der Vater wurde kaum beachtet und spielte eine sehr untergeordnete Außenseiterrolle, er war nur Beiwerk. Er wurde nicht akzeptiert von seinen Kindern und es schien, keine harmonische Familie zu sein?
Die Halbschwester meiner Braut war ein bezauberndes Wesen, immer gut drauf, trotz zweier fast erwachsenen Kinder und sie war allein erziehend, irgendwie hatten alle Geschwister ein schweres Päckchen zu tragen, was war in der Vergangenheit nur vorgefallen?
Wie ich später erfuhr, war ein größerer Bruch zum Stiefvater voraus gegangen, diese Frau war in ihrer Jugendzeit wegen Problemen mit dem Stiefvater, freiwillig in ein Jugendheim gegangen. Ich hatte nie den gesamten Hintergrund erfahren, nur soviel, dass der Schwiegervater sehr dominant war und keinen Widerspruch duldete. Dies war autoritäre Erziehung vom Feinsten, ganz alte Schule, anno Tobak!
Später wurde mir sehr schnell bewusst, dass Menschen, die keine Liebe erfahren hatten, sich besonders schwer taten Liebe für jemanden Anderes zu entwickeln bzw. zu leben.
Nun hatte der Schwiegervater seinen „Biss“ verloren und wurde von seinen Kindern geschnitten und wurde links liegen gelassen.
Zu seiner Ehrenrettung muss ich jedoch erwähnen, dass ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm aufgebaut hatte, ich versuchte ihm Aufmerksamkeit zu vermitteln, ihm das Gefühl zu geben, dass auch er wichtig sei. Ich war sein Hauptgesprächs-Partner geworden, aber auch stiller Zuhörer bei all seinen sonntäglichen Besuchen, pünktlich um zwei Uhr Nachmittags in unserem Haus, am Golfplatz vor den Toren der Großstadt und das hauseigene „Katzenvieh“ wurde stets im Raubtierkäfig mitgeführt.
Diese Familie hatte mir von Anfang an schon sehr viele Rätsel aufgegeben …
Meine Braut hatte als junges Mädchen ein Kind ausgetragen, sie war bereits Mutter.
Es war ein Junge, nennen wir ihn Ralf, dieser Knabe kam mit einer Gaumenspalte und einer offenen Bauchdecke auf die Welt. Die ersten Lebensmonate verbrachte dieses arme Geschöpf ausschließlich im Krankenhaus, ohne Liebe und ohne Zärtlichkeiten. Einige Operationen musste er in seinem noch so jungen Leben über sich ergehen lassen. Der leibliche Vater wollte von seinem „Familienversuch“ nichts wissen und kümmerte sich weder um seinen Sohn noch um dessen Mutter.
Viele Jahre später erzählte meine Frau dann vor dem Familiengericht in einer selbst verschönernden Ansprache: „… aus diesem eheähnlichen Verhältnis ging mein Sohn Ralf hervor …“ , bei dieser Frau war schon alles irgendwie eine Ansichtssache und der Richter glaubte es ihr …
Schöne Geschichten konnte meine Frau stets zum Besten geben, ich hatte manchmal das Gefühl, dass sie diese Geschichten in ihrer aufgebauten Scheinwelt, sogar selbst glaubte, denn rot geworden war sie eigentlich nie?
Ich war mir schon sehr sicher, dass sie sich in ihrer nicht reellen Welt geborgen fühlte.
Ihr Sohn Ralf wurde nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zur Adoption, von ihr freigegeben. Das eheähnliche Verhältnis war somit beendet, die elterliche Unterstützung fehlte komplett und die junge Frau war ihre Verantwortung los, so schnell kann man den Versuch einer Familiengründung vergessen, es blieb nur ein junger Mensch auf der Strecke …
Später als wir schon zusammen wohnten, musste ich auch einige Male ihre „Kälte“ mit erleben, sei es das ihre Katze von Heute auf Morgen weggegeben wurde oder das in unserer Ehe ohne Ankündigung der liebgewonnene Hund, bei fremden Menschen ein neues Zuhause bekam.
Eine Ankündigung oder ein Gespräch im Vorfeld fand leider nie statt, stets wurde von ihrer Seite eine vollendete Tatsache geschaffen, immer nach dem Motto: „Friss Vogel oder stirb …“. In einigen Gesprächen mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester und mit ihr selbst wollte ich heraus finden, warum eine junge Frau, ihr „eigen Fleisch und Blut“, wie ein altes Kleidungsstück weg gab?
Eine für mich verständliche und tiefgründige Antwort hatte ich von keiner der drei Frauen erhalten, Ausreden gab es genügend, aber schlüssig war keine der gegebenen Antworten.
Dieses Handeln stellte mein Bild einer intakten Familie sehr weit ins Abseits. Ihre Familie entschuldigte sich mit der pauschalen Begründung, dass das junge Mädchen, meine Frau, damals überfordert war, weil der Kindesvater nichts von seinem „eheähnlichen Verhältnis“ wissen wollte und sie selber für sich sorgen musste. Auf meine gut gemeinte Frage, warum kein Familien-Mitglied der jungen Frau unter die Arme gegriffen hatte, ihr Hilfe anbot oder das Kind in seine Obhut genommen hatte, darauf gab es keine Antworten, nein, es herrschte nur ein verwunderliches Staunen.
Ich konnte diese Familie in dieser Hinsicht nicht verstehen, dass man sein eigenes Kind, sein Enkelkind, seinen Neffen so mir nichts, dir nichts aus seinem Leben verschwinden lässt, als hätte es dieses Lebewesen von Baby, nie gegeben?
Dieser Vorfall beschäftigte mich noch sehr lange, ich überdachte meine noch so junge Beziehung, sollte die von einem Happy-End beschieden sein und sollte die auch als Flop enden? Aber vielleicht würde unsere gemeinsam geplante Zukunft, all diese Fragen beantworten?
Nach der Trennung vom Kindesvater zog Mutter und Kind in die Großstadt zurück, in Folge eines schweren Motorrad-Unfalls war sie kaum in der Lage, für sich selbst und den Jungen zu sorgen. Der Junge kam deshalb zu Pflegeeltern, von denen er auch später adoptiert wurde.
Der „Unfall“ war entsorgt …
… übrigens der Motorrad-Unfall hatte mit der Kindes-Weggabe nichts zu tun, wie meine Frau mir später schilderte, aber diese dargelegte Version hörte sich viel mitfühlender an, als die gnadenlose Weggabe ihres Kindes …