Читать книгу Maispuppentango - Birgid Windisch - Страница 7
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ОглавлениеDiesen Abend würde Magda wieder tanzen gehen. „Endlich,“ dachte sie müde und band Fränzchen an die Leine. Sie hatte ihren Herbert schon mindestens 2 Wochen nicht gesehen. In letzter Zeit hatten beide viel Stress gehabt und sogar das Tanzen ausfallen lassen müssen. Dabei war das enorm wichtig für ihre körperliche und auch geistige Fitness.
Die verschiedenen Takte und Schritte forderten dem Gehirn einiges ab. Außerdem musste sie zugeben, fehlte ihr der SEK-Mann, der ihr Herz im Sturm erobert hatte, inzwischen sehr und so langsam litt ihr emotionales Wohlbefinden darunter. Sie gab sich einen Ruck.
„Hilft ja nichts, Franz, wir müssen raus, egal ob es junge Hunde, oder sonst was regnet. Missmutig öffnete sie die Tür und betrachtete die gleichmäßigen Wasser-Strippen. Fränzchen sah ebenso begeistert hinaus, wie sein Frauchen. „Dann fahren wir eben in den Wald,“ bestimmte Magda und hob den Hund ins Auto. In zwei Minuten waren sie an der Eichwaldhütte und Magda stellte das Auto unter den großen Nussbaum, neben dem eine selbstgebaute Pferdekutsche für Kinder stand, von einem Mömlinger Künstler liebevoll angefertigt. Wie jedes Mal bewunderte Magda die aus Baumstämmen sorgfältig, mit Liebe zum Detail, geschnitzten Pferde und den tollen Anhänger, während Fränzchen am Baum seine Markierung setzte, für spätere Hundespaziergänger. Schließlich musste er ja kundtun, dass er da gewesen war. Dann gingen sie geradewegs, hinter der Eichwaldhütte am Toiletten- und Holzschuppen vorbei, hoch zum Wald. Da war es immer schnell matschig, wenn es regnete, aber dafür von oben nicht so nass, weil die Bäume relativ nah beieinanderstanden und die Baumkronen ein natürliches Blätterdach bildeten. Sie gingen zügig bis zum Ende des Weges, an der Eisenerzgrube Berta vorbei und wieder zurück. Der Geo-Pfad Feuer und Wasser war einer ihrer Lieblingswege. Er war gut zu laufen, meist sehr ruhig und ab und zu gingen sie den kleinen Schlenker zur Berta und sahen zum früheren Eingang hinunter, oder Magda las zum ungefähr fünfzigsten Mal das Schild, das die Gemeinde über die Geschichte der Eisenerzgrube dort aufgestellt hatte.
Zurück am Auto angekommen, ließ Magda den Blick über ihr schönes Mömlingen gleiten und als ihr der riesige Holzliegestuhl ins Auge fiel, dachte sie sehnsüchtig an so manche kurze Auszeit, die sie darin genossen hatte, während Fränzchen noch ein wenig herumschnüffelte. Es half nichts, sie musste sich beeilen, wenn sie fertig sein wollte, bis ihr Herbert eintraf, um sie zum Tanzen abzuholen. „Komm Franz, wir müssen los!“ Sie wuchtete den immer schwerer werdenden Hund ins Auto und nahm sich vor, ein ernstes Wörtchen mit ihrer Mutter und den Kollegen zu sprechen, die sie allesamt im Verdacht hatte, den Hund heimlich mit Leckerlis zu mästen.
Er freute sich zu verdächtig, wenn sie die Kollegen trafen, oder wenn er bei ihrer Mutter bleiben durfte.
Sie seufzte und sah ihm in die samtig schwarzen Augen. Wie eine Robbe konnte er dreinschauen. Wer konnte diesen Augen widerstehen? „Na, ja, wenn wir nicht aufpassen bekommst du auch noch die passende Figur dafür.“
Vorsichtig fuhr sie den Weg hinunter ins Dorf - den Wegrand aufmerksam im Auge behaltend. Ab und zu lief hier ein Reh, oder Hase über den Weg, aber heute zum Glück nicht.
Zuhause sprang sie unter die Dusche, nachdem sie den Hund gefüttert hatte und als Herbert um 18.30 klingelte, war sie bereits fertig angezogen und für ihre Verhältnisse sogar gestylt, wenn man das so nennen wollte. Immerhin hatte sie, anstatt der obligatorischen Jeans, einen langen Rock und ein figurbetontes T-Shirt an. „Endlich,“ seufzte sie zufrieden und schmiegte sich in seine Arme, die er einladend für sie ausgebreitet hatte und in die sie perfekt hineinpasste. Er war groß und stark und nicht zu dünn. Bei ihm fühlte sie sich sicher und geborgen. Verstohlen fasste sie an seine Armmuskeln und seufzte froh. „Da hast du wahr,“ sagte er leise an ihrem Ohr. „Ich hab dich so sehr vermisst, mein kleiner Hippie.“ „Klein, aber oho!“ Magda hob den Kopf und sah ihn lächelnd an. Endlich hatte sie den Mann gefunden, der sie so liebte, wie sie war. Mit ihrer leichten Pummeligkeit, der langsam grau werdenden, halblangen wilden Mähne und ihrem alternativ-praktischen Kleidungsstil. Zärtlich küssten sie sich. Sie war mit ihren 165 cm nur einfach zu klein für ihr Gewicht, dachte sie grinsend und schmiegte sich glücklich an ihn.
Dann ermahnte Magda noch einmal den Hund, brav zu sein, steckte ihm ein Leckerli zu und sie verließen das Haus. „Ich dachte, du wolltest ihm nichts mehr zu naschen geben!“ Fragend sah er sie an. „Ach, ich schaffe es einfach nicht, wegzugehen, ohne ihm zur Entschädigung, etwas zum Naschen zu geben.“ „Das weiß er auch,“ grinste Herbert amüsiert. „Du bist zu weich, dabei weißt du doch, dass es nicht gut für ihn ist.“ Magda sah beschämt zu Boden. „Ich weiß, ich bin ein schwaches Weib und gebe zu viel nach.“ „Bei mir darfst du das gern,“ lachte Herbert sie an und legte den Arm um sie. Am Auto hielt er ihr die Tür auf und sah sie von der Seite, gespielt ängstlich an. „Hast du geübt?“ „Wann denn,“ rief Magda ärgerlich. „Ich finde einfach keine Zeit dafür.“ „Zeit muss man sich nehmen, man findet sie nicht einfach so,“ erklärte Herbert weise und Magda lächelte in sich hinein. Er nahm sich auch nicht mehr Zeit für private Dinge, als sie. Sonst würden sie sich öfter sehen.
Sie hielt ihn fest und er drehte sich um. „Kurz noch die wichtigsten Schritte üben,“ bat sie ihn und erleichtert lächelte er sie an.
Schnell übten sie noch kurz das Laufen (Caminar), Seitwärtsschritte und Gewichtswechsel (Balanceos) und natürlich die Haltung, die beim Tango so wichtig war. „Wenn wir das jeden Tag üben würden, hätten wir sicher eine aufrechtere Haltung,“ schnaufte Magda laut. „Eine stolzere auf jeden Fall,“ atmete Herbert leicht keuchend. „Wir müssen unbedingt mehr üben, sonst blamieren wir uns,“ meinte Magda nachdenklich. „Sehe ich genauso,“ brummte Herbert leise. „Also, gebongt, alle zwei Tage musst du ran!“ Magda lachte ihn liebevoll an. „Das lasse ich mir nicht nochmal sagen,“ sagte er leise in ihr Ohr, dann fuhren sie endlich los. Lachend betraten sie das Sandbacher Tanzstudio. Dort waren schon einige Teilnehmer am Üben, während die beiden Tanzlehrer deren Haltung verbesserten, indem sie ihnen Korrekturen zuriefen und schließlich ein paar Schritte vortanzten. „Klasse!“ Alle klatschten laut und Magda bewunderte wieder einmal die vollendete Harmonie zwischen den beiden Männern und die kraftvolle Eleganz ihres Tanzes. „Der Tango ist so ein anmutiger Tanz, ich kann mich nie daran sattsehen, wenn ich Tänzer sehe, die ihn wirklich beherrschen,“ raunte Magda Herbert zu. „Das geht mir ebenso,“ gab Herbert leise zurück. „Die beiden sind aber auch wirklich gut!“
„Mehr als gut!“ Ein Schüler neben ihnen beobachtete die beiden hingerissen. „Ich kann nicht genug davon bekommen, ihnen zuzuschauen!“ „Na, dann leg mal los,“ rief seine Freundin und nahm seine Hand. Seufzend folgte er ihr auf die Tanzfläche. Es war etwas ganz anderes, echten Könnern dabei zuzusehen, oder selbst, mehr oder weniger stümperhaft, den Tango Argentino zu tanzen.
„Jeder fängt einmal klein an,“ sagte der kleinere Tanzlehrer, Moritz, der meist die Frau tanzen musste aufgrund seiner geringeren Größe. „Sieht man an dir,“ grinste sein Lebensgefährte Theo auf ihn hinunter. „Ach du wieder, du kannst ja schon fast aus der Dachrinne Wasser trinken!“ Gutmütig schubste Moritz ihn ein wenig, dann tanzten sie vorwärts – rückwärts (Ochos), kleine Drehung (Media Luna). Am Schluss kippte Moritz den großen Theo über die linke Seite rückwärts hinunter und der erhob sich anmutig wieder, woraufhin alle klatschten. „Toll,“ rief Magda. Moritz zwinkerte. „Jetzt ihr- los, traut euch - ihr könnt nichts falsch machen!“ Theo grinste frech: „Fast nichts,“ und alle lachten. Moritz klatschte in die Hände. „Wir beginnen mit der traditionellen Umarmung, dem Abrazo!“ Magdalena dachte unwillkürlich an ein Scheuerkissen zum Putzen und musste fast losprusten, doch als Herbert sie fest umarmte und die Tanzposition einnahm, verging ihr das Lachen und sie lächelte ihn stattdessen hingerissen an. Die würdevolle Tangomusik erklang und auf Theos Aufforderung: „Ocho Adelante – vorwärts!“ marschierten alle, mehr oder weniger elegant, in eine Richtung, angeführt von den beiden Tanzlehrern. Elegant vollführten die beiden eine kleine Drehung und die Schüler folgten, noch etwas holprig, ihrem Beispiel. „Wenn ihr nicht mehr weiterwisst, macht ihr einfach dazwischen eine kleine Cunita - einen Wiegeschritt, das kommt immer gut,“ erklärte Moritz augenzwinkernd. Nach der Tanzstunde hingen alle erschöpft auf ihren Stühlen in einem kleinen Bistro in der Nähe. „Ich bin froh, dass wir es heute gut hinter uns gebracht haben,“ seufzte Magda. „Aber ja, ihr wart sogar richtig gut,“ strahlte Theo sie an. „Man merkt, dass bei euch echte Gefühle im Spiel sind,“ mischte sich Moritz ein. „Der Tango ist ein Tanz mit viel Gefühl!“ Er nahm Theos Hand und legte sie auf sein Herz und sah ihm tief in die Augen. Magda lächelte glücklich und Herbert nahm verstohlen ihre Hand und führte sie an seine Lippen, während er ihr mit glühendem Blick in die Augen sah. Dieses Tangotanzen hatte es in sich, dachte Magda. Es tat ihrer Beziehung gut und brachte ihnen ihre Gefühle mit jedem Mal mehr zu Bewusstsein. Nach der Tangostunde übernachtete Herbert regelmäßig bei ihr, weil sie es danach nicht fertigbrachten, sich zu trennen.