Читать книгу Die Frau vom Land 1 + 2 - Birgid Windisch - Страница 5
ОглавлениеKapitel 3
„Wenn se kloo soin, träre se ohm uff`n Schätz – wonn se grouß soin, uff`s Hätz!“
Zitat meiner Oma
Wenn sie klein sind, treten sie einem auf die Schürz, - wenn sie groß sind, auf´s Herz.
Ein kleiner Bruder für drei Schwestern
Eines Abends, die drei Mädchen lagen schon in ihren Betten – damals schliefen sie noch in einem Zimmer - entschlossen wir uns, ihnen von unserem Geheimnis zu erzählen. Wir hatten einen Kurs für natürliche Familienplanung gemacht, mit Temperatur messen und Körperzeichen beobachten, wobei alles in eine Tabelle eingetragen werden musste, was ich auch gewissenhaft tat. Plötzlich spielte mein Zyklus verrückt – statt 28 Tagen dauerte er plötzlich von Vollmond zu Vollmond und so entstand ganz ungeplant und unerwartet ihr kleiner Bruder. Vor kurzem war mein Opa gestorben und ich dachte, eine Seele geht und eine Seele kommt. Es tröstete mich und ich freute mich auf dieses Kind, auch wenn wir damit zu den kinderreichen Familien gehören würden. Wir betraten das Kinderzimmer und versuchten, ein geheimnisvolles Gesicht zu machen. „Wir wollen euch ein Geheimnis anvertrauen“, sprach der Vater und lächelte rätselhaft. „Ja und ihr dürft es als erste erfahren!“, fiel ich ein. Neugierig hoben sich drei Mädchenköpfe. „Was denn? Habt ihr uns einen Hamster gekauft?“, konnte Juliane ihre Neugier nicht mehr bezähmen. „Nein, es gibt keinen Hamster, ihr wisst doch, dass eure Mama jetzt schon kaum nachkommt mit den anderen Tieren“, wehrte der Vater ab. „Nein, es ist etwas viel Schöneres! Ihr werdet noch ein Geschwisterchen bekommen!“, platzte er heraus. Missbilligend sah ich ihn an. Das hatte ich sagen wollen! Tiefe Stille - nanu? Hatte es ihnen die Sprache verschlagen? Die Mädchen waren anscheinend nicht sicher, ob ein Geschwisterchen so viel schöner als ein Hamster wäre. „Wieso denn das? Wir sind doch schon drei, das langt ja wohl!“, rief Juliane, die Älteste lautstark. „Ja, ich will lieber einen Hamster!“, schrie Bille, die Jüngste. „Wird es ein Mädchen oder ein Junge?“, erkundigte sich Nina, die Mittlere. „Das weiß man vorher nicht, man muss nehmen, was man bekommt“, erklärte ich ihr vorsichtig. „Ich will aber eine Schwester, an Brüder bin ich nicht gewöhnt“, gab sie mir kurz und bündig zu verstehen. „Mama hat euch doch gerade erklärt, dass man sich das nicht aussuchen kann“, mischte sich der Vater wieder ein. „Uns egal, wir wollen eine Schwester und sonst gar nichts!“ In wichtigen Dingen waren die drei immer ausnahmsweise einer Meinung und bildeten eine Front. „Wenn ihr euch nur sonst auch immer so einig wärt“, brummte ich verärgert und drehte mich um. Dann meinte Juliane leise: „Mir ist eigentlich egal was es wird, Hauptsache es ist gesund und hat nicht so eine blöde Krankheit wie Nina.“ „Genau das ist auch unsere Meinung“, antwortete ich freundlich. „Also gut, egal was es wird, wir nehmen es“, lenkte Nina friedfertig ein. Ich musste grinsen. Das konnte ja heiter werden! Bald hatten die drei die Neuigkeit vergessen. Es gab ja auch so viel zu erleben. Es war Sommer und sie tollten den ganzen Tag draußen herum. Wenn das Wetter mitspielte, waren wir sonntags im Schwimmbad. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und alles war wie immer. Nur wenn ich lange stehen musste, wurde mir schlecht und manchmal musste ich wegen Nichtigkeiten weinen. Da erinnerten sie sich wieder an das Geheimnis. Im Winter war es dann nicht mehr zu übersehen, ich wurde dick. „Mama warst du bei uns auch so fett?“, wollte Bille zartfühlend wissen. „Ja natürlich“, gab ich zur Antwort. „Ein Kind braucht viel Platz und daher muss ich auseinandergehen.“ Nina und Juliane wunderten sich nicht darüber. Sie wussten noch, wie Bille in Mamas Bauch gewesen war. Eines Tages brachte ich ein Schwarzweißbild von der Frauenärztin mit. „Schaut mal her, heute hat die Ärztin Ultraschall gemacht und das Baby in meinem Bauch fotografiert.“ „Au toll, wo?“, schrie Juliane begeistert, um dann enttäuscht: „Ich seh ja gar nichts!“, zu sagen. Ich erklärte ihnen geduldig, welche Körperteile darauf zu sehen waren und zeigte dabei auf einen kleinen, abstehenden Strich: „Seht ihr, es wird wahrscheinlich ein Junge!“ „Oh Mist, dann muss ich mich tatsächlich umgewöhnen!“ Nina war nicht erfreut. „Ja, die Buben sind immer so frech!“, murrten Juliane und Bille wie aus einem Munde. „Aber er ist doch viel jünger als ihr“, meinte ich kopfschüttelnd. „Juliane ist neundreiviertel Jahre, Nina gut 7 Jahre und Bille fast vier Jahre älter. Da braucht ihr nun wirklich keine Angst vor ihm zu haben, oder?“ Ich sah sie lächelnd an. Das sahen die drei, nach kurzem Nachdenken auch ein. Weihnachten und Neujahr waren schon vorbei und ich nahm immer noch zu - ging regelrecht auf, wie ein Hefekloß und hatte immer die gleichen drei Hosen und Oberteile an. Zum Fasching musste ich sogar im Schlafanzug gehen, weil mir sonst nichts passte, was zum Verkleiden getaugt hätte. In der Zeit von Ende März bis Anfang April sollte das Baby geboren werden. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis dahin. Dann war endlich der März da und Juliane rief eines Tages ganz ungeduldig: „Wann kommt denn jetzt unser Bruder? Dauert es noch lange?“ Sie hopste auf ihrem Bett herum. „Das wüsste ich auch gern“, antwortete ich müde. Die Zeit wurde mir allmählich lang. Wenn ich etwas schneller lief, schnaufte ich wie eine alte Dampflok und Franziska, der Familienhund, sah mich verständnislos an. Konnte ich doch nicht mehr, wie vor meinem dicken Bauch, mit ihr um die Wette zum Briefkasten flitzen. Mit mir war aber auch gar nichts mehr los, schien ihr vorwurfsvoller Blick zu sagen. Dann war es endlich soweit. Um zwei Uhr nachts fuhren wir ein paar Tage später ins Krankenhaus, nachdem wir vorher meine Eltern geweckt hatten, um auf ihre drei schlafenden Enkelinnen aufzupassen. Um 5 Uhr wurde Maximilian geboren! Ich konnte es selbst kaum glauben, schließlich war ich auch keine Jungen gewohnt. Da ich ambulant entbunden hatte, durfte ich schon nach zwei Stunden heim, wo wir schon sehnsüchtig erwartet wurden. Die drei Schwestern warteten schon ganz gespannt, mit ihrer Omi, auf ihren Bruder. Hund Franzi überschlug sich fast vor Aufregung und beim Schwanzwedeln wedelte der ganze Körper mit, so sehr freute sie sich. Dann sahen alle ganz ehrfürchtig ins Körbchen, wo das Baby seelenruhig schlief. „Sieht ja gar nicht aus wie ein Brüderchen“, meinte Nina erstaunt. „Pst, das sieht man ihm auch nicht an“, meinte die Omi lächelnd. „Das ist das schönste Baby von der ganzen Welt!“, freute sich Bille und Franzi schnupperte schwanzwedelnd, vorsichtig an Maximilian. „Tu den Hund weg“, schimpfte meine Mutter. Aber Franzi musste erst ihr neues Rudelmitglied kennenlernen, das sie ab sofort unter ihre Obhut nahm und war kaum vom Körbchen wegzubewegen.
Als Maximilian endlich aufwachte, durften die Mädchen ihren Bruder mit mir zusammen auspacken. Jede wollte ihn saubermachen und eincremen und ihm zart die Wangen streicheln. Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich betrachtete stolz meine drei Großen, wie zärtlich und vorsichtig sie mit ihrem kleinen Bruder umgingen. Bis heute sind sie liebevolle Schwestern geblieben und lieben ihren Bruder sehr. Überhaupt halten meine Vier immer noch fest zusammen, obwohl sie schon lange erwachsen sind und ihr eigenes Leben leben.
Genauso, wie ich mir immer gewünscht habe!