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Kapitel 5 Wie man aufs Huhn kommt
ОглавлениеVor den Kaninchen, als die Kinder noch kleiner waren, hatten wir Hühner - Welsumer Zwerghühner genannt - schon wieder mit „Zwerg“ vorne dran! Diese hatten wir auf einem Frühlingsmarkt entdeckt. Ein Stand des Kleintierzuchtvereins verkaufte die armen Küken, die in einem kleinen Drahtkäfig saßen und wie sollte es anders sein - meine tierlieben Kinder, alle vier - standen unverrückbar davor und rührten sich keinen Millimeter weit mehr davon weg. „Mama, gugg emol, die oome Hinkelschen!“ Mein Sohn war empört. „Die misse doch bei die Mudder!“ Tja, da war aber keine Glucke, die Eier waren in einem Brutkasten ausgebrütet worden. Ich sah sie mitleidig an. Das eine fiel immerzu um, mir blutete das Herz. Meine drei Töchter waren ebenso fasziniert und ich konnte sie nicht mehr wegbekommen von dem Stand. „Mama, die hewwe beschtimmt Hunger!“ Das war meine dritte Tochter Bille. „Ach wos, die fresse no nit sou viel!“, meinte ich beruhigend. Der Mann vom Kleintierzuchtstand pflichtete mir sofort eifrig bei: „Viel nit und es is a gonz oofach. Des Fudder do (er gab mir ein Tütchen mit Körnern in die Hand) in ä Kaffeemiehl doun und groub moohle, donn fresse die en Eßleffel voll moschens und owens. Isch schenk eisch des Fudder und die Hinkelschen koste zeah Makk, des is nit viel!“ Eine Kaffeemühle hatte ich sogar noch, fiel mir ein, um das Futter darin mahlen zu können. Meine Kinder waren sich ausnahmsweise einig: „Mama, komm, die nemme mer, du wollst doch immer Ajer hewwe und die leijsche gonz viel Ajer donn, gonz gesunde!“, rief meine älteste Tochter Juliane altklug. Das stimmte, es war wirklich ein Traum von mir, jeden Morgen frische Eier von den eigenen Hühnern nestwarm gelegt, hereinzuholen. „Miä welle a heid koon Schmuck kaafe, wenn mer die Hinkelschen nemme und gewwe unser gonz Geld dezu!“, meinten meine Kinder im Chor und sahen mich treuherzig an. Ich seufzte resigniert. Wer kann da widerstehen? Also gaben die Kinder ihr Geld dafür her, anstatt es, wie sonst immer, für billigen Schmuck zu verschleudern und es reichte sogar bis auf eine Mark, die ich beisteuerte und die Hühnchen wechselten in unseren Besitz über. Meine Freundin Andrea, die wir dort getroffen hatten, holte hilfsbereit ein schönes Kästchen aus Holz, mit Draht oben, von zuhause als Kükenquartier. Ein Überbleibsel aus der Meerschweinchenzeit ihrer Söhne, wie ich mich erinnerte - und so zogen sie bei uns ein. Ich stellte das Kästchen neben mein Bett und vorbei war es ab sofort mit der Nachtruhe. „Piep, piep, piep, piep“, ging es die ganze Zeit. Ich stellte, wie es mir der freundliche Kleintierzuchtmann gesagt hatte, eine Lampe auf das Gitter, damit die Kleinen nicht frieren würden. „Piep, piep, piep“, - o weia, etwa zu heiß? Lampe weg - „piep, piep, piep“, -zu kalt? Wieder Lampe drauf - „piep, piep, piep!“ Es war schlimm, an Schlaf war nicht zu denken. Eine Stunde machte ich das mit, dann zog ich aus einer Schublade eine alte Pudelmütze und stopfte die Kleinen hinein. Sofort war Ruhe! Es fühlte sich wohl so an, als säße Mama Glucke auf ihnen. Das ging so lange gut, bis eines rausfiel, von den anderen wahrscheinlich geschubst. Und dann kamen die andern hinterher: „Piep, piep, piep“, aber im Großen und Ganzen konnte ich schlafen, wenn ich sie einige Male wieder hineinstopfte. Es war eine schöne Zeit als Hühnermutter und ich freute mich wirklich an den lieben Kleinen, die sich, als sie größer wurden, als 5 Gockeln und ein Huhn entpuppten. Das Huhn wurde Sabine getauft und die Gockeln bekamen keine Namen. Sie waren furchtbare Schreihälse, die immerzu krähten. Zu jeder Tageszeit rissen sie lautstark ihre Schnäbel auf und ließen fürchterliche Töne heraus, bei denen mir angst und bange wurde. Anfangs dachte ich, da würde jemand umgebracht, rannte wie der Wind hilfsbereit um die Kurve und sah meine fünf Gockeln auf dem Zaun balancieren und krähen, oder was sie dafür hielten, so laut sie nur konnten. Irgendwann mussten sie leider das Zeitliche segnen, weil ich keinen Streit mit den Nachbarn, die erstaunlich geduldig waren, riskieren wollte und so blieb uns nur die liebe Sabine erhalten, die sich nicht einsperren ließ und beherzt über den Zaun flog. Sie verteidigte sich mutig gegenüber den Katzen, die dachten, sie sei eine leichte Beute und wenn der Hund zu nah vorbeirannte, bekam er auch einen Schnabelhieb ab, zur Prophylaxe. Ich kaufte sechs weitere Hühnerdamen von einem Hühnerauto, das damals noch regelmäßig am Rathaus junge Hühner verkaufte. Tja. Es war die Zeit der frischen Eier und wir hatten genug - vorausgesetzt, wir bekamen mit, wohin sie gelegt worden waren! Sie hatten spitzbekommen, dass ich die Eier jeden Tag holte und so versuchten sie, mich mit immer neuen Verstecken auszutricksen. Einmal fand ich in einem Lilienstrauch ein Nest von über 20 Eiern, alle von Sabine, wie man unschwer an der Größe erkennen konnte. Sabine überlebte alle Hühner aus dem Hühnerauto und dann noch zwei Leasinghühner, die ich als Gesellschaftshühner gekauft hatte, nach dem Tod der anderen und starb im Alter von 12 Jahren an Altersschwäche. Zu der Zeit war sie schon mindestens 5 Jahre über den Wechseljahren. Als ich ihr Grab grub, weinte ich zusammen mit meiner Enkelin Linchen heiße Tränen um sie.