Читать книгу Indien, mein Reisetagebuch - Birte Pröttel - Страница 3
Das blaue Tagebuch
ОглавлениеSeit gut einem halben Jahr habe ich das schöne dunkelblaue Buch mit cremefarbenen Seiten in der Schublade. Wenn ich frustriert aus der Klamottenabteilung von Beck abhaue, weil wieder mal alles zu eng ist, was mir gefällt, dann spendet mir die Papeterie-Abteilung Trost. Ich liebe den Geruch des schönen Papiers, ich liebe Tagebücher, Notizbücher, Kalender, stoffbezogene Schachteln, Ringbücher kurz alles, was hier und in anderen Bürobedarfsgeschäften gut und teuer und oft einfach nutzlos ist.. Jetzt aber hatte ich einen
Grund, so ein schönes blaues Buch zu kaufen Und nun habe ich Hemmungen, den ersten Satz hinein zu schreiben. Der erste Satz sollte besonders werden und wenn möglich so klug, intelligent oder auch witzig sein, dass er im deutschen Zitatenbuch einen festen Platz findet. Er soll speziell werden, denn die Reise, die ich vor mir habe, ist ja auch etwas Außergewöhnliches. Für mich jedenfalls– ich, fahre nicht jedes Jahr nach Indien. Obwohl ich schon seit Kindestagen davon träume: Indien, Tibet, Himalaja... Forscherin wollte ich werden, und darüber Bücher schreiben. Und nun liegt das blaue Buch auf dem Nachttisch und wartet auf erste Ergüsse.
Aber am besten drehe ich mich noch mal um. Es ist sechs Uhr früh, draußen ist es stockfinster und tief verschneit. In drei Wochen geht‘s mit Ulla nach Indien...
Im Kopf laufen die Vorbereitungen für das große Indien-Abenteuer auf Hochtouren. „Abenteuer“ kann man das Unternehmen nicht nennen, alles ist organisiert...
Aber ich habe den Pass mit dem Visum im Konsulat liegen lassen !!! Einfach toll.
Der kleine Seelenklempner in mir mault: Du willst ja gar nicht nach Indien!
Und ob ich will!
Nachts liege ich wach vor Aufregung und grübele über den ultimativen Kofferinhalt. Frage meinen Liebsten, was er denn von diesen Schuhen hält, oder von jenen...
Er grinst, er fährt nicht mit. Indien hat auf ihn null Anziehungskraft. Er fürchtet die Armut, den Schmutz und dass ihm bei einer Reise dorthin jeder Bissen im Halse steckt bleibt... Und überhaupt.
Daher gehe ich zum ersten Mal im Leben nicht mit ihm, sondern mit Ulla auf eine große Flugreise.
Ich habe diese Reise in einem Anfall von Wahnsinn gebucht. Es ist ein Yoga-Seminar! Jeden Tag dreieinhalb Stunden Yoga! In Worten Drei ein halb! Aber um nach Indien zu kommen, war mir jedes Mittel recht. Ich hätte auch ein Seminar zum Thema „Wie bohren die Inder in der Nase“ oder eine Grundausbildung im „Boxen für Omas“ mitgemacht, wenn sie denn in Indien stattgefunden hätten. In meinem Fall kam aber Ulla mit der Idee und Ulla ist Yogalehrerin und meine Freundin.
Einige Tage vor Abreise, die Teilnehmerliste ist eingetroffen. Es ist eine reine Teilnehmerinnenliste. Bin gespannt, wer sich hinter den 12 Namen verbirgt, ich ahne nicht, dass alle bis auf Hannelore und Emma Yogalehrerinnen sind.
Mit Ulla zu reisen, freut mich sehr. Da weiß ich, dass alles passt.
Das Reisefieber wird krass.
Nun wird es ernst!
Beim automatischen Check-in stellen wir uns landpomeranzenmäßig an. Aber eine kleine, auch von anderen nervösen, computeridiotischen Fluggästen überforderte Asiatin, hilft uns, die Koffer zum richtigen Flieger zu expedieren. Was machen wir nun mit zwei Stunden geschenkter Zeit bis zum Abflug? Klar Geld ausgeben! Und wo? Im Buchladen. Zwei Romane im Taschenformat machen das Gepäck noch schwerer.
Ich wühle in den Tiefen der diversen Taschen, Rucksäcke und Plastiktüten. Schweiß bricht aus bei der Suche nach dem Fotoapparat! Mann, hab ich den zu Haus oder im Taxi? Wo sind die Taschentücher für die Schweißtropfen? Jetzt ist das Handy endgültig weg... ? Gottseidank, die Kreditkarte ist am Platz und der Pass, da wo er hingehört!
Wir stocken im Duty-free unseren kleinen Whiskyvorrat auf. Man muss ja auf alles vorbereitet sein. Und Durchfall verhindert ein Gläschen Whisky am Abend, sagt mein Apotheker und der muss es ja wissen.
Am Gate warten Menschen aller Hautfarben wie vor dem Kaufhaus morgens bei den Schnäppchentagen. Soooo viele wollen nach Madras und alle in einem Flugzeug. Es ist nicht zu fassen. Dass ein Jumbo mit diesem Inhalt nicht vom Himmel plumpst, will wieder mal nicht in mein reisekrankes Hirn.
Wie durch ein Wunder werden wir von der Holzklasse ins Business gehoben! Und jetzt sitzen wir wie Prinzessinnen in der Business und lassen uns verwöhnen. Champagner zur Begrüßung, Shrimps-Bällchen und Krabbenreis usw. Und als Clou ein herrliches Schläfchen . Ulla hat Halsschmerzen und fühlt sich krank. Schade sie kann den unerwarteten Luxus nicht genießen..
Aus den Kopfhörern lullt mich sanfte Musik ein. Wenn ich will, kann ich einen Privatfernseher aus der Armlehne zaubern. Ich tu so, als würde ich jeden Tag Business nach Madras fliegen... Ich könnte mich echt daran gewöhnen
Aus den Kopfhörern lullt mich sanfte Musik ein. Wenn ich will, kann ich einen Privatfernseher aus der Armlehne zaubern. Ich tu so, als würde ich jeden Tag Business nach Madras fliegen...