Читать книгу Die Star-Trek-Chronik - Teil 1: Star Trek: Enterprise - Björn Sülter - Страница 7

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Kapitel 1: Von der Idee zur Serie

Der Neubeginn

Star Trek: Voyager lief im fünften Jahr, da trat UPN im Juni 1999 an Rick Berman mit dem Wunsch nach einer weiteren Star-Trek-Show heran, die direkt im Anschluss an Voyager starten sollte. Viele Fans glauben heute, dass die Studiobosse aus Angst vor den ohnehin sinkenden Quoten auf den Zug der seinerzeit so beliebten Prequels aufspringen wollten. Tatsächlich dachte man aber in der Chefetage in eine ganz andere Richtung. Nach wie vor waren die Ratings trotz einiger Verluste insgesamt noch zufriedenstellend. Man wollte den sicheren Hafen des 24. Jahrhunderts also nicht unbedingt verlassen. So wünschten sich der damalige Paramount-Chef Kerry McCluggage und sein President of Paramount Network Television Gary Hart eine Serie, die entweder in der Next-Generation-Ära oder vielleicht im 26. Jahrhundert angesiedelt sein sollte. Die Antwort auf die Frage, warum Enterprise dann aber im 22. Jahrhundert spielte, heißt kurz und knapp: Rick Berman. Für ihn war es schlicht nicht denkbar, die in Star Trek: The Next Generation und ihren Folgeserien etablierte Zukunftsvision noch weiter auszubauen. Sollten die Ideale etwa noch höhergesteckt sein und die Spandex-Anzüge noch enger werden, die Raumschiffe schneller und die Phaser kleiner? Und überhaupt. Was sollte es nach Voyager noch zu erzählen geben? Bermans Fantasie reichte für eine Zukunft der Zukunft einfach nicht mehr. Er befürchtete den kreativen Tod des Franchise, für das er so lange gelebt und geatmet hatte.

Ideen über Ideen

Hätte der Produzent sich etwas mehr in den Fanforen herumgetrieben, wären ihm die guten Ideen für ein weiteres Sequel nur so um die Ohren geflogen. Dort kursierten bereits seit Jahren Konzepte für eine weitere Show. Von Fans angedacht war beispielsweise eine Klingonen-Serie, gerne mit Captain Worf als Hauptfigur. Ein völlig anderer Ansatz drehte sich um ein Diplomatenschiff, das im Laufe von mehreren Staffeln viele Föderationswelten besuchen sollte, von denen man bislang nichts oder nur wenig gesehen hatte. Berman kannte die Idee, verfolgte den Gedanken aber nie ernsthaft. Dafür wurde er allerdings später vom Team rund um die bekannte Fanserie Star Trek: Hidden Frontier aufgegriffen und zumindest teilweise in der kurzlebigen Webserie Star Trek: Federation One umgesetzt. Wer sich die beiden rund 35-minütigen Web-TV-Folgen anschaut, bekommt eine Ahnung davon, was mit einer so spannenden Konzeption alles machbar gewesen wäre. Leider hat sich Hidden Frontier Productions nach den zwei Episoden vollständig auf Hörspiele verlegt, sodass die nächste Staffel mit insgesamt vier Folgen nur noch als Audiodatei vorliegt. Seit 2017 herrscht nun auf der Webseite der Fanfilmer vollständige Funkstille, sodass auch der Release neuer Hörspiele mehr als fraglich ist.

Ein weiterer heißer Kandidat, der auch in Hollywoods Gerüchteküche hoch im Kurs stand, war ein Projekt mit dem Arbeitstitel Star Trek: Starfleet Academy. Die Serie sollte auf dem Campus der Sternenflottenakademie, teilweise aber auch auf einem Schulungsschiff spielen, mit dem die Kadetten in so manches Abenteuer schlitterten. Diese Verjüngungskur hätte Star Trek vielleicht ganz gut getan, stieß aber im Fandom nicht überall unbedingt auf Gegenliebe. Ob sich in dieser Richtung jemals wirklich etwas getan hat, lässt sich abschließend nicht befriedigend beantworten. Manu Intiraymi erzählte uns zumindest in einem Interview, dass es Gespräche in dieser Richtung gegeben habe. Er hätte sich über eine entsprechende Show, in der unter anderem er, aber auch andere ehemalige Star-Trek-Kinder wie Vanessa Branch (Naomi Wildman als Erwachsene) auftauchen sollten, sehr gefreut. Wie dem auch sei. Fakt ist, dass Star Trek andere Wege ging und es das Konzept nicht einmal annähernd bis zur Serienreife brachte. Immerhin erschien dann bei Simon & Schuster ab 2010 eine gleichnamige Romanserie, die allerdings in der in Star Trek von 2009 etablierten alternativen Zeitlinie angesiedelt ist. Und derzeit befindet sich eine 3D-Animationsserie namens Star Trek: Prodigy unter den fähigen Händen von Dan und Kevin Hageman in der Entwicklung, in der es zumindest um einige Sternenflottenkadetten gehen soll.

Alles auf Anfang

Abseits zahlreicher Gedankenspielchen und Spekulationen, von denen Rick Berman sicherlich hier und da gehört hatte, schwebte dem langjährigen Kapitän des Star-Trek-Schiffs etwas völlig anderes vor. Interessanter als ein Trip in eine noch weiter entfernt liegende Zukunft erschien es ihm, sich mit Ereignissen zu befassen, die zwar in den vorherigen Shows mehr oder weniger kurz angerissen, aber nie primär thematisiert worden waren. Die Eugenischen Kriege und der dritte Weltkrieg waren bereits seit den 60er Jahren ein fester Bestandteil der Star-Trek-Welt. Wann der erste Warp-Flug stattfand, wer den Antrieb erfunden hatte und dass dieser den ersten Kontakt nach sich zog, war ebenfalls seit Jahrzehnten kein Geheimnis mehr. Auch Begriffe wie »medizinischer Tricorder« oder »Phaser« gehörten wie selbstverständlich zum gängigen Vokabular des Franchise. Doch wie war es zu all jenen geschichtlichen Ereignissen und technischen Errungenschaften gekommen? Oder genauer gefragt: Wie konnte man die imaginäre geschichtliche Lücke zwischen der Mitte des 21. Jahrhunderts und dem 23. Jahrhundert sinnvoll füllen? Berman fand die Schließung dieser Lücke geradezu verlockend.

Er ließ sich vom Film Star Trek: First Contact (Star Trek: Der erste Kontakt) von 1996 inspirieren, an dessen Ende der erste Kontakt zwischen Menschen und Vulkaniern gezeigt wird. Entsprechend wollte er, wie er es einmal nannte, »people in the mud« zeigen. Gemeint waren damit im Großen und Ganzen bodenständigere Figuren und eine Zukunft, die zeitlich und inhaltlich wesentlich näher an der Gegenwart lag. Eine Folge sollte beispielsweise in Chinatown in San Francisco im 21. Jahrhundert spielen. Die Helden der neuen Serie würden Jeans und Turnschuhe tragen und den Bau der Enterprise auf der Erde miterleben. Irgendwann im Verlauf der Serie sollte die Crew dann ihre ersten zaghaften Schritte in die Tiefen des Alls wagen. Die Besatzungsmitglieder würden Fehler über Fehler begehen, aber schließlich an ihren Aufgaben wachsen. Geschichten über die Oberste temporale Direktive hatten sich demnach zunächst genauso erledigt wie der Traum, die Enterprise-Z mit Warp 10 durch das All pflügen zu sehen.

Vertrauen? Fehlanzeige!

Dass die Hintergrundstory von Star Trek: Enterprise letztlich im 22. Jahrhundert und nicht noch früher beginnt, haben wir wohl dem Einspruch Kerry McCluggages zu verdanken. Der gab auf Bermans wenig innovative Anwandlungen nämlich im Grunde keinen Pfifferling. Im Gegenteil betrachtete er ein Prequel mit großer Sorge. Der Paramount-Chef zeigte sich not amused und bat Berman, der mittlerweile den Star-Trek-Veteranen Brannon Braga an Bord geholt hatte, um Nachbesserung im Sinne von mehr Space und weniger Jeans. Das Produzentenduo war wiederum ein wenig enttäuscht über das mangelnde Vertrauen, sagte aber zähneknirschend zu. Allerdings dachten Berman und Braga nicht im Traum daran, ihr Konzept vollends ad acta zu legen. Stattdessen entschieden sie sich, die Geschichte einfach ein paar Jahrzehnte in die Zukunft zu verlegen. Aus einer auf der Erde gebauten Enterprise wurde nun die NX-01, die in einem Raumdock im Erdorbit lag und auf ihren ersten Flug wartete. Die menschlichen Hauptfiguren, Captain Archer, Malcom Reed, Trip Tucker, Travis Mayweather und Kommunikationsoffizier Hoshi Sato zeigten sich fehlerbehafteter und charakterlich wesentlich näher an den Menschen des frühen 21. Jahrhunderts. Das spiegelte sich weniger in der liberalen Einstellung als vielmehr in Kleinigkeiten wider. Die neuen Besatzungsmitglieder aßen beispielsweise Steak und Catfish, hatten Angst vor dem gerade erst für Biomaterie freigegebenen Transporter und gerieten auch mal in einen handfesten Streit. Captain Archer war sogar bisweilen ein wenig schroff. In der Pilotfolge Broken Bow (Aufbruch ins Unbekannte) gibt es einen kurzen Dialog zwischen T’Pol und Archer, in dem er sich so aufregt, dass er T’Pol darauf hinweist, sich stark zurückhalten zu müssen, um ihr nicht den Hintern zu versohlen. Nicht zuletzt baute Rick Berman einige Reminiszenzen an seinen ursprünglichen Entwurf ein. So sieht man im Pilotfilm etwa den jungen Jonathan Archer an einem Modell mit Schwerkraftregler arbeiten, und Phlox erwähnt in San Francisco, dass er chinesisches Essen liebt. In der Episode First Flight (Erstflug) erzählt Archer T’Pol außerdem in Form von Rückblenden die Geschichte seines verstorbenen Freundes Robinson, der gemeinsam mit ihm den ersten Warp-2-Flug schaffte.

Ein Sequel im Prequel

In zahlreichen – von Rick Berman so genannten – Pizza-Arbeitsmittagessen setzte sich der UPN-Vorstandsvorsitzende schließlich zumindest teilweise durch. Brannon Braga entwickelte auf Drängen der Vorstandsetage den Temporalen Kalten Krieg. Die Idee hatte schon einige Jahre lang in Bragas Kopf herumgespukt. Der Autor steht nach eigenen Angaben auf Zeitreisegeschichten und fand es cool, sich vorzustellen, wie die USA in einem alternativen Jahr 1997 Zeitreisen erfunden hätten. Die Chinesen und einige andere ostasiatische Nationen sollten die Technologie ebenfalls entwickelt haben. Der unkontrollierbare Wille, die Zeit zum eigenen Vorteil zu verändern, sollte schließlich zum Verlust von 20 Millionen Menschen führen und eine internationale Vereinbarung nach sich ziehen, die Zeitreisen streng reglementierte. Natürlich würde sich kein Land daran halten, und so wären Konflikte für eine vollständige abendfüllende Serie denkbar geworden.

Das Ganze klingt nicht ganz unbekannt, und Braga erzählte in mehreren Interviews freimütig, dass er den Pitch für Enterprise einfach nur modifizierte. Im finalen Plot ging es dann statt um Nationen auf der Erde um diverse Gruppen aus der Zukunft, die die Vergangenheit zu ihren Gunsten ändern wollten. Archer und seine Crew wurden allerdings bereits in der Pilotfolge in den Konflikt hineingezogen und immer wieder mit Zeitagenten diverser Fraktionen konfrontiert. Die Geschichte mündete in dem bekannten terroristischen Anschlag der Xindi auf die Erde, bevor Manny Coto sie dann zu Beginn der vierten Staffel mehr schlecht als recht auflöste. Die Idee an sich war eigentlich gar nicht übel und sorgte für einige spannende Episoden. Als Handlanger der Drahtzieher dachten sich die beiden Produzenten die mit einigen coolen genetischen Upgrades ausgestatteten Suliban aus. Teile der Spezies gehörten einer Untergrundorganisation namens Cabal an, als deren Anführer Silik man mit John Fleck keinen ganz unbekannten Star-Trek-Veteranen gecastet hatte. Da die am Temporalen Kalten Krieg beteiligten Splittergruppen aus dem 29., teilweise sogar dem 31. Jahrhundert stammten, spielte auch die Oberste temporale Direktive wieder eine gewisse Rolle. Durch diesen geschickten Kniff bekam so jeder, was er wollte. Rick Berman und Brannon Braga durften ihre Serie im 22. Jahrhundert belassen, während UPN im Gegenzug sozusagen ein Sequel im Prequel erhielt.

Die Trommel ruft

Als alle Fragen rund um das Setting geklärt waren und das Duo Berman/Braga endlich ihr Go erhielten, trommelten sie ihr Produktionsteam zusammen. Es ist keine große Überraschung, dass Berman auf vorhandene Ressourcen zurückgriff und sich der Personalstab deshalb wie ein kleines Who’s Who der Star-Trek-Geschichte liest. Merri D. Howard und Peter Lauritson, die beide schon seit TNG-Zeiten an Bord waren, sollten das Serienschiff als Supervising Producers mitsteuern. Auch Dawn Velazquez, Stephen Welke und Brad Yacobian hatten sich ihre Sporen bereits in den vorherigen Star-Trek-Serien verdient. Den Writers Room füllten außer den beiden Showrunnern unter anderem Michael Sussman und André Bormanis, die an je 23 Episoden mitschrieben, sowie Phyllis Strong mit 13 Folgen. Ins Team der Regisseure lud Berman neben vielen ehemaligen Stars wie Roxann Dawson, LeVar Burton, Michael Dorn und Robert Duncan McNeill auch wieder David Livingston, Allan Kroeker und Michael Vejar ein.

Weitere bekannte Namen sind Junie Lowry-Johnson, die die Verantwortung für das Casting übernahm, Robert Blackman, der sich erneut an den Kostümen versuchen durfte, und Suzanne Diaz-Westmore, die ihre Karriere bei Star Trek mit der DS9-Folge Who mourns for Morn? (Wer trauert um Morn) begonnen hatte. 1998 arbeitete sie an dem PC-Spiel Star Trek: The Game Show und stieß ab 1998 zum Team von Star Trek: Voyager. Doug Drexler, Michael Okuda und Alan Kobayashi waren ebenfalls wieder mit von der Partie. Natürlich durften auch Herman F. Zimmerman als leitender Produktionsdesigner und Michael Westmore als Makeup Supervisor in der langen Liste nicht fehlen.

Die Brücke – von der Idee zum Bau

Nachdem der Casting-Prozess erfolgreich abgeschlossen war (mehr dazu im nächsten Kapitel), begann allmählich die heiße Produktionsphase. Die Brücken der Sternenflottenraumschiffe waren bisher stets geräumig und fast schon gemütlich dahergekommen. Das sollte sich nun ändern. Wie wir aus zahlreichen Dokumentationen und Büchern wissen, ist das Leben und Arbeiten in einem Shuttle oder auf einer Raumstation im All in Wirklichkeit alles andere als komfortabel. Überall herrscht quälende Enge. Jeder Zentimeter wird genutzt. In jeder denkbaren Nische sind Gerätschaften untergebracht, und Bilder der International Space Station ISS verraten uns, dass Privatsphäre Mangelware ist. Da der Jungfernflug der NX-01 nur etwa 150 Jahre in der Zukunft lag, sollte auch auf der Enterprise Platz ein hohes Gut sein. Um sich ein besseres Bild vom Alltag unter solchen Lebensumständen zu machen, besuchten Herman Zimmerman, Brannon Braga und Rick Berman ein ausgedientes U-Boot in San Pedro (Los Angeles), das die US-Army in den 80er Jahren ausgemustert hatte. Zimmerman zeigte sich beeindruckt von der Effizienz der Bauweise. Vor allem der Bereitschaftsraum des Captains, der nur aus einer sehr kleinen Nische mit einem Tisch in der Mitte bestand, blieb ihm im Gedächtnis haften. Seine Eindrücke verarbeitete er letztlich im Brückendesign. Zwar bietet das Herz der Enterprise im Vergleich zu realen Verhältnissen noch immer geradezu üppig viel Platz und ähnelt mehr der Schaltzentrale eines Kreuzfahrtschiffs als eines U-Bootes. Dennoch gelang es Zimmerman sehr gut, die Grundkonzepte des U-Boot-Designs einfließen zu lassen. Schaut man sich beispielsweise den Ready-Room auf der Enterprise 1701-D genauer an, erfreut sich das Auge an bequemen Arbeitssesseln, einem einladend großen Tisch, Bildern an den Wänden und sogar einem Aquarium. Warme Farben unterstreichen das heimische Gefühl, das der Crew helfen soll, sich auf ihren jahrelangen Reisen wohlzufühlen. Captain Archers Besprechungen finden hingegen in einem kleinen, graublau gehaltenen Raum ohne Stühle statt. Lediglich ein kleiner Tisch trennt die Offiziere voneinander, und Archer muss jedes Mal den Kopf einziehen, wenn er das Besprechungszimmer betritt oder verlässt.

Die Brücke musste natürlich genug Platz für gute Kameraeinstellungen und Shots bieten. Dennoch wird bei genauerem Hinsehen auch hier deutlich, dass sich Herman Zimmerman an die Regeln der Effizienz hielt. Weder schwungvolle Linien noch eine Dreier-Sesselfront mit dem Captains-Stuhl in der Mitte und weiteren Plätzen für den ersten Offizier und den Counselor zieren den Raum. Stattdessen herrscht eine fast schon kühle Arbeitsatmosphäre auf der NX-01 vor. Das alles wirkt sehr glaubwürdig und gut durchdacht, und tatsächlich hielt sich der erfahrene Produktionsdesigner an eine seiner alten Grundregeln: Gestalte eine Raumschiffbrücke stets so, dass jedes Bedienelement einen Sinn ergibt und benutzbar ist. In den 60er Jahren war das Brückenkonzept der guten alten Enterprise 1701 so innovativ, dass sich das Militär für den Bau ihrer Flugzeugträger einiges von den Filmschaffenden abschaute. Wer weiß? Vielleicht orientiert man sich in einhundert Jahren für das erste interplanetare Raumschiff an der NX-01, wenn bis dahin endlich Schwerkraftkompensatoren erfunden worden sein sollten.

Die heiße Phase beginnt

Als Filming-Location ließ sich Paramount auf keine Kompromisse ein. Die permanenten Sets inklusive der Brücke, des Maschinenraums und der Waffenkammer wurden in Halle 18 auf dem altehrwürdigen Gelände der Paramount Pictures Studios in Los Angeles, California gebaut. Stage 18 war bislang noch nie für eine Star-Trek-Produktion verwendet worden, ganz im Gegensatz zu den Stages 8 und 9, die für den Bau der temporären Sets herhalten durften. Es wäre natürlich eine schöne Hommage an die Originalserie gewesen, wenn auch die Studios 31 und 32 zum Einsatz gekommen wären, wo Kirk und Spock bereits zwischen 1966 und 1969 ihr Unwesen getrieben hatten. Allerdings hatte Gene Roddenberry bereits 1972 in den Hallen 8 und 9 gestanden und die Vorproduktionsphase der nie realisierten Serie Star Trek: Phase II überwacht. Außerdem waren hier, zumindest teilweise, die ersten vier Kinofilme entstanden, so dass die Produktion von Enterprise dann doch auf heiligem Star-Trek-Boden stattfand.

Um die Sets in den vorgegebenen Wochen fertigzustellen, benötigte Herman Zimmerman vor allem zwei Ressourcen: Personal und Geld. Beides stand glücklicherweise im ausreichenden Maße zur Verfügung, so dass der Setdesigner aus dem Vollen schöpfen konnte. Der dritte große Faktor hieß Zeit, denn innerhalb von fünf Wochen sollten die Sets in den drei Studios fertiggestellt sein. 130 bis 150 Personen arbeiteten von früh morgens bis teilweise tief in die Nacht hinein, um die Sets zu bauen, die wir heute in der Serie bewundern können. Die Anzahl des Personals erklärt sich aus dem hohen Aufwand, den es erfordert, eine neue Serienwelt von Grund auf neu gestalten zu müssen. Wenn erstmal alle grundlegenden Elemente erschaffen sind, reduziert sich das Team meistens auf die Stärke einer Wartungs- und Einsatz-Crew. So war es auch in diesem Fall. Während der vier produzierten Seasons standen zwischen 20 und 30 Handwerker ständig bereit, um Sets umzubauen, defekte Teile zu reparieren und auszutauschen oder temporäre Setteile für die Außendrehs zu kreieren.

Eine weitere beeindruckende Zahl ist nebenbei erwähnt die Geldsumme, die alleine die Kulissen verschlangen. Bis zum Start des Pilotfilms gab Zimmerman rund fünf Millionen Dollar dafür aus, die Enterprise zum Leben zu erwecken. Zu den permanenten Sets gehörten die Brücke mit dem Bereitschaftsraum, der Maschinenraum und die Waffenkammer. Doch die Zuschauer wollten natürlich auch die Kombüse und den Aufenthaltsraum, die Krankenstation, Kabinen, Gänge, Lagerräume und sogar das schiffseigene Fitnessstudio erleben. Also hieß es klotzen und nicht kleckern.

Aus neu mach alt, oder umgekehrt?

Eine Serie vor Gene Roddenberrys Originalserie spielen zu lassen, stellte designtechnisch eine große Herausforderung dar. Wie konnte man sich vom bunten Look der ursprünglichen Bedienelemente auf der Enterprise verabschieden, aber dennoch deutlich machen, dass die NX-01 einhundert Jahre früher gebaut worden war? Man durfte einerseits die altgedienten Fans nicht verärgern, wollte aber auch ein neues Publikum für Star Trek begeistern. Denise und Mike Okuda sowie Herman Zimmerman machten sich hierzu intensive Gedanken. Wichtig war es, den Zuschauern eine glaubwürdige Retro-Atmosphäre zu vermitteln, die noch in der Gegenwart verankert war, aber auch eine Verbindung zum 23. Jahrhundert schuf. Da sich auf der Enterprise 1701 der Warpkern nicht horizontal über zwei Decks erstreckt, sondern vertikal gebaut ist, fand Zimmerman, es sei eine gute Idee, dieses Design für das erste Warp-5-Schiff aufzugreifen. Die vornehmlich rot-blauen Lichter des Warpkerns der 66er-Enterprise übernahm er ebenfalls. Ein Blick ins Innenleben des Kerns der NX-01 verriet, wie das Ganze funktionierte. Innerhalb der Holzkonstruktion montierten die Handwerker links und rechts etwa in der Mitte zwei große, mit Aluminium umwickelte und drehbare Holzscheiben, auf die je nach Bedarf Lichtquellen reflektiert wurden. Man konnte das Licht dimmen oder die Farbe verändern, je nachdem, ob der Warpantrieb gerade hochfuhr, im Standby-Modus war oder die Enterprise mit Warp 5 durch das Weltall raste.

Monitore überall

Denise und Mike Okuda waren außerdem der Ansicht, dass das Schiff vollgepackt mit Bildschirmen sein sollte, was sie vor allem auf der Brücke auch umsetzten. Möglicherweise war zum ersten Mal in einer TV-Serie überhaupt jeder Screen, der auf der Brücke zu sehen ist, an einen Computer angeschlossen und mit dem Kontrollraum direkt hinter dem Set verbunden. Die Schaltzentrale ist in einer der zahlreichen und informativen Dokumentationen auf der BluRay-Edition zu sehen und sieht mindestens ebenso beeindruckend aus wie das Schiff selbst. Elektronische Gerätschaften, Computer, Bildschirme, Bedienelemente und Kabel bilden ein wildes Durcheinander und scheinen sich bis zur Decke zu stapeln.

Es ist schon beeindruckend, was für die neue Star-Trek-Serie auf die Beine gestellt wurde. Denise Okuda erzählt im selben Special eine witzige Anekdote dazu. Bis zum ersten Drehtag für den Pilotfilm waren niemals alle Geräte des Kontrollraums gleichzeitig im Betrieb gewesen. Man war einfach davon ausgegangen, dass alles funktionieren würde. Als die Dreharbeiten aber um 04:30 Uhr morgens begannen, lief das System nicht wie geplant. Also mussten sich die Techniker erst einmal mit diesem Problem auseinandersetzen. Der Drehbeginn verzögerte sich, was bei einem Filmdreh immer viel Geld kostet. Schließlich gelang es aber, alles zum Laufen zu bringen, und die Arbeiten konnten beginnen.

Props – Zukunft der Vergangenheit

Ein weiteres wichtiges Thema war die Gestaltung der Props. Jeder kannte Uhuras Ohrstöpsel, Spocks Monitor und McCoys medizinischen Tricorder. All diese technischen Spielereien gehörten zu Star Trek und waren zu einem festen Bestandteil der Fan-Kultur geworden. Die Frage, ob Kommunikationsoffizier Hoshi Sato ein ähnliches Gerät tragen sollte, stellte sich also erst gar nicht. Allerdings entschied man sich für ein einem Hörgerät nicht unähnliches einseitiges Headset, das sich zwar stark von Uhuras riesigem Knopf im Ohr unterschied, aber eine logische Weiterentwicklung moderner Technologie der frühen 2000er Jahre darstellte. Ähnliches lässt sich über den ikonischen Kommunikator berichten, der in seiner Gestaltungsweise heute natürlich längst überholt ist. In den 60er Jahren war das Klapp-Handy-artige Konzept geradezu revolutionär. Im Jahr 2000 gab es allerdings bereits Handys, die so klein waren, dass sie in eine Hosentasche passten. Die Lösung des Problems war so simpel wie einfach. Man behielt das ursprüngliche Design grundlegend bei und versah es statt mit Drehknöpfen mit einem Display. Nur drei Jahre später erschienen übrigens das kultige Motorola RAZR und das Samsung SGH 700 Klapp-Handy auf dem Markt. So schnell kann die Gegenwart die Zukunft einholen.

Spocks bereits erwähnter berühmter Monitor, der optisch die Wissenschaftsstation dominierte, schaffte es ebenfalls in die Serie. Sehr viel ließ sich am Grunddesign allerdings nicht ändern. Die Neuerungen fielen daher eher unwesentlich aus. Das leuchtende Blau, das die Arbeitsbereitschaft des Geräts signalisierte, behielt Herman Zimmerman im Wesentlichen bei. Statt eines Drehknopfs an der rechten Seite ließ sich das Analysegerät nun allerdings ausfahren.

Der Look der Krankenstation erinnerte insgesamt stark an eine etwas modernere Variante heutiger Intensivstationen, die ebenfalls mit Bildschirmen und Sensoren vollgepackt sind. Es gab sinnvollerweise sogar ein Diagnosegerät, das einer Art von Computertomografieröhre sehr ähnlich war. Trotz aller ehrlichen Bemühungen gelang es aber nicht, diesem Schiffsbereich einen retrofuturistischen Look zu verpassen, der glaubwürdig als Vorläufer des 23. Jahrhunderts von 1966 herüberkam. Allerdings wurden die zahlreichen Tiere und Mittelchen des denobulanischen Arztes Phlox zu einem unterhaltsamen Running Gag der Show, der für so manchen Schmunzler sorgte.

Einen ähnlichen Effekt versprach man sich von den Phasenpistolen, deren zwei Modi »Betäubung« und »töten« Malcom Reed Captain Archer in der Pilotfolge erläutert. Auf dem Papier erschien es toll, die Energiewaffen als etwas völlig Neues einzuführen. Berman und Braga versprachen sich davon einen weiteren wiederkehrenden Hinweis auf den Prequel-Charakter der Show. In der Praxis erwies sich der Einfall dann als wenig innovativ. Archer benutzte die Waffen in der Pilotfolge ausgiebig, was dazu führte, dass sich der Gag um die Phasenpistolen bereits abgenutzt hatte und somit wertlos wurde. Das Design der Handfeuerwaffen ist übrigens überaus gut gelungen. Die Optik ähnelt noch immer der Form heutiger Schusswaffen, wirkt aber fortschrittlich genug, um sie den Science-Fiction-Fans als Zukunftsmusik verkaufen zu können. Andererseits lassen sich Kirks Phaser einhundert Jahre später einfach in einen Typ-2 und den handlicheren Typ-1-Phaser zerlegen, was diesen Waffentyp wesentlich ausgereifter wirken lässt.

Don’t beam me up

Was den Transporter angeht, der in Star Trek: The Original Series noch eher als Gimmick zur Kostenreduzierung diente, bestanden Kerry McCluggage und Gary Hart – Bermans und Bragas Wünschen zum Trotz – darauf, dass er unbedingt auf das Schiff gehörte. Auch hier prallten wieder Welten aufeinander, da sich Berman ursprünglich fast komplett von den Vorgängerserien verabschieden wollte. Doch wer das Geld hat, hat das Sagen, und so entschied man sich letztlich für einen Kompromiss. Die Transportertechnologie hielt Einzug auf die Enterprise, Menschen wurden aber nur in seltenen Fällen auf Planeten oder zurück zum Schiff gebeamt. Stattdessen benutzten die Away-Teams Shuttles, um die Oberfläche fremder Welten zu erkunden und dorthin vorzustoßen, wo noch nie ein Mensch gewesen war. Die Entscheidung war Gold wert und hätte Gene Roddenberry ganz sicher glücklich gemacht. Es war immer sein Wunsch gewesen, seine Offiziere in Raumfähren auf die Planeten zu schicken, auf denen sie dann ihre Abenteuer erleben sollten. Doch Roddenberry standen nur rund 100.000 Dollar Budget pro Episode zur Verfügung, was für eine TV-Serie der 60er Jahre zwar nicht unbedingt Low Budget war, aber dennoch viel zu wenig Geld, um seine Visionen auch nur ansatzweise zu verwirklichen. Rick Berman und Brannon Braga standen in den ersten drei Staffeln 1,7 Millionen Dollar pro Folge zur Verfügung. Der Pilotfilm kostete 12 Millionen Dollar. Verglichen mit Voyager erscheint die Summe relativ gering. UPN hatte für die bis dato letzte im 24. Jahrhundert angesiedelte Star-Trek-Serie immerhin jeweils bis zu 3,3 Millionen Dollar springen lassen. Im Vergleich zu The Original Series handelte es sich aber immer noch um ein üppiges Budget. Allerdings kürzte das Network Manny Coto in der vierten Staffel noch einmal die Geldmittel, so dass er schließlich mit mageren 800.000 Dollar pro Episode auskommen musste.

Die Opening Sequenz – erfrischend neu und doch verkannt

Natürlich brauchte die neue Star-Trek-Show eine erinnerungswürdige Eröffnungssequenz. Diese sollte sich aber von denen der bisherigen Serien angemessen unterscheiden. Statt sich auf die Enterprise NX-01 zu fokussieren und die Hauptfiguren vorzustellen, wollte Rick Berman gerne die Geschichte des menschlichen Forscherdrangs in Verbindung mit der Fliegerei bringen. Die Idee war genial, und so gab er eine wundervolle Montage in Auftrag, die zum vielleicht schönsten und mitreißendsten Intro aller Star-Trek-Serien wurde. Die Sequenz beginnt mit einem Blick aus dem erdnahen Orbit auf unseren Heimatplaneten und leitet dann zu einigen Diagrammen aus der Renaissance über. Ein polynesisches Auslegerkanu gleitet anschließend durch die Wellen und wird von einer Zeichnung der HMS Enterprise abgelöst, die sich in das reale Segelschiff verwandelt. Im weiteren Verlauf sind unter anderem die Spirit of St. Louis nach ihrer Landung in Paris, das Spaceshuttle Enterprise, ein Mond-Exkursionsmodul, die International Space Station ISS, Zefram Cochranes Flug mit der Phoenix und abschließend das frühe Warpschiff SS Emette sowie die NX-01 zu sehen.

In die Montage schafften es auch einige der berühmtesten Flugpioniere der Welt, so Amelia Earhart, Wilbur und Orville Wright, Chuck Yeager, Alan Shepard, Robert Goddard und Buzz Aldrin, der gerade seinen Fußabdruck auf dem Mond hinterlässt. Die Titelsequenz ist anrührend und bildkompositorisch hervorragend gestaltet. Eine kleine, aber nicht unwesentliche Randnotiz betrifft die International Space Station ISS. Diese hätte es nämlich um ein Haar gar nicht ins Intro geschafft. Der Titeleinspieler war schon fast fertiggestellt, da verfiel Rick Berman auf die Idee, dass die ISS ins Intro gehöre, aber nicht nur das, sondern zusätzlich auch ihr imaginärer Ausbau in der nahen Zukunft. Eine solche Aufgabe ließ sich nur am Computer bewältigen, also mussten einige Wochen vor der Premiere des Pilotfilms unbedingt Pläne her. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Glücklicherweise erwies sich Michael Okuda als ein wahres Organisationstalent. Berman rief ihn an, während er am anderen Ende von Los Angeles in einem Restaurant zu Abend aß. Okuda hatte einen Freund bei der NASA, den er sogleich anrief und der sich bereit erklärte, die Pläne herauszusuchen. Einige Stunden später bekam Berman zu seiner großen Erleichterung ein Fax, das er an die Firma weiterleitete, die für die Opening Credits verantwortlich zeichnete. So konnten sich die Programmierer letztlich doch noch an die Arbeit begeben und schafften es rechtzeitig, eines der größten Symbole menschlichen Schaffensgeistes in die Serie einfließen zu lassen.

Where my ear will take me

Einen besseren Einstieg hätte man für eine Serie, die die Aufbruchsstimmung in eine neue Ära der Menschheit thematisiert, eigentlich gar nicht finden können. Blieb nur noch die richtige Musik. Den Auftrag erhielt zunächst Dennis McCarthy, der schon die wunderschöne Titelmusik zu Deep Space Nine komponiert hatte. Doch eine weitere kreative Anwandlung Rick Bermans führte dazu, dass McCarthy zwar ein wichtiger Bestandteil des Enterprise-Scores blieb, aber nicht die Eröffnungsmusik komponierte. Um einen Eindruck von der Wirkung der Titelsequenz zu erhalten, unterlegten Braga und Berman sie zunächst mit dem U2-Song What a Beautiful Day, dessen Refrain übersetzt etwa: »Es ist ein toller Tag, es scheint, als fällt der Himmel hernieder, doch es ist ein toller Tag, also lasse ihn nicht entkommen« lautet. Brannon Braga liebte den Song und fand ihn als Untermalung für das Intro ideal. Leider scheiterte die Verwendung an zwei wichtigen Details. Bono von U2 war nicht angetan davon, eines seiner Lieder als Titelsong einer Serie verwurstet zu sehen. Selbst wenn sich die Bandmitglieder bereit erklärt hätten, die Lizenzrechte an Paramount abzutreten, wäre der Preis dafür schlicht unerschwinglich gewesen.

Nachdem sich das Thema U2 also erledigt hatte, entschied sich Rick Berman dafür, Diane Warrens Song Faith of the Heart zu kaufen, der lediglich einen neuen Text und den Titel Where my Heart Will Take Me erhielt. Gesungen wurde er vom britischen Opernsänger Russel Watson, der sich auch als Popsänger einen Namen gemacht hatte. Die Entscheidung führte zu starken Fanprotesten, auf die wir in einem späteren Kapitel noch einmal näher eingehen werden. Berman steht auch heute noch hinter seiner Entscheidung, während Braga das Lied von Anfang an hasste. Er fand, dass ein gesungener Song zu sehr vom eigentlichen Intro ablenkte. Noch mehr missfiel ihm aber die Outro-Version des Liedes, die er des Öfteren mit seichter Fahrstuhlmusik verglich. Am 26. September 2001 spielten alle Mühen, die die Prä-Produktionsphase mit sich gebracht hatten, keine Rolle mehr. Von nun zählte nur noch die Meinung des Publikums.

Die Star-Trek-Chronik - Teil 1: Star Trek: Enterprise

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