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KAPITEL FÜNF

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Als Samantha morgens das Rushville Polizeirevier betrat, hatte sie das ungute Gefühl, dass ihr einiger Ärger bevorstand. Gestern hatte sie ein paar Anrufe getätigt, die sie vielleicht nicht hätte machen sollen.

Vielleicht sollte ich endlich lernen, mich nur um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, dachte sie.

Doch irgendwie fiel es ihr schwer, sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.

Sie versuchte immer, die Dinge richtigzustellen – manchmal auch Dinge, die nicht richtiggestellt werden konnten, oder Dinge, von denen andere Leute nicht wollten, dass man sie richtigstellte.

Wie immer wenn sie zur Arbeit kam, konnte Sam keinen einzigen Cop weit und breit entdecken. Nur die Sekretärin des Chiefs, Mary Ruckle, saß bereits an ihrem Platz.

Die anderen Polizisten machten sich oft über Sam lustig…

„Die gute alte verlässliche Sam“, sagten sie. „Morgens immer die erste und abends die letzte.“

Jedoch klangen diese Bemerkungen meist eher nach Spott als nach Anerkennung. Sie versuchte sich stets vor Augen zu führen, dass es für sie ganz natürlich war, die „gute alte verlässliche Sam“ aufzuziehen. Sie war jünger als sie alle und arbeitete zudem noch nicht so lange auf dem Rushville Revier. Es half auch nicht, dass sie die einzige Frau im gesamten Revier war.

Einen Moment lang schien Mary Ruckle Sams Ankunft gar nicht bemerkt zu haben. Sie war damit beschäftigt, sich die Fingernägel zu lackieren – eine Beschäftigung, mit der sie den Großteil des Arbeitstages zubrachte. Sam verstand den Reiz einer Maniküre nicht. Sie hatte unlackierte Nägel, die sie regelmäßig schnitt, was einer der vielen Gründe sein mochte, weshalb die Leute sie für nun ja…

Unweiblich hielten.

Nicht dass Sam gefunden hätte, dass Mary Ruckle sonderlich attraktiv gewesen wäre. Ihr Gesicht war immer angespannt und hatte diesen Ausdruck von Gemeinheit, so als hätte ihr jemand eine zwickende Wäscheklammer auf die Nase gesetzt. Immerhin war Mary verheiratet und hatte drei Kinder, und nur wenige Leute in Rushville trauten Sam zu, vergleichbares zu erreichen.

Ob Sam selbst so ein Leben wollte, wusste sie nicht. Sie versuchte, nicht zu viel über die Zukunft nachzudenken. Vielleicht war das der Grund, aus dem sie sich immer so intensiv auf genau das konzentrierte, was ihr an jedem gegebenen Tag bevorstand. Sie konnte sich nicht wirklich irgendeine Zukunft für sich selbst vorstellen, zumindest sagte ihr keine derjenigen Optionen zu, die ihr hier in Rushville offenstanden.

Mary pustete auf ihre Nägel und als sie zu Sam aufschaute sagte sie…

„Chief Crane will dich sehen.”

Sam nickte seufzend.

Genau wie erwartet, dachte sie.

Sie betrat das Büro des Chiefs. Er spielte gerade Tetris auf seinem Computer.

„Einen Moment“, grummelte er, als er hörte, dass Sam den Raum betreten hatte.

Abgelenkt von Sams Ankunft verlor er das Spiel nur wenige Augenblicke später.

„Verdammt“, sagte er und starrte weiter auf den Bildschirm.

Sam machte sich bereit. Er war wahrscheinlich schon vorher sauer auf sie gewesen. Das Verlieren der Tetrispartie hatte seine Laune bestimmt nicht besser gemacht.

Der Chief drehte sich in seinem Drehstuhl zu ihr um und sagte…

„Kuehling, setzen.“

Sam setzte sich gehorsam auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Er starrte sie einige Momente lang betont nachdenklich an während seine Fingerspitzen in Dreieckspose wichtigtuerisch in die Höhe ragten. Wie immer konnte er Sam damit nicht beeindrucken.

Crane war um die Dreißig, er sah auf eine langweilige Art und Weise gut aus – so wie Sam sich einen Versicherungskaufmann vorstellte. Dank des Machtvakuums das Chief Jason Swihart hinterlassen hatte als er vor zwei Jahren plötzlich wegzog, war Crane zum Polizeichief aufgestiegen.

Swihart war ein guter Chief gewesen, und alle hatten ihn gemocht, Sam miteingeschlossen. Swihart hatte ein tolles Jobangebot von einer Sicherheitsfirma im Silicon Valley bekommen, das er verständlicherweise sofort angenommen hatte.

Deshalb unterstanden nun Sam und all die anderen Cops dem neuen Chief Carter Crane. In Sams Augen verkörperte er die Mittelmäßigkeit der gesamten sehr mittelmäßigen Abteilung. Sam hätte es nie offen zugegeben, aber sie war überzeugt, dass sie ein hellerer Kopf war als Crane und alle anderen Cops ihres Reviers zusammengenommen.

Es wäre schön, mal eine Chance zu bekommen, das auch zu zeigen, dachte sie.

Endlich sagte Crane: „Ich habe einen interessanten Anruf gestern Nacht erhalten – von einem gewissen Spezialagenten Brent Meredith aus Quantico. Du wirst nicht glauben, was er mir erzählt hat. Andererseits, wer weiß, vielleicht weißt du selbst es ja schon viel besser als ich.“

Sam seufzte entnervt und sagte: „Komm schon, Chief. Komm auf den Punkt. Ich habe gestern Nachmittag das FBI verständigt, ja. Ich habe mit mehreren Leuten gesprochen, bevor ich dann mit Meredith verbunden wurde. Ich dachte, dass irgendjemand das FBI schließlich benachrichtigen müsste. Sie sollten hier sein und uns helfen.“

Crane grinste böse und sagte: „Lass mich raten, du denkst noch immer, dass Gareth Ogdens vorgestern Nacht von einem Serienmörders ermordet worden ist. Und zu allem Überfluss kommt der deiner Meinung nach auch noch direkt aus Rushville.“

Sam verdrehte die Augen.

“Muss ich das wirklich alles nochmal erklären?“, fragte sie. „Die gesamte Bonnett Familie wurde hier vor einigen Jahren eines Nachts ermordet. Irgendjemand hat ihnen die Köpfe mit einem Hammer eingeschlagen. Der Fall ist nie gelöst worden.“

Crane nickte und sagte: „Und du denkst, dass derselbe Mörder nun nach zehn Jahren aus seinem Versteck gekommen ist.“

Sam zuckte mit den Schultern und sagte: „Das ist eine ziemlich offensichtliche Verbindung. der modus operandi ist identisch.“

Crane wurde plötzlich laut.

„Es gibt hier keinerlei Verbindung. Wir sind das doch alles gestern schon einmal durchgegangen. Der modus operandi ist ein bloßer Zufall. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Gareth Ogden von einem durchreisenden Obdachlosen umgebracht wurde. Wir verfolgen jede Spur, die wir haben. Doch wenn er seine Tat nicht irgendwo noch einmal wiederholt, werden wir ihn vermutlich nie erwischen.“

Sam spürte, wie Ungeduld in ihr zu kochen begann.

Sie sagte: „Wenn es bloß ein durchreisender Obdachloser war, wieso gibt es keinerlei Anzeichen eines Raubs oder Überfalls?“

Crane schlug mit der Handfläche auf den Tisch.

„Verdammt nochmal, du willst auch wirklich nicht aufgeben, oder? Wir wissen nicht, ob nichts gestohlen wurde. Ogden war dumm genug, seine Eingangstür nicht abzuschließen. Vielleicht war er auch so dumm, einen Haufen Geld auf dem Kaffeetisch liegen zu lassen. Der Mörder hat das gesehen und beschlossen, es sich unter den Nagel zu reißen, bevor oder nachdem er Ogden den Schädel eingeschlagen hat.“

Crane legte seine Hände ineinander und fügte hinzu…

„Klingt das nicht wesentlich plausibler, als von irgendeinem Psychopath auszugehen, der zehn lange Jahre… im Übrigen was genau gemacht hat? Winterschlaf?“

Sam holte tief Luft.

Fang diese Diskussion jetzt nicht noch einmal von vorne an, sagte sie sich.

Es ergab keinen Sinn, noch einmal zu erklären, was genau an Cranes Theorie sie störte. Zum einen war es der Hammer. Sie hatte selbst nachgesehen und bemerkt, dass Ogdens Hammer alle noch säuberlich in seinem Werkzeugkasten verstaut waren. Schleppte dieser Durchreisende also einen Hammer mit sich, wenn er von einer Stadt zur nächsten zog?

Das war sicherlich möglich.

Doch es kam ihr ein bisschen lächerlich vor.

Crane grummelte beleidigt: „Ich habe diesem Meredith Typen gesagt, dass du gelangweilt bist und eine überaus aktive Fantasie hast, und dass er es vergessen soll. Aber um ehrlich zu sein, war das ganze Gespräch ziemlich peinlich. Ich mag es nicht, wenn meine Leute über mich hinweg eigene Entscheidungen treffen. Es war nicht deine Sache, diese Anrufe zu machen. Das FBI um Hilfe zu bitten ist meine Aufgabe, nicht deine.“

Sam musste sich auf die Zunge beißen, um ihre Gedanken nicht laut auszusprechen.

Es gelang ihr, mit ruhiger Stimme zu sagen…

„Ja, Chief.“

Crane gab einen scheinbar erleichterten Seufzer von sich.

„Ich werde es dieses eine Mal dabei belassen und kein Disziplinarverfahren einleiten“, sagte er. „Um ehrlich zu sein, wäre ich echt froh, wenn keiner der Kerle herausfindet, dass das alles passiert ist. Hast du irgendjemandem von dem Quatsch erzählt, den du da getrieben hast?“

„Nein, Chief.“

„Dann sollte das auch so bleiben“, sagte Crane.

Daraufhin wandte er sich von ihr ab und begann ein neues Tetrisspiel. Sam verließ sein Büro, ging zu ihrem Tisch und setzte sich, um in Ruhe über diese Niederlage nachzudenken.

Wenn ich mit niemandem darüber sprechen darf, explodiere ich, dachte sie.

Doch hatte sie gerade versprochen, den anderen Cops nichts von alldem zu erzählen.

Wer blieb dann noch?

Ihr fiel genau eine Person ein… diejenige, die überhaupt der Grund gewesen war, weshalb sie hier war, um sich in diesem Job zu behaupten…

Mein Dad.

Er war selbst Cop gewesen, als damals die Bonnett Familie hier ermordet worden war.

Die Tatsache, dass der Fall nie gelöst worden war, hatte ihn jahrelang beschäftigt.

Vielleicht kann mir Dad irgendetwas darüber erzählen, dachte sie.

Vielleicht hatte er irgendwelche Gedanken dazu.

Doch Sam begriff schnell, dass das wahrscheinlich keine sonderlich gute Idee war. Ihr Vater wohnte jetzt in einem örtlichen Altersheim und war mittlerweile dement. Er hatte gute und schlechte Tage, doch einen Fall aus seiner Vergangenheit zu erwähnen, würde ihn ganz bestimmt nur verstören und verstimmen. Und das wollte Sam nicht.

Bevor ihr Partner Dominic für ihre morgendliche Rundfahrt hier eintrudelte, gab es nicht viel zu tun. Sie hoffte, dass er bald kommen würde, sodass sie ihre Runde fahren konnten, bevor die Hitze zu drückend wurde. Heute wurden außerordentlich hohe Temperaturen erwartet.

Sich bis dahin den Kopf über etwas zu zerbrechen, an dem sie sowieso nichts ändern konnte, war wohl wenig sinnvoll – auch wenn es sich dabei um einen Serienmörder handelte, der sich direkt hier in Rushville aufhielt, einen Mörder, der sich womöglich gerade darauf vorbereitete, erneut zuzuschlagen.

Versuch nicht daran zu denken, sagte sie sich.

Dann gähnte sie und murmelte…

„Als ob mir das gelingen würde.“

Ruhend

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