Читать книгу Nichts Als Rennen - Блейк Пирс - Страница 6

KAPITEL DREI

Оглавление

Melissa Robinson ging die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf und summte leise vor sich hin. In der Ferne hörte sie die Kirchenglocken aus der Stadt. Sie hielt inne und lauschte. Ihr Lächeln wurde breiter. Sie lebte nun seit sieben Jahren in Paris, doch die Geräusche der Stadt bereiteten ihr auch nach dieser langen Zeit immer noch eine Gänsehaut.

Schnell stieg sie den nächsten Treppenabsatz hinauf. Es gab keine Fahrstühle in diesem Haus. Die Gebäude waren zu alt. Aber es ist Kultur, dachte sie bei sich.

Sie lächelte wieder und nahm eine Treppenstufe nach der anderen. Sie war nicht in Eile. Mit dem Neuankömmling, den sie treffen wollte, hatte sie vierzehn Uhr vereinbart. Jetzt war es 13:58 Uhr. Melissa hielt oben auf dem Treppenabsatz inne und blickte aus dem großen Fenster in die dahinterliegende Stadt. Sie war zwar nicht in Paris aufgewachsen, aber der Ort war wunderschön. Sie beobachtete die alten, vergilbten Gemäuer der Gebäude, die älter waren als manche Länder. Sie bemerkte die Muster der sich kreuzenden Straßen das sich durch den gesamten Stadtkern zogen, in denen sich zahlreiche Wohnungen und Cafés befanden.

Mit einem weiteren zufriedenen Seufzer erreichte Melissa die Tür im dritten Stock, streckte höflich die Hand aus und klopfte. Einige Augenblicke vergingen.

Keine Antwort.

Sie lächelte, hörte immer noch den Glocken zu und blickte dann wieder aus dem Fenster. Sie konnte gerade noch sehen, wie der niedrige Kirchturm von Sainte-Chapelle am Horizont verschwand.

„Amanda“, rief sie mit ihrer angenehmen Stimme.

Sie erinnerte sich an das erste Mal, als sie nach Paris gekommen war. Es war ihr alles überwältigend erschienen. Vor sieben Jahren, ein Expat aus Amerika, der sich in einem neuen Land, einer neuen Kultur niedergelassen hatte. Klopfen an Türen war damals eine willkommene Ablenkung gewesen. Melissa wusste, dass viele ihrer Freunde aus der Expat-Gemeinschaft Schwierigkeiten hatten, sich an die Stadt zu gewöhnen. Auf den ersten Blick war sie nicht immer so freundlich, besonders nicht für Amerikaner oder für junge Erwachsene im College-Alter. Sie erinnerte sich an ihre Zeit auf einem amerikanischen Campus in den ersten zwei Jahren. Es war so, als ob jeder ihr Freund hätte sein wollen. In Frankreich waren die Menschen etwas zurückhaltender. Das war natürlich auch der Grund, warum sie bei der Organisation der Gruppe half.

Melissa lächelte wieder und klopfte erneut an die Tür. „Amanda“, wiederholte sie.

Auch hier kam keine Antwort. Sie zögerte und blickte den Flur auf und ab. Sie griff in ihre Tasche und fischte ihr Telefon heraus. Smartphones waren gut und schön, aber Melissa bevorzugte traditionellere Kommunikationsmittel. Sie öffnete das alte Klapphandy und notierte die Uhrzeit auf dem Bildschirm. 14:02 Uhr. Sie blätterte durch die Textnachrichten und las Amandas letzten Nachricht nochmal.

„Es wäre toll, wenn wir uns heute Nachmittag treffen. Sagen wir 14 Uhr? Ich freue mich die Gruppe kennenzulernen. Es war bisher schwer, Freunde in der Stadt zu finden.”

Melissas Lächeln verblich ein wenig. Sie erinnerte sich an ein Treffen mit Amanda – eine zufällige Begegnung in einem Supermarkt. Sie hatten sich sofort verstanden. Die Glocken schienen nun in der Ferne zu verblassen. Aus einer Laune heraus streckte sie die Hand aus und tastete nach der Türklinke. Sie versuchte sie herunterzudrücken und stellte fest, dass es funktionierte. Ein Klicken und die Tür öffnete sich nur einen Spalt weit.

Melissa erstarrte.

Sie musste Amanda mitteilen, wie gefährlich es war die Tür in der Innenstadt unverschlossen zu lassen. Selbst in einer Stadt wie Paris ging Sicherheit vor. Melissa zögerte einen Moment lang, gefangen in einer Gewissenskrise, aber dann endlich ließ sie die Tür mit einem sanften Stupsen ihres Zeigefingers ganz auffallen.

„Hallo“, rief sie in die dunkle Wohnung hinein. Vielleicht war Amanda einkaufen. Vielleicht hatte sie den Termin vergessen. „Hallo, Amanda? Ich bin's, Melissa aus dem Forum…“

Keine Antwort.

Melissa betrachtete sich selbst nicht als besonders neugierig. Aber wenn es um Amerikaner in Paris ging, hatte sie ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Verbundenheit. Fast so, als wären sie Teil der Familie. Es fühlte sich nicht so an, als würde sie sich unangemessen einmischen, sondern eher, als würde sie sich Sorgen um ihre kleine Schwester machen. Sie nickte sich selbst zu und rechtfertigte die Entscheidung in Gedanken, bevor sie die Wohnung einer Frau betrat, die sie nur einmal zuvor getroffen hatte.

Die Tür knarrte erneut, als ihr Ellbogen gegen den Rahmen stieß, was dazu führte, dass sie sich noch weiter öffnete. Sie zögerte und glaubte, Stimmen aus dem Flur zu hören. Sie drehte den Kopf wieder zur Tür und blickte den Flur hinauf zum Rand der Treppe.

Ein junges Paar ging am Geländer entlang, bemerkte sie, und anstatt zu nicken oder zu winken, setzten sie ihr fröhliches Gespräch unbeirrt fort. Melissa seufzte, ging zurück in die Wohnung – und erstarrte dann. Der Kühlschrank war offen. Eine seltsamer Schein aus gelbem Licht erstreckte sich aus dem Fach über den Küchenboden.

Amanda war dort. Sie saß auf dem Boden mit dem Gesicht zur gegenüberliegenden Wand gewandt. Ihr Rücken war halb gegen den Schrank gelehnt, ein Schulterblatt gegen das Holz gepresst, ihr linker Arm lag auf dem Boden.

„Hast du etwas verschüttet?“, fragte Melissa und ging noch weiter in den abgedunkelten Raum hinein.

Eine Pfütze aus Rotwein erstreckte sich auf dem Boden unter Amandas linkem Arm. Melissa ging noch ein paar Schritte weiter und drehte sich zu Amanda um, immer noch lächelnd.

Ihr Lächeln fror ein. Amandas tote Augen starrten sie an. An ihrem Hals klaffte ein breiter Schnitt, der sich von einem Ohr zum anderen erstreckte. Kaltes Blut tropfte auf die Vorderseite ihrer Bluse und lief auf den Boden, wo es sich auf dem Linoleum gesammelt hatte.

Melissa schrie weder, noch bewegte sie sich. Sie keuchte nur, ihre Finger zitterten, während sie versuchte, ihren Inhalator herauszufischen. Sie stolperte auf die Tür zu, packte ihren Inhalator mit einer Hand und schnappte sich mit der anderen ihr Telefon.

Nach ein paar Atemzügen stieß sie ein gurgelndes Stöhnen aus und mit zitternden Fingern auf den Tasten ihres Klapptelefons tippte sie 1-7 für die Polizei.

Immer noch keuchend, mit dem Rücken gegen die Wand vor der offenen Wohnungstür, schluckte sie und wartete darauf, dass jemand das Telefon abhob. Hinter sich glaubte sie leise das Geräusch von Flüssigkeit zu hören, das auf den Boden tropfte.

Erst dann schrie sie.

Nichts Als Rennen

Подняться наверх