Читать книгу Nichts Als Verstecken - Блейк Пирс - Страница 8

KAPITEL FÜNF

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Das Fahrzeug, in dem sie abgeholt worden war, wollte gerade die Auffahrt des Wolfsschlucht Resort einbiegen, als Adele sich bei ihrem Fahrer bedankte und ausstieg, und die Gelegenheit nutzte, sich etwas die Beine zu vertreten um frische Luft zu schnappen. Der Fahrer rief ihr aus dem Auto zu. „Brauchen Sie eine Wegbeschreibung?”

Adele warf einen Blick zurück und schüttelte schwach den Kopf.

„Nein, danke – ich treffe mich hier mit jemandem.”

Der Fahrer winkte und drehte bereits um, um wieder zur Hauptstraße zu gelangen. Adele holte ihr eigenes Gepäck aus dem Kofferraum; sie hätte das niemals vom Fahrer verlangt, obwohl einige Agenten es als Teil des Services betrachteten.

Mit ihrem Rollkoffer in einer Hand, stand sie im Herzen der Kreisverkehr ähnlichen Auffahrt vor dem Resort. Als sie zum ersten Mal vom Wolfsschlucht Resort gehört hatte, hatte sie sich zunächst ein Hotel mit ein paar Skipisten vorgestellt, vielleicht ein oder zwei Hallenbäder. Doch was sie nun vor sich sah, erschien ihr eher wie ein ganzes Dorf, das mit Schnee gespickt und von allen Seiten von der unberührtesten Landschaft umgeben war, die sie je gesehen hatte.

Als sie am Rande des Kreisverkehrs stand, direkt unterhalb des Bordsteins des größten Gebäudeteils, nahm sie die Reihe blauer Glasfenster und malerischer Gebäude in Augenschein, die die Straße säumten und zum Bergpass hinaufführten, wo die schneebedeckten Berge und grünen Zweige die Hütten, Hotelflügel und Nebengebäude umgaben. Es gab sogar eine Kapelle aus Stein und einen isolierten Wasserturm, der stolz den Namen des Resorts trug.

Ihr Vater hätte es den Himmel auf Erden genannt. Allein der Anblick war faszinierend – die perfekte Mischung aus menschlicher Anstrengung und natürlicher Kunst.

Adele blickte auf ihren Koffer hinunter, ordnete ihre Gedanken und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, warum sie hier war.

„Hallo!“, rief eine Stimme aus dem Inneren des Hotels vor ihr. Das Gebäude schien mehr aus Glas als aus Wänden zu bestehen, als hätten die Architekten keine Gelegenheit auslassen wollen, die Schönheit der Alpen zu präsentieren.

Adele drehte sich zu den Schiebetüren hin, die sich geöffnet hatten, und eine junge Frau – nicht älter als 21 Jahre – stand Adele fröhlich zuwinkend in der Tür.

Adele lächelte und erkannte die Frau. Ihr Haar war viel kürzer als beim letzten Mal, als sie sich getroffen hatten – fast rasiert, um genau zu sein. Alles an der jungen Frau deutete auf Disziplin und Ordnung hin. Sie trug einen schwarzen Anzug und Stiefel, die von der schieren Menge Politur zu glänzen schienen. Ihre Augen waren hell und eifrig und sie winkte Adele zu, hielt die Geste dann aber nach der Hälfte der Bewegung an und nickte zur Begrüßung, als ob sie befürchtete, ihr Eifer könnte als unprofessionell empfunden werden.

„Hallo“, sagte die Frau erneut, als sich Adele näherte, auf den Bürgersteig trat und ihren Koffer in der einen Hand hielt, während sie in der anderen Hand ihre Laptoptasche trug.

„Ich bin Agent Beatrice Marshall“, sagte sie mit einer leichten Bewegung ihres rasierten Kopfes. Sie sprach fast perfektes Englisch, mit nur dem geringsten Anflug eines Akzents.

Adele nickte zurück. „Ich weiß“, antwortete sie, auch auf Englisch. „Wir haben schon einmal zusammengearbeitet.”

Agent Marshalls Lächeln kehrte daraufhin zurück. „Ich erinnere mich! Ich war mir nur nicht sicher, ob Sie sich erinnern würden, Agent Sharp. Es ist mir ein Vergnügen, wieder mit Ihnen zu arbeiten.”

„Ich freue mich auch. Also…“ Adeles Tonfall wurde düster und sie hielt in der Glastür des beeindruckenden Hotels inne. Das Atrium war eine Kombination aus lackierten Holzbalken und Naturstein. Ein kleiner Wasserfall strömte mit sanftem Plätschern in einen Teich am Tresen. Ein Mann in goldener und kastanienbrauner Uniform nickte den beiden Frauen zur Begrüßung höflich zu, wandte seine Aufmerksamkeit dann aber wieder einem Computer hinter dem Check-in-Schalter zu.

„Also…?“, sagte Agent Marshall. „Ich kann Ihnen Ihr Zimmer zeigen, wenn Sie möchten.”

Adele machte eine Pause. „Das wäre toll. Das ist der Ort, an dem das Paar verschwunden ist, ja?”

BKA-Agentin kräuselte die Nase und sie nickte einmal. „Sie wurden nur ein paar Kilometer von hier von einem der Bergrettungsteams gefunden. Sie sind in Bereitschaft, falls Sie mit ihnen sprechen möchten.”

Adele überlegte kurz, nagte an ihrer Lippe, entschied sich dann aber dagegen. „Noch nicht“, sagte sie vorsichtig. „Später, vielleicht. Aber ich würde mich gerne mit der DGSI in Verbindung setzen und ein paar Anrufe tätigen, wenn das in Ordnung ist.”

„Agent Renee!“, rief die junge Agentin. „Ich erinnere mich!”

Adele runzelte die Stirn. „Nicht nur John, äh, Agent Renee. Ich habe auch noch andere, mit denen ich sprechen muss.”

„Natürlich, ja, natürlich. Ich wollte damit nichts andeuten.”

Adeles Stirnrunzeln wurde tiefer und Agent Marshall schien zu erkennen, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte. „Es ist gut zu sehen, dass Sie für dieses Wetter richtig gepackt haben“, sagte sie und nickte in Richtung Adeles Mantel. „Wie Sie sehen könnten, gibt es im Hotel viele Annehmlichkeiten. Ich zeige Ihnen das Zimmer, soll ich? Das Hotelpersonal wurde angewiesen, Sie nicht zu belästigen und Ihr Zimmer zu meiden. Wir haben ein vorübergehendes Schloss an den Schlüsselkartenlesern, um jegliches Schnüffeln zu verhindern.”

Adele folgte der jüngeren Agentin, als sie sie an dem kleinen Wasserfall vorbei und zu einer Treppe aus Stein mit geschwungenem, poliertem Geländer aus Holz führte.

Auch ihr Zimmer war ganz in Glas und Holz gehalten, mit herrlichem Blick auf die Berge und Täler dahinter. Ihre Augen folgten den schneebedeckten Bergen und den mit weiß bestäubten Wäldern, als sie ihren Koffer neben das Bett stellte und ihr Telefon herauskramte.

Sie wählte zunächst Johns Nummer, runzelte dann ein wenig die Stirn und wählte stattdessen Robert.

Keine Antwort.

Sie trat ungeduldig auf der Stelle und entschied sich dann doch dafür Johns Nummer zu wählen, wobei sie versuchte ihr Handy mit ihrem Körper vor Agent Marshall abschirmte, die geduldig im Türrahmen wartete. Zu sich selbst murmelnd hielt Adele ihr Handy ans Ohr und wartete darauf, dass John abhob.

Ein paarmal Klingeln später hörte sie erst ein Rauschen, dann Agent Renees Stimme, die laut und wütend auf Französisch durchs Telefon dröhnte. „Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen aufhören, mich anzurufen. Ich schwöre, ich werde Sie jagen und Ihr Haus niederbrennen – verstehen Sie mich? Ich will Ihre beschissene Feuchtigkeitscreme nicht und wer auch immer meinen Namen auf Ihre Anrufliste gesetzt hat, wird es bitter bereuen!”

Dann, bevor Adele auch nur ein Wort sagen konnte, legte John auf und sie stand da, wie angewurzelt und etwas verwirrt. Adele atmete durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus und zählte langsam in ihrem Kopf. Einundzwanzig, Zweiundzwanzig.

Dann wählte sie erneut und wartete, sie wurde langsam ungeduldig. Agent Marshall beobachtete sie neugierig von der Tür aus.

„Was zur Hölle?!“, John begann ausfallend zu werden. „Glauben Sie, ich mache Witze, weil…“

„John, ich bin's“, polterte Adele auf Englisch heraus. „Adele. Halt mal kurz die Klappe.”

Eine Pause. Dann ein sanftes Räuspern, eine weitere Pause in peinlichem Schweigen. Dann sagte John mit abgehackter, gezwungen ruhiger Stimme, jetzt auf Englisch: „Adele? Wie schön, von dir zu hören.”

„Ganz meinerseits.“ Ein leichtes Lächeln berührte, ihre Mundwinkel, verblasste dann aber ebenso schnell wieder. Sie runzelte die Stirn. „Warte mal – warum ist meine Nummer nicht in deinem Handy gespeichert?”

John grunzte auf der anderen Leitung. „Ich habe nur zwei Nummern in diesem Handy gespeichert. Die Nummer von der Arbeit und die meiner Mutter.”

Adele rollte mit den Augen, sagte: „Ich verstehe. Und Feuchtigkeitscreme, hm? Welche Art von Abonnements hast du sonst so abgeschlossen?”

„Lustig. Wie ich hörte, hast du wieder einen Fall auf dieser Seite des großen Teiches.”

Adele nickte, dann bemerkte sie, dass John sie nicht sehen konnte und ging näher an das vom Boden bis zur Decke reichende Fenster heran, wobei ihr Atem das Glas beschlagen ließ, während sie in die Alpen starrte. „In den Bergen, ja“, sagte sie. „Eigentlich ist das der Grund, warum ich anrufe. Es gab ein zweites Paar – Schweizer. Auch sie sind verschwunden.”

„Die Haneser, ja“, sagte John. „Verschwunden in Frankreich, auch in den Bergen.”

Adele räusperte sich und neigte den Kopf leicht. „Ah, du weißt also schon Bescheid.”

„Ich weiß nicht nur Bescheid.“, sagte John, der jetzt, da sie auf Englisch sprachen, etwas langsamer war. „Ich arbeite daran, zusammen mit Robert.”

„Du bist? Perfekt – ich wollte mich ohnehin mit der DGSI abstimmen. Glaubst du, dass…“

„Naja, eigentlich, Adele, möchte der Exekutive, dass die Fälle getrennt bleiben. Er will sich nicht in den deutschen Fall einmischen. Im Moment behandeln wir die Fälle als hätten sie nichts miteinander zu tun.“, sagte er mit einem entschuldigenden Ton in seiner Stimme. Dann machte er eine kurze Pause.

Adele fühlte, wie sie den Kopf schüttelte. „Wir können noch nicht wissen, ob sie miteinander zusammenhängen oder nicht“, sagte sie. „Sicherlich weiß Foucault das.”

Renee seufzte am anderen Ende und atmete so laut in den Lautsprecher, dass Adeles Ohr zu pfeifen begann. Sie zuckte zusammen, wartete aber noch, während der Franzose weitersprach. „Das weiß ich. Das weißt du. Aber es geht hier um Politik.“ Er sagte Politik, als wäre es ein schmutziges Wort sagen.

„Oh? Welche Politik?”

„Lass es mich so ausdrücken. Wer ist dein Babysitter?”

Adele warf der jungen deutschen Agentin im Türrahmen einen verstohlenen Blick zu. Sie räusperte sich und sagte feinfühlig: „Eine alte Bekannte.”

„Ah ja. Aber er oder sie ist vom BKA, oder?”

„Positiv.”

„Das meine ich mit Politik. Das BKA hat vor Ort seine Hände im Spiel, zusammen mit den Einheimischen und – wegen unseres Falls – schnüffeln auch die Franzosen herum, und Interpol auch. Auch die Italiener, wollen aufgrund der Nationalität der Opfer an den Ermittlungen beteiligt werden. Das weiß ich aus vertrauenswürdiger Quelle.”

Adele kratzte sich am Kinn. „Ah. Wie groß sind also die Chancen, die DGSI einzuschalten?“, fragte sie mit schwindender Hoffnung.

Ein weiteres Stöhnen am anderen Ende.  „Die Chancen gehen gegen Null. Die DGSI verfolgt da einen klaren Kurs. Foucault sagte etwas über zu viele Köche, die den Brei verderben. Ich habe es nicht ganz verstanden. Ich glaube, er hat mir durch die Blume gesagt, dass ich ein Feigling bin.”

Adele seufzte, hielt sich ihre freie Hand vor die Augen und ging langsam vom großen Fenster weg in Richtung der kleinen Küchenzeile im vorderen Teil der Suite. Sie nahm sich ein Glas aus dem untersten Schrank und begann, etwas Wasser einzuschenken, wobei sie den Flaschendeckel nur leise öffnete, um viel Lärm zu vermeiden.

„Okay“, sagte sie, als John fertig war. „Aber das Schweizer Ehepaar – Ihr untersucht diesen Fall, oder?”

„Richtig. Robert und ich arbeiten als Partner an diesem Fall. Ich muss sagen, dein alter Chef ist das, was die Jungs in der Einheit einen Schläfer genannt hätten.”

„Schläfer?”

„Er macht anfangs nicht den Eindruck, als hätte er etwas drauf, aber wenn er sich erst einmal festgebissen hat, geht er ab wie eine Rakete. Guter Mann. Er ist seltsam, aber ich mag ihn.”

Adele schmunzelte über die Beschreibung ihres alten Mentors. Sie stellte sich Robert vor; ein kleiner, prüder, überkorrekter Mann mit Haarteil und zwei fehlenden Zähnen. Er war wie ein Vater für sie gewesen und der beste Detective, den sie kannte.

„Hey, ähm, Mist, ich muss los, American Princess. Ich schreibe dir eine Nachricht, wenn es Neuigkeiten gibt. Hmm, eigentlich, streich das – Robert wird dich auf dem Laufenden halten.”

„Erzähl mir nicht, dass du meine Nummer trotzdem nicht einspeichern wirst“, sagte Adele spielerisch.

John kicherte. „Vielleicht eines Tages, hm? Noch eine Sache… Warte mal.“ Johns Stimme wurde leiser, was nur bedeuten konnte, dass er das Telefon zur Seite gelegt hatte. Adele hörte ihn von etwas weiter im Raum rufen: „Bleib dran – leg bloß nicht auf! Bleib dran!“ Dann, wieder lauter, sagte er: „Ich muss los. Aber Adele, bitte, pass auf dich auf.”

Adele hielt ihr Glas Wasser und starrte auf die teuren Holzschränke in der Küchenzeile.

„Bin ich immer. Warum gerade jetzt?”

„Ich meine nicht die mordenden Grizzlybären, oder was immer das sein soll. Ich meine deine Babysitter, die Medien. Die Politik.“ Damit machte er die Situation noch schlimmer. Adele war diese vermeintliche Gefahr vorher nicht bewusst gewesen.

„Ich werde vorsichtig sein.“ Adele nahm einen Schluck aus ihrem Glas, sie weigerte sich, dorthin zu sehen, wo Agent Marshall immer noch geduldig in der Tür wartete.

„Ja, aber ich meine es ernst. Unsere Vorgesetzten wollen um jeden Preis vermeiden, dass die Verbindung zwischen den vermissten Paaren durchsickert. Verstanden? Wir reden hier von einem echten Karrierekiller, wenn das rauskommt. Normalerweise ist es mir scheißegal, was diese Sesselfurzer wollen, aber du bist eher der Karriere-Typ, oder?”

„Ich werde vorsichtig sein. Danke, John.”

Ohne sich auch nur zu verabschieden, legte John auf und Adele hörte wieder einmal nichts als Stille aus dem Telefonhörer. Sie rümpfte die Nase und steckte ihr Telefon in die Tasche, nahm einen weiteren großen Schluck aus ihrem Glas Wasserglas und versuchte zu verarbeiten, was ihr gerade gesagt worden war.

„Ah, Verzeihung?“, rief Marshall von der Tür aus an und brachte sie dazu Adele zurück ins Englische zu wechseln. Der junge Agent winkte mit der Hand.

Adele blickte hinüber.

„Entschuldigung“, wiederholte Marshall auf Englisch, „Aber, ähm“, räusperte sie sich.

„Wer war das?”

Adele hob eine Augenbraue. „Verzeihung?”

Marshall zuckte kurz vor Verlegenheit, ließ aber nicht locker und deutete auf Adeles Tasche. „Mit wem haben Sie auch geredet – nur, es ist wichtig, dass wir einige Details des Falles unter Verschluss halten. Eigentlich sehr wichtig. Wichtiger als…“ Sie runzelte die Stirn und hielt sich dann aber zurück, schüttelte den Kopf und wartete geduldig auf Adeles Antwort.

Sie wollte sagen, wichtiger als den Fall zu lösen. Adele war sich dessen sicher. Sie schüttelte müde den Kopf. „Nur ein Gesetzeshüter. Es ist alles in Ordnung.“ Stirnrunzelnd verstaute sie das Glas und wandte sich wieder Agent Marshall zu. „Sollte ich etwas über die Hintergründe des Falles wissen?”

Marshall sah erleichtert aus und lächelte höflich, aber etwas komisch von der Tür aus. „Hintergründe?”

Adele nickte. „Richtig – jeder scheint übervorsichtig an diesen Fall heranzugehen. Könnten Sie mir sagen, warum?”

Agent Marshall nagte an ihrer Lippe und Adeles Augen verengten sich. Die jüngere Agentin mimte die unschuldige und unerfahrene, aber man wurde nicht ohne ein gewisses Maß an Gerissenheit und Disziplin BKA-Agentin. Sie wusste nicht, ob es sich um eine Handlung oder einfach nur um ein Persönlichkeitsmerkmal handelte, aber sie wäre dumm, wenn sie in der Nähe eines Agenten einer anderen Behörde nicht auf der Hut wäre.

„Okay“, sagte Marshall und räusperte sich. „Das ist nicht allgemein bekannt, aber ein Grund dafür, dass die Einheimischen auf einen Bärenangriff plädieren, ist, um die Aufmerksamkeit von der Brisanz des Falls abzuhalten. Ein Bärenangriff? Wird schnell wieder in Vergessenheit geraten. Aber zwei vermisste Paare? Möglicherweise ermordet.”

Adele fokussierte Marshall, ohne zu blinzeln. „Warum?“, fragte sie schlicht und einfach.

„Ich selbst kenne das Ausmaß nicht. Aber nach dem, was man mir gesagt hat, müssen Sie es wohl wissen.“ Diesmal war Marshall an der Reihe, ihre Stimme zu senken und ihr über die Schulter zu schauen. Sie ging weiter in den Raum und schloss die Tür hinter sich. „Es gibt noch ein weiteres Ferienresort in der Region Wettersteinspitzen. Es heißt Wetter Retreat.”

„Und?“

„Also“, antwortete sie und zögerte das Wort über das übliche Maß hinaus. „Das Resort wird morgen eröffnet. Verstehen Sie?”

Adele blinzelte. „Ein Resort wie dieses hier?“ Sie blickte wieder zum Fenster, zu den vielen Gebäuden, die das Haupthotel umgeben.

„Eigentlich sogar noch größer. Und teurer“, sagte Marshall. „Wir sprechen hier von Hunderten von Millionen, die investiert wurden. Und wenn vor der Eröffnung herauskäme, dass ein Mord ganz in der Nähe stattgefunden hat… Sie können sich die Presse und die wirtschaftliche Katastrophe vorstellen, ja? Tausende von Arbeitsplätzen, Tourismus, Infrastruktur. Verloren.“

Sie schüttelte den Kopf.

Adele starrte Marshall an. Sie fühlte ein kaltes Frösteln an ihren Handrücken, während sie die jüngere Agentin entgeistert ansah. War Marshall hier, um bei der Lösung des Falls zu helfen? Oder um Adele daran zu hindern, Ärger zu verursachen?

Sie konnte es nicht fassen. „Ein Multimillionen-Dollar-Projekt wird morgen eröffnet… Lassen Sie mich raten, alle möglichen Politiker und Prominente usw. … Das volle Programm?”

„Ich weiß nicht, was Sie mit dem vollen Programm meinen“, sagte Marshall. „Aber ja, es werden wichtige Leute dort sein. Verstehen Sie? Wir müssen Stillschweigen bewahren.”

Ob ich das verstehe? Ja, dachte sich Adèle. Sie begann nur allzu gut zu verstehen. Sie wollten nicht, dass Adele den Fall löste, sie wollten, dass sie ihn unter den Teppich kehrte; dass sie die Dinge unter Verschluss hielt. Oder sie sollte den Fall still und heimlich hinter den Kulissen lösen.

„Schon gut“, sagte Adele kurz angebunden. „Können wir wenigstens mit dem Such- und Rettungsdienst sprechen? Den Tatort sehen? Ich habe gehört, dass er im Wald liegt – ich schätze, so weit abgelegen, dass sich niemand davon auf den Schlips getreten fühlt.“

Marshall lächelte, obwohl sie es zu unterdrücken versuchte. „Ja, natürlich. Ich rufe den Teamleiter an, er soll uns dort treffen. Brauchen Sie noch etwas? Essen? Ich könnte etwas bestellen…“

„Mir geht es gut“, fiel ihr Adele in Wort. „Ich würde gerne den Tatort sehen. Haben Sie ein Auto?”

Agent Beatrice Marshall nickte erneut und drehte sich ohne ein Wort um, öffnete die Hotelzimmertür und ging in den Flur hinaus, mit einer freundlichen Geste, die Adele signalisierte  ihr zu folgen.

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