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Atheismus in der DDR und die Einflüsse zweier Weltkriege auf die Fähigkeit zu Glauben
ОглавлениеIch bin in Eisenach in Thüringen geboren, mein Elternhaus steht in Bad Liebenstein. Das war gelegen im Südwesten des Bezirkes Suhl der DDR. Heute gehört das zum Bundesland Thüringen.
Ich bin ein typisches Kind der DDR. 1964 geboren, nicht getauft bis 2014, sozialistisch erzogen. Als Kind war ich aktiv in den Jugendorganisationen Pioniere und Freie Deutsche Jugend. Ich habe fest daran geglaubt, dass nur der Sozialismus der Weg zum Glück aller Menschen sein kann. Ich bekam von meinen Eltern nur den einen Vornamen Bodo. Kein zweiter, zum Beispiel Emil wie mein Großvater. Es ist ein riesen Wutausbruch meines geliebten Opas Emil überliefert, welcher quer über den Hof brüllte: „Bodo? Das ist ein Hundename!“. Meine Mutter liebte Ihren jüngsten Bruder Bodo innig, daher wohl der Vorname für mich. Tja und da ich Ihn auch mag, den „großen Bodo“, war für mich alles gut. Die Tatsache, dass ich nicht getauft wurde war allerdings 1964 im ländlichen Thüringen noch nicht selbstverständlich. So habe ich auch nur eine Erinnerung an einen Gottesdienst in meiner Kindheit. 1971 verstarb mein Opa Emil Danz. Das ging mir sehr nahe. Zum Gedenkgottesdienst, ich sehe mich heute noch neben der Kanzel in der weißen Kirchenbank sitzen, die Predigt nicht hörend, war ich nur mit meinem Verlust beschäftigt. Mein Großvater war als harter Mann bekannt. Zu mir war er das Gegenteil. Von Ihm lernte ich meine Heimat auf vielen Wanderungen kennen, lernte Schach zu spielen im Vorschulalter, die ersten Worte zu schreiben. In seiner Nähe lag ein gutes Stück des Glücks meiner frühen Kindheit begründet. Dieser eine Gottesdienst war der Abschied von Ihm. Der Pfarrer lobte damals wie artig ich gewesen sei…Aus heutiger Sicht habe ich diesen Gottesdienst ja auch dem Sinn entsprechend genutzt…ich habe mich verabschiedet. Was Gott ist, was Glaube bedeutet, davon ahnte ich damals noch nichts.
Meine Mutter, von Beruf Krankenschwester, stammt aus Breslau in Schlesien (heute Polen). 1945, im Alter von 13 Jahren ging sie mit Ihrer Mutter und 6 !! Geschwistern auf den Flüchtlingstreck und strandete in Eisenach in Thüringen. Mein Großvater musste als Mann in der zur Festung erklärten Stadt Breslau bleiben und geriet in sowjetische Gefangenschaft aus der er erst spät zurückkehrte.
Dass alle 7 Kinder die Flucht und die anschließenden Hungerjahre überlebten, ist die große Lebensleistung meiner Großmutter Elfriede. Aber es ist auch ein Ausdruck für den Zusammenhalt einer Familie, denn die größeren Kinder waren natürlich auch um den Lebenserhalt bemüht. Meine Mutter Käthe war evangelisch getauft und sang im Kirchenchor (soweit sie gesund war, Hungertyphus etc.). Die Familie war wohl nie strenggläubig, sofern der Begriff zulässig ist, jedoch war das Weltbild und die Lebensweise grundsätzlich christlich. Ich glaube fest, dass meine Mutter tief im Herzen immer die Sehnsucht nach der Nähe zu Gott aber auch nach der christlichen Gemeinschaft behalten hat. Das reale Leben in der sozialistischen DDR und ihre Ehe haben verhindert, dieses Gefühl auch zu leben. Weitere Gründe sind sicher auch die Tatsache, dass sich die Familie meiner Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg streng zum „sozialistisch, atheistischen Weltbild“ bekannte. Ein Christ hätte hier wohl nicht allzu viel Toleranz gefunden. Im Bücherschrank meines Großvaters Herbert, den ich sehr liebte, standen Bücher von Stalin, Marx und Engels. Sozialisten und Kommunisten sind ja keine Menschenfresser, die Familie meiner Mutter ist mir auch heute noch lieb und teuer. Aber Gott und Diejenigen, welche an Ihn glauben, fanden wohl bestenfalls ein denjenigen bedauerndes Lächeln. Trotzdem muss ich betonen. Ich hatte eine tolle Kindheit inmitten dieser lebenslustigen gerne singenden und feiernden Familie, in welcher Jeder immer für den Anderen einstand. Die Ausprägung sich aktiv für das Wachsen und Bestehen dieses sozialistischen Staates einzusetzen war natürlich unterschiedlich. In einer so großen Familie haben auch viele Facetten des „sozialistischen Menschenbildes“ Platz. So war sicher mein Großvater Herbert die eine Seite und mein Onkel Harry, der so manches Mal mit seinem Vater in grundsätzlichen Lebensfragen in Disput geriet, die andere Seite dieses bunten Stranges. Aber eine Kirche zum Beeten zu Gott zu betreten, das hat wohl keiner von Ihnen in all den Jahren getan. Wie lebt nun also ein Atheist? Darauf möchte ich erst eingehen, wenn ich die andere Seite meiner Wurzeln beleuchtet habe.
Mein Vater, Sohn eines Lehrers, stammt aus dem ländlichen Südwesten Thüringens. Als Sohn des Dorfschullehrers war für Ihn christliche Erziehung Teil der kindlichen Grundausstattung. 1925 geboren, früh Halbwaise geworden, nahm sein Werdegang einen recht typischen Verlauf für einen jungen Menschen aus dem sogenannten Mittelstand. Auch hatte er natürlich in den Jahren nach Hitlers Machtergreifung schon ein Alter in welchem man die einen umgebende Zeit schon recht bewusst aufnimmt. So wie ich vom Sozialismus geblendet, verführt und belogen wurde, genau so erging es Ihm in der Zeit des Nationalsozialismus. Mit 18 Jahren ging er als Freiwilliger zur Deutschen Wehrmacht (wie so viele seines Alters). Er überlebte den Krieg mehrfach verwundet. Während mein Großvater als bekennender Christ 1971 gestorben ist, haben die Schrecken des Krieges die Seele meines Vaters für Gott verschlossen. Ich denke damit steht er nicht alleine da. Sein Leben in der DDR? Einmal hinters Licht geführt, vermochte er nie dem Sozialismus zu trauen. Aber er gab sich wohl aus Liebe zu meiner Mutter neutral. Das kann ich daran festmachen, als dass ich als Kind ein Streitgespräch meiner Eltern mitbekam: Dazu muss ich etwas ausholen. Ich war als guter Schüler natürlich auch als Kind aktiver Pionier (sozialistische Jugendorganisation für die Klassenstufen 1-7). So sollte ich denn auch in den Freundschaftsrat gewählt werden, dem die einzelnen Gruppenräte der Klassen unterstellt waren. Stolz darauf Anerkennung gefunden zu haben, kam ich nach Hause, erzählte dies meinen Eltern und fand bei meinem Vater natürlich nur schroffe Ablehnung, die ich aber nicht als Ablehnung des sozialistischen Systems verstand. Ich war ja noch Kind. Nein ich deutete diese Ablehnung schlicht als sehr schlechte Laune meines Vaters, was nicht ungewöhnlich war. So einfach wollte ich dies nicht hinnehmen, stichelte noch ein wenig und flog erwartungsgemäß vom Abendbrottisch. Naja und auf dem Weg die Treppe hinauf hörte ich noch deutlich die Vorhaltungen meiner Mutter an meinen Vater „Du bist so ungerecht zu Ihm. Er hat einen Durchschnitt von 1,…. , ist im Gruppenrat seiner Klasse und soll nun in den Freundschaftsrat gewählt werden…und Du kanzelst Ihn nur ab.“ Die gereizte Antwort meines Vaters: „Was geht mich das denn an?“. Still ging ich die Treppe hinauf und habe wohl seither nie wieder mit der Anerkennung meines Vaters gerechnet. Die beiden haben nie erfahren, dass ich seither wusste, dass sich mein Vater mit dem Staat DDR nicht identifizieren kann. Ich persönlich habe die Kandidatur für dieses Amt nicht angenommen, so groß war mein Frust und so sinnlos erschien mir das Alles ohne die Anerkennung meines Vaters. Aber! All das macht aus Ihm natürlich keinen Christen. Er kann mit dem christlichen Glauben nichts anfangen. Aber er toleriert Ihn bei anderen Menschen. Mir ist es da anders ergangen. Zu seinem 91. Geburtstag gab ich Ihm mein Buch „Ephraim, mein Weg zu Gott“. Er hat mich nur verhöhnt und sich geweigert auch nur eine Zeile zu lesen um mich besser zu verstehen. Damit muss ich leben. Ich verzeihe Ihm und wenn ich Ihn wieder treffe, werde ich Ihm dies auch sagen! Die Schwächen unserer Mitmenschen hinzunehmen und uns diesen nicht aus verletzter Eitelkeit oder auf Grund anderer persönlicher Schwächen zu verschließen, dies ist ein Problem, bei dessen Lösung wir vornehmlich an uns selbst arbeiten müssen. Fehlender Toleranz mit Zorn oder persönlicher Abschottung zu begegnen ist wohl wenig zweckdienlich. Im Kleinen wie im Großen sind Konflikte nur durch Kommunikation zu lösen, niemals durch Konfrontation.
Dieser Einblick in meine persönlich erlebten Lebensumstände soll einige Ausführungen im Folgenden helfen zu erklären.