Читать книгу Freundschaft - Bodo Karsten Unkelbach - Страница 13
Freundschaft ist ein Kind der Freiheit
ОглавлениеFreundschaft als Verkörperung einer Liebesbeziehung ist immer ein Kind der Freiheit. Es ist unmöglich, Freundschaft zu erzwingen. Das Wohlbefinden in der Gegenwart des anderen kann nicht erzeugt oder produziert werden. Freunde haben eine gewisse Seelenverwandtschaft oder – weniger pathetisch ausgedrückt – die Chemie zwischen ihnen stimmt. Man versteht sich, ist sich sympathisch, hat ähnliche Interessen und Wertvorstellungen. Der respektvolle und achtsame Umgang miteinander lädt dazu ein, allmählich mehr von sich preiszugeben. Wünsche und Bedürfnisse werden mitgeteilt, verletzliche Seiten gezeigt. Diese Schritte geht man nur, wenn man sich frei fühlt. Jede Form von Zwang würde sofort dazu führen, dass man sich verschließt und auf Abstand geht.
Hat man Freundschaft geschlossen, ist jedes Treffen und jeder Austausch Ausdruck von Freiheit. Wir lassen uns nur auf eine Freundschaft ein, wenn wir sie wollen. Fühlen wir uns verletzt oder unverstanden, neigen wir zum Rückzug. Sind die Spannungen nicht zu lösen, steht die Freundschaft ernsthaft in Gefahr. Dann stellt sich die Herausforderung, aufeinander zuzugehen, Konflikte offen anzusprechen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Haben wir die Ursachen der Spannungen geklärt, können wir wieder aufeinander zugehen und die Gegenwart des Freundes genießen.
In einer Freundschaft kann ich mich öffnen, ich kann mich mitteilen, weil ich weiß, dass mein Freund behutsam mit mir umgeht. Er gestaltet mit mir gemeinsam einen Raum der Freiheit. Wir verurteilen einander nicht, sondern nehmen uns an, wie wir sind. Wir bewerten nicht, wir moralisieren nicht, sondern lassen unsere Meinungen und Sichtweisen nebeneinander stehen. Wir müssen uns nicht rechtfertigen. Jeder Kontakt, jeder Austausch, jede Hilfe findet unter dem Vorzeichen der Freiheit statt.
Die Kehrseite der Freiheit ist das Abhandensein absoluter Sicherheit. Grundsätzlich können wir uns auf unsere Freunde verlassen, aber es existiert keinerlei Garantie für Freundschaft. Wer meint, Freundschaft einklagen zu können, der hat sich getäuscht. Die vehemente Forderung nach einer absoluten Sicherheit wäre der Beginn des Endes einer Freundschaft. Was unser Freund für uns tut und was wir für ihn tun, ist nicht berechenbar. So stößt jede Hilfsbereitschaft irgendwann an ihre Grenze. Bei dem einen früher, bei dem anderen später. Die Kunst liegt darin, den Freund nicht zu überfordern. Es ist gut, um Hilfe zu bitten, wenn wir sie benötigen. Genauso wichtig ist es, Grenzen zu respektieren, wenn sie aufgezeigt werden. Nur wenn Freunde die Freiheit haben, auch Nein sagen zu dürfen und sie sich sicher sein dürfen, dass dieses Nein respektiert wird, ist die Freiheit vorhanden, die Freundschaft benötigt, um atmen zu können.
Das Gebot der Freiheit ist unumstößlich. Entsprechend will Freundschaft den anderen nicht verändern. Eine Freundschaft will nicht erziehen, nicht bevormunden, sie will dem Freund nicht sagen, was er zu tun und zu lassen hat oder was gut für ihn wäre. Freundschaft nimmt an, Freundschaft lässt stehen.