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Einsamkeit

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Der ärgste Widersacher der Freundschaft ist nicht etwa in der Feindschaft zu suchen sondern in der Einsamkeit. Verfeindet zu sein bedeutet, immerhin noch in einer Beziehung zu stehen. Einsamkeit dagegen ist Ausdruck von Beziehungslosigkeit. Und Einsamkeitsgefühle innerhalb einer Freundschaft stellen diese in Frage, können sie aushöhlen und entwerten.

In den Gemeinschaften, in denen wir leben, besteht fast immer die Möglichkeit, feindlich gesinnten Menschen aus dem Weg zu gehen. Einsamkeit jedoch können wir nicht ausweichen, da dieses Gefühl in uns steckt. Neurowissenschaftler wie Manfred Spitzer gehen davon aus, dass einsame Menschen kürzer leben als Menschen, die sich mit anderen verbunden fühlen. Die Folgen von Einsamkeit werden mit den tödlichen Auswirkungen von Tabakkonsum verglichen und sind gravierender für die Betroffenen als die Konsequenzen von Luftverschmutzung, Bluthochdruck oder Bewegungsmangel.

Denn abgesehen davon, dass wahre Freundschaften wunderschön sind und das Leben bereichern, dienen sie auch unserer Gesundheit – sozusagen als erwünschte Nebenwirkung. Doch obwohl wir uns inzwischen ihrer toxischen Folgen bewusst sind, greift Einsamkeit wie eine Seuche um sich.

Tatsächlich ist Einsamkeit ansteckend. Freunde von einsamen Menschen stehen in der Gefahr, ebenfalls einsam zu werden. Das erscheint zunächst wie ein Widerspruch, gehen wir doch im Allgemeinen davon aus, dass einsame Menschen daran zu erkennen sind, dass sie keine Freunde haben. Doch nur vermeintlich: Denn einsame Menschen sind in erster Linie Menschen, die sich einsam fühlen. Und dieses Gefühl kann uns an jeden Ort dieser Welt begleiten: in Menschenmengen, ins Einkaufszentrum, an den Arbeitsplatz, in unsere Familien und in den Freundeskreis hinein. Einsame Menschen können von noch so vielen Menschen umgeben sein, ihre Einsamkeit ergibt sich aus der Unfähigkeit, sich mit diesen emotional zu verbinden. Trifft also ein Einsamer auf einen anderen Menschen, der es gut mit ihm meint, verfügt er nicht über die Freiheit, sich auf ihn einzulassen. Das Einsamkeitsgefühl hemmt ihn, sich zu öffnen. Bleibt er verschlossen, so wird auch der freundliche Mensch, dem er gerade begegnet, sich in seiner Gegenwart über kurz oder lang einsam fühlen, weil kein echter zwischenmenschlicher Austausch zustande kommt.

Nur wenn es ihm gelingt, seine unbewusste Angst vor menschlicher Nähe zu überwinden und den anderen an dem teilhaben zu lassen, was ihn innerlich bewegt, kann er der Einsamkeit den Rücken kehren. Hierfür benötigt er die Bereitschaft, sich zu öffnen, sich auf eine tiefe zwischenmenschliche Begegnung einzulassen und persönlich in diese Beziehung zu investieren.

Menschen, denen das schwer fällt, sind gut beraten, an dieser Stelle schrittweise vorzugehen. Nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern mit Themen anzufangen, die einen emotional wenig berühren. Kommt man so ins Gespräch, eröffnet sich die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum die Intensität der Themen zu erhöhen. So ergibt sich der Raum, die Reaktionen des Gegenübers zu prüfen. Man lernt dessen Haltungen und Gesichtspunkte kennen und, noch wichtiger, man erfährt, ob er angemessen und respektvoll auf die eigenen Mitteilungen über sich selbst reagiert. Trifft man auf einen Menschen mit groben Reaktionen, weiß man, dass man eher auf Abstand gehen sollte. Erhält man aber eine behutsame und wertschätzende Resonanz, lohnt es sich, schrittweise mehr von sich preiszugeben und umgekehrt, auch ein offenes Ohr und Mitgefühl für den anderen zu entwickeln.

Einsamkeit ist nicht mit dem Alleinsein zu verwechseln. Mit dem Wort Einsamkeit wird ein Gemütszustand beschrieben, mit Alleinsein hingegen ein Zustand, der äußere Bedingungen beschreibt. Wenn ich eine Wanderung ohne Begleitung unternehme, kann ich den ganzen Tag allein im Wald sein, ohne mich auch nur ein bisschen einsam zu fühlen. Ich kann es genießen, meine Gedanken schweifen zu lassen, innerlich Abstand von der Hektik des Alltags zu gewinnen und mein bewegtes Leben zu reflektieren. Ich kann die Natur um mich herum bestaunen und dabei die Zeit vergessen. Ebenso ist es möglich, dass ich mich auf einer Party mit 100 Gästen furchtbar einsam fühle. Trage ich dieses Gefühl in mir, kann es sich in der Begegnung mit meinen Freunden auf diese übertragen.

Die Ansteckungsgefahr von Einsamkeit liegt darin begründet, dass Gefühle an sich ansteckend sind. Bricht ein Mensch in unserer Nähe in schallendes Gelächter aus, lachen wir unwillkürlich mit. Weint sich ein anderer bei uns aus, werden auch wir traurig. Menschen, die sich allein gelassen fühlen, transportieren ihr Einsamkeitserleben zu ihren Freunden, die deren Einsamkeit dann mitempfinden. Dieser Vorgang muss sich nur oft genug wiederholen, bis auch der Freund davon überzeugt ist, dass man im Leben grundsätzlich alleingelassen wird.

Eines der besten Gegenmittel gegen Einsamkeit liegt in einer tiefen Freundschaft. Eine solche besteht aus mehr als dem gelegentlichen Austausch über die Fußballbundesliga. Freundschaften leben von tiefen Verbindungen zueinander. Wobei auch die Diskussion über Fußballergebnisse ein wunderbares Sprungbrett sein kann, um die persönliche Begegnung intensiver zu gestalten.

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