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DER DICHTER ÖFFNET SEIN HAUS Lessing • Gleim • Klopstock • Seume • Göschen

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Salon im Sommerhaus des Verlegers Georg Joachim Göschen


Seit der Erfindung des Buchdrucks veränderten sich die Rolle des Autors und das Bild, das sich die Gesellschaft von ihm machte, rasant und tiefgreifend. Mit der neuen, effizienten und bald auch erschwinglichen Vervielfältigung von Texten durch den Buchdruck entstand ein Markt, der den Autor unabhängiger von Mäzenen und Auftraggebern machte, so dass er freier im Literaturbetrieb agieren konnte. Die Professionalisierung des Autors und die Individualisierung literarischen Schreibens fanden einen ersten Höhepunkt im 18. Jahrhundert, der Epoche der Aufklärung. In dieser Zeit bildete sich nicht nur das neue Bild vom Autor als Genie heraus, sondern es entstand auch ein Dichtungsideal, das sich der Verbreitung von aufgeklärtem Wissen und profunder Bildung verschrieben hatte. Zwar war das literarische Geschäft für viele Autoren nach wie vor eine Beschäftigung neben dem eigentlichen Brotberuf als Pfarrer, Beamter, Gelehrter oder Lehrer, aber im 18. Jahrhundert waren erste Ansätze erkennbar, dass Autoren sich als ›freie‹ Schriftsteller begriffen. Sie suchten und fanden ihre Rolle auf einem expandierenden Buchmarkt, der wiederum von einem stetig wachsenden Publikum profitierte, das mit großer Ernsthaftigkeit Lesen und Schreiben lernte und mit neugieriger Begeisterung Romane, Theaterstücke und Gedichte las, in der Leihbibliothek abonniert war oder in Zeitungen blätterte, die im Kaffeehaus oder in Lesekabinetten auslagen. Autor und Literatur waren Teil dieser neuen Öffentlichkeit, die immer nachdrücklicher eine Teilhabe am politischen, sozialen und kulturellen Leben forderte, sich mit solchen Forderungen aber auch politisch verdächtig machte und Polizei oder Zensur auf den Plan rief. Der Autor war zusehends zum Repräsentanten einer sich emanzipierenden bürgerlichen Gesellschaft geworden, zu deren Entwicklung er nicht unerheblich beitrug, indem er ihre moralischen, ethischen und sozialen Wertvorstellungen in seinen Texten kritisch erörterte.

Das neu gewonnene soziale Prestige zeigt sich auch in den Häusern und Wohnungen, die Autoren bewohnten. Zwar lebte man im Vergleich zum Adel bescheiden und gönnte sich kaum Luxus, aber man praktizierte Lebensformen, die sich von den zeremoniellen Tagesabläufen einer höfischen Gesellschaft radikal unterschieden. Freundschaft etwa wird als Inbegriff von neuen Formen des Zusammenlebens verstanden. Das Individuum entdeckte im wechselseitigen persönlichen Austausch seine Persönlichkeit und befreite sich aus traditionellen Rollenmustern. Zwanglose gesellige Treffen, gemeinschaftliche Lektüre, das Schreiben von Briefen oder das Verschenken und Sammeln von Porträts galten als Ausweis sozialer Kompetenz und ästhetischer Bildung. Und der geeignete Ort für diese Lebenspraxis war immer öfter das Haus eines Dichters, das ohne Rücksicht auf die Standeszugehörigkeit allen Gleichgesinnten und am Gespräch Interessierten offen stand. Im Dichterhaus gab es nicht nur Freiräume für jede Form von Diskussion oder gelehrtem Disput, sondern es war auch ein Ort praktisch gelebter Aufklärung, Toleranz, Emanzipation und natürlich ein Ort reicher literarischer Produktion.


Freundschaftstempel im englischen Landschaftsgarten des Göschenhauses

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