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Mittelalter im Museum Wolfram von Eschenbach in Wolframs-Eschenbach

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Viele mittelalterliche Texte wie das Nibelungenlied sind anonym überliefert, von anderen Verfassern kennen wir nur den (Vor-)Namen, ohne Genaueres über ihre Autorschaft in Erfahrung bringen zu können. Manchmal nennen sich Autoren in ihren Texten und stellen sich zumindest vor. Dann erfahren wir bestenfalls etwas über Herkunft oder Bildung, vielleicht auch etwas über die soziale Stellung, die Mäzene oder das Publikum, vor dem die Dichter auftraten. Eine Biographie lässt sich aus diesen Informationssplittern kaum rekonstruieren. Der mittelalterliche Autor bleibt so gut wie unsichtbar, denn er sah seine Aufgabe in der Weitergabe von Wissen und Tradition an das Publikum einer höfischen Gesellschaft. Dichten meinte noch nicht den kreativen Akt. Die Taten der in den Texten auftretenden Helden waren wichtig, nicht die Autoren, die diese besangen. Die Individualität eines Autors war daher unerheblich, denn er begriff sich als Teil einer großen Autorengemeinschaft. Dennoch hat sich der mittelalterliche Autor mit seinen individuellen poetischen oder sozialen Vorstellungen in die Texte eingeschrieben, so dass sie zu unverwechselbaren literarischen Kunstwerken wurden, deren Themen, Lebendigkeit des Erzählens oder Unmittelbarkeit des lyrischen Tons wir noch heute schätzen.

Es gibt mittelalterliche Autoren, über die wir Genaueres wissen, und für die wir sogar einen Geburts- oder Sterbeort ausmachen können. Zu diesen Autoren gehört Wolfram von Eschenbach (um 1160/80–um/nach 1220), der Verfasser der großen epischen Dichtungen Parzival, Willehalm und Titurel. Von Wolfram von Eschenbach kennen wir Selbstaussagen, die er in seine Texte eingeflochten hat und aus denen man mehr oder weniger authentische Stationen einer Lebensgeschichte rekonstruiert hat. Anhand seiner Werke lässt sich zweifellos feststellen, dass er eine gute Bildung genossen haben muss, denn anders wäre sein enormes Wissen über Astronomie, Medizin und Theologie nicht erklärbar. Im Parzival stellt Wolfram sich selbst als Dichter vor: »ich bin Wolfram von Eschenbach, | unt kan ein teil mit sange«.[1] Wolfram enthüllt nicht nur seine Autorschaft, sondern bemüht sich auch um ein standesgemäßes ritterliches Erscheinungsbild. Er betont, dass er sowohl wegen seiner literarischen Kunstfertigkeit als auch wegen seines ritterlichen Auftretens anerkannt werden möchte. In der Großen Heidelberger Liederhandschrift aus dem frühen 14. Jahrhundert wird Wolfram in voller Rüstung mit Pferd und Knappe abgebildet und im Parzival heißt es mit Bezug auf seine ritterliche Abstammung bzw. die Beherrschung des Waffenhandwerks: »schildes ambet ist mîn art«.[2] Ob Wolfram wirklich dem Ritterstand angehörte, bleibt fraglich. Was jedoch gesichert ist, ist sein Name, seine umfassende Bildung und seine Herkunft aus dem fränkischen, südlich von Ansbach gelegenen Ort Eschenbach. In seinem Werk erwähnt Wolfram verschiedene Orte, die sich sämtlich im Umkreis der kleinen fränkischen Stadt lokalisieren lassen. Dies sind neben anderen historischen Quellen Indizien dafür, dass Wolfram aus einer Familie von Eschenbacher Lehnsleuten stammte. Wahrscheinlich waren es Mitglieder dieser Familie, die im 14. Jahrhundert im Liebfrauenmünster von Eschenbach ein Grabmal für den Dichter errichteten. Aber dieses Grabmal ist nicht die tatsächliche Grabstätte Wolframs von Eschenbach, sondern nur ein Hinweis darauf, dass der Dichter in Eschenbach begraben sein könnte.


Installation im Wolfram von Eschenbach-Museum zur Illustration des Kampfes zwischen Christen und Heiden in Wolframs Epos Willehalm

Nachdem bereits 1861 auf dem Marktplatz von Eschenbach ein Wolfram-Denkmal enthüllt worden war, benannte sich die Stadt 1917 mit Zustimmung des bayerischen Königs Ludwig III. offiziell in Wolframs-Eschenbach um. Jahrzehnte später diskutierte man, wie man für den mittelalterlichen Dichter ein Museum einrichten könnte, das ohne authentische biographische Zeugnisse auskommt. 1995 wurde im Alten Rathaus der Stadt, einem Fachwerkhaus aus der Barockzeit (1684/85), das Museum Wolfram von Eschenbach eröffnet. Aus Architektur, Licht, Farbe, Form, Schrift und Text wurde eine Inszenierung geschaffen, die dem Besucher Leben, Werk und Rezeption eines mittelalterlichen Autors näherzubringen versucht und das sich als »Brücke zum Mittelalter«[3] versteht. Das Museum Wolfram von Eschenbach ist ein außergewöhnliches Literaturmuseum, weil es neue Wege der Vermittlung beschreitet, um die Welt der mittelalterlichen Literatur und ihrer Verfasser wieder aufleben zu lassen.


Wolfram-Denkmal von Konrad Knoll auf dem Marktplatz von Wolframs-Eschenbach

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