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Das vollkommen unvollkommene Kind

Wenn man sein Kind erst annehmen und lieben lernen muss

Meine Frau Dushka und ich waren aufgeregt und schrecklich nervös. Die Voruntersuchungen sahen alle gut aus. Die Schwangerschaft war komplikationsfrei verlaufen. Als das Baby sich bemerkbar machte, verschwand meine Frau mit den Ärzten und Schwestern im Kreißsaal. Ich saß draußen, betete und wartete darauf, hineingerufen zu werden.

Dushka war ausgebildete Krankenschwester und Hebamme. Sie und ich wussten, was alles bei einer Schwangerschaft und Geburt schiefgehen konnte. Was für ein Wunder ist doch eine normale ­Geburt!

Da es sich um die erste Schwangerschaft handelte, rechneten wir damit, dass die Geburt länger dauern würde, und so war es auch. Die Wehen zogen sich über zwölf Stunden hin, bis ich endlich in den Kreißsaal gerufen wurde. Das Erste, was mir auffiel, war das Leuchten in den Augen meiner Frau. Ich war sofort angesteckt und betrachtete begeistert das kleine Menschlein, dass da an der Brust seiner Mutter schlief: ein kleiner Junge, mit zwei Armen, zwei Beinen und einem wunderschönen Gesicht.

Es war ein gesundes, hübsches Kind Gottes.

Unser erster Enkel!

Mein Sohn Nick strahlte vor Stolz und wich seiner Frau Kanae keinen Zentimeter von der Seite. Ein Wunder war geschehen!

Nick war so euphorisch und voller Glück, dass er über seiner Frau und seinem Sohn zu schweben schien. Er knuddelte und ­küsste sie und versicherte sich, dass sie tatsächlich echt waren – seine eigene Familie. Endlich.

Von diesem Augenblick hatten Nick, Dushka und ich kaum zu träumen gewagt. Wir hatten immer die Sorge, dass Nick nie eine Frau finden und eine Familie gründen können würde. Aber innerhalb zwei kurzer Jahre war das Unvorstellbare zur Realität geworden. Nick hatte eine hübsche, gefühlvolle und gläubige junge Frau kennengelernt und ihr Herz erobert.

Ein Jahr und einen Tag, nachdem Kanae Miyahara und er geheiratet hatten, kam ihr Sohn Kiyoshi zur Welt.

Voll auf dem Schlauch

Sieben Monate zuvor hatten Kanae und Nick sich ins Zeug gelegt, um die Neuigkeit von Kanaes Schwangerschaft zu einem unvergesslichen Augenblick zu machen. Für eine verspätete Feier zum Vatertag – Nick war unterwegs gewesen – hatten wir uns alle bei ihnen zu Hause versammelt. Unsere Tochter Michelle war gerade zu Besuch und ebenfalls eingeladen. Kanae hatte lecker gekocht wie immer. Nach dem Essen brachte sie eine Torte zum Nachtisch. Zuerst fragten wir uns noch, ob beim Verzieren irgendwas schiefgegangen war. Eine Hälfte der Torte war einfach hellblau, die andere Hälfte rosa. Wir dachten uns nichts weiter dabei.

Ich tappte noch immer im Dunkeln, als Kanae mich fragte, „Möchtest du blau oder rosa?“

„Blau“, erwiderte ich.

Dushka merkte auch nichts. Sie wollte überhaupt keine Torte.

Ich war längst mit meinem Stück beschäftigt, als Kanae plötzlich loslachte. „Scheint ja nicht so gut zu klappen mit unserem kleinen Zaunpfahl.“

Ich stand noch immer voll auf dem Schlauch, aber Dushka und Michelle kreischten fast gleichzeitig: „Du bist schwanger!“

Endlich fiel auch bei mir der Groschen. Jetzt hatten wir erst recht Grund zum Feiern: Vatertag – und das erste Mal, dass ich diese Rolle mit meinem Sohn, dem werdenden Vater teilen konnte!

Unser erster gemeinsamer Vatertag war ein unvergesslicher Höhepunkt in meinem Leben. Die lange emotionale Reise, die mit Nick hinter uns lag, machte diesen Augenblick nur noch kostbarer.

Dushka und ich hatten als junges Paar nicht geahnt, dass unser Sohn ohne Arme und Beine geboren werden würde, und obwohl uns die Ärzte immer wieder versicherten, dass dieser Defekt nicht vererbt wurde, fiel uns ein großer Stein vom Herzen, als Kiyoshi mit allen Bauteilen geliefert wurde.

Die Ankunft unseres Enkels wischte den restlichen Schmerz weg, der von unserer Trauer und Angst bei Nicks Geburt noch übrig geblieben war. Der Kontrast zwischen den beiden Geburten war kaum zu überbieten. Wir waren so erleichtert, dass auf unseren Enkel ein normales Leben wartete.

Trotzdem hatte ich in den Jahren bis zu Kiyoshis Geburt ein anderes Verständnis davon entwickelt, was einen „perfekten“ Menschen ausmacht. Meine Frau und ich waren zwar gläubig und wussten, was Gottvertrauen ist, aber das hatte uns bei Nicks Geburt nicht davor bewahrt, in eine tiefe Glaubenskrise zu fallen. Wir konnten nicht begreifen, dass uns ein liebender Gott so ein ­schwerbehindertes Kind auflastete. War das eine Strafe von ihm für Dinge, die zu hoch für uns waren?

Später merkten wir, dass unsere Reaktion ganz typisch war. Uns fehlten einfach eine Perspektive und die Möglichkeit, in die Zukunft zu schauen und zu sehen, was alles auf Nick wartete. Wir konnten damals nicht ahnen, dass er zu einem gewaltigen Segen werden würde, nicht nur für unsere Familie, sondern für Menschen in aller Welt.

Wunderbar gemacht

Aus unserer beschränkten Sicht sahen wir nur Kummer und Leid für Nick und uns voraus. Zum Glück lagen wir komplett falsch. Unser Sohn und all die Erfahrungen, die wir mit ihm machen konnten, haben unser Leben über alle Maßen bereichert und uns viele gute Lektionen erteilt, die wir in diesem Buch weitergeben möchten. Nick definierte die Vorstellung eines idealen Kindes für uns völlig neu und lehrte uns, der Sicht des Himmels auf die Dinge mehr zu vertrauen.

An Nick lernten wir erst richtig, was es heißt, wenn in Psalm 139 steht, dass wir „wunderbar und einzigartig gemacht“ sind. Nach und nach sahen wir unseren Sohn als Gottes wundervolles Geschöpf, liebevoll geschaffen nach seinem Bilde. Anfangs allerdings fehlte uns die Weisheit dazu. Alles, was wir sehen konnten, war das behinderte Kind. Es passte nicht in unseren Kopf, dass seine fehlenden Gliedmaßen zu Gottes guten Gedanken für ihn gehören konnten.

Wenn Menschen Nick begegnen, wissen sie sofort, dass er sich sein heutiges Leben hart erkämpfen musste. Sie spüren, wie viel Kraft es gekostet haben muss, aus all den Herausforderungen als optimistischer Mensch und Mut machender Redner hervorzugehen, der um die Welt reist und anderen Hoffnung gibt. Das ist einer der Gründe, warum Menschen berührt werden, wenn Nick zu ihnen spricht.

Dushka und ich wissen heute, dass Nick und Kiyoshi und alle Kinder wunderbar gemacht sind. Das hat allerdings seine Zeit gedauert. Wir mussten durch viele dunkle Täler wandern, um das zu begreifen. Manche Täler nahmen scheinbar kein Ende. Aber aller Frust und Schmerz, den uns die Kindheit unseres außergewöhn­lichen Sohnes bereitet hat, machte die kleinen und großen Siege nur noch schöner und bedeutungsvoller.

Zwei sehr unterschiedliche Geburten

Die Geburt des ersten Enkelkinds ist für werdende Großeltern immer ein besonderer Augenblick. Als ich sah, wie Nick zum ersten Mal seinem Sohn zärtlich die Stirn an den Kopf legte, wollte mein Herz vor Freude schier platzen. Nicks Geburt dagegen war ein riesiger Schock und mit so vielen Ängsten verbunden gewesen. Kiyo­shis Geburt war genau das Gegenteil – pures Glück.

Kiyoshi ist ein gesunder Junge. Wer ihn sieht, weiß, dass ihm nichts fehlt. Aber genauso wenig wie wir ahnen konnten, was Nick aus seinem Leben machen würde, können wir die Zukunft für unseren Enkel voraussehen. Wird unser „vollkommener“ Enkel seinen „unvollkommenen“ Vater überflügeln? Er muss in große „Fußstapfen“ treten, aber letztlich ist das nicht wichtig. Ich wünsche mir, dass Kiyoshi glücklich und seinen Vorstellungen und Wünschen entsprechend leben kann.

Was ich hingegen für wichtig halte, ist, dass wir unseren Kindern keine Grenzen im Kopf setzen. Wir sollten sie nicht mit unseren Erwartungen belasten.

Was ist unsere Weisheit schon gegen die unseres Schöpfers? Man sagt ja, ein Glas kann entweder halb voll oder halb leer sein, aber es gibt noch eine dritte Möglichkeit: Das Glas ist immer voll. Vielleicht nicht voller Wasser, aber wo kein Wasser ist, ist Luft. Wir Menschen gehen oft nur nach dem, was wir sehen können. Dabei ist die Wahrheit oftmals verborgen, wie der unsichtbare, kostbare Sauerstoff, der das Glas füllt.

Als Nick geboren wurde, erschien uns sein Leben wie eine einzige Talwanderung. Wir unterschätzten, wie anpassungsfähig und kreativ Menschen sein können. Ludwig van Beethoven litt die letzten fünfundzwanzig Jahre unter einem Gehörleiden, das ihn schließlich taub werden ließ. Trotzdem schrieb er während dieser Zeit seine berühmtesten Sinfonien.

Was das Hören anging, war er beeinträchtigt, aber er schrieb nicht nach Gehör; er komponierte aus dem Herzen heraus. Stephen Hawking hat trotz seiner fortschreitenden Amyotrophen Lateral­sklerose (ALS), die ihn schließlich vollends lähmte, eine vierzig­jährige glänzende Karriere als theoretischer Physiker hingelegt. Ihm gehorchen heute weder Arme noch Beine; sein Körper ist nur noch eine Hülle. Aber was zählt, ist das Herz und unser starker Geist, der fast jede körperliche Schwäche überwinden kann.

Nach und nach zeigte uns unser Sohn, was wir dem winzigen Bündel auf der Entbindungsstation nicht ansehen konnten. Er lehrte uns Demut und zwang uns, die Augen und unseren Verstand zu öffnen. Nick schien unvollständig zu sein, aber es war unsere Sicht, die fehlerhaft war.

Angst oder Vertrauen

Dushka und ich standen anfangs große Ängste aus, nicht nur ­wegen Nicks scheinbarer Grenzen, sondern auch wegen unserer. Wir fühlten uns einfach nicht fähig dazu, so ein Kind großzuziehen, geschweige denn es zu einem fröhlichen, selbstbewussten und erfolgreichen Mann zu machen. Wie sollte das gehen?

Wir waren keine perfekten Eltern, auch nicht für unsere anderen Kinder Michelle und Aaron. Dushka und ich haben natürlich unsere Stärken, zu denen ich auch unser festes Gottvertrauen zähle, aber wir wurden mit Nick auf jede nur erdenkliche Art auf die Probe gestellt. Auch unsere Liebe machte viele Belastungsproben durch, manchmal bis knapp vor die Grenze.

Mit Gottes Hilfe brachten wir Nick bis zur Volljährigkeit. Ich würde gern sagen, dass wir aus ihm den Mann geformt haben, der er heute ist. Aber in Wirklichkeit haben wir nur nicht den Mann ruiniert, den Gott aus ihm machen wollte. Ich gebe beispielsweise gern zu, dass Nick seine Berufung als Redner und Evangelist ganz ohne jedes Zutun von mir gefunden hat. Ich konnte damals dieses Potenzial in ihm nicht sehen, aber ich habe ihn glücklicherweise auch nicht versucht aufzuhalten, als er einmal davon überzeugt war. Heute bin ich sehr froh darüber.

Ich bestand allerdings darauf, dass er sich einen Plan B zurechtlegt und alles nötige Wissen aneignet, um ihn im Zweifelsfall auch in die Tat umsetzen zu können. So richtig dankbar war er mir damals nicht; heute ist er es. Ich wollte natürlich nur das Beste für ihn. Schließlich war es unsere Aufgabe als Eltern, ihn ins Leben zu führen, wenn wir auch manchmal selbst nicht wussten, wohin.

Am Anfang unserer Reise als Eltern hatten wir nur im Blick, was Nick alles nicht konnte. Erst nach und nach weitete sich unsere Perspektive, weil Nick anscheinend immer einen Weg fand oder wir gemeinsam kreativ wurden. Irgendwann sahen wir nicht mehr so auf das, was nicht ging, sondern auf das, was er konnte. Dieser kleine Perspektivwechsel änderte unsere Gefühlswelt und unsere alltägliche Herangehensweise an die Erziehung von Grund auf.

Oft werden wir auf Nicks Veranstaltungen von anderen Eltern mit schwerbehinderten Kindern angesprochen. Wir bekommen Briefe oder E-Mails. Dabei sind die meisten davon mehr Inspiration für mich als andersherum. Trotzdem kann schon die Tatsache, dass man nicht allein ist, einen trösten. Es bedeutet mir sehr viel, dass wir anderen Eltern helfen können, auf welche Art auch immer. So gesehen ist es ein großes Geschenk, Nicks Vater zu sein.

Vorreiter

Im Frühjahr 2014 flogen Dushka und ich nach Vietnam, um an einem Vortrag von Nick in einem Stadion teilzunehmen. Inzwischen war er international als Bestsellerautor, Motivationsredner und Evangelist bekannt. Heute hat er über siebeneinhalb Millionen Follower auf Facebook, 350.000 auf Twitter und fast dreißig Videos auf YouTube, manche mit bis zu vier Millionen Klicks. Nick gehört definitiv zu den bekannteren und beliebtesten Menschen mit Behinderung auf diesem Planeten.

Wegen Nick zieht es Eltern von Kindern mit Behinderungen zu uns. Sie wissen, dass wir dasselbe durchlebt haben, und sie haben viele Fragen, genau wie wir damals. Als wir ins Elternsein geworfen wurden, brachten uns Fragen wie diese um den Schlaf:

 Wie sollen wir dieses Kind am Leben erhalten?

 Wird er jemals in der Lage sein, selbstständig zu essen oder sich anzuziehen?

 Ist er auch geistig behindert?

 Wo soll er zur Schule gehen?

 Wird unser Sohn jemals ein normales Leben führen?

 Wie können wir ihm helfen, selbstständiger zu sein?

 Wenn er jemals Kinder hat, werden sie die gleiche Behinderung haben?

 Wie sollen wir ihm seine Behinderung erklären? Seinen Geschwistern? Anderen Kindern?

 Wie sollen wir ihm beibringen, dass Gott ihn liebt? Und dass es sich lohnt, Gott zu lieben?

 Wie können wir ihm Lebenshoffnung geben und einen starken Willen?

 Woher sollen wir bloß die Kraft nehmen, um dieses Kind großzuziehen?

Schon oft haben uns die Geschichten anderer Eltern zu Tränen gerührt und uns gezeigt, wie gut wir es eigentlich haben. In jedem Fall sind wir dankbar für die Möglichkeit, ihnen neue Hoffnung zu geben und zu zeigen, dass auch ein körperlich behindertes Kind das Potenzial hat, ein versierter und lebensfroher junger Mann zu ­werden.

Nick sagt oft, dass er als Kind zwar nie ein Wunder erlebt und Arme und Beine geschenkt bekommen hat, aber dass Gott ihn selbst als Wunder gebraucht, um andere Menschen zu inspirieren und zu ermutigen. Meiner Frau und mir geht es ganz ähnlich. Nach Nicks Geburt beteten wir noch jahrelang um Arme und Beine, aber natürlich auch um Weisheit oder zumindest jemanden, der uns zeigen konnte, wie man ein Kind mit ungewisser Zukunft großzieht.

Leider fanden wir während Nicks Kindheit nie jemanden, der ein Kind ohne Gliedmaßen hatte. Unsere Hilfe und Quelle blieb also aus. Wir mussten es selbst herausfinden und machten viele Fehler dabei. Deshalb ist es uns ein besonderes Anliegen, Eltern mit behinderten Kindern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Segen satt

In Vietnam hatte ich Gelegenheit, über unsere Reise als Eltern nachzudenken. Zu sehen, wie Tausende Menschen in einem mir völlig fremden Land unserem Sohn als ihrem Vorbild zujubelten, bewegte mich und erfüllte mich mit Frieden und Dankbarkeit. Dushka und ich waren verblüfft zu sehen, wie unzählige Leute aus dem Publikum versuchten, ein Foto mit ihm zu bekommen, mit ihm zu sprechen oder ihn wenigstens zu berühren.

Nach Nicks Geburt hatten wir jahrelang für seine Zukunft mehr oder weniger schwarzgesehen. Ich konnte mir schlichtweg nicht vorstellen, dass er zu einem derart kompetenten und erwachsenen Mann heranreifen würde, geschweige denn zu einem Ehemann und Vater.

Nick ist der lebende Beweis dafür, dass unsere Umstände kein Gefängnis sein müssen und dass man ein sinnvolles und erfülltes Leben erreichen kann, wenn man nicht auf seinen Mangel, sondern auf seine Fähigkeiten schaut.

Wir sind alle unvollkommen. Und wir sind alle vollkommen.

Mein Sohn hat diese Themen in seinen Büchern immer wieder aufgegriffen.

Ich möchte mit diesem Buch eine andere Perspektive ergänzen – die eines Elternteils. Meine Frau und ich sind nicht als talentierte Eltern auf die Welt gekommen. Als vor religiöser Verfolgung geflohene Einwandererfamilie brachten wir höchstens etwas mehr Widerstandsfähigkeit und innere Stärke mit. Ansonsten waren wir auf Nicks Geburt überhaupt nicht vorbereitet. Nicks Erfolg allerdings geht voll auf sein und Gottes Konto.

Kann man als Eltern falschliegen? Und ob. Und das trifft nicht nur auf mich zu. Immer wieder verkennen Eltern das Potenzial ihrer Kinder, auch derer, die mit Behinderungen auf die Welt kommen. Ich für meinen Teil habe mich immer als tiefgläubigen Mann gesehen. Ich habe als Laienprediger gearbeitet und Gemeinden gegründet. Aber als mein Sohn ohne Arme und Beine auf die Welt kam, war ich leider nicht der Meinung, dass Gott gute Gedanken für ihn im Sinn haben könnte, noch dazu solche, die unsere kühn­sten Träume übersteigen.

Nick musste es uns beweisen. Schon als Kleinkind zeigte er, dass mehr in ihm steckte, als wir dachten. Unser Sohn ist der Beweis: Wer entschlossen und mit Gottvertrauen an die Dinge herangeht, für den gibt es keine Limits. Und Nick ist nicht der Einzige, an dem man das sehen kann.

In Vietnam und auf vielen anderen seiner Auftritte haben wir erlebt, wie Nick geradezu ein Magnet für andere Menschen mit Behinderung ist. Wir durften Männer, Frauen und Kinder kennenlernen, die unglaubliche Hürden überwunden haben, ob mental, emotional oder körperlich. Sie alle haben ihre Grenzen gesprengt.

Anfangs fragten wir uns wirklich, ob Gott uns mit diesem Kind bestrafen wollte; heute fühlen wir uns unendlich beschenkt. Dank Nick wissen wir, dass es stimmt, wenn in der Bibel steht: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Gott kennt keine Limits.

Einst waren wir am Boden zerstört, heute sind wir stolz und fühlen uns geehrt, Nicks Eltern sein zu dürfen. Wir sind dankbar, dass wir ihn auf seinem Weg begleiten konnten. Dass wir durch ihn anderen Eltern Hoffnungs- und Inspirationsquelle sein können, ist für uns das größte Geschenk – abgesehen natürlich von unseren Enkeln Kiyoshi und Dejan!

Dieses Buch soll all denen Hilfe sein, die von ihrer Aufgabe überwältigt sind oder sich unzulänglich fühlen. Mein Ziel ist es, gerade Eltern den Silberstreif am Horizont zu zeigen, damit sie wiederum ihr Kind ermutigen können, das Beste aus seinem Leben zu machen.

Ich möchte allen Eltern raten, sich vor Schubladendenken zu hüten und stattdessen ihr Kind als das einzigartige Wesen zu sehen, das es ist. Lehrer, Ärzte und auch Psychologen stecken ihre Patienten in Schubladen, weil sie nur nach den ihnen bekannten Merkmalen gehen, aber sie wissen nicht, was in dem Kind steckt, das sie als Legastheniker, Mensch mit Down-Syndrom, geistig oder körperlich Behinderten eingestuft haben.

Wir haben uns immer gegen jeden Versuch gewehrt, Nick mit einem Stempel zu versehen, weil wir wollten, dass unser Sohn sich wie jeder andere beweisen konnte. Subjektive Beurteilungen, Einschätzungen und Vorurteile bilden nie die ganze Wahrheit ab. Alle Kinder haben Stärken und Schwächen, und alle Kinder sind für Überraschungen gut. Unsere Pflicht als Eltern ist es, sie zu fördern, zu ermutigen und zu motivieren, damit sie ihre Stärken ausbauen können.

Dushka und ich wissen sehr gut wie es sich anfühlt, diese Last aus Schuld, Wut und Ungewissheit auf den Schultern zu haben, die bei der Geburt eines Kindes mit unerwarteten Behinderungen auf einen niederkracht. Unsere Erfahrungen mit Nick haben uns zum Glück im Lauf der Zeit Geduld, Flexibilität, Durchhaltevermögen und eine Glaubenstiefe wachsen lassen, die wir vorher nicht kannten.

Nicht nur reden

Wer sein Kind zu einem vernünftigen und fähigen Erwachsenen erziehen möchte, muss ihm vor allem eins sein: ein Vorbild. Wie heißt es in einem Gedicht von Edgar Guest: „Kleine Augen schauen dir zu, egal, ob Tag, ob Nacht.“

Wie Sie leben ist viel wichtiger als was Sie Ihrem Kind sagen. Kinder bekommen sehr viel mit und werden Sie ohne zu Zögern darauf ansprechen, wenn Ihr Handeln nicht Ihren Worten entspricht.

Alle Kinder sind bestens für das Leben ausgestattet, das Gott für sie vorgesehen hat. Das Böse kann Gottes Pläne aber durchkreuzen, also sollten wir unseren Kindern helfen, Gottes Gedanken und Vorstellungen zu erkennen und ihnen zu folgen. Dushka und ich möchten deswegen in diesem Buch mit Ihnen teilen, was wir bisher gelernt haben, damit Sie

 verstehen können, dass alle Kinder Gottes vollkommen sind

 positiv und aktiv an Ihre Rolle als Eltern eines Kindes heran­gehen können, auch an die eines Kindes mit Behinderung oder besonderen Bedürfnissen

 ohne Schuldgefühle auch Ihre Traurigkeit zulassen können

 das Schwierige an Ihrer Situation nach und nach annehmen und Ihre Erwartungen anpassen können, ohne angesichts zusätz­licher Belastung oder Kosten die Hoffnung zu verlieren

 offen bleiben, zuhören und Ihr Kind beobachten, wenn es Ihnen zeigt, welcher Erziehungsstil ihm am besten hilft

 lernen, im Kontakt mit Ärzten und dem Gesundheitswesen für Ihr Kind einzutreten und die richtigen Fragen zu stellen

 dafür sorgen, dass alle ihre Kinder genügend Liebe und Aufmerksamkeit bekommen, wenn eines viel davon beansprucht. Denn gerade Geschwister von behinderten Kindern fühlen sich oft vernachlässigt, schuldig oder verpflichtet, „Musterkinder“ für ihre überlasteten Eltern zu sein

 die beste Kita und Schule für Ihr Kind auswählen und es mit den Herausforderungen und der Bürokratie aufnehmen, die jedes System unweigerlich mit sich bringt

 Ihr Kind auf die Welt da draußen vorbereiten und zugleich lernen, loszulassen

 Ihrem Kind eine feste emotionale Basis geben können, damit es mit seinen Unsicherheiten und mit Hänseleien umgehen lernt, sich auch Fehler gestattet und Misserfolge annimmt, um letzten Endes zu einem möglichst eigenständigen und produktiven Erwachsenen zu werden

 immer auf Kommunikation setzen, sich in alle Beteiligten hi­neinfühlen können und als Paar und als Familie genug Zeit miteinander verbringen

 auf Ihr Gottvertrauen bauen können. Wir haben die Kraft des Gebets in unserer Ehe erfahren. Jedes Elternpaar sollte sich frei fühlen, bei Gott um Beistand und Führung zu bitten.

Wo auch immer Nick auftaucht, versammeln sich seine Fans und Unterstützer in Scharen und stehen stundenlang an, um ihn kennenzulernen und zu umarmen. In manchen Orten mussten sogar Straßen gesperrt werden, weil es so voll war. Oft fragt man uns, wie wir es geschafft haben, Nick trotz seiner Behinderung zu einem derart optimistischen, entschlossenen und fähigen gläubigen Mann zu erziehen. Dieses Buch ist meine Antwort auf diese Frage.

Ich kann es nur wiederholen: Nach Gott geht das meiste ­sowieso auf Nicks Konto. Daran, wie mein Sohn an das Leben herangeht, kann man sehen, wie viel Kraft im menschlichen Geist und im Glauben an Gott steckt. Falls Ihr Kind schon lesen kann und alt genug ist, kann ich Ihnen nur empfehlen, es mit Nicks Videos oder Büchern bekannt zu machen. Lassen Sie Ihr Kind mit eigenen Augen sehen, dass jemand mit einem „unperfekten“ Körper ein durch und durch erfülltes – und mit Nicks Worten – „unverschämt gutes Leben“ führen kann.

Gedanken zum Mitnehmen

 Eine Behinderung Ihres Kindes ist nicht maßgebend dafür, was für ein Mensch er oder sie später einmal wird.

 Ihre ersten Ängste und Vorstellungen, wie es wird, dieses Kind großzuziehen, werden sich nicht bewahrheiten. Mit der Zeit wird es besser, als Sie glauben.

 Oft wird aus der größten Last am Ende ein noch größeres Geschenk.

 Sie sind nicht allein. Viele andere Eltern haben genau dasselbe durchgemacht. Holen Sie sich deren Rat, wann immer Sie können.

 Was Sie in der Vergangenheit erlebt haben, steht fest; seien Sie offen dafür, in Zukunft Neues zu lernen.

 Haben Sie Vertrauen darauf, dass Sie genügend Kraft und Unte­r­stützung finden werden. Seien Sie offen dafür.

Nick - Alles außer gewöhnlich

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