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Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei den Gegnerinnen
ОглавлениеAbschliessend richtet sich der Blick nun auf die Gegnerinnen des Frauenstimmrechts, wobei die Zusammensetzung des Zentralvorstands des Bundes der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht zwischen 1959 und 1965 mein Analysematerial darstellt. Als erster Unterschied zum SVF fällt die räumliche Verortung auf. Für den hier behandelten Zeitrahmen lag der Schwerpunkt der im Zentralvorstand repräsentierten Sektionen im Vergleich zum SVF geografisch im östlichen und zentralen Teil der Schweiz. Die Vorstandsmitglieder kamen nämlich aus den Kantonen Bern, Luzern, Zürich, Thurgau, Obwalden, Appenzell Innerrhoden und Aargau, wobei auch eine Frau aus Basel und eine andere aus Genf anwesend waren, die aber vorwiegend sich selbst repräsentierten. Eine nennenswerte Zahl organisierter Gegnerinnen gab es offenbar nur in den Kantonen Bern, Zürich und Thurgau.166 Nach dem Ersten Weltkrieg war das noch anders gewesen. Mit der Waadtländerin Suzanne Besson (1885–1957) war die erste Frauenstimmrechtsgegnerin aufgetreten. Die einflussreiche Journalistin initiierte und präsidierte 1919 zuerst die kurzlebige Ligue vaudoise féministe antisuffragiste, 1920 dann die nationale Organisation Ligue suisse des femmes patriotes, die eine intensive Propaganda gegen das Frauenstimmrecht lancierte.167 Doch nach 1959 war die Schlacht in den drei frankofonen Westschweizer Kantonen geschlagen, die Gegnerinnen konzentrierten sich nun auf diejenigen Deutschschweizer Kantone, in denen ihr Kampf am erfolgreichsten schien. Zwischen den beiden verfeindeten Verbänden der Gegnerinnen und Befürworterinnen gab es freilich auch gewisse Gemeinsamkeiten. Als Erstes fällt der hohe Anteil Akademikerinnen auf. Betrachtet man die Ausbildung und den Beruf der Frauen, zeigt sich, dass von den zehn führenden Gegnerinnen, über die Daten vorhanden sind,168 vier studiert hatten, drei davon bis zur Promotion (zwei in den Geisteswissenschaften, eine in den Rechtswissenschaften). Auch die Anzahl Lehrerinnen ist mit drei von zehn Personen hoch zu veranschlagen. Von den anderen, die eine berufliche Ausbildung vorweisen konnten oder einen Beruf ausübten, hatte eine Frau eine Handelsschule und je eine andere eine Haushaltungs- sowie die Soziale Frauenschule in Luzern absolviert (doch waren beide nicht erwerbstätig), eine weitere war Anwältin und Quästorin des Aargauischen Hochschulvereins, eine war Angestellte des Fürsorgeamts in Sarnen und eine war Mitinhaberin eines Baugeschäfts in Winterthur. Ein drittes Vergleichselement scheint auf den ersten Blick die gesellschaftlich privilegierte Stellung der Mitglieder dieser Gruppe zu sein. Von den 15 Frauen waren 12 verheiratet, und zwar mit Männern in statushohen und finanziell gut dotierten Berufsgattungen. Vier waren mit einem Arzt verheiratet, eine mit einem Notar und Regierungsstatthalter, zwei mit einem Anwalt, eine mit einem Gymnasiallehrer, eine mit einem Kantonsschullehrer, der auch Bankier war, und eine mit einem Baugeschäftsleiter. Eine auffällige soziokulturelle Differenz im Vergleich zu den Frauenrechtlerinnen war aber der hohe Anteil an Hausfrauen und mithelfenden Familienmitgliedern. Illustrieren lässt sich das an den beiden prominentesten Frauen, der Präsidentin Gertrud Haldimann-Weiss (1907–2001) aus Bern und der Vizepräsidentin Josefine Steffen-Zehnder (1902–1964) aus Luzern. Haldimann-Weiss, die ein Pharmaziestudium vorweisen konnte, half ihrem Mann in seiner Arztpraxis, Steffen-Zehnder, die in Geschichte promoviert hatte, führte mit ihrem Mann zusammen ein Heim für Studierende. Beide Frauen waren dank ihres Studiums und ihrer Ehe soziale Aufsteigerinnen: Haldimann-Weiss war die Tochter eines Spenglermeisters, die einen Augenarzt geheiratet hatte, und Mutter von sechs Kindern; Steffen-Zehnder war die Tochter eines Bauern, die einen Gymnasiallehrer geheiratet hatte, und Mutter von drei Kindern. Durch die gewählte Berufsausübung machten sie ihren sozialen Aufstieg bewusst stärker von der Stellung ihres Mannes als von der Valorisierung ihres eigenen Studiums abhängig. Die traditionelle Geschlechterordnung war folglich für sie mit Privilegien verbunden – Privilegien, die eine Entwicklung der weiblichen Gleichberechtigung womöglich hätten gefährden können. Höher als materielle Interessen dürfte freilich die ideologische Einstellung veranschlagt werden. Politisch unterschieden sich die beiden Gruppen deutlich. Vier der Ehemänner waren National- und/oder Ständeräte, wobei mit ihrer Zugehörigkeit zur CVP, der FDP und der Republikanischen Bewegung allesamt bürgerliche bis rechtsbürgerliche Positionen vertraten. Sozialdemokratische oder linksliberale Affinitäten lassen sich bei den Gegnerinnen nicht finden.