Читать книгу Und wer liebt mich? - Brunhilde Graebner - Страница 6

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Vernebelt

Heute geht es mir nicht gut. Überhaupt hänge ich in den letzten Tagen durch. Ob es das Wetter ist? Total nebelig draußen. Und dann der Blick aus meinem kleinen Fenster im zweiten Stock! Aber meckern hilft nicht. Eine andere Wohnung mit schönem Ausblick oder einem kleinem Garten kann ich mir nicht leisten. Irgendwie habe ich zu nichts richtig Lust. Würde mich am liebsten wieder ins Bett legen und liegen bleiben. Bock auf nichts! Wozu soll ich denn auch aufstehen? Früher, ja früher, da waren die Kinder noch klein und brauchten mich. Wir waren noch eine Familie, eine richtige Familie. Da ging es manchmal so bunt zu, dass ich gerne mal etwas Ruhe gehabt hätte. Aber heute habe ich zu viel Ruhe.


Morgen ist wieder die „Tafel“. Da gehe ich hin – vielleicht. Ist einfach ein blödes Gefühl, auf die Almosen anderer angewiesen zu sein. Aber ich treffe Leute, die ich kenne, die mich verstehen. Jeder kämpft ums Überleben, manchmal auch gegen die Langeweile. Und wenn wir dann draußen stehen und ein Schwätzchen halten, dann sehe ich die Blicke der vorbeieilenden Leute und ahne, was manche denken: „Faules Pack, stehen da herum und quatschen statt zu arbeiten. Wer Arbeit will, bekommt auch welche. Und so schlecht kann es denen doch gar nicht gehen.“ – Dann würde ich mich gern unter einer dicken Decke verkriechen oder unterm Bett, so wie früher als Kind.

Und dann, wenn ich wieder so alleine zu Hause rumhänge, kein Geld habe, um mich mal mit jemandem im Cafè zu verabreden, dann passiert es schon, dass ich gerne mal etwas trinke –um besser schlafen zu können. Ein Glas Rotwein zum Beispiel. Und dann merke ich, wie schleichend das geht, wie aus einem Gläschen plötzlich zwei Gläser werden, wie ich nun jeden Abend etwas trinke. Hätte nie geglaubt, dass ich mal Hilfe brauchen würde, um das wieder in den Griff zu kriegen. Trinken bringt nicht wirklich etwas. Es vernebelt nur zeitweise die Realität!


Ich suche… ich sehne mich nach Jemandem, der mich als Mensch sieht, mich nicht abstempelt, nicht in irgendeine Schublade steckt. Jemanden, der mir eine Chance gibt.

Bei der Tafel hat der Pfarrer gesagt, dass vor Gott alle Menschen gleich wären. Tja, als Baby vielleicht! Aber sobald dann im Leben etwas schief läuft, stehst du plötzlich am Rand. Das fing schon so in der Schule an. Und manchmal denke ich, dass das nie aufhört. Die Gesellschaft ist sicher dankbar, wenn ich endlich den Löffel abgebe. Dann tauche ich nicht mehr in der Statistik auf und bin auch keine Belastung mehr.

Gott, man sagt, dich gibt’s wirklich. Aber wer will das schon wissen?! Das sind doch nur Leute, die was zum Klammern brauchen. Letztlich muss doch jeder selber sehen, wie er klar kommt. Oder auch nicht. Aber ich will es jetzt wissen: Wenn es dich wirklich gibt, dann zeige dich in meinem Leben. Ich kann nicht mehr, ich will so nicht mehr weiterleben: geduldet, aber einsam. Versorgt vom Staat für das Nötigste. – Ich will leben, richtig leben!


Es kann doch nicht sein, dass das alles war! Zeige mir bitte meinen Platz, an dem ich gebraucht werde, an dem ich etwas tun kann, was wichtig ist und an dem ich angenommen – nein, mehr noch – an dem ich geliebt werde. Man sagt, du bist Spezialist in Sachen Liebe. O.K., dann leg’ mal los. Ich bin gespannt! Ich will einfach nur wieder Sonne im Herzen spüren und Licht am Ende des Tunnels sehen. Bitte!

Das habe ich in der Bibel gefunden:

„Was also könnte uns von Christus und seiner Liebe trennen? Leiden und Angst vielleicht? Verfolgung? Hunger? Armut? Gefahr oder gewaltsamer Tod?“ (Römer 8,35 / Hoffnung für alle)

„Wer keinen Halt mehr hat, den hält der Herr; und wer schon am Boden liegt, den richtet er wieder auf.“ (Psalm 145,14 / Hoffnung für alle)

Und wer liebt mich?

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