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FEBRUAR BADEN BILANZ
EINES
ERFOLG-
REICHEN
LEBENS

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König Rudolf sucht im Februar die heissen Quellen von Baden auf. Auf der hoch über dem Städtchen gelegenen Burg steigt er gern ab. Sie befindet sich unweit der Stammburg seiner Familie, und ein Aufenthalt lässt sich verbinden mit den Annehmlichkeiten der Thermen. Er empfängt den Rat der Stadt Zürich und eine Delegation von Leuten aus Schwyz, denen er ein Privileg ausstellt. Er erinnert sich gut an die draufgängerischen Schwyzer, die ihm vor zwei Jahren bei Besançon einen leichten Sieg beschert haben.

Eine Reise nach Baden war für Rudolf von Habsburg ein Gang in Richtung Heimat, in den alten habsburgischen Aargau, neben dem Elsass das Stammland der Familie.12 Er hatte seine Jugendjahre teilweise im Aargau verbracht, auch wenn die Habsburg bereits zu dieser Zeit nicht mehr die bevorzugte Residenz der Familie gewesen war. Die festen Häuser in den Städten waren wichtiger geworden, nicht zuletzt waren sie wohnlicher als die kalten und feuchten Burgen. Baden war in der Folge der Kyburger Erbschaft an das Haus Habsburg gefallen. Das kleine Burgstädtchen in der von einer Holzbrücke überspannten Juraklus war für sein Heilbad bekannt und wurde gern aufgesucht.

Auf seiner Reise im Februar wurde Rudolf von seinem Vetter, Bischof Rudolf von Konstanz, und seinem Hofschreiber →Heinrich von Klingenberg begleitet. Zum engeren Gefolge gehörten auch der Reichsgraf Eberhard von Katzenellenbogen aus dem Rheinland, die beiden schwäbischen Adligen Ludwig von Oettingen und Konrad von Weinsberg sowie der von Rudolf installierte Abt von St. Gallen, Konrad von Gundelfingen. In Baden reiste zusätzlich Bischof Wilhelm von Lausanne an, wahrscheinlich auch Graf Theobald von Pfirt aus dem südlichen Elsass. Es ist zu vermuten, dass →Hugo II. von Werdenberg-Heiligenberg für die militärische Sicherung des königlichen Trosses verantwortlich war. Wie schon sein Vater, der im Kyburger Erbstreit eine wichtige Rolle gespielt hatte, gehörte er zusammen mit seinem Bruder →Rudolf von Werdenberg-Sargans zu den treuen Parteigängern der Habsburger südlich des Rheins. Vielleicht hatte sich auch Rudolfs Schwiegertochter Agnes von Böhmen, seit Kurzem verwitwet, in Baden zugesellt. Sie hatte nach dem überraschenden Tod ihres Mannes Rudolf einen Sohn geboren, Johann, später Johann von Schwaben genannt. Und sie residierte in den folgenden Jahren im Habsburger Schloss in Brugg, bevor sie nach Prag zurückkehren sollte. Ihre Ehesteuer war auf den alten Habsburger Besitzungen in Brugg und im südlich davon gelegenen Eigenamt versichert gewesen.

Am 16. Februar 1291 war König Rudolf von Habsburg nachweislich in Baden. Ob das königliche Gefolge auf der Burg Stein, hoch über der Stadt gelegen, Quartier genommen hatte, oder doch eher die Annehmlichkeiten eines Badehofes in Anspruch nahm, wissen wir nicht. Schon seit dem späten 11. Jahrhundert, wahrscheinlich unter den Grafen von Lenzburg, waren einige der Badehäuser und Gasthöfe auf den Ruinen der römischen Thermen wiederaufgebaut worden. Das herzogliche Lehen war der Hinterhof, der Thermalwasser vom «Hinteren heissen Stein» bezog, der heutigen Hinterhofquelle. Der Hinterhof und der flussaufwärts anliegende Staadhof waren die ersten Absteigen am Platz und bestanden aus um je einen Hof gruppierten Gebäuden mit Unterkünften und Badehäusern.13

Am 19. Februar empfing König Rudolf eine Delegation aus dem Land Schwyz – die «prudentibus viris universis hominibus de Switz libere conditionis» – und stellte ihnen eine kleine, in Latein abgefasste Urkunde aus.14 Damit bestätigte er den Landleuten aus Schwyz, dass sie keinen Unfreien als Richter annehmen müssten. Diese Urkunde wurde nicht aus heiterem Himmel verfasst. Der König hatte bereits gut zehn Jahre früher den Leuten von Schwyz bestätigt, dass sie nicht vor auswärtige Richter geladen werden dürften, sondern dass sie nur dem Talrichter oder ihm und seinen Söhnen selbst gegenüber verantwortlich seien. Ob dieser Talrichter aus den eigenen Reihen stammte, oder ob er vom König eingesetzt wurde, lässt sich nicht eruieren. Klar ist jedenfalls, dass die Landleute von Schwyz eine direkte Beziehung zum König suchten und keine Zwischengewalt akzeptieren wollten. Wer diese Zwischengewalt repräsentiert hätte, muss offenbleiben: die Rapperswiler mit ihren vogteilichen Ansprüchen über das Kloster Einsiedeln? Der Laufenburger Zweig der Habsburger, der pfandweise mögliche Besitzansprüche auf Höfe im Land Schwyz geltend machen konnte? Oder gar die Habsburger selbst, die alte landgräfliche Rechte reklamierten? Wir wissen es nicht. Fakt ist, die Leute von Schwyz konnten ein Reichsprivileg vom Dezember 1240 vorweisen, das sie vom Stauferkaiser Friedrich II. erhalten hatten. Dieser hatte ihnen für die Hilfe, die sie ihm bei der Belagerung von Faenza gewährt hatten, als freie Leute den besonderen Schutz des Reichs versprochen. Fünf Monate später war auch Rudolf von Habsburg bei Friedrich vor Faenza zugegen gewesen.15

Die Nähe zum König wird aus einem jüngeren Vorfall ersichtlich. Der Chronist Matthias von Neuenburg berichtet einige Jahrzehnte nach 1291 vom Feldzug des Königs gegen den Pfalzgrafen Otto von Burgund, der sich zusammen mit seinen savoyischen Verbündeten der Reichsgewalt widersetzt hatte. Ende August 1289 lagen sich die beiden Heere vor Besançon gegenüber. Die Schwyzer im Gefolge des Königs hätten in einer nächtlichen Aktion das Lager von Theobald von Pfirt, der mit dem Burgunder verbündet war, überfallen. Als im Klettern geübte Älpler seien sie die steilen Anhänge hinuntergestiegen und hätten überraschend angegriffen.16 Sie sollten die burgundische Seite zu Verhandlungen über einen Friedensschluss zwingen, mit Erfolg. Otto von Burgund willigte in Verhandlungen ein. Dass ein Schwyzer Kontingent im Königsdienst gestanden hatte, ist durchaus plausibel, am ehesten wohl im Gefolge der Rapperswiler. Ludwig von Homberg, seit 1283 mit Elisabeth von Rapperswil verheiratet, war vier Monate zuvor, am 27. April 1289, im Dienst von König Rudolfs gleichnamigem Sohn im Gefecht der Habsburger gegen die Berner an der Schosshalde umgekommen. Die zähringische Gründung Bern, seit 1218 Reichsstadt, hatte sich in Koalition mit Burgund und Savoyen gegen den König gestellt. Die Stadt musste sich nach der Niederlage an der Schosshalde Rudolf von Habsburg unterwerfen. Er beliess Bern aber den Status als Reichsstadt.17 Zwischen den Schwyzern und dem Königshaus gab es allerdings auch Spannungen. Das 1262 gegründete Zisterzienserinnenkloster in der Au in Steinen stand unter besonderem Schutz der Habsburger. Die Schwyzer hingegen versuchten mehrmals, vom Kloster Steuern einzutreiben.

Insbesondere Königin Anna, geborene Gertrud von Hohenberg, die Frau Rudolfs, setzte sich bis zu ihrem Tod 1281 für den jungen Frauenkonvent ein. Aber auch später, im Frühling 1289, hatte Rudolfs Hofmeister und Vogt auf der Kyburg, →Konrad von Tillendorf, das Kloster Steinen explizit auf Geheiss des Königs in Schutz genommen und den Schwyzern verboten, es zu besteuern.18 Tillendorf hat übrigens viel später eine eigenartige Karriere eingeschlagen. Der Historiker Karl Meyer identifizierte ihn in seinem Buch «Die Urschweizer Befreiungstradition» 1927 als möglichen Namensgeber für den in den Quellen 1291 nicht vorhandenen Tell. Er schlug vor, dass der habsburgische Vogt Tillendorf als Vorbild für die Gessler-Figur in der Befreiungsgeschichte gedient habe, in Küsnacht am Rigi von Tell umgebracht worden sei, und dass in der Erinnerung der Mörder Tell quasi durch Namensübertragung – Meyer schreibt von «Namensverschüttung» – zu seinem Namen gekommen sei. Tillendorf ist tatsächlich 1291 oder 1292 verstorben. Eine abstruse These.19 Das Kloster Steinen blieb übrigens unter dem besonderen Schutz der Habsburger. Elisabeth von Görz-Tirol, die Frau von Herzog Albrecht, nahm später die Schutzfunktion ihrer Schwiegermutter ein.

Zurück nach Baden: Am selben Tag wie die Schwyzer weilte auch eine Zürcher Delegation in der Stadt. Die Zürcher verpflichteten sich, der Stadt Erfurt die Summe von 1000 Mark Silber zu bezahlen. König Rudolf schuldete Erfurt nämlich eine grössere Summe Geld von seinem Aufenthalt in den Monaten zuvor. Als Kompensation erliess er den Zürchern zwei Tage später für weitere zwei Jahre die Reichssteuer.20 Die Zahlung der Zürcher an Erfurt erfolgte schliesslich am 20. Mai in Mainz, vermittelt durch den habsburgischen Vogt in Basel, →Hartmann von Baldegg. Die Stadt Zürich hatte sich nach dem Aussterben der Herzöge von Zähringen 1218, welche die Reichsvogtei und die Pfalz auf dem Lindenhof innegehabt hatten, als Reichsstadt emanzipieren können. 1291 war die Pfalzburg auf dem Lindenhof als Symbol der alten Herrschaft bereits abgetragen und hatte der noch heute bestehenden Terrasse Platz gemacht. Die Burg wird möglicherweise als Steinbruch für den Bau der Stadtbefestigungen gedient haben. Der Rat der Stadt, der erpicht darauf war, die Reichsvögte aus den eigenen Reihen stellen zu können, hatte sich gegenüber der nominellen Stadtherrin, der Äbtissin des Fraumünsters, Spielraum erarbeitet. Zürich hatte sich zwar noch kein eigenes Herrschaftsgebiet aufbauen können, war aber über Handel und Handwerk zu einem gewissen Wohlstand gelangt. Und der städtische Adel hatte über den Erwerb von Herrschaftsrechten auf dem Land seinen Einfluss ausgeweitet.

König Rudolf hielt sich nur etwa zehn Tage in Baden auf. Bereits am 1. März des Jahres war er in Basel angekommen; eine Stadt, mit der er in den 1250er-Jahren in Fehde gestanden war und die er 1273, kurz vor seiner Wahl zum König, belagert hatte. Basel wäre für den Habsburger wohl das naheliegende Zentrum seiner Herrschaft am Ober- und Hochrhein gewesen. Als neu gewählter König hatte er aber 1273 die Belagerung abgebrochen. Die Stadt wurde mehr und mehr zu seinem beliebten Absteigeort. Seine Frau Gertrud von Hohenberg, als Königin Anna genannt, hielt sich gern dort auf. Ihr Leichnam wurde nach ihrem Tod 1281 in Wien nach Basel überführt und im Münster zusammen mit ihrem 1276 verstorbenen Sohn Karl und ihrem ebenfalls 1281 ertrunkenen Sohn Hartmann begraben. Für Rudolf von Habsburg erlangte Basel wohl nicht zuletzt deswegen eine besondere Bedeutung.

In den Tagen, als Rudolf in Baden weilte, reiste sein Sohn Albrecht nach Böhmen, um seinen Schwager Wenzel zu treffen und die Nachfolge im Reich zu diskutieren.21 Die Differenzen zwischen den beiden konnten bei dem Treffen im südmährischen, an der Grenze zu Niederösterreich gelegenen Znaim offenbar nicht bereinigt werden. Im Gegenteil: Der Böhme nahm nach dem Tod des Königs im Sommer Verhandlungen mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg auf. Eine Verbindung, die sich nicht zugunsten von Herzog Albrecht auswirken sollte.

König Rudolf reiste Anfang März weiter nach Colmar, Strassburg und Speyer und kehrte erst Ende April wieder in den Süden zurück. Der Blick wendet sich im März ins Tal Uri, konkret nach Göschenen. Der Verkauf der Rapperswiler Güter an das Kloster Wettingen Ende April 1290 hatte Unruhe ins Tal gebracht. Auch das Kloster schien sich mit der Erwerbung eher zu viel zugemutet zu haben, wie der Verkauf des Wädenswiler Besitzes an die Johanniter in Bubikon im Januar 1291 zeigt. Diese Geldbeschaffungsaktion reichte offenbar nicht aus. Am 28. März ging in Bürglen ein Geschäft über die Bühne, das noch mehrere Jahre für Unruhe sorgen sollte und letztlich gar scheiterte. Welche Mächte standen sich in Uri gegenüber, welche Interessen vertraten sie?

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