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Der kleine Drache Johann und der Paradiesvogel Drahnil
ОглавлениеAufbruch
Vor langer, langer Zeit, als es noch Drachen gab, lebte der kleine Drache Johann in einem Menschendorf. Er bewohnte mit Mama und Papa Drache eine Felsenhöhle am Rande des Dorfes.
Seine Eltern arbeiteten als Ofenanzünder. Die Menschen konnten nämlich kein Feuer machen. Im Sommer arbeiteten die Drachen weniger, weil die Menschen nur das Kochfeuer brauchten. Im Frühling, Herbst und Winter hatte Papa Drache viel Arbeit mit den großen Heizöfen der Menschen.
In der Zeit, in der die Drachen lebten, war es üblich, dass in der Nacht der Sternenstaub wie Schnee vom Himmel fiel. Alle Tiere konnten ihn sehen und manche aßen ihn sogar. Aber bei Johann kitzelte der Sternenstaub so fest in der Nase, dass er gleichzeitig niesen und Feuer spucken musste. Und wenn er sich ärgerte, konnte es auch passieren, dass ihm ein Feuerstrahl entwich. Er war nämlich noch nicht in der Lage, sein Feuer zu kontrollieren. Trotz der Gefahr des Feuerspeiens ließen die Menschen den kleinen Drachen mit ihren Kindern spielen. Johann war berühmt-berüchtigt für seinen Erfindungsreichtum was Spiele angeht. Die Kinder liebten ihren kleinen Drachen Johann.
Eines Tages wollte Johann von seinen Eltern wissen, warum sie für die Menschen arbeiten mussten. Papa Drache war der Meinung, dass Johann jetzt alt genug sei, das Geheimnis zu erfahren. Mama Drache stimmte zu. Sie nahm ihren Sohn auf den Schoß und begann zu erzählen: »Vor sieben Jahren waren dein Papa und ich auf Hochzeitsreise. Fern von unserer Heimat hatte ich überraschend meine ersten Eier gelegt und brütete sie abwechselnd mit deinem Papa aus. Wenn der eine auf den Eiern saß, suchte der andere nach Essen. Vierzig Tage müssen die Eier bebrütet werden, dann schlüpfen die Jungen. Doch in der Brutzeit jagen die Menschen nach Dracheneiern, weil sie so gut schmecken. Als die Menschen mich umzingelten, war dein Vater gerade auf Essenssuche. Sie nahmen mir alle Eier weg, bis auf eines. Ich flehte sie an, mir das eine Ei zu lassen und versprach ihnen, dafür Feuer zu machen und sie zu beschützen. Und so nahmen die Menschen mich und das Ei mit in ihr Dorf. Und hier in unserer Felsenhöhle brütete ich es aus. Du kleiner Johann wurdest geboren und bald bist du gesund und munter in der Höhle herumgetapst. Die Zeit verging und von Papa Drache war weit und breit nichts zu sehen. Ich vermisste ihn sehr. Aber ich wusste, dass er nach mir sucht.«
Papa und Mama Drache wechselten zärtliche Blicke, dann fuhr Mama Drache fort: »Ein Jahr später flog dein Papa zufällig über das Dorf. Er entdeckte mich auf dem Dorfplatz, wo ich gerade ein Feuer anfachte. Endlich hatte er mich gefunden. Er wollte schon das ganze Dorf niederbrennen, aber ich verbot es ihm. Ich überzeugte deinen Papa das Dorf zu verschonen, wegen dem Versprechen, das ich den Menschen gegeben hatte. Denn wenn wir Drachen etwas versprechen, halten wir es. Und so verpflichtete sich auch dein Papa, Feuer für die Menschen zu machen und sie zu beschützen. Und mit der Zeit freundeten wir uns sogar mit den Menschen an«, endete Mama Drache und umarmte ihren kleinen Johann liebevoll.
Das also war der Grund, warum sie nicht im Drachenwald hinter dem Gebirge mit den elf mächtigen Bergen lebten, wo alle Drachen wohnen. Um sein Leben zu retten, gaben seine Eltern alles auf. Sie hätten ganz einfach das Dorf vernichten können. Aber wie schon gesagt, Drachen halten ihr Versprechen, komme was da wolle.
Später lag Johann in seinem Bettchen und überlegte, wie er mit seinen Eltern in den Drachenwald gelangen könnte. Die Menschen würden die Drachenfamilie niemals freiwillig gehen lassen. Er wusste nicht wie er helfen könnte. Und weil er noch so klein war, hatte er ein bisschen Angst. Johann ahnte nicht, wie tapfer er bald sein würde.
Es vergingen ein paar Wochen und Johann spielte unbeschwert mit den Menschenkindern.
Eines Tages verschwand das kleine Kunigundchen. Das ganze Dorf war auf den Beinen und die Menschen liefen suchend und rufend umher. Johann durfte auch bei der Suche mithelfen, denn Kunigundchen war seine Freundin und mit ihr spielte er am liebsten.
Als es Nacht wurde, gaben die Menschen die Suche auf. Traurig kehrten sie in ihre Hütten zurück. Keiner traute sich mehr in den dunklen Wald, auch nicht mit Fackeln. Und die Dracheneltern durften nicht helfen, weil die Menschen Angst hatten, dass die Drachen nicht mehr zurückkehren würden von der Suche. Und wer würde dann Feuer machen und sie beschützen? Johann machte sich große Sorgen um Kunigundchen. Er überlegte nicht lange, schlich sich aus der Höhle und ging ohne Wissen der Eltern in den Wald.
In dieser Nacht fiel der Sternenstaub besonders dicht. Wie du dir vorstellen kannst, musste Johann andauernd niesen und Feuer speien. Dabei wurde der Wald immer wieder erhellt und auch Johann funkelte dann wie ein Smaragd.
Jetzt ging er schon lange und spie immer wieder Feuer, was ihn sehr ermüdete. Und obendrein machten ihm die unheimlichen Waldgeräusche Angst. Es raschelte und zischte und von oben stießen unbekannte Wesen spitzige Rufe aus. Aber mit einem Mal war es totenstill. Plötzlich erfüllte ein grausiger Schrei die Nacht. Johann erschrak so sehr, dass er tatsächlich das Niesen vergaß. Er versteckte sich hinter einem Baum und zitterte am ganzen Leib. Da spürte er einen Lufthauch. Er wurde gepackt und nach oben gerissen. Johann schwebte über schwarze Baumwipfel hinauf in den dunklen Nachthimmel. Jetzt hatte der kleine Drache richtig Angst. Er flehte das Geschöpf an, ihn bloß nicht fallen zu lassen. Doch dieses unverschämte Ding flog unbeirrt einem unbekannten Ziel entgegen. Johann machte die Augen zu und ergab sich seinem Schicksal.
Nach einer Ewigkeit wurde er sanft abgelegt. Es wurde auch Zeit. Johann war schon so durchgefroren, dass er nicht einmal mehr seine Flügelchen bewegen konnte. Er saß in einem Nest auf dem höchsten Baum weit und breit, der gefährlich schwankte. Das Nest war mit einem weichen, daunenartigen Material gepolstert, das wunderschön leuchtete. Es sah aus wie Gold und tatsächlich, das Nest war mit feinsten Goldfäden ausstaffiert. Sehr verlockend für Drachen, lieben sie doch Gold, Silber und Edelsteine über alles.
Die Kreatur entpuppte sich als großer Paradiesvogel. Er trug ein farbenfrohes Federkleid, das einfach umwerfend aussah.
»Drahnil mein Name«, stellte sich der Vogel mit krächzender Stimme vor.
»Ich bin Johann und ein Drache«, sagte Johann artig, wie er es von seinen Eltern gelernt hatte. »Warum hast du mich mitgenommen?«
»Aus reiner Neugier«, antwortete Drahnil einfältig.
In Wahrheit jedoch ließ er, wie jeder wusste, alles mitgehen was glänzte. Und Johann schillerte und glänzte ganz besonders schön. Er erklärte dem Vogel seine Lage und bettelte, Drahnil möge ihn doch wieder in den Wald zurückbringen.
»Keine Lust«, krächzte Drahnil und drehte sich mindestens zehnmal um die eigene Achse, bevor er sich setzte. Das Nest wackelte dabei bedrohlich.
»Das kleine Kunigundchen ist verschwunden, ich muss es doch wieder finden«, jammerte Johann. Er fand es gar nicht lustig, hier oben mit diesem Krächzevogel in einem schwankenden Nest zu hocken. Drahnil indes schnarchte bereits und hörte Johann nicht mehr.
Der kleine Drache ärgerte sich so sehr, dass ihm ein kleiner Feuerstrahl entwich und dem Paradiesvogel die schönen Federn an seinen Ohren versengte. Blinzelnd fuhr der Vogel in die Höhe und schaute fragend umher. Dann kam der Schmerz. Schreiend hüpfte er im Nest herum und schubste Johann gefährlich nah an den Rand. In letzter Sekunde bekam Johann die Schwanzfedern des Vogels zu fassen. Drahnil kreischte auf, taumelte und flügelschlagend stürzten sie in die Tiefe. In der Luft gelang es dem Paradiesvogel seine Schwingen zu spreizen. Drahnil flatterte wie wild, um nicht wie ein Stein nach unten zu fallen. Johann hing an seinen Schwanzfedern und hatte vor lauter Angst die Augen zugezwickt.
Auf dem Waldboden aufgeschlagen, aber unverletzt, schnappte Drahnil erst einmal kräftig nach Luft. Johann blieb benommen liegen und rührte sich nicht mehr. Drahnil bekam es mit der Angst zu tun und versuchte, Johann aufzuwecken. Er stupste ihn vorsichtig mit dem Schnabel an. Da schlug Johann die Augen auf. Es gelang ihm nicht gleich aufzustehen. Als er schließlich wieder auf seinen kleinen Beinchen stand, putzte er sich den Schmutz von seinem Körper und entschuldigte sich bei Drahnil für die Unannehmlichkeiten. Drahnil hingegen war erleichtert, dass Johann noch lebte. Er zeigte es aber nicht. Im Gegenteil. Er tat so, als wäre er auf Johann wütend und sagte, dass er genug hätte von Johann und was er sich da eingefangen hätte, ihm gar nicht gefalle. Dieses feuerspeiende Ding sei ihm nicht geheuer und er wolle es so schnell wie möglich wieder loswerden. Also setzte er Johann auf seinen Rücken und flog ihn genau dorthin zurück, wo er ihn gefunden hatte. Als Drahnil Johann vorsichtig auf dem Waldboden abgesetzt hatte, bat der kleine Drache den Vogel nochmals um Verzeihung wegen der angesenkten Federn.
»Die wachsen wieder nach«, quiekte der Vogel kurz angebunden, da er so schnell wie möglich wieder in sein Nest zurück wollte. Mit den Flügeln schon schlagend, verriet er dem kleinen Drachen, wo das Mädchen zu finden sei. Kaum war die letzte Silbe ausgesprochen, hob Drahnil ab und seine tiefen Seufzer der Erleichterung hörte man noch lange. Grinsend sah Johann dem Vogel nach. Dann marschierte er in die beschriebene Richtung davon.
Ganz in Gedanken stolperte Johann über einen Ast und seine Nase bohrte sich in den Waldboden. Umständlich schnaubte er die Erde aus den Nasenlöchern und schüttelte sich. Als er nach unten sah, entdeckte er kleine nackte Füße unter einem Strauch. Diese kleinen nackten Füße gehörten zu Kunigundchen. Johann hatte Kunigundchen gefunden! Es war durchgefroren, aber unverletzt. Kunigundchen weinte vor Freude und umarmte den kleinen Johann, der so tapfer nach ihr gesucht hatte. Er tröstete das Mädchen bis es aufhörte zu weinen. Dann machten sie sich auf den Heimweg.
Um die Situation aufzuheitern, erzählte Johann Kunigundchen von seiner merkwürdigen Entführung. Dabei hielt sich Kunigundchen ängstlich an Johanns rechtem Flügelchen fest. Aber durch die Geschichte, die Johann lustig erzählte, lachte es bald hellauf.
Der längste Tag des Jahres brach an und zwischen den Bäumen kam ihr Dorf in Sicht. Als Kunigundchens Mutter die beiden entdeckte, stieß sie einen so lauten Freudenschrei aus, wie ihn noch nie jemand zuvor im Dorf gehört hatte. Glückselig fielen sich Mutter und Tochter in die Arme.
Durch den Schrei aufgeschreckt, eilten alle Dorfbewohner herbei. Sogar die Drachen waren neugierig geworden von dem Lärm. Sie machten große Augen, als sie erfuhren, dass Johann Kunigundchens Retter war. War der kleine Schlingel denn schon wieder ausgebüxt? Mama Drache rollte mit den Augen, war aber mächtig stolz auf ihren kleinen Sohn. Papa Drache klatschte mit den Menschen Beifall und Johann wurde sehr verlegen. Kurz entschlossen richteten die Menschen für Johann ein Fest aus. Den ganzen Tag wurde gegessen, getrunken und gelacht. Ein so lustiges Fest hatte es noch nie gegeben. (Übrigens: Dieses Fest wiederholten die Menschen jedes Jahr am selben Tag zu Ehren von Johann).
Am Abend durfte Kunigundchens Mutter den einstimmigen Beschluss der Gemeinde verkünden: Als Dank für die Rettung Kunigundchens schenkten die Menschen den Drachen mit sofortiger Wirkung die Freiheit.
Hurra. Hurra, die Drachen waren frei. Mit Johann in ihrer Mitte gingen die Drachen schweigend zur Drachenhöhle. Erst in der Höhle jubelten sie und tanzten ausgelassen den Drachentanz.
Überglücklich über ihre wiedergewonnene Freiheit, zeigten sie der Menschenmutter, wie das Feuer nie mehr ausging. Das bedeutete, von jetzt an beherrschten die Menschen das Feuer selbst.
Am nächsten Tag, als die Drachen mit ihrem Gepäck abflugbereit auf der Wiese standen, kamen alle bis auf den letzten Mann. Sogar Pferde und Esel, Kühe und Schweine, Hunde und Katzen, Hühner und Gockel, Enten und Gänse, Hamster und Mäuse, Frösche und Eidechsen, alles was laufen und hüpfen, fliegen und kriechen konnte, war gekommen, um sich von den Drachen zu verabschieden.
Die Kinder weinten, weil sie Johann jetzt schon vermissten, obwohl er noch gar nicht weg war.
Die Menschen schenkten ihnen zum Abschied eine riesige Portion Marzipan. Es müssen an die sieben Kilo gewesen sein. Johann freute sich ganz besonders über das Geschenk. Marzipan war sein Lieblingsessen.
Jetzt ging es los. Papa Drache setzte Johann auf seinen Rücken, dann spreizten die Dracheneltern ihre gewaltigen Flügel und schwangen sich hinauf in die Lüfte. Der keine Johann jauchzte vor Freude. Genauso hatte er sich das Fliegen immer vorgestellt.
Zu Beginn flogen die Drachen noch etwas taumelig. Sie waren ein wenig eingerostet, wie du dir vorstellen kannst, da sie ja lange nicht mehr geflogen waren. Aber bald zogen sie elegant einen letzten Kreis um das Dorf und flogen Richtung Heimat davon.
Menschen und Tiere riefen, wieherten, muhten, grunzten, bellten, maunzten, gackerten, schnatterten, quiekten, quakten und winkten den Drachen nach, bis sie am Himmel verschwunden waren.
Ob dies geschah oder nicht, erfährst du in der nächsten Gschicht.