Читать книгу Die Abenteuer des kleinen Drachen Johann - Burgitta Egg - Страница 7
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Der kleine Drache Johann im Hirschwald
Zweiter Berg
Tatsächlich lebte vor langer, langer Zeit der kleine Drache Johann mit Mama und Papa Drache sieben Jahre bei den Menschen. Nach der Befreiung begann der lange beschwerliche Flug nach Hause über das Gebirge mit den elf Riesenbergen.
In der vorherigen Geschichte war der kleine Drache Johann bei den Urulus unter der Erde gewesen. Dort hatte er neue Freunde gefunden und er wäre gern länger geblieben, aber sein Heimweh nach Mama und Papa Drache war stärker.
Nun flogen die Drachen durch die Lüfte über grüne Hügel und sanfte Täler. Der kleine Johann saß auf dem Rücken von Papa Drache und jauchzte vor Freude. Sie flogen Richtung Heimat. Immer wieder mussten Mama und Papa Drache eine Verschnaufpause einlegen, weil sie viele Jahre nicht mehr geflogen waren. Bald landeten sie wieder auf einer Waldlichtung.
Inzwischen im Wald:
»Kennst du den Vornamen vom Reh?«
»Nö.«
»Kartoffelpü.«
Fünferl und Zehnerl lachten sich kaputt.
»Das hab ich gehört«, sprach eine tiefe Bassstimme.
Über dem Regenwurm mit den zwei Köpfen, einer vorne und einer hinten, türmte sich ein großer Hirsch mit einem prächtigen Geweih auf. Bedrohlich schaute er auf den kleinen Wurm hinab. Panisch versuchten Fünferl und Zehnerl zu flüchten. Die eine Hälfte zog nach links, die andere Hälfte nach rechts. So war kein Entkommen möglich.
»Keine Angst«, sprach der Hirsch, »ich mag Regenwürmer. Nebenbei bemerkt: Ich heiße Hubertus und bin auf der Suche nach meinem kleinen Kitz. Habt ihr es zufällig gesehen?«
Fünferl und Zehnerl hatten kein kleines Hirschkitz gesehen. Das bedeutete aber nicht viel, da sie sehr vergesslich waren. Sie hörten die verzweifelten Rufe der Mutter, die durch den Wald hallten. Fünferl und Zehnerl schauten sich mitfühlend an.
Hubertus hatte mittlerweile zu viele Frauen in seinem Rudel. Da waren Gundi, Friedberta, Ottilie, Delphine, Wilhelmine, Henriette, Rosamunde und Josefine. Sie alle hatten vor kurzem Kitze zur Welt gebracht. In der Herde ging es drunter und drüber.
Hubertus, missmutig von so viel Aufregung, dachte lieber an seine schöne Jugendzeit zurück.
Friedberta dagegen, die Mutter des verschwundenen Kitzes, lief kopflos umher und rief zum hundertsten Mal: »Beeertruuuude, Beeertruuuude.« Sie schrie sich die Seele aus dem Leib.
Fünferl und Zehnerl wechselten erneut mitleidige Blicke, konnten aber auch nicht helfen. Wortlos steckte der Wurm seine Köpfe in den Waldboden und verschwand.
»Kein Verlass auf das Gewürm«, murmelte Hubertus und sprang mit elegantem Satz davon.
Derweil ging Johann, trotz Warnung seiner Eltern, in den Wald. Er erlag wieder einmal seiner Neugier. Selbstvergessen wanderte er umher. Da raschelte etwas. Hinter einem dicken Baum schaute ein kleines braunes, mit hellen Punkten gesprenkeltes Wesen hervor. Es hatte einen langen Hals und ein liebes Gesichtchen. Lange Wimpern beschatteten seine schönen braunen Augen. Es sah sich ängstlich um und wusste anscheinend nicht mehr, wo es war. Vorsichtig kam Johann näher. Das Kleine entdeckte Johann und sprang wieder hinter seinem Baum.
»Du musst keine Angst haben, ich bin nur ein kleiner Drache und heiße Johann und wer bist du?«, fragte er.
Das schöne Tier kam zögerlich hervor. »Ich bin Bertrude. Meine Herde ist verschwunden und ich weiß nicht wohin. Ich glaub ich bin ein Hirschkitz. Und du bist ein Drache? Was ist ein Drache?«
Bertrude? Johann wunderte sich nicht mehr über solch komische Namen. Da hatte er schon ganz andere gehört.
Johann erzählte Bertrude die spannende Geschichte von den Drachen. Das kleine Hirschkitz fasste Vertrauen und wich nicht mehr von Johanns Seite. Alle Scheu verlierend, plapperte Bertrude drauflos und erzählte Johann alles über Hirsche. Sie wusste viel und das Erzählen dauerte lange. Für Johann zu lange. Darum beschloss er Bertrudes Rudel zu suchen, um die kleine geschwätzige Hirschdame schnell wieder los zu werden. Bei dem Geplapper schweiften Johanns Gedanken zu den Urulus und ihren unterirdischen Hallen. Er dachte an die schönen Erlebnisse mit Nilodirf und seinen Freunden, an das köstliche Marzipan und an die vielen glitzernden Diamanten. Jäh riss Bertrude Johann aus seinen Gedanken, als sie mit ihren spitzigen Klauen auf seinen Schwanz trat.
»Du hörst mir ja gar nicht zu«, beschwerte sie sich energisch.
»Au, du ...«, Johann verkniff sich eine Beleidigung und schwor dem Kitz, dass er jedes Wort gehört hatte. Da! Ein Geräusch. Abrupt blieb Johann stehen. Bertrude trabte ahnungslos und munter quasselnd weiter.
»Bssst, bssst, Bertrude, komm her«, rief Johann leise warnend.
Johann vernahm Geheul, das nichts Gutes versprach. Wenn es Wölfe waren, dann gute Nacht. Wölfe liebten junge Hirschkitze und Drachen wahrscheinlich genauso. Es waren sogar drei Wölfe, die sich frech aus dem Unterholz zeigten. Bertrude erkannte im letzten Moment die Gefahr und sprang zu Johann zurück. Die Wölfe schlichen geduckt und zähnefletschend langsam näher. Der kleine Drache wurde wütend. Und wütende Drachen spucken Feuer. Nichts ahnend umrundeten die Wölfe weiter ihre Beute. Sie kamen näher, bedrohlich nah. Urplötzlich stieß Johann eine große Stichflamme aus, die den Wölfen den Pelz versengte. Jaulend liefen sie davon und waren nicht mehr gesehen. Sprachlos sank Bertrude ins kühle Moos. Sie war von dem kleinen Drachen sehr beeindruckt. Doch auch Johann schlotterten die Knie.
Mittlerweile irrten sie schon lange durch den Wald und es wurde langsam dunkel. Der Sternenstaub begann zu rieseln. Johann unterdrückte ein Niesen. Bertrude streckte ihre Zunge heraus, um den Sternenstaub einzufangen. Hirsche mochten den Sternenstaub anscheinend genauso gerne wie die Urulus. Allmählich gewann Bertrude ihre Sorglosigkeit zurück und fing wieder an zu erzählen. Johann ließ sich nicht ablenken und beobachtete seine Umgebung genau. Zwischen dem Laub bewegte sich etwas. Johann sah gespannt zu, was da kam. Viel konnte es nicht sein.
»Kennst du den Vornamen vom Reh?«
»Nö.«
»Kartoffelpü.«
Johlendes Gelächter ertönte.
Fünferl und Zehnerl steckten ihre Köpfe aus dem Boden und sahen direkt in die Nasenlöcher des kleinen Drachen.
»Das wäre ein gutes Versteck«, sagte Zehnerl und deutete mit dem Kopf auf die Nasenlöcher.
»Aber heiß«, konterte Fünferl.
»Sehr witzig«, bemerkte Johann verdrossen.
Bertrude ging ihm auf die Nerven und jetzt auch noch ein vorlauter Regenwurm, der sich über ihn lustig machte. Aber vielleicht konnte der Regenwurm helfen! Und tatsächlich, Fünferl und Zehnerl erinnerten sich an einen riesigen Hirschen, der nach seinem Kitz gesucht hatte. Aber wo sie den Hirschen gesehen hatten, wussten sie schon nicht mehr. Es konnte aber nicht weit sein, da Regenwürmer nicht die Schnellsten waren. Meistens graben sie tief und nicht weit.
»Das war bestimmt mein Papa, das war bestimmt mein Papa«, rief Bertrude aufgeregt.
Johann schaute sich um. Kein Hirsch weit und breit. Dafür bemerkte er ein anderes, ihm unbekanntes Wesen. Vor Ihnen stand ein – ja was war denn das?
Fünferl und Zehnerl brüllten entsetzt: »Ein Bär, ein Bär«, und bohrten sich flugs auf Nimmerwiedersehen in die Erde.
Wie zu Salzsäulen erstarrt, standen Bertrude und Johann da. Nur Bertrudes Wimpern klimperten wie wild vor Angst.
Der riesige zottelige Bär richtete sich auf und kratzte mit seinen krummen Krallen an einem Baumstamm. Der verwundete Baum gab eine güldene Flüssigkeit frei. Genüsslich lutschte der Bär das goldschimmernde Rinnsal auf.
»Hab euch geseeeheeen! Braucht keine Angst zu haaabeeen«, trällerte der Bär mit theatralischer Stimme. »Mich haben heute ein paar wild gewordene Hirsche angegriffen. Mich mit ihren Geweihen in den Popo gestochen, ohne Grund«, erzählte er, »entsetzlich, nicht?«
»Wo war das?«, rief Johann aus sicherer Entfernung.
»Na da vorne auf der Wiese, neben dem kleinen Waldsee. Diese verrückten Kühe, äh, Hirsche. Nicht zu fassen, nur weil sie ein paar Kitze haben, müssen sie nicht meinen, ich fresse alles und jeden.« Der Bär holte Luft. »Ich bin nämlich ein Genussbääär und außerdem Vegetariieeer«, empörte er sich gekünstelt. »Ich schmeiß lieber mit Blütenblättern, wenn ihr wisst, was ich meine, ha«, säuselte er mit einer Pfote abwinkend.
Oh je, was war denn das für ein komisches Tier, dachte Johann. Brav für den Hinweis dankend, huschten sie an dem Bären vorbei und liefen auf den Waldsee zu.
»Gern gescheeehen«, frohlockte der Bär und sah ihnen mit verträumtem Blick nach.
Im See spiegelten sich die Sterne und der Sternenstaub verglühte mit leisem Zisch im Wasser. Johann musste laut niesen und Feuer spucken zugleich. Plötzlich brach ein riesiges Geweih geräuschvoll durch das Gebüsch.
»Bertrude, da bist du ja! Endlich! Meine Güte, wir haben den ganzen Tag nach dir gesucht«, brüllte Hubertus. Es knisterte und knackste plötzlich überall und eine Hirschkuh kam mit großen Sprüngen aus dem Unterholz gestürzt.
»Beeertruuuude, Beeertruuuude, du bist es wirklich. Meine Güte, ich bin beinahe verrückt geworden vor Sorge«, rief Friedberta und leckte ihr Kitz von oben bis unten ab.
»Papa, Papa, Mama, ich hatte solche Angst allein im Wald. Johann hat mich gefunden und ein Bär hat uns gesagt, wo ihr seid.«
Die übrigen Hirschkühe beäugten Johann streng und senkten die Köpfe, bereit für den Angriff. Hubertus reckte stolz sein Geweih und beruhigte seine Herde. Er bedankte sich bei Johann für die glückliche Rückkehr seiner Tochter und zog sich zurück.
Bertrude wiederholte ihr Erlebtes so oft, dass nur noch ihre Mutter interessiert zuhörte. Die anderen Hirschkühe verdrehten die Augen und kümmerten sich lieber um ihre eigenen Kitze.
Der kleine Drache wollte gerade aufbrechen, als Bertrude ihm vorschlug, bei ihnen zu übernachten. Im Rudel wäre er sicherer als nachts allein durch den Wald zu laufen, meinte sie. Wieder klimperte sie mit ihren langen Wimpern. An die Wölfe und den kauzigen Bären denkend, nahm Johann gerne an. Mitten zwischen den Hirschdamen und den Kitzen schlief er tief und fest bis zum Morgengrauen.
Als Johann erwachte, hörte er Delphine und Wilhelmine über das bevorstehende Geschnatter von Bertrude jammern. Bertrude würde ihre Geschichte wochenlang wiederkäuen, immer und immer wieder, prophezeiten sie, sich gegenseitig bemitleidend.
Schmunzelnd schlich Johann leise davon. Er spazierte frohgemut und ohne Zwischenfall durch den Wald. Bald war er auf der Wiese bei seinen schlafenden Eltern angekommen. Gerade noch rechtzeitig legte er sich zwischen Mama und Papa Drache und wartete bis die Reise weiterging.
Seine Eltern wachten auf und ahnungslos kuschelten sie mit Johann.
Gut gelaunt machten sie sich für den Weiterflug bereit. Dann überflogen sie den zweiten mächtigen Berg des Gebirges, hinter dem der Drachenwald liegt, wo alle Drachen wohnen.
Ob dies geschah oder nicht, erfährst du in der nächsten Gschicht.