Читать книгу Gauner-Ehre - C. J. Cutcliffe Hyne - Страница 5
Drittes Kapitel
ОглавлениеTheodor Shelf hätte Onslow gern ohne Verzug in sein Arbeitszimmer im ersten Stock entführt, um den großen Plan, den er im Kopfe hatte, näher mit ihm zu besprechen, allein Onslow hielt es für besser, zu bleiben, wo er war. Shelf wies mit einer bezeichnenden Kopfbewegung auf die Eintretenden, als ob er sagen wollte, daß ein dritter in diesem Augenblick sehr ungelegen komme. Onslow wandte sich mit der Queue in der Hand den Kommenden zu und schlug ein Spiel »Kegel« vor.
»Gerade deswegen kommen wir,« antwortete Amy rasch. »Hamilton, hole die Bälle, und Sie, Mr. Onslow, haben wohl die Güte, die Karambolagebälle wegzulegen, damit sie nicht zwischen die andern geraten.«
Sie spielten und unterhielten sich munter dabei. Ihr Gespräch drehte sich um die schlechte Ausstellung, die vor kurzem in der Akademie abgehalten worden war, und Onslow sprach sehr geistvoll über die Malerei in Paris, auf Wänden, in Gesichtern und auf Leinwand, wie denn dieser Mann, dem London den Spitznamen »der große Reisende« gegeben hatte, sehr anziehend sein konnte, wenn er wollte, und da er von Natur liebenswürdig war, wollte er in der Regel.
Shelf verließ indessen das Billardzimmer mit einem Gefühl in der Magengegend, das eine große Aehnlichkeit mit der Seekrankheit hatte. Zunächst hatte ihm dieser Onslow, der augenscheinlich kein Blatt vor den Mund nahm, mehr deutlich als höflich zu verstehen gegeben, daß er ihn für einen augenverdrehenden Heuchler halte, und hatte diese Meinung mit Gründen belegt. Ferner hatte er selbst, Theodor Shelf, sich in einem unbewachten Augenblick der Erregung verleiten lassen, diesem gefährlichen Onslow einen Plan anzudeuten, wodurch man auf einen Schlag fünfhunderttausend Pfund Sterling verdienen konnte. Allerdings hatte er die Einzelheiten nicht verraten, aber Onslow hatte sofort gemerkt, daß es sich um eine großartige Spitzbüberei handelte, und er, Shelf, hatte das nicht geleugnet.
Deshalb ging Shelf geradeswegs in sein Arbeitszimmer und stärkte seine Nerven mit einem ausgewachsenen Schluck Cognac. Hierauf kaute er, aus Rücksicht auf das blaue Bändchen, das er im Knopfloch trug – das Abzeichen derjenigen, welche das Gelübde der Enthaltsamkeit von geistigen Getränken abgelegt haben – ein paar Kaffeebohnen, verbarg die Cognacflasche im Geheimfache seines Schrankes und setzte sich hin, um nachzudenken.
Wenn er Onslow richtig verstanden hatte, oder noch besser, wenn er sicher gewußt hätte, ob er ihm vertrauen könne, dann war ein Vermögen zu gewinnen. Und das hatte er dringend nötig! Die große Firma Marmaduke Rivers & Shelf, die sich »Agenten der überseeischen Dampfschiffahrtsgesellschaft« nannte, in Wirklichkeit aber die Dampferlinie, die unter dieser Flagge segelte, auf eigene Rechnung betrieb, sah äußerlich sehr blühend aus; aber der Mann, der sich rühmte, daß alles, von den Gebäuden bis zur Maschinenölkanne, ihm gehöre, wußte es besser. Er hatte überall Anleihen aufgenommen, und zwar mit solcher Vorsicht und Schlauheit, daß nur er allein den ungeheuren Gesamtbetrag kannte. Er wußte, daß die Firma faul, daß sie von zwanzig Seiten mit dem Zusammenbruch bedroht war, der jeden Tag eintreten konnte. Diesem aber mußte ein Krach folgen, den vorauszusehen dadurch nicht angenehmer wurde, daß er infolge seiner Ausdehnung und seiner verderblichen Folgen in der Geschichte weiter leben würde.
Er, Theodor Shelf, würde ganz gewiß nicht in England sein, um dem Zusammenbruch ins Gesicht zu sehen. Seit sein Geschäftsbarometer auf »stürmisch« stand und Anzeichen noch weiteren Fallens wahrnehmen ließ, hatte er in aller Stille große Beträge in sorgfältig erwägter Verteilung bei verschiedenen guten südamerikanischen Banken angelegt und war sogar so weit gegangen, unter angenommenem Namen eine malerisch gelegene Besitzung am oberen Paraguay anzukaufen.
Dort brauchten ihm die Auslieferungsverträge keine Sorge zu machen, wenn das Gewitter des Bankerotts losbrach, und der verfolgte Schwindler hätte ein behagliches Ruheplätzchen gefunden.
Allein, vorläufig hatte Shelf noch keine Lust, sich in diesen tropischen Zufluchtsort zurückzuziehen, denn die Macht, die ihm seine hohe und angesehene Stellung in der City verlieh, hatte einen großen Reiz für ihn.
Während ihm dies durch den Kopf ging, drückte er den Foxterrier, der ihm auf den Schoß gesprungen war, fester an sich.
»George, alter Freund,« sprach er, »wenn die Geschichte schief geht, bist du, glaube ich, das einzige lebende Wesen in England, das sich nicht gegen mich wenden wird.«
George streckte seine rote Zunge hervor und leckte Shelfs eckiges Kinn, dann zog er sich wieder in sich selbst zurück und sah verdrießlich aus, denn die Thür hatte sich geöffnet, und Mrs. Shelf stand auf der Schwelle. Zwischen George und Mrs. Shelf herrschte nämlich tiefe gegenseitige Abneigung.
»Allein, Theodor? Ich glaubte, Mr. Onslow wäre hier. Um so besser, denn ich habe dich schon den ganzen Morgen sprechen wollen. Jage doch den häßlichen Köter fort!«
George wurde nicht hinausgewiesen, und Shelf fragte, was seine Frau wünsche. Sie kam sofort zur Sache, indem sie ihm einen Brief überreichte, der zum größten Teil lithographiert war, und den er mit bitteren Empfindungen durchlas.
»Hm, von der Bank. Dein Privatguthaben überschritten. Das ist nun schon das dritte Mal in diesem Jahre, Laura. Meine Warnungen scheinen in den Wind gesprochen zu sein. Du bist offenbar entschlossen, zu kosten, wie die Armut schmeckt.«
»Armut! Papperlapapp! Diese Albernheiten verfangen bei mir nicht; zunächst glaube ich nicht daran, und wenn es wirklich wahr wäre, wollte ich lieber zu Grunde gehen, als mich einschränken. Wir können uns ja erlauben, offen miteinander zu reden, Theodor. Du weißt sehr wohl, daß wir unsre Stellung in der Gesellschaft einzig und allein unserm Gelde verdanken.«
»Ja, zu meinem Schaden weiß ich das. Aber nachdem du dein Eintrittsgeld zum mindesten achtmal bezahlt hast, könntest du dich jetzt mit einem mäßigen Beitrag begnügen. Der gestrige Ball zum Beispiel –«
»War unerläßlich, und ich konnte es nicht umgehen, ihn so prächtig als möglich zu machen.«
»Prächtig? Bildest du dir etwa ein, ich wäre ein Krösus, Laura, der ein Zimmer mit dunkelroten, ein zweites mit hellroten und ein drittes mit Marschall Niel-Rosen tapezieren lassen kann, nur ein paar Narren zu Gefallen, die sich einen kurzen Abend darin herumtreiben? Aus der heutigen Morgenzeitung habe ich erfahren, daß die Blumen mittels Sonderzuges von Nizza gekommen sind und fünfhundert Pfund kosten.«
»Und doch wirfst du mir Verschwendung vor! In allen Zeitungen steht diese Mitteilung, dafür habe ich gesorgt, und alle Welt wird sie lesen. In Wirklichkeit kosten die Blumen nur lumpige dreihundert, so daß ich noch zweihundert zu gute habe. Theodor, du bist kurzsichtig, du verstehst deinen eigenen Vorteil nicht. Ich ganz allein werde dir noch in diesem Jahre den Adel verschaffen, und wenn du nur halb so eifrig für dein Interesse gearbeitet hättest, als ich es gethan habe, würdest du sogar ins Herrenhaus kommen können.«
»Leuten unsres Schlages werden Titel nur für bare Auslagen zu wohlthätigen Zwecken, Bildergalerieen oder politische Klubs verliehen,« antwortete Shelf verdrießlich, »und ehe das geschieht, werden sehr eingehende amtliche Nachforschungen angestellt, ob die Vermögensverhältnisse des Auszuzeichnenden auf breiter und vollkommen gesunder Grundlage beruhen. Und gerade Gründe, die damit im Zusammenhang stehen, versperren dir die Aussicht, ›Mylady‹ zu werden, jeden Tag mehr und mehr.«
»Deine Neigung zum Predigen ist dir förmlich zur zweiten Natur geworden, Theodor,« entgegnete Mrs. Shelf, indem sie mit einer Miene vollständigen Unglaubens die Achseln zuckte. »Glaube mir nur, diese scheinheilige Sprechweise macht sich nicht bezahlt. Damit erreichst du höchstens einen lumpigen Rittertitel. Aber geh du nur deinen Weg, ich werde den meinen gehen; du sollst es trotz alledem zu etwas bringen.«
Mrs. Shelf bemerkte jetzt, daß ihres Gatten Augen in mühsam unterdrückter Wut zu funkeln begannen, und da sie gegen heftige Auftritte einen großen Widerwillen hegte, ließ sie den Gegenstand fallen und kam auf ihre gegenwärtigen Wünsche zurück.
»Laß uns diese unerquickliche Erörterung abbrechen und auf unser Geschäft zurückkommen,« sagte sie. »Ich ersuche dich, das Erforderliche wegen dieses unverschämten Schreibens von der Bank zu veranlassen. Es laufen noch verschiedene Checks von mir um, die noch nicht zur Zahlung vorgezeigt worden sind, und ich bin unbedingt genötigt, noch heute einige weitere Kleinigkeiten auszustellen, die etwa tausend Pfund betragen werden. Bitte, sorge dafür, daß sie eingelöst werden.«
Shelf erhob sich, und der Hund sprang knurrend zu Boden.
»Weib,« schrie er leidenschaftlich, »du glaubst mir nicht, aber wenn du mit deiner wahnsinnigen Verschwendung fortfährst, wirst du bald inne werden, daß ich nicht lüge; vielleicht nur allzubald. Wenn ein schmählicher Bankerott über mich hereinbricht, kannst du sehen, wie du fertig wirst; ich werde dir dann nicht mehr im Wege sein. Wohin ich gehen, wie ich mein neues Leben einrichten werde und wer daran teilnehmen wird, das alles sind Dinge, die ich ohne dein Zuthun abmachen werde. Solange sich die Geschichte hier noch halten läßt, werde ich alle Formen beobachten, und wenn du Wert auf diese legst, wird es klug von dir sein, dein Thun und Treiben etwas zu überlegen. Ich sage dir ganz offen, daß, wenn die Firma fällt, nicht nur England, sondern die halbe Welt in ein Wutgeheul ausbrechen wird. Marmaduke Rivers & Shelf,« fuhr er mit grimmigem Hohne fort, »waren einstmals eine angesehene, ehrenwerte und erfolgreiche Firma, bis ihre Geschäftsführung dunkle Wege einschlagen mußte, um das Geld herbeizuschaffen, das dein verfluchter Ehrgeiz verlangte.«
Ein neuer Ausdruck, den seine Frau noch nie an ihm bemerkt hatte, lag auf Shelfs sauber rasiertem Gesicht, und eine häßliche Glut leuchtete in seinen Augen, die sie doch etwas erschreckte. Unentschlossen näherte sie sich der Thür und legte die Hand auf den Drücker.
»Du wirst so gut sein, die Angelegenheit zu ordnen, die mich hierher geführt hat,« sprach sie kalt, indem sie sich aufrichtete und ihn mit einem Blick gut gespielter Geringschätzung von oben bis unten maß. »Ich werde jetzt hingehen und die Checks ausstellen, wovon ich gesprochen habe.«
»Geh,« sprach Shelf und sah sie mit einem sehr eigentümlichen Blicke an, »geh hin und thu, was dir gefällt. Du bist ein entschlossenes Frauenzimmer, und da auch ich eine entschlossene Natur bin, so bewundere ich deine Willenskraft, aber trotzdem glaube ich, daß ich dich umbringen werde, ehe ich England verlasse.«
Mrs. Shelf lachte höhnisch auf, aber ihre Lippen waren bleich.
»Hu, wie theatralisch!« sagte sie, »aber ich danke dir, daß du nach meiner Bankabrechnung sehen willst; ich muß das Geld unbedingt haben.«
Damit schritt sie zur Thür hinaus, die sie hinter sich zuzog, und Shelf kehrte zu seinem Sessel zurück.
»George,« sagte er, als ihm der Foxterrier die Vorderpfoten aufs Knie legte, »wenn das Weib nur heute verunglücken wollte, dann gäbe es ein paar tausend Familien in England, die Ursache hätten, wahnsinnig zu jubeln, wenn sie nur den zehnten Teil von dem wüßten, was ich weiß. Arme Teufel! Sie haben mir ihr Alles anvertraut, und das Weib ist daran schuld, daß ich an ihnen zum Schurken werde. Weißt du, mein Hündchen, ich wollte, ein Erdbeben, oder eine Revolution, oder etwas Aehnliches träte ein und würfelte die Dinge etwas durcheinander. Käme ich dabei ums Leben, so würde mir viel Kummer und Sorge erspart werden, wenn nicht, na, ich habe große Hände, und ich glaube, ich könnte in der allgemeinen Rapuse genug ergattern, selbst diese Harpyie zufriedenzustellen. Wie die Sachen aber stehen, bin ich ein Verzweifelnder, der bereit ist, sich an alles zu klammern, was nur die geringste Aussicht auf geschäftliche Rettung bietet. Bah! Dadurch, daß ich mich gräme und mir die Haare ausraufe, wird die Sache auch nicht besser. Das Einzige, was mir übrig bleibt, ist, die Karre im Gange zu halten, wie sie gerade läuft. Andre Leute würden schon lange beargwöhnt sein, allein mein guter Kopf hat mich beschützt. Da sieht man, was für ein Vorteil es ist, als vollkommen rechtlicher und frommer Mann bekannt zu sein!«
Hier brach er seine Betrachtungen ab und begann mit Behagen, seine Predigt für den nächsten Sonntag auszuarbeiten.